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Flucht und Asyl in Deutschland | Deutschland | bpb.de

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Flucht und Asyl in Deutschland

Vera Hanewinkel

/ 24 Minuten zu lesen

Wie hat sich das Asylrecht in Deutschland entwickelt? Welche Schutzformen können im Asylverfahren vergeben werden? Wie viele Flüchtlinge nimmt Deutschland auf? Ein Überblick.

Eine Gedenktafel von vietnamesischen Flüchtlingen an den Landungsbrücken in Hamburg. (© picture-alliance/dpa, Daniel Bockwoldt)

Hinweis

Der Beitrag wurde im November 2021 veröffentlicht und am 7. Mai 2025 aktualisiert.

Entwicklung des Asylrechts

Die Bundesrepublik Deutschland zählt zu den Vertragsstaaten der Interner Link: Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und dem ergänzenden Protokoll von 1967. Im Jahr 1953 wurde erstmals ein gesetzlich geregeltes Interner Link: Asylverfahren eingeführt. Ein Interner Link: Recht auf Asyl gab es in Deutschland allerdings schon viel früher.

Bereits in der Weimarer Republik (1918-1933) existierten rechtliche Kategorien für die Aufnahme von Schutzsuchenden. So schrieb das Deutsche Auslieferungsgesetz von 1929 erstmals ein Verbot der Auslieferung bei politischen Straftaten fest und in der preußischen Ausländer-Polizeiverordnung von 1932 hieß es, dass politischen Flüchtlingen Asyl zu gewähren sei. Eine Zäsur erfolgte dann allerdings durch die nationalsozialistische Machtübernahme im Januar 1933. Deutschland wurde aufgrund der Interner Link: rassistischen Ideologie des Regimes extrem asylfeindlich. Zudem trieb das Interner Link: NS-Regime Hunderttausende ins Exil.

Als unmittelbare Antwort auf die Vertreibungen aus dem „Dritten Reich“ verankerte der Parlamentarische Rat 1948/49 im Grundgesetz ein im internationalen Vergleich weitreichendes Grundrecht auf Asyl und distanzierte sich damit deutlich von der nationalsozialistischen Vergangenheit. In Artikel 16 Absatz 2 Satz 2 des bundesdeutschen Grundgesetzes stand bis 1993 ohne einschränkende Bedingungen der Satz „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ In den ersten 20 Jahren nach der Republikgründung beantragten nur etwas über 70.000 Menschen Asyl in der Bundesrepublik.

In den 1970er Jahren gewann die Fluchtzuwanderung u.a. nach dem Ende des Krieges in Vietnam und der Aufnahme sogenannter „Interner Link: Boat People“ an Bedeutung. Zu den steigenden Asylbewerberzahlen trugen 1980/81 auch der Interner Link: Militärputsch in der Türkei, der Interner Link: Systemwechsel im Iran und innenpolitische Konflikte in Polen angesichts des Aufstiegs der Gewerkschaftsbewegung „Interner Link: Solidarność“ bei. 1980 überstieg die Zahl der Asylsuchenden in der Bundesrepublik erstmals die Marke von 100.000. Im Jahr 1992 lag sie im Kontext Interner Link: umfangreicher Fluchtzuwanderung aus den Nachfolgestaaten Jugoslawiens und aus Interner Link: Rumänien mit rund 439.000 eingereichten Asylanträgen auf einem vorläufigen Höhepunkt.

Vor dem Hintergrund steigender Asylsuchendenzahlen wurde ab Mitte der 1980er Jahre zunehmend polemisch über eine Reform des Asylrechts diskutiert. Das Bild vom „vollen Boot“ wurde in der Flüchtlingsfrage zur politischen Leitvokabel, die von den Medien breit aufgegriffen und verbreitet wurde. Begleitet wurde diese Debatte von einem bis dahin in der Bundesrepublik ungekannten Ausmaß an offener rassistischer Gewalt. In mehreren deutschen Städten kam es zu rassistischen Angriffen und Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte und Häuser von Eingewanderten und ihren Familien. Dabei wurden mehrere Menschen getötet oder schwer verletzt.

Im Dezember 1992 einigten sich CDU/CSU, SPD und FDP auf eine als „Interner Link: Asylkompromiss“ bekannt gewordene Reform des Asylrechts und damit eine Änderung des Artikels 16 im Grundgesetz. Durch diese Verfassungsänderung wurde das Grundrecht auf Asyl deutlich eingeschränkt. Seither hat keinen Anspruch auf Asyl, wer über ein EU-Land oder einen Drittstaat einreist, „in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [Genfer Flüchtlingskonvention] und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten [Interner Link: Europäische Menschenrechtskonvention] sichergestellt ist“ (Art. 16a Abs. 2 GG; „sicherer Drittstaat“). Da Deutschland inzwischen lückenlos von EU-Mitglieds- bzw. Schengenländern umgeben ist, in denen beide Konventionen gelten, hat in der Regel nur noch Anspruch auf Asyl (nach Grundgesetz), wer über den Luft- oder den Seeweg eingereist ist.

Asyl in der DDR

Auch die DDR nahm Asylsuchende auf, allerdings in deutlich geringerem Umfang als die BRD. Die DDR war der Genfer Flüchtlingskonvention nicht beigetreten. Allerdings war bereits in der Interner Link: ersten Verfassung von 1949 die Möglichkeit verankert, Menschen Asyl zu gewähren, die "wegen ihres Kampfes für die in dieser Verfassung niedergelegten Grundsätze im Ausland verfolgt werden" (Art. 10). Sie sollten weder ausgeliefert noch ausgewiesen werden. Das Asylrecht wurde dann in der "sozialistischen Verfassung" von 1968 abgeschwächt: "Die Deutsche Demokratische Republik kann Bürgern anderer Staaten oder Staatenlosen Asyl gewähren, wenn sie wegen politischer, wissenschaftlicher oder kultureller Tätigkeiten zur Verteidigung des Friedens, der Demokratie, der Interessen des werktätigen Volkes oder wegen ihrer Teilnahme am sozialen und nationalen Befreiungskampf verfolgt wurden" (Art. 23 Abs. 3). Die in der Verfassung niedergelegten Rechte dienten insgesamt weniger dem Schutz von Individuen vor staatlicher Willkür als vielmehr der Verwirklichung des Kommunismus. Dies galt ebenfalls für das Asylrecht. Aufgenommene Einzelpersonen aus unterschiedlichen Weltregionen waren hauptsächlich Funktionäre oder verlässliche Mitglieder kommunistischer Parteien und Bündnisorganisationen.

