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Libyen | Kriege und Konflikte | bpb.de

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Libyen

Wolfram Lacher

/ 7 Minuten zu lesen

Seit dem gewaltsamen Sturz von Diktator Gaddafi 2011 ist Libyen weitgehend ohne staatliche Autorität. In zwei Bürgerkriegen (2014 und 2019) konnte keine Konfliktpartei die Oberhand gewinnen. Die Interventionen von Regional- und Großmächten spielen eine immer entscheidendere Rolle im Konflikt.

Der Bürgerkrieg in Libyen hinterlässt viel Verwüstung. (© picture-alliance, Photoshot)

Aktuelle Situation

Im April 2019 begann der den Osten Libyens kontrollierende General Chalifa Haftar eine großangelegte Militäroffensive mit dem Ziel, die Hauptstadt Tripolis und damit die Macht im Land mit Gewalt an sich zu reißen. Haftar mobilisierte eine Koalition bewaffneter Gruppen, deren Kern Einheiten bilden, die von seinen Söhnen, Verwandten oder deren engen Vertrauten angeführt werden. Gegen Haftar formierte sich eine breite Allianz von Kräften, vor allem aus westlibyschen Städten, die nur formell der international anerkannten Einheitsregierung in Tripolis unterstanden. Nach über einem Jahr fortlaufender Gefechte in den südlichen Vororten von Tripolis gelang es den Regierungskräften im Juni 2020, Haftars Truppen aus Westlibyen zu verdrängen. Seitdem stehen sich die beiden Seiten im Zentrum des Landes gegenüber. Im Oktober 2020 unterzeichneten sie einen Waffenstillstand, dessen Umsetzung jedoch stockt.

Im Zuge des Kriegs um Tripolis nahmen ausländische Interventionen im Libyenkonflikt dramatisch zu. Haftar erhielt zunächst vor allem aus den Vereinten Arabischen Emiraten (VAE) militärische Unterstützung. Die Türkei, die mit den VAE um regionalen Einfluss rivalisiert, begann deshalb, die Regierungskräfte zu unterstützen. Beide Seiten setzten Kampfdrohnen ein. Später verschaffte sich Haftar durch den Einsatz russischer Söldner einen militärischen Vorteil. Die Regierungskräfte kamen in eine zunehmend bedrohliche Lage. Ende 2019 weitete die Türkei ihre Intervention massiv aus und stationierte unter anderem tausende syrischer Söldner zur Unterstützung der Regierung in Tripolis, was schließlich zur Niederlage Haftars in Tripolis führte. Haftar rekrutierte ebenfalls Söldner aus Syrien und ließ russische Kampfflugzeuge stationieren. Der militärische Erfolg der Türkei bewegte außerdem Ägypten dazu, mit direkter Militärintervention zu drohen. Die ausländischen Mächte bestimmen mittlerweile den Konflikt. Ohne sie ist keine Lösung zu erreichen.

Die beiden Lager, die sich während des Kriegs um Tripolis gegenüberstanden, waren Zweckbündnisse. Haftar hatte eine breite Allianz von Kräften versammelt, die hofften, mit ihm an die Macht in Tripolis zu kommen – darunter auch radikale Salafisten, ehemalige Anhänger des Gaddafi-Regimes und kriminelle Banden. Auf der anderen Seite einte die Gefahr einer gewaltsamen Machtergreifung Haftars seine Gegner, deren bewaffnete Gruppen mehrheitlich auf die revolutionären Kräfte von 2011 zurückgingen.

Seitdem Haftars Offensive gescheitert ist und seine Machtübernahme nicht mehr realistisch erscheint, beginnen beide Lager, sich langsam zu zersetzen. Insbesondere in Tripolis entwickeln sich zunehmend Machtkämpfe um die Kontrolle der staatlichen Institutionen. Darin sind auch die zahlreichen Milizen verstrickt, die oft als Einheiten des Innen- oder Verteidigungsministeriums auftreten. Staatliche Sicherheitskräfte an sich gibt es in Libyen seit dem Sturz des Gaddafi-Regimes 2011 kaum mehr. Während die Truppen von Haftar den Osten und das Zentrum des Landes kontrollieren, ist der Rest Libyens in Einflusssphären lokaler bewaffneter Gruppen zersplittert.

Die Zuspitzung des Konflikts seit April 2019 hat auch die prekäre wirtschaftliche Lage des Landes weiter verschlechtert. Die libysche Volkswirtschaft ist völlig von Erdölexporten abhängig. Die Fördergebiete befinden sich im Einflussbereich Haftars. Der legt seit Januar 2020 die Erdölproduktion weitgehend lahm, um die Regierung in Tripolis finanziell unter Druck zu setzen. Viele Libyer sind auf die Gehälter des öffentlichen Dienstes angewiesen und leiden unter den ausbleibenden Zahlungen der Regierung. Auch Gesundheitswesen und Stromversorgung sind durch lange Jahre des Staatszerfalls, der Korruption und Kriegsschäden dem Kollaps nahe.

