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Zur Geschichte der Klimapolitik in Deutschland

Oliver Wagner

/ 7 Minuten zu lesen

Klimapolitik in Deutschland ist eng verwoben mit Energiepolitik, denn diese bedingt das Niveau der Treibhausgasemissionen. Wie hat die deutsche und europäische Gesetzgebung die Klimapolitik in Deutschland im Zeitverlauf verändert und welche zukünftigen Trends sind zu erwarten?

Das Braunkohlekraftwerk Niederaußem steht in dichter Nähe zum Dorf Auenheim (Nordrhein-Westfalen). Die Bundesregierung plant bis Ende 2038 den Kohleausstieg. (© picture-alliance, Jochen Tack | Jochen Tack)

Deutschland konnte bislang seine Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Referenzjahr 1990 nahezu halbieren (auf 656 Mio. CO2-Äq, Stand Januar 2025). Dies ist vor allem auf den starken Ausbau erneuerbarer Energien zurückzuführen. Denn die energiebedingten CO2-Emissionen machen in Deutschland den weitaus größten Teil der ⁠Treibhausgas⁠-Emissionen aus (183 Millionen Tonnen CO2, Stand 2024). Die Energiewirtschaft umfasst die öffentliche Strom- und Wärmeversorgung aber auch Raffinerien zur Produktion von Treibstoffen sowie die Erzeugung von Festbrennstoffen. Weitere zentrale Sektoren sind die Industrie (158 Millionen Tonnen CO2), der Verkehrssektor (144 Millionen Tonnen CO2) sowie der Gebäudesektor (105 Millionen Tonnen CO2).

Vor diesem Hintergrund ist die Interner Link: deutsche Klimapolitik von je her eng mit der Energiepolitik verwoben. Denn die Klimaschutzziele lassen sich nur mit einer ambitionierten Energiepolitik erreichen, die Anreize zum Energiesparen und zum Ausbau erneuerbarer Energien gibt.

Historische Abkehr von fossilen Rohstoffen

Aus diesem Grund sind nationale und internationale Klimaschutzziele nicht zu erreichen, wenn die Energiewirtschaft auf fossilen Energieträgern basiert. Doch historisch gesehen ist die Diskussion einer Abkehr von fossilen Rohstoffen hin zu alternativen Energiequellen deutlich älter als die Klimapolitik. So gab es bereits im 18. Jahrhundert vor allem in Großbritannien intensive Debatten über die Endlichkeit der Kohlevorräte und deren Reichweite (Externer Link: Sieferle 1982, neu aufgelegt 2021). In der modernen Industriegesellschaft wurde der Diskurs im Rahmen der Ölkrise der 1970er Jahre beflügelt und hatte ihren Ursprung in den USA. Von US-Präsident Jimmy Carter wurden erste Initiativen ergriffen, die einen Wandel des Energiesystems und den Ausbau der erneuerbaren Energien zum Ziel hatte. So ist es kein Wunder, dass es ein US-amerikanischer Physiker und Umweltaktivist war, der 1976 den Ausdruck „sanfte Energien“ (engl. Soft Energy) prägte, nämlich Amory Lovins.

Der Autor zahlreicher Bücher beschrieb einen Weg von einem zentralisierten, auf fossilen und nuklearen Brennstoffen beruhenden Energiesystem hin zu einem auf erneuerbare Energien basierenden und durch Effizienz gekennzeichneten Systems. Die Artikel von Amory Lovins (Externer Link: „The road not taken“, 1976), die Gründung des Öko-Instituts 1977 sowie die Publikation der „Energiewende. Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und Uran“ von F. Krause, H. Bossel, Müller-Reißmann (1980) waren wesentliche Wegmarken und intellektuelle Startimpulse der Energiewende- und Klimapolitik in Deutschland.

Energiewende

In Deutschland wurde in den 1980ern der Begriff „Energiewende“ geprägt und etabliert, mit dem dann in den 1990er Jahren auch der Begriff der Klimapolitik verknüpft wurde.

