Zwischen 2005 und 2010 sind 8,7 Millionen Menschen aus außereuropäischen Ländern nach Europa zugewandert, davon kamen 18,3 Prozent aus afrikanischen Ländern (875.000 aus Nordafrika, 1,2 Millionen aus Subsahara-Afrika, insgesamt: 2,1 Millionen).
Abbildung 1: Zahl der an den EU-Außengrenzen aufgegriffenen Personen nach Migrationsrouten 2001-2013 (Interner Link: Grafik zum Download 32 KB) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Diese Migrationspfade aus Afrika nach Europa sind häufig unterbrochen und nicht geradlinig: Je nach den zur Verfügung stehenden Informationen, finanziellen Ressourcen und Reisedokumenten, und je nach den Chancen und Gefahren, die sich Migrantinnen und Migranten auf dem Weg bieten bzw. stellen, verläuft die Reise über viele Länder und Etappen. Es gibt längere Phasen des Aufenthaltes sowie Vor- und Zurück-Bewegungen.
Laut Angaben der Interner Link: Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind 2015 1.047.000 Menschen über Seewege (1.012.000) und Landwege (35.000) aus Afrika in die EU gelangt und wurden beim Überqueren einer Außengrenze erfasst. 2016 waren es bis Ende November 374.000 Menschen, davon 351.000 auf dem Seeweg.
Abbildung 2: Zahl der an den EU-Außengrenzen aufgegriffenen Personen nach Migrationsrouten 2010-2016 (Interner Link: Grafik zum Download 30 KB) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Abbildung 2: Zahl der an den EU-Außengrenzen aufgegriffenen Personen nach Migrationsrouten 2010-2016 (Interner Link: Grafik zum Download 30 KB) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
Bis Anfang der 2000er Jahre reisten auf der westlichen Mittelmeerroute über Mali, Algerien und Interner Link: Marokko insbesondere Migrantinnen und Migranten aus Westafrika bis nach Spanien. Sie überquerten in kleinen Booten die Meerenge von Gibraltar oder überwanden die Zäune der spanischen Enklaven Ceuta und Melilla in Nordmarokko. Als im Herbst 2005 hunderte Migranten über die Grenzzäune kletterten, wurden die Zäune erhöht und auch mit Hilfe des marokkanischen Militärs besser gesichert. Die Meerenge von Gibraltar riegelte Spanien mit finanzieller Unterstützung der EU durch das SIVE-Grenzüberwachungssystem hermetisch ab. In der Folge verlagerte sich die Migration auf die westafrikanische Route. Boote legten schon im Interner Link: Senegal oder an den Küsten Mauretaniens und Südmarokkos ab und steuerten die Kanarischen Inseln an. 2006 kamen dort 32.000 Migranten an. Die Zahl der Migranten auf der westafrikanischen Route und der westlichen Mittelmeerroute ging aufgrund von Patrouillen der Interner Link: europäischen Grenzschutzbehörde Frontex an Mauretaniens und Marokkos Küsten sowie der verschärften Grenzsicherung an den Küsten Südspaniens stark zurück; die Migrationsbewegungen verlagerten sich nach Osten.
Auf der zentralen Mittelmeeroute laufen die Migrationspfade aus West-, Zentral- und Ostafrika zusammen. Die wichtigsten Transitländer sind der Sudan, Niger und Libyen. Libyen war aufgrund seiner boomenden Wirtschaft und der hohen Arbeitskräftenachfrage ein wichtiges Ziel für viele Arbeitsmigranten aus Subsahara-Afrika; nur wenige wollten weiter nach Europa. In den Jahren 2001 bis 2007 überquerten im Jahresdurchschnitt nur etwa 22.000 Migranten das Mittelmeer von Libyen nach Italien oder Malta. Nachdem sich 2008 die Zahl der in Italien und Malta angekommenen Migranten auf 40.000 erhöht hatte, unterzeichneten Italien und Libyen ein "Freundschaftsabkommen", in dem die Kooperation bei der Grenzsicherung, die Bekämpfung von Schleppern und somit das Verhindern der Abfahrt von Booten aus Libyen sowie die Rücknahme von in Italien angelandeten Migranten und Flüchtlingen vereinbart wurde.