Auch mit der Aufnahme größerer Gruppen sogenannter Polit-Emigranten verbanden sich außenpolitische Interessen der SED-Führung. So handelte es sich bei der ersteren größeren Gruppe von Flüchtlingen, die 1949/1950 in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ) bzw. nach ihrer Gründung in der DDR Zuflucht fanden, Interner Link: um ca. 1.100 Kinder und Jugendliche aus Griechenland. Sie waren als Familienmitglieder von Angehörigen der linksgerichteten Demokratischen Armee im Zuge des Zusammenbruchs des kommunistischen Widerstands im griechischen Bürgerkrieg zunächst in benachbarte sozialistische Länder geflohen und wurden von dort auf andere sozialistische Staaten umverteilt. Das SED-Regime wollte durch die Aufnahme Solidarität mit kommunistischen Bewegungen signalisieren. Dies galt im Prinzip auch für Anfang der 1950er Jahre aufgenommene ehemalige Angehörige der spanisch-republikanischen Streitkräfte. Sie waren nach der Niederlage der republikanischen Kräfte im Interner Link: spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) vor der franquistischen Verfolgung 1939 nach Frankreich geflohen, gerieten dort während des Kalten Krieges aber in den Verdacht, als kommunistische Exilant:innen den antikommunistischen Kurs der französischen Regierung zu gefährden. Daher wurden sie interniert oder über Westdeutschland in die DDR abgeschoben. Gesicherte Angaben zur Zahl der aufgenommenen spanischen "Polit-Emigranten" gibt es nicht.

Im Zuge sich beschleunigender Dekolonisierungsbestrebungen in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre hoffte die DDR auf Möglichkeiten, ihre außenpolitische Position zu stärken. So unterstützte sie etwa die Unabhängigkeitsbewegung in Algerien und nahm 87 Flüchtlinge des algerischen Unabhängigkeitskriegs auf. Die umfangreichste Aufnahme von sogenannten Polit-Emigranten erfolgte in den 1970er Jahren, als rund 2.000 Chilen:innen in der DDR Asyl beantragten, die nach dem Militärputsch gegen Interner Link: den demokratisch gewählten Präsidenten Salvador Allende vor Verfolgung flohen. Der Sturz der chilenischen sozialistischen Regierung bedeutete für die SED-Führung einen Rückschlag, hatte sie doch diplomatische Beziehungen mit der Regierung Allende unterhalten und auf ein "zweites Kuba" in Südamerika gehofft. Die chilenischen "Polit-Emigrant:innen" wurden der DDR-Bevölkerung als Freiheitskämpfer präsentiert, denen Solidarität entgegengebracht werden müsse. Die SED-Führung gewährte umfangreiche Unterstützungsleistungen wie zinslose Darlehen, Überbrückungsgelder und (in der DDR knappe) Neubauwohnungen, was in der ostdeutschen Arbeiterschaft für Neiddebatten sorgte und dazu beitrug, die Chilen:innen als "teure Genossen" zu betrachten.

Unabhängig von ihrer Herkunft wurde von allen aufgenommenen "Polit-Emigrant:innen" erwartet, dass sie sich an die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR anpassten und sich der herrschenden Ordnung im SED-Staat unterordneten. Da sie keine Möglichkeit hatten, Rechtsgarantien einzuklagen, befanden sie sich in der DDR in einer prekären aufenthaltsrechtlichen Situation; die Asylgewährung unterlag einer gewissen Willkür, da sie vor allem von den Interessen der DDR abhing. In der Gesellschaft blieben sie "die Anderen", intensiver Austausch mit der einheimischen Bevölkerung wurde vom Ministerium für Staatssicherheit eher argwöhnisch betrachtet. In den 1980er Jahren wurde die Stimmung in der DDR – wie auch in der BRD – zunehmend migrationsfeindlich. Die SED-Führung zeigte aber wenig Willen, sich mit Schwierigkeiten im Zusammenleben von Einheimischen und Zugewanderten auseinanderzusetzen.

Zum Thema

Fußnoten

  1. 100(0) Schlüsseldokumente zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert: Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, 7. Oktober 1949: Externer Link: https://www.1000dokumente.de/index.html?c=dokument_de&dokument=0232_ddr&object=pdf&st=&l=de (Zugriff: 14.05.2021).

  2. Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. April 1968 (in der Fassung vom 7. Oktober 1974): Externer Link: http://www.documentarchiv.de/ddr/verfddr.html (Zugriff: 14.05.2021).

  3. Patrice G. Poutrus (2020): Umkämpftes Asyl. Von 1949 bis in die Gegenwart. Bonn (Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Band 10505), S. 121.

  4. Ebd., S. 148f.

Sichere Herkunftsländer

Mit dem „Asylkompromiss“ wurde das Konzept der „Interner Link: sicheren Herkunftsländer“ eingeführt. Damit wird angenommen, dass in den als solche eingestuften Staaten die Menschenrechte geachtet werden und es dort generell weder politische Verfolgung noch Folter gibt. Bundestag und Bundesrat können per Gesetz festlegen, welche Länder als sicher eingestuft werden sollen. Menschen aus diesen Staaten haben in der Regel in Deutschland keinen Anspruch auf Schutz. Ihre Asylanträge können leichter abgelehnt werden. Für Klagen gegen den Asylbescheid haben sie weniger Zeit als Menschen aus Ländern, die nicht als Interner Link: sichere Herkunftsstaaten gelten. Seit den Asylrechtsverschärfungen im Oktober 2015 und März 2016, die mit der Verabschiedung der sogenannten Externer Link: Asylpakete I und II zur Beschleunigung von Asylverfahren einhergingen, müssen Asylantragstellende aus sicheren Herkunftsländern zudem für die Dauer ihres Asylverfahrens in einer Aufnahmeeinrichtung verbleiben und dürfen auch nach Erhalt eines ablehnenden Asylbescheids den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde nicht ohne eine Genehmigung verlassen (sogenannte Residenzpflicht). Darüber hinaus dürfen sie keiner Arbeit nachgehen und können mit einem Aufenthalts- und Wiedereinreiseverbot belegt werden.