Lange Zeit zählte die deutsche Klimapolitik im internationalen Vergleich zu den anspruchvollsten und effektivsten. Vor allem die Klimaschutzgewinne einer teilweisen Deindustrialisierung sowie eines Umbaus des Energiesystems der neuen Bundesländer nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten führten dazu, dass die Treibhausgas-Emissionen hierzulande erheblich sanken, während sie in etlichen anderen Industrieländern selbst noch nach Abschluss der UN-Klimarahmenkonvention (1992) gestiegen sind.

In weiten Teilen der bundesdeutschen Politik lassen sich zentrale politische Referenzdokumente zur Klimaschutzpolitik finden. Beispielhaft seien folgend einige besonders wesentliche Meilensteine genannt:

All diese Initiativen und Gesetze sind Ausdruck des politischen Willens, das Ziel eines angemessenen und erforderlichen Beitrags zum Klimaschutz in Deutschland auf den Weg zu bringen. Dabei ist deutlich zu erkennen, dass es von einer eher vorsichtigen Umgestaltung hin zu einem grundlegenden Paradigmenwechsel geht. Zudem sieht man, dass schon die Dichte neuer Gesetzesinitiativen erkennbar zugenommen hat.

Wechselbeziehung zur europäischen Klimapolitik

Dabei ist die nationale Klimapolitik in einer ganz wesentlichen Wechselbeziehung zur Interner Link: europäischen Klimaschutzpolitik zu sehen. Der so genannte Externer Link: European Green Deal, den man durchaus als europäische Transformationsagenda für Wirtschaft und Gesellschaft bezeichnen kann, ist die derzeit wichtigste handlungsleitende Richtschnur für europäische und insbesondere auch für die deutsche Klimaschutzpolitik. Er besagt, dass Klimaschutzziele in quasi allen Politikfeldern berücksichtigt werden müssen. Damit wird erstmalig die Klimapolitik zur treibenden Kraft, um Investitionen zu lenken und nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen.

Neben dem Langfristziel der Treibhausgasneutralität sind vor allem die laut Klimaschutzgesetz erkennbare Verschärfung der Zwischenziele bis 2030 hervorzuheben. Das Externer Link: novellierte Gesetz schreibt als Treibhausgasminderungsziel für das Jahr 2030 ein Minus von 65 Prozent gegenüber 1990 vor, zuvor waren es 55 Prozent. Bis 2040 müssen die Treibhausgase sogar um 88 Prozent reduziert und bis 2045 die Treibhausgasneutralität erreicht werden. Die zunächst festgelegten sektoralen Reduktionsziele (Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr Landwirtschaft und Abfall) wurden in einer zweiten Novelle wieder zurückgenommen. Dafür wurde die Bewertung stärken auf einen Ausblick ausgerichtet, ob die Klimaschutzziele mit vorhandener Politik erreicht werden können. Zudem wurde die Rolle des Expertenrates für Klimaschutz gestärkt, indem dieser die Prognosen validieren wird, Fehlentwicklungen feststellen und Maßnahmenvorschläge unterbreiten kann.

Gesetze zur Verminderung der Treibhausgasemissionen

Obwohl noch vor dem Interner Link: Fukushima-Unglück beschlossen, zeigte schon das alte Energiekonzept der Bundesregierung aus dem Jahr 2010 bis zum Jahre 2050 einen politischen Zielkorridor auf: Nämlich den Ersatz fossiler durch erneuerbare Energien und verstärkte Anstrengungen zur Steigerung der Energieeffizienz. Im Klimaschutzgesetz 2021 geht die nationale Klimaschutzpolitik noch einen Schritt weiter und definiert mit Blick auf das neue europäische Klimaziel 2030 sowie als Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes konkrete Meilensteine.

