Der Marshallplan und der Mauerfall von 1989
Der "Mythos Marshallplan" ist nicht auf den Westen Deutschlands begrenzt. Mindestens genauso wirksam, allerdings in seiner Umkehrung, war und ist er im Bereich der ehemaligen DDR: Für viele Ostdeutsche ist hiermit die bittere Erinnerung verbunden, keine Hilfe erhalten zu haben, sondern von der eigenen Besatzungsmacht ausgebeutet und geschädigt worden zu sein.
Kriegslasten und Wiederaufbau
Auf diese Weise habe die DDR und hätten die Ostdeutschen die Hauptlasten des von allen Deutschen verursachten Zweiten Weltkriegs getragen. Viele Menschen übernahmen diesbezüglich auch die Argumentation der SED und Erich Honeckers. Dieser hatte in seinen Erinnerungen festgehalten, dass die Kriegszerstörungen im Osten Deutschlands wesentlich schlimmer gewesen seien als im Westen. Selbst wenn diese Sichtweise historisch nicht haltbar ist, so erklärte sie doch für die DDR-Regierung, warum es Jahrzehnte nach dem Krieg immer noch einen offensichtlich geringeren Lebensstandard in der DDR gab, ohne die Schuld dem "großen Bruder" im Osten anlasten zu müssen. Auch die eigene Misswirtschaft musste so nicht korrigiert werden.Für viele ehemalige DDR-Bürger leitete sich aus der Bündelung negativer Startbedingungen – größere Zerstörungen, keine Hilfe von außen, folglich das alleinige Tragen der Kriegslasten durch die DDR – nach der Wende 1989/90 ein gleichsam selbstverständlicher Anspruch auf Unterstützung aus dem Westen ab.