Zu den „sicheren Herkunftsstaaten“ zählen laut Asylgesetz neben den Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch die afrikanischen Staaten Ghana und Senegal (seit 1993), die Interner Link: Westbalkanstaaten Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien und Serbien (seit 2014) sowie Albanien, Kosovo und Montenegro (seit 2015) und schließlich die beiden EU-Beitrittskandidaten Georgien und die Republik Moldau (seit 2023) (Stand: Januar 2025).

In Zeiten hoher Asylantragszahlen wird regelmäßig gefordert, mehr Staaten als „sichere Herkunftsländer“ einzustufen. Insbesondere die drei nordafrikanischen Staaten Algerien, Marokko und Tunesien sind dabei in den letzten Jahren immer wieder genannt worden. Versuche, ein entsprechendes Gesetz durch das Parlament zu bringen, sind bislang aber an der notwendigen Mehrheit im Bundesrat gescheitert. Die im Mai 2025 angetretene Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD strebt laut Externer Link: Koalitionsvertrag an, die Einstufung sicherer Herkunftsstaaten zu vereinfachen. Zukünftig soll dies durch Externer Link: Rechtsverordnung der Bundesregierung möglich sein. Das Parlament müsste dann nicht mehr bei jedem einzelnen Land, welches als sicheres Herkunftsland eingestuft werden soll, ein entsprechendes Gesetz verabschieden und damit seine Zustimmung geben. Grundsätzlich will die schwarz-rote Koalition in einem ersten Schritt die nordafrikanischen Staaten Algerien, Marokko und Tunesien sowie Indien zu sicheren Herkunftsländern erklären. Anschließend sollen weitere Staaten folgen, insbesondere solche, „deren Anerkennungsquote seit mindestens fünf Jahren unter fünf Prozent liegt“.

Schutzformen

Neben der Asylberechtigung (nach Grundgesetz) gibt es in Deutschland drei weitere Schutzformen, die im Asylverfahren vergeben werden können: die Anerkennung als Flüchtling (nach der Genfer Flüchtlingskonvention), subsidiärer Schutz und ein Abschiebungsverbot.

Grundsätzlich kann nur solchen Personen eine Asylberechtigung bzw. der Flüchtlingsstatus zugesprochen werden, die „wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung“ (Art.1A Nr. 2 Genfer Flüchtlingskonvention) verfolgt werden. Als Verfolgung gelten dabei Handlungen, die einzeln oder in der Summe grundlegende Menschenrechte schwerwiegend verletzen, beispielsweise physische oder psychische Gewalt, oder Bestrafung ohne gesetzliche Grundlage. Die Verfolgung muss dabei entweder vom Staat bzw. einer staatlichen Einrichtung ausgehen oder von Parteien bzw. Organisationen, die einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (sogenannte quasi-staatliche Verfolgung). Seit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes im Jahr 2005 kann auch nichtstaatlich Verfolgten die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden, sofern der Staat seine Bürger:innen nicht ausreichend vor Verfolgung schützen kann oder will.

Interner Link: Subsidiären Schutz können Personen erhalten, die weder Anspruch auf Asyl noch einen Flüchtlingsstatus haben, aber denen im Herkunftsland existenzielle Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit drohen. Ein Abschiebungsverbot wird erteilt, wenn eine Rückführung ins Herkunftsland eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) darstellen würde. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn sich eine bestehende schwerwiegende Erkrankung aufgrund fehlender oder unzureichender Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat wesentlich oder lebensbedrohlich verschlimmern und die Rückführung damit das in der EMRK verbriefte Recht auf Leben verletzten würde.

Asylberechtigte sowie Geflüchtete, denen entweder der Flüchtlingsstatus oder subsidiärer Schutz gewährt wurde, erhalten zunächst eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis, die auch zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt. Nach fünf Jahren – in Ausnahmen auch schon nach drei Jahren – kann eine Niederlassungserlaubnis, also ein unbefristeter Aufenthaltstitel, ausgestellt werden, sofern bestimmte Integrationsleistungen wie Deutschkenntnisse und eine weitgehend selbstständige Sicherung des Lebensunterhalts erfüllt werden. Personen, bei denen ein Abschiebungsverbot festgestellt wurde, dürfen zunächst für ein Jahr in Deutschland bleiben und auch arbeiten. Eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist möglich. Frühestens nach einem fünfjährigen Aufenthalt in Deutschland können sie eine Niederlassungserlaubnis erhalten.

Während Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge ihre Ehepartner:innen und minderjährigen Kinder nach Deutschland nachholen dürfen, gilt dies für subsidiär Schutzberechtigte nur in eingeschränktem Maße. Die im Mai 2025 angetretene Bundesregierung aus Union und SPD will den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten für zwei Jahre aussetzen. Ausnahmen soll es nur in Härtefällen geben. Personen, denen ein Abschiebungsverbot erteilt wurde, haben kein Recht auf Familiennachzug.