Schon seit 2007 kommen – mit Ausnahme der Jahre 2011, 2013 und 2014 – die meisten Migranten und Flüchtlinge über die östliche Mittelmeerroute in die EU, d.h. über die Türkei auf dem Seeweg auf die griechischen Ägaisinseln (Lesbos, Kos, etc.) und in geringerer Zahl auch auf dem Landweg nach Nordgriechenland und Bulgarien. In den letzten drei Jahren ist die Zahl der über diesen Weg Ankommenden exponentiell gestiegen – und somit rückte dieser Weg auch verstärkt ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Der Anstieg von 25.000 Menschen im Jahr 2013 auf 51.000 in 2014 und 885.000 in 2015 ist vor allem auf die Eskalation des Interner Link: Bürgerkrieges in Syrien und auf die verheerenden Lebensumstände der Flüchtlinge im Interner Link: Libanon, Interner Link: Jordanien und der Interner Link: Türkei zurückzuführen. Diesen Weg nutzen aber auch zahlreiche Flüchtlinge und Migranten aus dem Interner Link: Irak und aus Interner Link: Afghanistan, aus Interner Link: Somalia und Eritrea, oder auch aus Interner Link: Marokko und Algerien. Seit der sukzessiven "Schließung" der Grenzen auf der sogenannten Westbalkanroute (Ungarn-Serbien, Mazedonien-Griechenland) und dem Rücknahme- bzw. Grenzsicherungsabkommen zwischen der EU und der Türkei im Interner Link: März 2016 sank die Zahl der in Griechenland Ankommenden rapide. Dennoch waren es auf das ganze Jahr 2016 betrachtet immer noch 180.000. Stattdessen legen wieder mehr Boote von der libyschen und ägyptischen Küste ab. Bis Ende November 2016 kamen über die zentrale Mittelmeerroute 173.000 Menschen nach Europa – Nigeria, Eritrea, Gambia, Elfenbeinküste, Guinea und Sudan sind die wichtigsten afrikanischen Herkunftsländer.
Humanitäre Konsequenzen langer und unsicherer Flucht- und Migrationswege
2016 wurde ein neuer trauriger Rekord erreicht. Nach Angaben der IOM kamen 4.700 Flüchtlinge und Migranten auf den Mittelmeerrouten nach Europa ums Leben. Diese Menschen hatten nicht die Möglichkeit, ein Visum zu erhalten und auf sicherem und legalem Weg Europa zu erreichen. Stattdessen wagten sie die Überfahrt in überfüllten Schlauchbooten oder Fischkuttern und ertranken, als ihr Schiff sank. Tagtäglich spielen sich solche Tragödien an den südlichen Rändern Europas ab. Die IOM schätzt, dass seit dem Jahr 2000 über 46.000 Menschen auf dem Weg nach Europa ums Leben gekommen sind.
Trotz der zahlreichen "großen" Schiffsunglücke im Mittelmeer, wie z.B. im Oktober 2013, als 380 Menschen vor Lampedusa starben, welche das Thema in das Licht der Öffentlichkeit gerückt haben, und trotz Rettungsaktionen durch Schiffe von Hilfsorganisationen, Marineeinheiten und Küstenschutzbooten fehlt bislang eine konsequente politische Antwort. Mehr Interner Link: legale Möglichkeiten der Einreise und sichere Passagen für Schutzsuchende und Migranten, die den Interner Link: Schleppern ihre Geschäftsgrundlage entziehen würden, sind bislang nicht geschaffen worden. Die extrem hohe Verwundbarkeit der Migranten ist somit letztlich auch eine Folge der Interner Link: europäischen Migrations-, Asyl- und Grenzsicherungspolitik.
Doch die gefährliche Passage über das Mittelmeer ist für die meisten Migrantinnen und Migranten aus Afrika nur die letzte Etappe einer Reise, die sich über Monate – und manchmal Jahre – hinzieht. So waren 22 Prozent der Migranten und Flüchtlinge aus West-, Zentral- und Ostafrika, die nach ihrer Ankunft in Italien befragt wurden, über zwei Jahre unterwegs.
Die Wege aus Afrika nach Europa sind nicht schnell und direkt, sondern verschlungen und multidirektional – und für die meisten Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge lebensgefährlich.
Dieser Artikel ist Teil des Kurzdossiers Interner Link: Innerafrikanische Migrationen.