Libyen. (mr-kartographie) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Ursachen und Hintergründe

Die libysche Revolution 2011 war nicht nur ein Kampf gegen die vierzigjährige Herrschaft Muammar al-Gaddafis, sondern auch ein Bürgerkrieg zwischen Anhängern und Gegnern des Regimes. Die Küstenstädte Bengasi und Misrata sowie die westliche Bergregion wurden zu Hochburgen der Revolution. Regionen, in denen das Regime lange die Kontrolle behielt und aus denen sich Gaddafis Sicherheitsapparat stark rekrutierte, kamen dagegen in den Ruf, das Regime zu unterstützen. Beide Seiten übten willkürliche Gewalt auf Bewohner bestimmter Städte aus. Mit dem Sturz Gaddafis wurden überall im Land die Waffenarsenale des Regimes geplündert, und es entstanden zahlreiche neue Milizen. So schuf der Bürgerkrieg von 2011 den Nährboden für neue Gewalt und Konflikte.

Seit dem Sturz Gaddafis gibt es in Libyen kein staatliches Gewaltmonopol mehr. Der im Oktober 2011 begonnene Übergangsprozess war durch heftige Machtkämpfe gekennzeichnet. Den revolutionären Kräften gelang es auch nach der Wahl zum Nationalkongress im Juli 2012 nicht, ein geschlossenes Regierungsbündnis zu bilden. Rivalisierende Gruppen nutzten ihre Stellung im Staatsapparat, um unter dem Deckmantel offizieller Institutionen ihre eigenen Milizen aufzubauen. Diese Machtkämpfe eskalierten nach den Parlamentswahlen Mitte 2014 in einen erneuten Bürgerkrieg.

Die Konflikte sind Ausdruck der Spaltung und der tiefen Legitimitätskrise des verbliebenen Rumpfstaates. Die Spaltung der staatlichen Institutionen geht auf den Ausbruch des zweiten Bürgerkriegs im Jahr 2014 zurück. Von da an konkurrierten zwei Regierungen und Parlamente miteinander – die einen mit Sitz in Tripolis und die anderen im Osten des Landes. Beide sprachen sich gegenseitig die Legitimität ab. Auch die Aushandlung eines Abkommens zur Bildung einer Einheitsregierung Ende 2015 konnte die Spaltung nicht überwinden. Das Parlament im Osten erkannte das Abkommen und die neue Regierung nicht an; die mit Haftar verbündete Regierung im Osten bestand weiter. Ein 2017 ausgearbeiteter Verfassungsentwurf wurde nie dem vorgesehenen Referendum unterzogen. Deshalb gibt es bis heute keine allgemein anerkannte Grundlage für Neuwahlen.

Der Kampf um die Macht in Libyen ist auch ein Kampf um die Reichtümer des Landes. Die staatlichen Institutionen in Tripolis werden von den Erdölexporten gespeist und bieten zahlreiche Möglichkeiten zur Selbstbereicherung. Amtsinhaber und Parlamentarier auf beiden Seiten haben nur ein geringes Interesse an einer Konfliktlösung. Bewaffnete Gruppen im ganzen Land profitieren ebenfalls vom Staatszerfall, der es ihnen erlaubt, ihren kriminellen Aktivitäten nachzugehen. Darunter fällt auch das Geschäft mit Migranten, die aus dem subsaharischen Afrika kommend über Libyen Europa erreichen wollen und von kriminellen Netzwerken oftmals unter furchtbarsten Bedingungen in Lagern festgehalten und gefoltert werden, um Lösegelder zu erpressen.

Bearbeitungs- und Lösungsansätze

Die Federführung für die Bemühungen um eine politische Lösung liegt bei der UN-Unterstützungsmission in Libyen (UNSMIL). Sie wurde im September 2011 eingerichtet, um der Übergangsregierung beratend zur Seite zu stehen. Nach dem Kollaps des Übergangsprozesses konzentrierte sich die Mission vor allem auf die Aushandlung und Umsetzung des Abkommens zur Bildung einer Einheitsregierung, das unter Vermittlung des deutschen UN-Sondergesandten Martin Kobler im Dezember 2015 in Skhirat (Marokko) unterzeichnet wurde.