Asylverfahren

Asylsuchende, die nach Deutschland einreisen, werden nach dem „Externer Link: Königsteiner Schlüssel“ auf die 16 Bundesländer verteilt. Wie hoch der Anteil der Asylsuchenden ist, die ein Bundesland aufnehmen muss, hängt von der Bevölkerungsgröße und dem Steueraufkommen ab. Personen, die sich im Interner Link: Asylverfahren befinden, erhalten eine Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung, mit der sie sich ausweisen können, die aber keinen Aufenthaltstitel darstellt. Für die Prüfung der Asylanträge und die Durchführung des Asylverfahrens ist das Interner Link: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zuständig. Bis zu einer Entscheidung über ihren Asylantrag – in der Regel längstens 18 Monate, für Familien mit minderjährigen Kindern gelten Ausnahmen – müssen die Antragstellenden in einer vom jeweiligen Bundesland betriebenen, sogenannten Erstaufnahmeeinrichtung leben. Dort erhalten sie existenzsichernde Sachleistungen und einen kleinen monatlichen Geldbetrag oder Wertgutscheine zur Deckung des persönlichen Bedarfs – z.B. für Körperpflegeprodukte, Transport oder Kommunikation. Die Höhe der Leistungen ist im Interner Link: Asylbewerberleistungsgesetz festgelegt. Seit dem Frühjahr 2024 ist dort auch festgehalten, dass Geflüchtete statt Bargeld eine Bezahlkarte erhalten können, auf die die ihnen zustehende Geldsumme als Guthaben gebucht wird.

Im Anschluss an die Zeit in der Erstaufnahmeeinrichtung werden die Schutzsuchenden nach dem im jeweiligen Bundesland geltenden Schlüssel auf die Kommunen verteilt und dort entweder in einer Gemeinschaftsunterkunft oder dezentral in Wohnungen untergebracht. Kinderlose Asylsuchende aus sicheren Herkunftsländern, die keinen Schutzstatus erhalten, müssen bis zu ihrer Ausreise bzw. Abschiebung in der Erstaufnahmeeinrichtung wohnen.

Wenn Ausländerbehörde und Arbeitsagentur zustimmen, dürfen Schutzsuchende bereits während des laufenden Asylverfahrens spätestens nach einer Wartezeit von sechs Monaten Interner Link: eine Arbeit aufnehmen – es sei denn, sie kommen aus einem sicheren Herkunftsland und sind daher mit einem Arbeitsverbot belegt.

Asylsuchende, deren Asylantrag abgelehnt wird und die somit keinen Aufenthaltstitel erhalten, müssen Deutschland verlassen; sie gelten als „ausreisepflichtig“. Kommen sie einer Aufforderung zur Ausreise nicht freiwillig nach, können sie abgeschoben werden: Sie werden von der Polizei – sofern es ihr gelingt, diese Personen aufzugreifen – in ihr Herkunftsland zurückgebracht. Damit eine Abschiebung erfolgen kann, müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Zum Beispiel benötigen die Betroffenen dafür Ausweisdokumente. Ist eine Abschiebung aus rechtlichen (z.B. bei Schwangerschaft) oder tatsächlichen (praktischen) Gründen (z.B. fehlende Flugverbindungen) nicht durchführbar, wird eine Interner Link: Duldung ausgestellt. Es handelt sich dabei nicht um einen Aufenthaltstitel, sondern lediglich um ein Dokument, welches die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung bestätigt. Die Ausreisepflicht bleibt weiterhin bestehen. Der Großteil der abgelehnten Asylbewerber:innen verfügt über eine Duldung. Ende 2024 waren in Deutschland rund 221.000 Personen ausreisepflichtig, davon waren 81 Prozent geduldet. Von den Geduldeten waren in den letzten Jahren regelmäßig 50-60 Prozent abgelehnte Asylbewerber:innen. Es gibt verschiedene Varianten der Duldung: Manche sind mit (begrenzten) Rechten zur Teilhabe an Bildung und Arbeitsmarkt und mit der Aussicht auf einen Aufenthaltstitel verbunden (z.B. Ausbildungsduldung, Beschäftigungsduldung). Die „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ hingegen schließt die Möglichkeit aus, in Deutschland arbeiten zu dürfen. 2023 trat das sogenannte Chancenaufenthaltsrecht in Kraft. Dieses kann von Personen beantragt werden, die zum Stichtag 31. Oktober 2022 mindestens fünf Jahre mit einer Duldung in Deutschland gelebt haben. Wird ihr Antrag genehmigt, erhalten sie ein 18 Monate gültiges Aufenthaltsrecht, welches es ihnen ermöglichen soll, die Bedingungen für ein dauerhaftes Bleiberecht zu erfüllen. Bis zum 9. September 2024 war 71.983 Personen ein Chancenaufenthaltsrecht gewährt worden. Bis zum selben Stichtag war es 5.035 Personen gelungen, im Anschluss an das Chancenaufenthaltsrecht ein Bleiberecht zu erhalten.

Asylrechtsreformen seit den 2010er Jahren

Das deutsche Asylrecht ist seit 2014 umfassend reformiert worden. In dieser Zeit kam es zu den weitreichendsten Verschärfungen seit Inkrafttreten des „Asylkompromisses“ 1993. So ist beispielsweise die Zeitspanne verlängert worden, in der Asylbewerber:innen verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu leben. Zudem bleiben sie nun länger vom Zugang zu höheren Leistungen (analog zum Sozialgesetzbuch) und regulärer Gesundheitsversorgung ausgeschlossen, weil die Dauer des Bezugs der niedrigeren Asylbewerberleistungen von 18 auf 36 Monate angehoben wurde. Die Liste der sicheren Herkunftsstaaten ist seit 2014 erweitert und Asylsuchende aus diesen Ländern sind mit umfassenden Restriktionen (wie etwa einem strikten Arbeitsverbot) belegt worden. Auch wurde die Möglichkeit des Nachzugs von Familienangehörigen zu subsidiär Schutzberechtigten eingeschränkt. Mit dem Interner Link: Integrationsgesetz von 2016 wurde festgelegt, dass anerkannte Flüchtlinge, die keine sozialversicherungspflichtige Arbeit haben, ihren Wohnort für drei Jahre nicht wechseln dürfen (sogenannte Wohnsitzauflage). Eine Niederlassungserlaubnis erhalten sie seither in der Regel erst nach fünf (statt nach drei) Jahren, sofern sie als „gut integriert“ gelten. Ergänzend sind mehrere Gesetze zur Erleichterung von Abschiebungen in Kraft getreten. Sie erweiterten u.a. Gründe zur Anordnung von Abschiebehaft. Mit der „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ (sogenannte „Duldung light“) wurden weitere Sanktionsmöglichkeiten für Ausreisepflichtige geschaffen, die nicht aktiv daran mitarbeiten, Abschiebungshindernisse (wie z.B. fehlende Pässe) zu beseitigen. Sie werden u.a. mit einem pauschalen Arbeitsverbot und Leistungskürzungen belegt. Rückführungen ins Herkunftsland scheitern häufig allerdings nicht an fehlenden rechtlichen Regelungen, sondern an praktischen Hürden wie fehlenden Ausweisdokumenten oder einer mangelnden Rücknahmebereitschaft der Herkunftsländer. Diese Hindernisse sollen unter anderem durch bilaterale „Interner Link: Migrationsabkommen“ beseitigt werden.

