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Mittel gegen Desinformation: die Schwachpunkte von Faktenchecks

/ 6 Minuten zu lesen

Faktenchecks sind ein wesentliches Mittel gegen Falschinformationen – auch in der schulischen Medienbildung. Die Methode hat allerdings Grenzen, die beim Einsatz im Unterricht bedacht werden sollten.

Nicht alles ist auf den ersten Blick klar: Ein Blick auf die Nachteile von Faktenchecks. (© Handi Berty / pexels)

Neuerdings verzichten Meta und Google auf Faktenchecks, die Desinformation begegnen. Das bedeutet konkret, dass der Meta-Konzern seit Anfang 2025 auf seinen sozialen Netzwerken Facebook, Instagram und Threads in den USA keine Faktenchecks mehr veröffentlicht. Im Sommer 2025 hat auch Google angekündigt, weltweit Faktenchecks in Suchergebnissen nicht mehr hervorzuheben. Der sogenannte „ClaimReview“ werde nicht häufig verwendet und biete keinen wesentlichen Mehrwert für die Nutzerinnen und Nutzer, so Google. Meta-Chef Mark Zuckerberg hat es noch drastischer formuliert: „A program intended to inform too often became a tool to censor.” („Ein Programm, das informieren sollte, wurde zu oft zu einem Instrument für Zensur.“)

Festzuhalten ist, dass Faktenchecks keine Inhalte zensieren – zumal in den sozialen Netzwerken von Meta desinformierende Beiträge bisher nicht gelöscht werden, wenn eine Bewertung auf der Basis von Faktenchecks erfolgt. Jedoch weist dieses Mittel auch Schwächen auf und kann unbeabsichtigte Effekte haben. Lehrkräfte können diese berücksichtigen und diskutieren, wenn sie sich im Unterricht Themen wie Nachrichtenkompetenz und Interner Link: Desinformation widmen.

Reaktion auf verbreitete Desinformationen

In journalistischen Medien sind Faktenchecks zu einem ähnlich etablierten Format geworden wie die Nachricht, der Kommentar oder das Interview. Während solche Formate neue und geprüfte Informationen verbreiten, sind Faktenchecks eine Reaktion auf eine zuvor verbreitete Desinformation. Journalistinnen und Journalisten müssen die Behauptungen genau prüfen – was viel Zeit beansprucht: Bis zu drei Tage kann es dauern, bis der Faktencheck zu einer Desinformation veröffentlicht wird. Eine lange Zeit in der schnelllebigen Social-Media-Welt: Die meisten Menschen werden sich weder daran erinnern, welche Beiträge sie in den vergangenen Tagen konsumiert haben, noch werden sie häufig auf die dazugehörigen Faktenchecks stoßen.

Zudem werden weitaus mehr Desinformationen verbreitet, als durch Faktenchecks geprüft werden können. Personen, die solche Faktenchecks durchführen, müssen deshalb auswählen, welche Behauptungen sie prüfen. Wichtige Kriterien dafür sind die Verbreitung, Relevanz, Aktualität und Schädlichkeit der Desinformation. Bei Nutzerinnen und Nutzern sozialer Netzwerke kann diese Auswahl jedoch zu dem nichtzutreffenden Umkehrschluss führen, dass sie Beiträge ohne Faktencheck grundsätzlich als korrekt betrachten.

Durch das nachgelagerte Veröffentlichen erreichen Faktenchecks weniger Menschen als die ursprüngliche Desinformation. Zudem verbreiten die Algorithmen der sozialen Netzwerke sachliche und informierende Beiträge weniger als reißerisch und emotional formulierte Desinformationen, die viele Reaktionen und Kommentare erhalten. Darüber hinaus gibt es nur wenige Überschneidungen zwischen den Konsumentinnen und Konsumenten einer Desinformation und des zugehörigen Faktenchecks.

Wiederholung und Weiterverbreitung von Falschem

Der eigentlich beabsichtigte Lerneffekt, dass Informationen durch Wiederholung im Gehirn gespeichert und miteinander verknüpft werden, wie etwa beim Vokabellernen, trifft leider auch auf Desinformation zu. Im Faktencheck muss die falsche Behauptung für den Kontext zwar genannt werden, aber am besten so knapp wie möglich, damit sich diese nicht im Kopf verfestigt. Denn Informationen, die in einem bestimmten Kontext wiederholt werden, prägen sich ein – selbst dann, wenn sie als falsch markiert sind. Das betrifft auch Überschriften, die eine Behauptung zwar verneinen, aber dennoch wiederholen. Werden solche Titel nur teilweise oder unvollständig verarbeitet, können Faktenchecks kontraproduktiv sein, weil eher die falsche Behauptung im Gedächtnis bleibt.