Die jüngeren Entwicklungen, insbesondere die angestrebten Treibhausgasneutralität bis 2045, weisen auf dynamische Transformation bestehender Energie- und Verkehrssysteme hin. Auch in der industriellen Landwirtschaft deuten sich Veränderungen in Richtung eines postfossilen, klimafreundlichen Zeitalters an.

Die Klimaschutzgesetzgebung zielt mit ihrer langfristigen Strategie auf ein Mehr an Planungssicherheit für alle Akteur*innen ab: Energiewirtschaft, Industrie und Bürger*innen haben so eine verlässliche Orientierung, dass fossile Energieträger langfristig keine Rolle mehr spielen soll. Wer eine Investition tätigen will weiß, dass sie nur dann auch wirtschaftlich nachhaltig ist, wenn sie den Anforderungen an den Klimaschutz entspricht. Dieser Prozess verläuft nicht konfliktfrei, denn mit der steigenden Notwendigkeit ambitionierte Klimaschutzziele zu erreichen, greifen die umzusetzenden Maßnahmen auch in den Alltag der Menschen ein. So ist mit dem Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung auch die zukünftige Verfügbarkeit netzgebundener Energieträger für die Raumwärme verbunden. Durch die Regelungen im Externer Link: Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) werden fossile Energieträger zunehmend teurer, wodurch fossile Infrastruktur an Attraktivität verliert. Insbesondere der Ausbau von Wärmenetzen sowie die Verteuerung von CO2 durch das BEHG haben hier großen Einfluss auf die Erdgasnachfrage und letztlich auch Auswirkungen auf die individuelle Auswahlmöglichkeit der Heizungsanlage.

Mit einem ganzen Bündel verschiedener Förderinitiativen (z.B. Klimaschutz-Sofortprogramm 2022 und Klimaschutzprogramm 2023) wurde zusätzliches Geld bereitgestellt, um für den Transformationsprozess in der Industrie mit beispielsweise grünem Wasserstoff zur Stahlproduktion, für energetische Gebäudesanierungen und eine klimafreundliche Mobilität die erforderlichen Anreize zu geben.

Ausblick

Ein Blick in die Glaskugel ist immer schwierig. Es zeichnet sich jedoch ab, dass eine sich selbst verstärkende Dynamik auf den Klimaschutzprozess einwirken wird: Die Stromgestehungskosten für erneuerbare Energien sind enorm gesunken und liegen unter denen von fossil oder mit Kernenergie betriebenen Kraftwerken. Allerdings sind die Netzentgelte in den letzten Jahren stark gestiegen. Dies liegt an wachsenden Kosten der Netzbetreiber – etwa für den Netzausbau und die Systemsicherheit. Bis zur Neuregelung der Netzentgelte bestanden zudem große regionale Unterschiede. In einigen Netzgebieten lagen diese bei bis zu 15 ct/kWh, in anderen unter 5 ct/kWh – mit besonders hoher Belastung für Regionen mit starkem Zubau erneuerbarer Energien. Seit 2025 sorgt eine Neuregelung für eine gleichmäßigere Kostenverteilung. Diese gegenläufigen Entwicklungen (sinkende Erzeugungskosten vs. steigende Systemkosten) zeigen, dass der Transformationsprozess hin zu einer klimafreundlichen Energieversorgung in einem Industrieland eine besonders große Herausforderung darstellt.

Das Ausbauziel für Photovoltaik wurde im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung im Vergleich zum EEG 2021 bis 2030 verdoppelt. (© picture-alliance, Jochen Tack | Jochen Tack)