Neben Verschärfungen des Asylrechts wurden im Zuge des Reformprozesses aber auch Maßnahmen ergriffen, um die Interner Link: Integration von Schutzberechtigten in Deutschland zu beschleunigen. So dürfen beispielsweise Asylantragstellende seit Sommer 2022 unabhängig von ihrer Bleibeperspektive an Sprach- und Orientierungskursen (sogenannte Interner Link: Integrationskurse) teilnehmen. Auch wurde der Interner Link: Arbeitsmarktzugang erleichtert. Geduldete, die „besondere Integrationsleistungen“ nachweisen, können nach sechs Jahren Aufenthalt ein Bleiberecht erhalten; leben sie mit minderjährigen Kindern zusammen, ist dies bereits nach vier Jahren möglich. Zudem dürfen Geduldete, deren Identität geklärt ist, eine Ausbildung aufnehmen und für deren Dauer in Deutschland bleiben. Aufgrund hoher Voraussetzungen für ein Bleiberecht können die meisten Geduldeten sie nicht erfüllen und verharren daher lange Zeit in einem rechtlichen Schwebezustand.

Resettlement und humanitäre Aufnahmeprogramme

Neben dem Asylverfahren sind in Deutschland in den vergangenen Jahren auch Flüchtlinge über humanitäre Aufnahmeprogramme und das sogenannte Resettlement (Neuansiedlung) aufgenommen worden. Für das Interner Link: Resettlement-Programm kommen Personen infrage, die aus ihrem Herkunftsland in ein anderes Land geflohen sind, auf absehbare Zeit nicht in ihre Heimat zurückkehren können, im Erstaufnahmeland aber auch keine langfristige Aufenthaltsperspektive haben. Sie müssen zudem vom Interner Link: UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) als Flüchtlinge anerkannt worden sein. Daher müssen sie in Deutschland auch kein Asylverfahren durchlaufen, um ein Aufenthaltsrecht zu erhalten. Für die beiden Jahre 2024 und 2025 hat Deutschland zugesagt, sich mit insgesamt 13.100 Plätzen am Resettlement-Programm der EU-Kommission zu beteiligen und darüber Flüchtlinge insbesondere aus Ägypten, Jordanien, Kenia, Libanon, Libyen und Pakistan aufzunehmen.

Seit Frühjahr 2019 können sich zivilgesellschaftliche Akteure im Rahmen des Pilotprojekts „Neustart im Team“ (NesT) an der humanitären Aufnahme von Flüchtlingen beteiligen. Dazu müssen sich mindestens vier sogenannte Mentor:innen zusammenschließen, die ein Jahr lang einer Einzelperson oder einer Flüchtlingsfamilie eine Wohnung stellen oder die Nettokaltmiete finanzieren und zudem die Aufgenommenen bei der Integration in Deutschland unterstützen, beispielsweise bei Behördengängen. Jährlich können auf diesem Wege gut 200 Flüchtlinge aufgenommen werden. Vorbild für dieses Modell der zivilgesellschaftlichen Beteiligung am Resettlement ist Kanada, wo das sogenannte „private sponsorship“ seit Jahren fester Bestandteil der nationalen Resettlement-Strategie ist.

Neben dem Resettlement gibt es in Deutschland auch sogenannte Interner Link: humanitäre Aufnahmeprogramme. Angesichts der Fluchtbewegung, die der syrische Bürgerkrieg ausgelöst hat, erließ der Bund 2013 und 2014 drei solcher Programme für insgesamt bis zu 20.000 schutzbedürftige Syrer:innen. Ergänzt wurden diese durch Aufnahmeprogramme von insgesamt 15 Bundesländern. Über die Bundes- und Länderprogramme wurden zwischen Mitte 2013 und Mitte 2015 rund 35.000 Visa ausgestellt. Berücksichtigt wurden in den Programmen vor allem Syrer:innen mit in Deutschland lebenden Verwandten, die sich bereit erklärten, für einen Teil der Lebenshaltungskosten der Flüchtlinge aufzukommen.

Als Reaktion auf die (erneute) Machtübernahme durch die radikal-islamischen Interner Link: Taliban in Afghanistan im August 2021 hat die Bundesregierung mehrere Aufnahmeverfahren eingerichtet, um besonders gefährdeten Afghan:innen Schutz in Deutschland zu gewähren, etwa Personen, die in Afghanistan als Ortskräfte für die Bundeswehr oder deutsche Organisationen gearbeitet haben oder die wegen ihres Engagements für Menschen- und Frauenrechte in Gefahr sind, von den Taliban verfolgt zu werden. Im Rahmen dieser Verfahren wurde bis April 2024 rund 47.000 Personen eine Aufnahme in Aussicht gestellt. Davon waren 33.600 Personen bereits nach Deutschland eingereist. Thüringen, Berlin, Hessen und Bremen legten befristete eigene Landesprogramme auf, über die Flüchtlinge aus Afghanistan aufgenommen werden konnten, sofern sie Referenzpersonen in Deutschland (z.B. Verwandte) hatten, die sich verpflichteten, fünf Jahre lang die Lebenshaltungskosten zu sichern. Über das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan, mit dem gefährdete Afghan:innen – wie Medienschaffende und Menschenrechtler:innen – aufgenommen werden sollten, sind bis Ende 2024 deutlich weniger Aufnahmezusagen und tatsächliche Einreisen nach Deutschland erfolgt als ursprünglich vorgesehen: Ab November 2022 sollten monatlich bis zu 1.000 Aufnahmen über das Programm ermöglicht werden, bis zum 8. November 2024 waren insgesamt 734 Personen auf diesem Wege nach Deutschland eingereist.