Faktenchecks sind deshalb meist nach der Methode des so genannten „Truth Sandwich“ aufgebaut, das Lehrkräfte auch im Gespräch gegen Desinformation anwenden können: Die korrekte Information wird dabei gleich am Anfang und noch einmal am Ende des Texts oder Gesprächs erwähnt, vergleichbar mit den Brotscheiben, die ein Sandwich umschließen. Dazwischen werden – möglichst knapp – die falsche Behauptung und anschließend deren Widerlegung durch Quellen und Erklärungen platziert.

Dennoch tragen Faktenchecks ungewollt dazu bei, dass falsche Behauptungen weiterverbreitet werden. Einige Menschen erfahren erst auf diesem Weg von der Desinformation. Das machen sich inzwischen auch deren Verbreiter zunutze, indem sie selbstproduzierte Behauptungen bei Faktencheck-Redaktionen melden. So beschäftigen sie diese einerseits gezielt und erreichen andererseits durch die Faktenchecks eine Verbreitung in seriösen Kanälen und Medien. Lehrkräfte sollten daher bedenken, welche Beispiele für Desinformationen sie im Unterricht behandeln, weil auch diese sich bei Schülerinnen und Schülern einprägen können.

Ein weiterer Schwachpunkt der Methode: Faktenchecks prüfen letztlich immer nur eine konkrete Behauptung. Gleichzeitig bedienen Desinformationen meist umfassendere Narrative: So wird im Faktencheck beispielsweise die Richtigstellung veröffentlicht, dass die fehlende Ecke eines Wahlzettels als Orientierung für sehbehinderte Menschen dient, die dort eine Schablone anlegen. Die falsche Behauptung, dass die Wahlzettel durch diese vermeintliche Beschädigung ungültig seien, verfolgt jedoch das Ziel, Wahlen als demokratischen Prozess zu delegitimieren, indem Betrug unterstellt wird. Der übergeordnete Kontext sollte bei der Beschäftigung mit Desinformationen daher immer mitvermittelt werden.

Mit der Mediennutzung junger Menschen kaum kompatibel

Auch wenn das Prüfen von Informationen grundsätzlich zur Medienkompetenz gezählt wird, ist es Schülerinnen und Schülern und ihren Lehrkräften kaum zuzumuten, selbst Faktenchecks zu aktuellen Ereignissen durchzuführen. Denn diese Methode wird immer herausfordernder und setzt digitale und journalistische Expertise voraus. Expertinnen und Experten für Faktenchecks müssen detektivisch vorgehen und zahlreiche Online-Werkzeuge und Verfahren kennen, um Desinformationen zu entlarven. Dabei besteht stets das Risiko auf verstörende, hetzerische oder gewalttätige Inhalte zu stoßen. Das selbstständige Faktenchecken ist deshalb oft nicht für den schulischen Kontext geeignet.

Außerdem erscheinen Faktenchecks überwiegend als lange schriftliche Beiträge. Das bedeutet, dass sie angeklickt und gelesen werden müssen, obwohl die meisten sozialen Netzwerke weder lange Texte noch klickbare Links unterstützen. Gerade in den bei Schülerinnen und Schülern beliebten Netzwerken wie TikTok, Instagram oder Snapchat gibt es hauptsächlich Bilder und Videos, aber nur selten Text zu sehen. Die Logik der Plattformen zielt zudem darauf ab, Nutzerinnen und Nutzer möglichst lange in ihren Apps zu halten, damit sie dort Inhalte konsumieren.

Faktenchecks sind somit ein Format, das kaum mit der Mediennutzung von jungen Menschen und den Verbreitungswegen von Desinformation kompatibel ist. Lehrkräfte könnten dieses Problem in der Klasse thematisieren und dort Ideen erarbeiten, wie sich Faktenchecks für soziale Netzwerke umsetzen lassen. Eine Möglichkeit wäre, bereits erschienene Faktenchecktexte in Drehbücher für TikTok-Videos oder Instagram-Reels umzuschreiben und aufzunehmen.

Fazit

Faktenchecks haben verschiedene Schwachpunkte, sind und bleiben aber eine wichtige Methode für das Entlarven von Desinformation. Angesichts ihrer Grenzen und möglicher unerwünschter Effekte sollten Faktenchecks in der Schule nicht unreflektiert angewendet werden. Für Lehrkräfte bedeutet das: Faktenchecks eignen sich besonders, wenn sie nicht nur zur inhaltlichen Aufklärung, sondern auch als Anlass für eine Diskussion über Medienmechanismen, digitale Öffentlichkeiten und die Wirkung von Desinformation genutzt werden.

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