Die Einheitsregierung verfehlte allerdings ihr Ziel, da Haftar die Unterordnung verweigerte und in der Folge durch fortwährende Unterstützung aus den VAE und Frankreich immer stärker wurde. Bemühungen der Politischen UN-Mission für Libyen (UNSMIL ), Haftar in ein neues Abkommen mit der Einheitsregierung einzubinden, scheiterten ebenfalls.

Nach dem erneuten Ausbruch eines Bürgerkriegs 2019 lancierten UNSMIL und die Bundesregierung den Berliner Prozess. Er sollte unter den intervenierenden Staaten eine Einigung auf eine politische Lösung erzielen und sie dazu bewegen, den Konflikt nicht länger mit militärischer Unterstützung anzufeuern. Da westliche Staaten kaum Druck auf die involvierten Staaten ausübten, nahmen Waffenlieferungen und die Stationierung von Söldnern jedoch auch nach der Berliner Konferenz im Januar 2020 weiter stark zu. Das änderte sich auch durch die zur Überwachung des UN-Waffenembargos eingerichtete EU-Marineoperation Irini nicht. Denn ein Großteil der Waffenlieferungen kommt über den Luftweg nach Libyen.

Seit der Niederlage Haftars in Tripolis unternimmt UNSMIL erneute Vermittlungsbemühungen zwischen den Konfliktakteuren. Erschwert werden diese nicht nur durch die gegensätzlichen Interessen der intervenierenden Staaten – insbesondere der VAE, Ägyptens, der Türkei und Russlands. Auch die Zersplitterung der politischen Landschaft und der bewaffneten Gruppen stellt eine Herausforderung beim Versuch dar, alle relevanten Akteure an den Verhandlungstisch zu bekommen.

Geschichte des Konflikts

Im Februar 2011 brachen in mehreren libyschen Städten Aufstände aus. Das Gaddafi-Regime versuchte, die Proteste gewaltsam niederzuschlagen, trug so aber zu einer weiteren Eskalation bei. Am 17. März 2011 autorisierte der UN-Sicherheitsrat in der Resolution 1973 eine Intervention zum Schutz der Zivilbevölkerung. Die darauffolgenden Luftschläge unter NATO-Kommando stellten sich bald als ein einseitiger Eingriff in den Bürgerkrieg zugunsten der Revolutionäre heraus. Mit der Gefangennahme und anschließenden Ermordung Gaddafis im Oktober 2011 endete der Bürgerkrieg.

Der nach dem Sturz des Regimes eingeleitete Übergangsprozess verzeichnete einige Erfolge, darunter die Parlamentswahlen vom Juli 2012. Zunächst flackerten nur punktuell hier und dort bewaffnete Konflikte auf. Doch aufgrund der Uneinigkeit der aufeinander folgenden Übergangsregierungen verschlechterte sich die Sicherheitslage zusehends. In Bengasi kam es immer öfter zu Anschlägen gegen Mitglieder des ehemaligen Sicherheitsapparates. Dschihadistische Gruppen wurden in Darna, Bengasi und Sirte aktiver.

Mit dem Beginn einer Militäroffensive in Bengasi durch Haftar ab Mai 2014 entwickelten sich die Konflikte zu einem nationalen Machtkampf. Zwei Monate später griffen die Kämpfe auf Tripolis über, wo eine von bewaffneten Gruppen aus Misrata angeführte Allianz gegen westlibysche Verbündete Haftars kämpfte. Im Frühjahr 2015 entstand eine Pattsituation, die es den Konfliktparteien in Westlibyen ermöglichte, lokale Waffenstillstände auszuhandeln. In Bengasi führte Haftar dagegen weiter Krieg und errang schließlich die Kontrolle über den gesamten Osten des Landes. In den folgenden Jahren weitete Haftar langsam sein Territorium aus, ohne dabei auf nennenswerten Widerstand seitens der Ende 2015 gebildeten Einheitsregierung in Tripolis zu stoßen. Erst mit seiner Offensive gegen Tripolis im April 2019 bildete sich eine breite Koalition bewaffneter Gruppen hinter der Einheitsregierung, die Haftars Truppen schließlich mit türkischer Unterstützung zurückschlug.

Weitere Inhalte

Wolfram Lacher, geboren 1977, ist seit 2010 Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Naher/Mittlerer Osten und Afrika der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Seine Arbeitsschwerpunkte sind Libyen und die Sahelzone. Seine Arbeiten beruhen maßgeblich auf regelmäßigen Gesprächen mit Akteuren und Beobachtern vor Ort. Er studierte Arabistik, Afrikanistik und Politikwissenschaft in Leipzig, Paris, Kairo, London und Berlin. Er ist Autor des Buches "Libya's Fragmentation: Structure and Process in Violent Conflict" (London: I.B. Tauris, 2020) sowie zahlreicher Aufsätze und Analysen zu den Konflikten in Libyen.