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Politische Stabilität und Bewertung | Wahlen in Deutschland: Grundsätze, Verfahren, Analysen | bpb.de

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Politische Stabilität und Bewertung

Karl-Rudolf Korte

/ 3 Minuten zu lesen

Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Wahlsystem und der Stabilität eines politischen Systems lässt sich nicht allgemein beantworten. Wahlsysteme lassen sich jedoch grundsätzlich nach zwei Kriterien bewerten: Gerechtigkeit und Funktionalität.

Die genannten Faktoren sind Bausteine im Mosaik der politischen Stabilität einer Demokratie. So wichtig diese ist, so schwer ist es, abzuwägen, wie sie vom Wahlsystem gefördert und wie sie gehemmt wird. Ein Vielparteiensystem gefährdet zweifellos die parlamentarische Demokratie – vielleicht führt aber ein Mehrparteiensystem zur Integration der Gesellschaft und zur Kontinuität der Regierungsausübung. In Großbritannien hat die Mehrheitswahl Stabilität gefördert. In Liberia dagegen trug sie zum Bürgerkrieg bei, weil ethnische Minderheiten keine Repräsentanten ins Parlament entsenden konnten, ihre Rechte verletzt sahen und schließlich zu den Waffen griffen. Allgemeine Antworten auf die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Wahlsystem und der Stabilität des politischen Systems sind nicht möglich. Viele Vorurteile in der öffentlichen Auseinandersetzung über Wahlrechtsänderungen bestimmen den politischen Diskurs. Wahlsysteme haben Auswirkungen auf die Verteilung der politischen Macht.

Änderungen sind jedoch nicht mit Manipulationen gleichzusetzen. Das jeweilige Wahlrecht lässt bestimmte Ergebnisse erwarten. Ob diese gerecht sind, ist eine ethische, keine politische Kategorie. Die mathematischen Verrechnungsverfahren müssen jedoch durch eine demokratisch legitimierte Legislative beschlossen worden sein.

Bei der Bewertung von Wahlsystemen lassen sich grundsätzlich zwei Maßstäbe anlegen:

  • Gerechtigkeit: Ein Wahlsystem soll vor allem gerecht sein. Das Parlament soll die Verhältnisse der Gesellschaft möglichst exakt widerspiegeln. Der Maßstab zur Bewertung des Wahlrechts ist daher die Gerechtigkeit.

  • Funktionalität: Eine Demokratie soll vor allen Dingen funktionieren. Das geht am besten, wenn es zwei große Parteien gibt, die um die Macht konkurrieren müssen und sich in der Regierungsverantwortung immer wieder abwechseln. Die Wahl soll deshalb einer Partei zu einer soliden Mehrheit verhelfen, sodass eine stabile Regierung gebildet werden kann. Sie soll zudem den Regierungswechsel fördern.

Es ist offensichtlich, dass die Verhältniswahl eher die Kriterien der Gerechtigkeit erfüllt, während die Mehrheitswahl die Funktionalität fördert. Beide Positionen sind einleuchtend: Natürlich soll das Wahlrecht gerecht sein. Es ist aber auch nicht von der Hand zu weisen, dass das Wahlergebnis ein funktionierendes Staatswesen ermöglichen muss. Diese Grundpositionen schließen sich in gewisser Weise aus – aber nicht völlig: Es wäre dogmatisch und kurzsichtig, die Wahlsysteme auf die reine Verhältniswahl à la Weimar und die relative Mehrheitswahl à la Großbritannien zu verkürzen. Man würde so den Reichtum an Variationen und die unterschiedlichen Wirkungen der Wahlsysteme beiseitewischen.

Alter der Mitglieder des Bundestages Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Das Wahlrecht der Bundesrepublik Deutschland versucht, einen Ausgleich der beiden Positionen zu erreichen. Der Ausschluss kleiner Parteien durch die Fünfprozenthürde kann als "ungerecht" betrachtet werden. Eine Zersplitterung des Parteiensystems wird dadurch auch nicht in jedem Fall verhindert. Von der Fünfprozenthürde abgesehen, bemüht sich das deutsche Wahlrecht aber um Gerechtigkeit. Nach Abzug der Stimmen von Parteien, die die Fünfprozenthürde nicht geschafft haben, erfolgt die Vergabe der Parlamentssitze entsprechend der Stimmenanteile und somit gerecht.

Die Parteien bewerten die Wahlsysteme unterschiedlich. Schließlich kann Erfolg oder Misserfolg davon abhängen. Die Haltung der Parteien ist daher meist weniger von prinzipiellen Erwägungen als von machtpolitischen Interessen geleitet. Kleine Parteien lehnen Mehrheitswahl und Sperrklauseln zumeist ab. Große Parteien befürworten dafür die Mehrheitswahl, wenn diese ihre Erfolgschancen erhöht.

Fussnoten

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Professor Dr. Karl-Rudolf Korte hat einen Lehrstuhl für Politikwissenschaft inne und ist Direktor der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen. Er ist zudem geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift für Politikwissenschaft.

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