In ihrem Externer Link: Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD darauf geeinigt, alle humanitären Aufnahmeprogramme des Bundes „soweit wie möglich zu beenden (zum Beispiel Afghanistan) und keine neuen Programme auflegen“ zu wollen.

Entwicklung der Asylsuchendenzahlen in Deutschland

Die Zahl der Asylantragsteller:innen wird in der Asylbewerberzugangsstatistik des BAMF registriert.

Seit 1953 die erste Asylverordnung zur Regelung des Asylverfahrens in Kraft trat, sind in der Bundesrepublik insgesamt 7,1 Millionen Asylanträge gestellt worden, die meisten davon (6,2 Millionen) seit 1990.

Die Asylrechtsreform von 1992/1993 trug zu einem starken Absinken der Asylbewerberzahlen bei: Wurden 1992 rund 438.000 und 1993 noch 322.600 Asylanträge gestellt, waren es 1994 noch 127.000. Nach dem Ende der Interner Link: Jugoslawienkriege sank die Zahl der Asylanträge ab 2002 unter die Marke von 100.000 und pendelte sich im Zeitraum 2006 bis 2009 auf unter 40.000 Anträgen ein. Im Anschluss stieg sie wieder an und erreichte 2015 mit rund 477.000 Erst- und Folgeanträgen einen neuen Höhepunkt, der 2016 mit rund 746.000 Asylanträgen noch einmal deutlich überschritten wurde. Die Zahl der Asylanträge spiegelt die Fluchtzuwanderung nach Deutschland in den Jahren Interner Link: 2015 und 2016 allerdings nur verzerrt wider. 2015 reisten deutlich mehr Schutzsuchende nach Deutschland ein als 2016 – insgesamt rund 890.000 Menschen (2016: rund 280.000). Da die Behörden – insbesondere das BAMF – Interner Link: nicht auf eine derart hohe Zahl Asylsuchender vorbereitet waren, konnten viele der 2015 eingereisten Schutzsuchenden erst im Laufe des Folgejahres einen formellen Asylantrag stellen. Die Fluchtzuwanderung nach Deutschland schwächte sich ab Frühjahr 2016 insbesondere infolge von Grenzschließungen entlang der sogenannten Balkanroute und der Interner Link: EU-Türkei-Flüchtlingsvereinbarung, mit der verstärkte Kontrollen an den Grenzen der Türkei und Rückführungen dorthin beschlossen wurden, deutlich ab. Auch die Versuche der EU, wichtige Transitstaaten von Schutzsuchenden – insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent – Interner Link: in die Eindämmung irregulärer Migration nach Europa einzubinden, dürften zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Im ersten Jahr der Corona-Pandemie (2020) wurde im Zuge weltweiter Mobilitätsbeschränkungen zu ihrer Eindämmung mit Interner Link: 122.170 Asylanträgen dann das niedrigste Niveau seit 2012 erreicht. Seitdem sind vor dem Hintergrund anhaltender und neuer Kriege und Konflikte in der Welt wieder mehr Asylsuchende nach Deutschland gekommen. 2023 wurden 351.915 und 2024 250.945 Interner Link: Asylanträge registriert.

Bis Mitte der 1990er Jahre stammte der Großteil der Asylbewerber:innen in Deutschland vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen in Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa (u.a. aufgrund der Öffnung des „Eisernen Vorhangs“, oder in Folge der Jugoslawienkriege) aus Europa (einschließlich Türkei und UdSSR/Russische Föderation). Seit 2000 kam in den meisten Jahren die Mehrzahl der Antragstellenden aus dem asiatischen Raum – aus von Krieg, innerstaatlichen Konflikten und Menschenrechtsverletzungen gekennzeichneten Ländern wie Interner Link: Syrien, Interner Link: Afghanistan, Interner Link: Irak und Interner Link: Iran. Die meisten Asylantragstellenden sind jung: 2023 waren 36,7 Prozent von ihnen jünger als 18 Jahre; fast drei Viertel (72,2 Prozent) waren jünger als 30 Jahre. Mit 67,2 Prozent wurde der Großteil der Asylanträge von Männern gestellt.

In den Asylantragszahlen nicht enthalten ist die umfassende Interner Link: Fluchtzuwanderung aus der Ukraine infolge des russischen Angriffs auf das gesamte Gebiet der Ukraine ab dem 24. Februar 2022. Insbesondere in den ersten Monaten nach dem Überfall flohen Hunderttausende aus dem Land – die meisten in EU-Mitgliedstaaten. Diese Kriegsflüchtlinge müssen kein Asylverfahren durchlaufen. Stattdessen erhalten sie unmittelbar „vorübergehenden Schutz“. Dieser leitet sich aus der EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz – in Deutschland auch als „Massenzustromrichtlinie“ bekannt – ab. Seit ihrem Inkrafttreten im Jahr 2001 wurde sie damit erstmals Anfang März 2022 aktiviert, um die Aufnahme einer großen Zahl flüchtender Menschen sicherzustellen und die Asylsysteme der EU-Mitgliedsländer zu entlasten. Der „vorübergehende Schutz“ für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ist seither mehrfach verlängert worden und gilt derzeit bis März 2026. Er gewährt den Geflüchteten Zugang zu Arbeit, Bildung, Gesundheitsversorgung und Sozialleistungen.

