Eine Besonderheit der Bürgerhaushalte in Deutschland ist, dass sie auf einem einheitlichen Verfahren basieren bzw. darauf zurückgeführt werden können. Dieses Grundmodell umfasst eine „Information" über den Haushalt der Kommune, eine „Konsultation“ der Meinung der Bürger sowie eine "Rechenschaftslegung" über die Annahme bzw. Ablehnung der Vorschläge.
Wie ist dieser Dreischritt entstanden? Welche Weiterentwicklung hat er erfahren? Der allgemeine Ablaufplan wird im Rahmen des Pilotprojektes „Kommunen der Zukunft“ (1998-2002) unter maßgeblicher Beteiligung der Hamburger Unternehmensberaterin Angelika Köllner und Gerhard Banner, Mitglied a.D. des Vorstands der Kommunalen Gemeinschaftsstelle KGSt, erarbeitet.
Die drei Phasen sind bereits beim ersten Bürgerhaushalt in der Schwarzwaldgemeinde Mönchweiler sichtbar. Mit dem Schwerpunkt auf Transparenz und Konsultation wird der Einfluss des neuseeländischen Vorbilds Christchurch erkennbar. Im Vergleich zu vielen anderen Partizipationsverfahren sollen mit dem Baustein „Rechenschaft“ die Bürger verbindlich erfahren, was aus ihren Vorschlägen wird - wovon auch eine Stärkung der Teilnahmemotivation zu erwarten ist.
Das Projekt „Kommunaler Bürgerhaushalt“ (2000-2004) übernimmt die Methode, wobei die drei Schritte von den Städten unterschiedlich umgesetzt werden. So informiert z.B. die Stadt Hilden nicht nur über Broschüren und Zeitungsartikel, sondern lässt öffentlichkeitswirksam Bierdeckel mit Themen des Haushalts bedrucken.
Und im hessischen Groß-Umstadt ist der Bürgerhaushalt mit einer Diskussion über Projekte der Lokalen Agenda 21 verbunden.
Im nordrhein-westfälischen Vlotho hingegen war der Haushalt sogar einmal Gegenstand des Schulunterrichts. Schüler setzten sich mit den Finanzen auseinander und diskutierten anschließend ihre Vorschläge mit dem Rat.
Mit dem Engagement der Bundeszentrale für politische Bildung für einen Bürgerhaushalt in Berlin kommt es zu einer Vertiefung des klassischen Dreischritts „Information-Konsultation-Rechenschaft“. Kooperationspartner dieser Entwicklung sind die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Heinrich-Böll-Stiftung, die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Rosa-Luxemburg-Stiftung sowie die Friedrich-Naumann-Stiftung, welche zusammen das im Deutschen Bundestag vertretene politische Spektrum abbilden.
Insbesondere Heino Gröf von der Bundeszentrale für politische Bildung fordert, dass die Bürger massenhaft zu mobilisieren seien. Dementsprechend wird eine „Mobilisierungsphase“ hinzugefügt, in der es darum geht, die wesentlichen lokalen Akteure (Bürgerschaft, Politik, Verwaltung und ggf. die Wirtschaft) vom Sinn und Zweck eines Bürgerhaushalts zu überzeugen.
Nach dem Vorbild der internationalen Entwicklungskooperation wird auch Wert darauf gelegt, dass diese Gruppen schon bei der Konzeption des Verfahrens einbezogen werden, wie sie auch später an seiner Evaluation teilnehmen sollen.
Die wesentliche Neuerung besteht allerdings darin, dass die Bürger durch eine Abstimmung die Reihenfolge ihrer Vorschläge selbst festlegen. Sie übergeben dem Rat, der die letzte Entscheidung über den Haushalt trifft, eine hierarchisierte Liste.
Die einzelnen Phasen des neuen Ablaufs werden im Dokument „Bürgerhaushalt in Großstädten“ beschrieben, wo sie anhand folgender Fragen dargestellt werden: •
Wie können Bürgerschaft, Politik und Verwaltung mobilisiert werden?
Wie kann über den Haushalt informiert werden?
Wie können im Bürgerhaushalt Vorschläge entwickelt werden?
Wie kann die Übergabe der Empfehlungen an die Politik erfolgen?
Wie kann eine Rechenschaft gewährleistet werden?
Wie ist eine beteiligungsorientierte Evaluation möglich?
Dieser Ablauf lässt sich im Bürgerhaushalt von Berlin-Lichtenberg wiederfinden. Der Bezirk hat sich für sein Verfahren an einem Regelwerk orientiert, das von Carsten Herzberg et al. im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung erarbeit wurde (siehe bpb, „Bürgerhaushalt in Großstädten“, Bonn, 2005, S. 14).
Inzwischen ist zu beobachten, dass das Lichtenberger Beispiel die Praxis beeinflusst: Eine Prioritätensetzung durch die Bürger - und damit verbunden eine größere Verbindlichkeit im Umgang mit ihren Vorschlägen - wird mittlerweile im ganzen Bundesgebiet diskutiert. Vielen Organisatoren scheint darüber hinaus bewusst geworden zu sein, dass man für die Mobilisierung der Bürger einen größeren Aufwand betreiben muss als bisher.