Die Klimapolitik ist eine gesellschaftliche Gemeinschaftsaufgabe, die soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Stabilität miteinander in Einklang bringen muss. Um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen, sind erhebliche Investitionen in u.a. Infrastruktur und Energieversorgung erforderlich. Doch in einer Gesellschaft mit ungleich verteilten finanziellen Ressourcen bergen diese Kosten das Risiko, soziale Ungleichheiten weiter zu vertiefen. Gleichzeitig steht die Industrie vor der Aufgabe, sich klimafreundlich aufzustellen und dennoch ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Die wirtschaftlichen Vorteile der erneuerbaren Energien machen sich vor allem im aktuellen Strommix bemerkbar. Der Anteil erneuerbarer Energien am ⁠Bruttostromverbrauch⁠ liegt schon bei 54 Prozent womit sie die tragende Säule der Stromversorgung darstellen. Doch auch hier ist damit zu rechnen, dass im Laufe des Transformationsprozesses politisch nachgesteuert werden muss. Denn für eine klimafreundliche Wärmeversorgung und Mobilität, braucht es erhebliche Investitionen in eine leistungsfähige und sichere Infrastruktur – darunter Netze, Speicher, Transformatoren und Steuerungssysteme. Diese Sektoren sind von besonderer Bedeutung. Denn trotz vieler positiver Entwicklungen für den Klimaschutz, kommt der Externer Link: Expertenrat für Klimafragen bei den Projektionsdaten der Jahre 2021 bis 2030 zu dem Ergebnis, dass die Klimaschutzziele nicht erreicht werden. Die Gründe dafür liegen vor allem im Interner Link: Gebäude- und Interner Link: Verkehrssektor.

Die Investitionen betreffen auch den Aufbau eines Wasserstoffnetzes. Dieser wird etwa in Zeiten von Dunkelflauten benötigt, um eine klimafreundliche Versorgung sicherzustellen – oder um die benötigten Energiemengen für industrielle Zwecke (wie die Produktion von Chemikalien, Stahl und Zement) sowie für einige Mobilitätsanwendungen (etwa zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen) zur Verfügung zu stellen. Insgesamt ist das Gelingen der Transformation zu einer Interner Link: klimaneutralen Industrie von zentraler Bedeutung. Im Sinne des Klimaschutzes sowie zum Erhalt unserer Lebensgrundlagen, muss in Deutschland und Europa gezeigt werden, dass dieser Prozess technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist.

Die Entwicklung beim Ausbau erneuerbarer Energien ist jedenfalls ein erster und entscheidender Schritt in Richtung einer klimafreundlichen Gesellschaft. Der Ausbau ist beachtlich und macht deutlich, dass die anstehenden Investitionen in den Umbau der Infrastruktur frühzeitig mitgedacht werden müssen. Zentrale Herausforderung ist daher, die Verteilung der Investitionslast und den Zugang zu Förderprogrammen sozial zu gestalten – sowohl zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen als auch zwischen Regionen. Besonders wichtig ist es, Bürger*innen frühzeitig und transparent in Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Insbesondere Regionen im Strukturwandel benötigen gezielte Unterstützung, damit sie aktiv an der Transformation teilhaben können und sich nicht zu den Verlierern des Umbaus zählen.

Auch die anhaltenden Krisen in vielen Regionen der Welt zeigen weitere Gründe für den Ersatz fossiler Energieträger auf. Vor allem die anhaltenden Spannungen im Nahen Osten, der Krieg in der Ukraine und die ungewisse Zukunft transatlantischer Beziehungen zeigen, dass Versorgungssicherheit und Unabhängigkeit von Ressourcen- bzw. Energieimporten auch jenseits von Klimaschutzfragen eine hohe Bedeutung haben. Denn Klimaschutzpolitik, die konsequent auf Energieeinsparung und einem forcierten Ausbau erneuerbarer Energien basiert, kann auch ein Beitrag zur Friedenspolitik und Versorgungssicherheit sein und vor allem die Abhängigkeit von anderen Staaten erheblich reduzieren.

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Oliver Wagner, Dipl.-Sozialwissenschaftler; derzeit Co-Leiter des Forschungsbereichs Energiepolitik in der Abteilung "Energie, Verkehrs- und Klimapolitik" am Wuppertal Institut. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Kommunale Energie- und Klimapolitik sowie Klimaschutzbildung.