2022 kamen per Saldo rund 960.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine nach Deutschland. Innerhalb eines einzigen Jahres wurden ukrainische Staatsangehörige zur zweitgrößten Ausländer:innengruppe; vor Beginn des großflächigen russischen Angriffskriegs hatten nur gut 155.000 Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit in Deutschland gelebt. Insbesondere aufgrund der Flucht aus der Ukraine war die Fluchtzuwanderung nach Deutschland 2022 umfassender als die im Jahr 2015, welches sich als Jahr der „Flüchtlingskrise“ im kollektiven Gedächtnis eingeschrieben hat. 2023 schwächte sich die Fluchtzuwanderung aus der Ukraine ab. Insgesamt kamen netto 121.000 Menschen von dort nach Deutschland. 2024 blieb die Nettozuwanderung auf etwa vergleichbarem Niveau.

Zahl in Deutschland lebender Geflüchteter

Ende Juni 2024 lebten in Deutschland rund 727.900 Menschen, denen Flüchtlingsschutz nach der Genfer Konvention zugesprochen worden war. Hinzu kamen etwa 43.600 Asylberechtigte sowie rund 351.400 subsidiär Schutzberechtigte. Weiteren rund 188.100 Personen war eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden, weil für sie ein Abschiebungsverbot vorlag. Darüber hinaus gibt es Menschen, die außerhalb des Asylverfahrens aus humanitären Gründen in Deutschland aufgenommen wurden. Das trifft beispielsweise auf rund 220.800 jüdische Zuwanderer:innen und ihre Familienangehörigen aus der ehemaligen Sowjetunion zu, die fast ausnahmslos über speziell für diese Gruppe eingerichtete Verfahren in Deutschland aufgenommen wurden. Daneben gab es Ende Juni 2024 gut 1,1 Millionen Interner Link: Geflüchtete aus der Ukraine.

Insgesamt lebten dem Statistischen Bundesamt zufolge Ende 2023 etwa 3,2 Millionen Schutzsuchende in Deutschland. Neben 2,5 Millionen Menschen, die über einen humanitären Aufenthaltstitel verfügten, sind hier auch Asylbewerber:innen erfasst, die sich noch im Asylverfahren befanden, sowie Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde.

In Deutschland gibt es noch viel mehr Menschen mit Fluchterfahrung. Sobald sie eingebürgert sind, tauchen sie in den Zahlen des Ausländerzentralregisters allerdings nicht mehr auf. Auch die Deutschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg Interner Link: aus den deutschen Ostgebieten oder deutschen Siedlungsgebieten im Osten Europas flohen oder vertrieben wurden sowie Interner Link: DDR-Flüchtlinge sind in den Statistiken nicht abgebildet. Insgesamt leben Millionen Menschen in Deutschland, deren Biographien durch eigene oder familiäre Fluchterfahrungen geprägt sind.

Deutschland und das globale Fluchtgeschehen

Weltweit waren nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) Ende Juni 2024 122,6 Millionen Menschen auf der Flucht. Darunter fanden sich 37,9 Millionen Menschen, die aus ihren Herkunftsländern geflohen waren und von UNHCR als Flüchtlinge („refugees“) kategorisiert werden. Hinzu kamen acht Millionen Asylsuchende („asylum seekers“). Sie waren ebenfalls aus ihren Herkunftsländern geflohen, warteten aber Ende Juni 2024 noch auf eine Entscheidung über ihren Asylantrag und damit darüber, ob ihnen ein Schutzstatus gewährt würde.

Die Zahl der Flüchtlinge hat sich innerhalb eines Jahrzehnts vor dem Hintergrund eskalierender Kriege und Konflikte mehr als verdreifacht. Deutschland hat sich dabei zu einem der weltweiten Hauptaufnahmeländer entwickelt – zumindest, wenn man die absolute Zahl der aufgenommenen Flüchtlinge betrachtet. Ende Juni 2024 hatten nur der Iran (3,8 Millionen), die Türkei (3,1 Millionen) und Kolumbien (2,8 Millionen) mehr Flüchtlinge aufgenommen als Deutschland (2,7 Millionen). Diese drei Staaten grenzen unmittelbar an Kriegs- und Krisenländer an, die in den vergangenen Jahren zu den Hauptursprungsländern umfassender Fluchtbewegungen zählten: Afghanistan, Syrien und Venezuela. Deutschland teilt sich keine Grenze mit einem Land, aus dem viele Menschen flüchten, sondern ist von politisch stabilen EU-Staaten umgeben. Seine Lage in der Mitte Europas an der Schnittstelle von vielen Migrationsrouten macht es aber dennoch zu einem erreichbaren Ziel. Zudem entscheiden sich Menschen häufig, dorthin zu gehen, wo sie schon jemanden kennen, sie Freund:innen oder Verwandte haben. Zahlreiche migrationswissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass soziale Netzwerke ein zentrales Kriterium für die Zielortwahl darstellen, wobei der Handlungsspielraum von Asylsuchenden bei der Zielstaatswahl begrenzter ist als der von Menschen, die ihre Migration lange vorbereiten können. Deutschlands große migrantische Bevölkerung zieht weitere Menschen an. Zudem zählen Deutschlands Wirtschaftskraft, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu den wichtigsten Gründen, warum Schutzsuchende Deutschland ansteuern. Denn oftmals fliehen sie gerade, weil es in ihren Herkunftsländern genau das nicht gibt: politische und wirtschaftliche Stabilität und Sicherheit.

Deutschland, die EU-Asylpolitik und die Debatten über die Zukunft des Flüchtlingsschutzes

Deutschland gehört zu den wichtigsten Zielländern Asylsuchender in Europa. Im Vergleich der 27 EU-Mitgliedstaaten nahm die Bundesrepublik 2024 – wie bereits in jedem Jahr seit 2012 – in absoluten Zahlen betrachtet die meisten der EU-weit rund 912.000 Erstanträge auf Asyl entgegen (229.700), gefolgt von Spanien (164.000), Italien (151.100) und Frankreich (130.900). Auf die Bevölkerung umgerechnet nahm Deutschland allerdings mit 2,8 Asylantragstellenden pro 1.000 Einwohner:innen Externer Link: weniger Asylantragstellende auf als Zypern (7,2), Griechenland (6,6) sowie Irland und Spanien (jeweils 3,4).

