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Verwaltungsmodernisierung durch Bürgerhaushalte?

Ernst–Ulrich Reich

/ 3 Minuten zu lesen

Bedürfnisse von Bürger/-innen lassen sich nicht in starre Zuständigkeitsbereiche abgrenzen, folglich sollten Verwaltungen ressortübergreifende Zusammenarbeit fördern.

(© Mathieu Stern on Unsplash)

Mein Name ist Ernst–Ulrich Reich, im "normalen Leben" bin ich Leiter des Steuerungsdienstes im Bezirksamt Lichtenberg von Berlin. In der Zeit von Juni 2003 bis Juli 2006 habe ich die Leitung des Projekts der Berliner Neuordnungsagenda 2006 "Partizipative/r Haushaltsplanaufstellung, -beschluss und -kontrolle im Bezirk" - kurz "Bürgerhaushalt" übernommen.

Verwaltungsmodernisierung

An dieser Stelle möchte ich auf die verwaltungsmodernisierenden Aspekte hinweisen, die das Projekt Bürgerhaushalt, obwohl auf dem ersten Blick vermeintlich nicht direkt im Themenzusammenhang stehend, gerade für die Verwaltung mit sich gebracht hat.

Aber zunächst: Was heißt eigentlich "Verwaltungsmodernisierung"? Hier gibt es diverse Begriffsinhalte:

  • Staats- und Verwaltungsreformen auf Macro- und Microebene

  • Rationalisierung und Leistungssteigerung

  • Reformen im Hinblick auf Strukturen, Verfahren, Ressourcen (Finanzen, Personal), Medien (Recht usw.) – u. v. a. m.

Ich möchte nur jeweils einen der letztgenannten Aspekte aufzeigen, die im Sinne von Reformen des New Public Management (NPM) verstanden sein sollen – hier insbesondere aus den Reformfeldern

  • (internes) Verwaltungsmanagement und

  • Demokratisierung und Bürgerbeteiligung.

(Internes) Verwaltungsmanagement

Die Kollision des geschichtlich in der öffentlichen Verwaltung etablierten Ressortprinzips mit Sachverhalten des täglichen Lebens ist durch den "Bürgerhaushalt" einmal mehr sichtbar geworden – in diesem Fall durch die Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger sowie der weitere Umgang damit.

Es wurde deutlich, dass die jetzige Verwaltungs(aufbau)organisation ein nur suboptimales Reagieren auf die Bedürfnisse der Bürger erlaubt. Das Lebenslagenprinzip steht wieder im Raum, denn der Bürgerhaushalt hat bestätigt, was im Grunde bereits bekannt ist: Die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger lassen sich nicht nach Ressorts abgrenzen, folglich sollte die Verwaltung nach einem Prinzip organisiert werden, das eine ressortübergreifende Zusammenarbeit möglich macht und fördert.

Ein erster Schritt hierzu ist im Bezirksamt Lichtenberg von Berlin insoweit vollzogen worden, als das eine (durch Politik moderierte) ressortübergreifende Arbeitsgruppe, die sog. "AG Planungsvernetzung", installiert wurde, in welcher alle Planungen der Bezirksverwaltung aufeinander abgestimmt werden; seit kurzem ist in dieser AG auch die (organisierte) Bürgerschaft vertreten. Die ämter- und abteilungsübergreifende Zusammenarbeit der verschiedenen bezirklichen Organisationseinheiten hat nach deren Aussage sogar dazu geführt, dass ein erheblich besseres Verständnis für die Aufgaben und Aufgabenerledigung der jeweils Anderen sowie ein "Wir-Gefühl" in der Darstellung der unterschiedlichen Aufgabenbereiche entstanden ist – ein nicht unerheblicher Beitrag im Rahmen eines entstehenden Corporate Identity.

Demokratisierung und Bürgerorientierung

Das Zusammenspiel zwischen Politik und Verwaltung war bei der Umsetzung des Projektes, auch nach Auffassung der Evaluierenden, sehr gut. Die Projektorganisation von der Besetzung des Lenkungsgremiums bis hin zur Durchführung der Veranstaltungen war so angelegt, dass sowohl Vertreter von der Politik als auch von der Verwaltung eingebunden wurden. Dieses Vorgehen hat sich bei Modernisierungsprojekten im Zusammenhang mit der Einführung des Neuen Steuerungsmodells im Übrigen ebenfalls bewährt.

Wie die am Projekt Bürgerhaushalt Beteiligten mittlerweile festgestellt haben, hat der Bürgerhaushalt Berlin-Lichtenberg große Aufmerksamkeit bei Öffentlichkeit und Politik auf den Bezirk gelenkt und damit eine wesentliche Imageverbesserung bewirkt. Lichtenberg hat sich nach den mir bekannt gewordenen Aussagen als modern, innovativ und vor allem bürgernah präsentiert. Die Verwaltung will, angestoßen durch das Projekt Bürgerhaushalt wissen, was die Bürgerschaft denkt; sie will bürgerfreundlicher werden und lässt sich dafür auch in die Karten schauen. Gleichzeitig hat der Bürger Einblick in die komplizierte Haushaltsthematik erhalten und ein besseres Verständnis entwickeln können, auch für die Schwierigkeiten und Grenzen politischer Entscheidungen.

Ein derart "trockenes" Thema wie öffentliche Haushalte den Bürgern verständlich näher gebracht zu haben, ist ein Erfolg für die Verwaltung. Ähnlich ist die Trennung beeinflussbarer und nicht beeinflussbarer Leistungen und Produkte zu betrachten. Bürgerinnen und Bürgern sollte eine freie Bedürfnisäußerung ohne Rücksicht auf Zuständigkeiten möglich gemacht werden. Es ist dann Aufgabe der Verwaltung, die entsprechenden Wege zu beschreiten, um eine Befriedigung dieser Bedürfnisse zu realisieren, wobei hierunter nicht lediglich die Weiterleitung an entsprechend zuständige Stellen zu verstehen ist. Das Lebenslagenprinzip bietet auch hier eine optimale Struktur an, innerhalb derer unterschiedliche Verwaltungsebenen gemeinsam an einer Problemlösung arbeiten.

Der Aufwand einer solchen, rechtlich verankerten, Umorganisation ist allerdings beträchtlich und möglicherweise der Grund dafür, dass ein solches Vorhaben bisher wohl nicht in Angriff genommen worden ist. Projekte wie der Bürgerhaushalt zeigen jedoch die Grenzen und Schwächen der jetzigen Verwaltungsstruktur auf, die auf Dauer nicht ignoriert werden sollten.

Fussnoten

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