Die ungleiche Verteilung der Asylsuchenden auf die Mitgliedsländer der Europäischen Union sorgt insbesondere in Staaten mit hohen Asylsuchendenzahlen seit Jahren für Unmut. Zu einer besseren Verteilung der Verantwortung für die Aufnahme und Versorgung von Asylsuchenden soll die im Frühjahr 2024 verabschiedete Interner Link: Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) beitragen. Demnach müssen sich alle EU-Staaten verpflichten, denjenigen EU-Mitgliedsländern, in denen viele Asylanträge gestellt werden, entweder einen Teil der Antragstellenden abzunehmen und ihre Anträge zu bearbeiten oder finanzielle, operative oder technische Unterstützung zu leisten. Ob sich das in der Praxis umsetzen lässt und die Reform tatsächlich zu einheitlicheren Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in den einzelnen EU-Staaten führt, bleibt abzuwarten. Bisher haben Ungarn und Polen gegen die Reform gestimmt und die Anfang Juli 2024 in den Niederlanden vereidigte Regierungskoalition aus rechten Parteien hat bereits angekündigt, die gemeinsame Asylpolitik nicht mittragen zu wollen. Ebenso setzten sich 15 EU-Staaten unmittelbar nach der Verabschiedung der GEAS-Reform für eine Interner Link: Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten ein. Dies würde einen tiefgreifenden Umbau des derzeitigen Asylsystems bedeuten.

Auch in Deutschland gibt es Forderungen, Asylverfahren in Drittstaaten auszulagern. Diese werden vor allem von AfD, CDU und FDP unterstützt. In einem Sachstandsbericht (und auch im 2025 veröffentlichten Abschlussbericht) des Bundesinnenministeriums wurde die Umsetzbarkeit der Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten aufgrund von rechtlichen, praktischen, finanziellen und ethischen Schwierigkeiten skeptisch gesehen. Im Juni 2024 wiederum beauftragten die Ministerpräsident:innen der Bundesländer die Bundesregierung damit, „konkrete Modelle für die Auslagerung von Asylverfahren in Transit- und Drittstaaten zu entwickeln und dabei insbesondere auch dafür erforderliche Änderungen in der EU-Regulierung sowie gegebenenfalls im nationalen Asylrecht anzugehen“.

Hintergrund dieser Forderungen sind von zunehmender Kritik geprägte Debatten um die Aufnahmefähigkeit Deutschlands. Einer wissenschaftlichen Untersuchung zufolge gaben im Herbst 2023 40 Prozent der bundesweit mehr als 600 befragten Kommunen an, mit der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten überlastet zu sein bzw. sich „im Notfallmodus“ zu befinden, ein halbes Jahr später waren es noch 23 Prozent. Dachverbände wie der Deutsche Städtetag und der Städte- und Gemeindebund forderten den Bund mehrfach auf, die Asylzuwanderung zu begrenzen und sich finanziell stärker an den mit der Aufnahme verbundenen Kosten zu beteiligen. Die umfangreiche Fluchtzuwanderung verstärkte den Druck auf bereits defizitäre Infrastrukturen wie den Wohnungsmarkt. In vielen Städten ist bezahlbarer Wohnraum Mangelware. 2023 gab es deutschlandweit beispielsweise nur 1,07 Millionen Sozialwohnungen und damit mehr als eine Million weniger als noch vor zwanzig Jahren. Der Bedarf an preislich gebundenen Mietwohnungen ist hingegen nicht gesunken. Im Gegenteil: Der Anteil armutsgefährdeter Menschen in der Bevölkerung Deutschlands liegt heute höher als in den 1990er Jahren. 2024 gab es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Deutschland 13,1 Millionen Menschen, die von Armut bedroht waren. Menschen mit Migrationshintergrund sind dabei häufiger armutsgefährdet als Menschen ohne. Eine repräsentative Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt, dass die Skepsis gegenüber Zuwanderung zugenommen hat: Befragte verbinden sie verstärkt mit „zusätzlichen Belastungen für den Sozialstaat […], Wohnungsnot in Ballungsräumen […] und Problemen in den Schulen“. In diesem Kontext ist auch die Bereitschaft gesunken, Schutzsuchende aufzunehmen. Laut Bertelsmann-Studie waren 2023 60 Prozent der Befragten der Ansicht, „Deutschland könne nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen, weil es an seiner Belastungsgrenze sei.“ Im Laufe des Jahres 2024 wurde das Thema Migration nach von Menschen mit (Flucht-)Migrationsgeschichte verübten Anschlägen mit mehreren Toten und Verletzten politisch und medial zunehmend mit dem Thema innere Sicherheit verknüpft. Sowohl die innere Sicherheit als auch die Zuwanderung zählten laut Infratest dimap dann auch zu den drei Themen, die für die Wahlentscheidung bei der Bundestagswahl 2025 die größte Rolle spielten. Dabei zeigt sich eine Gleichzeitigkeit von Schließung und Öffnung: Während die Einwanderung von Fachkräften weitgehend „geräuschlos“ erfolgt und politisch durch den Abbau von Zuwanderungshürden gefördert wird, zeigte sich vor der Bundestagswahl 2025 eine fast parteiübergreifende Einigkeit, dass die Asylzuwanderung stärker begrenzt werden müsse. Mehrere Vorhaben, die dieses Ziel verfolgen, finden sich denn auch im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD. So sollen etwa humanitäre Aufnahmeprogramme des Bundes beendet und der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten ausgesetzt werden. Außerdem sollen die Kontrollen an allen deutschen Grenzen fortgesetzt und Zurückweisungen auch bei Asylgesuchen vorgenommen werden. Darüber hinaus wollen die Koalitionspartner die Zahl der Rückführungen abgelehnter Asylbewerber:innen etwa durch den Ausbau der Kapazitäten für die Abschiebehaft steigern und Abschiebungen auch in Länder wie Afghanistan und Syrien durchsetzen. Wie die Ursachen von Flucht und Vertreibung gemindert werden sollen, wird im Koalitionsvertrag nicht weiter konkretisiert.

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Vera Hanewinkel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.