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Analyse: Am Staatssteuer – die Herausforderungen für die Bürgerplattform in der zweiten Amtszeit von Donald Tusk | Polen-Analysen | bpb.de

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Analyse: Am Staatssteuer – die Herausforderungen für die Bürgerplattform in der zweiten Amtszeit von Donald Tusk

Marta Gałązka, Marek Solon-Lipiński, Dr. jur. Jarosław Zbieranek

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Die Parlamentswahl vom 9. Oktober 2011 ließ zum ersten Mal seit 1989 eine Koalition siegen, die vorher schon die Regierung gestellt hatte. Die Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO), die fast 40 Prozent der Stimmen erhielt, bestätigte damit ihre Position als wichtigste politische Kraft. Auch im Senat war der Sieg eindeutig – von 100 Senatorenmandaten (die zum ersten Mal in Ein-Mandats-Wahlkreisen gewählt wurden) erhielten die Vertreter der PO 63 und somit eine absolute Mehrheit. Auch der kleinere Koalitionspartner, die Polnische Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe – PSL), erreichte ein relativ gutes Ergebnis, nämlich mehr als 8 Prozent. Im Ergebnis erhielten die beiden Parteien nach vier Jahren einer gemeinsamen Regierung (2007–2011) die Möglichkeit, diese in einer weiteren Wahlperiode fortzusetzen, stellten sie doch gemeinsam die Mehrheit im Sejm. Eine solche Absicht hatten die Parteiführer schon lange vor den Wahlen bekundet. Die größte Oppositionspartei, Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS), wiederholte bei der Parlamentswahl 2011 ebenfalls ihr Ergebnis der vorangegangenen Wahl, und dies, nachdem sie ihre Rhetorik deutlich abgemildert und einen gemäßigten Wahlkampf geführt hatte. Das Wahlergebnis erlaubte nicht, die Regierungsverantwortung zu übernehmen. Auch die Möglichkeiten, mit den anderen Gruppierungen im Sejm eine Koalition zu bilden, erwiesen sich als problematisch. Die Wahlergebnisse und die Perspektive eines Weiterregierens der PO-PSL-Koalition in einem praktisch unveränderten Kräfteverhältnis weckten keine größeren Emotionen oder gar Kontroversen. Es gab keine Spekulationen der Medien, die sonst die Phase der Regierungsbildung begleiten, vielmehr war klar, dass die beiden Parteien die Regierung bilden würden, und zwar unter der Führung von Donald Tusk (PO), und dass in den kommenden Jahren Kontinuität bei den wichtigsten Regierungsvorhaben angesagt war. Das größte Medieninteresse in der Zeit kurz nach den Wahlen weckte paradoxerweise der Einzug eines Debütanten auf der politischen Bühne in den Sejm, einer Gruppierung, die von Janusz Palikot, einem ehemaligen PO-Politiker, ins Leben gerufen worden war. Dieser hatte nach einem recht scharfen Konflikt mit Tusk die PO verlassen und die Bewegung zur Unterstützung von Palikot (Ruch Poparcia Palikota) gegründet, deren Slogans sich vor allem auf einen Liberalismus in Wertefragen konzentrierten (vgl. Polen-Analyse Nr. 108). Obwohl die Partei von Palikot im Wahlkampf schwache Umfrageergebnisse aufwies, erhielt sie gegen Ende immer größere Unterstützung (vor allem von jungen Menschen) und bekam schließlich zehn Prozent der Stimmen. Sie konnte 40 Abgeordnete im Sejm stellen und war drittstärkste Kraft. Die zweite Sache, die viele Emotionen hervorrief, war das spektakulär niedrige Ergebnis der Demokratischen Linksallianz (Sojusz Lewicy Demokratycznej – SLD) – das niedrigste in ihrer Geschichte. Unter dem Vorsitz von Grzegorz Napieralski erhielt die SLD nur wenig über 8 Prozent. Noch kurz vor den Wahlen spekulierte die SLD-Führung darüber, dass die Partei 15–17 Prozent erhalten und ein potentieller Koalitionspartner für die PO werden würde, und Napieralski zeigte sich bereit, das Amt des stellvertretenden Ministerpräsidenten zu übernehmen. Interessanterweise wurde der Sieg der Gruppierung um Palikot nicht im Zusammenhang mit einer Schwächung der PO und einer Konkurrenzsituation für dieselbe analysiert (obwohl eine große Gruppe von ehemaligen PO-Wählern ihr ihre Stimme gegeben hatte), sondern eher als Entstehung eines starken Konkurrenten für die SLD.

Das Exposé und die Regierungsbildung

Obwohl gleich nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse die Fortsetzung der PO-PSL-Regierung praktisch schon klar war, begannen verfassungsgemäß Gespräche mit allen Parteien, die in den Sejm eingezogen waren. Dabei bemühte sich der Staatspräsident um eine wichtige Rolle, es wurde aber bald klar, dass Tusk den Ton bei der Regierungsbildung angeben würde. Die Arbeiten nahmen ohne Eile ihren Gang, und am 8. November 2011 designierte Staatspräsident Bronisław Komorowski Donald Tusk offiziell als Ministerpräsidenten und übertrug ihm die Aufgabe der Regierungsbildung. Am 18. November 2011 stellte der Ministerpräsident dem Sejm sein Exposé vor. Bei seinem Auftritt dankte Tusk den Polen für das Vertrauen, das sie seiner Regierung in der letzten Amtszeit entgegengebracht hatten, und für die Möglichkeit, die Arbeit fortzusetzen. Nahezu das gesamte Exposé widmete er wirtschaftlichen und finanzpolitischen Fragen, was ein vollkommenes Novum war. Tusk hob die Gefahren hervor, die sich aus der Weltwirtschaftskrise ergeben, und unterstrich gleichzeitig die gute Kondition Polens vor dem Hintergrund anderer europäischer Staaten, wobei er u. a. auf den Anstieg des Bruttoinlandsprodukts in den Jahren 2008–2011 hinwies. Er unterstrich, dass die sehr gute wirtschaftliche Verfassung der Schlüssel sein werde, um eine wichtige Rolle auf der internationalen Bühne zu spielen und in der Europäischen Union Beachtung zu finden. Des Weiteren konzentrierte sich Tusk auf Fragen des Staatshaushaltes. Er betonte, dass sich die Haushaltsplanung angesichts der dynamischen und unbeständigen Finanzsituation im Ausland durch eine große Elastizität auszeichnen müsse. Deshalb seien einige Varianten und Drehbücher entwickelt worden, die je nach Situation angewandt würden. Des Weiteren kündigte Tusk als eine der wichtigsten Reformen die Rentenreform an und stellte einen genauen Zeitplan vor, um das Renteneintrittsalter für Männer und Frauen auf 67 Jahre anzuheben. Obgleich schwierig, sei dieses Vorhaben notwendig, denn dies würde ermöglichen, die Renten ohne Probleme auszuzahlen und die realen Renteneinkommen im Verhältnis zum Lebensniveau in Zukunft zu erhöhen. Außerdem skizzierte Tusk das Vorhaben einer Reform der Renten für die Landwirte. An diesem System wird seit Jahren kritisiert, dass es die Landwirte übermäßig privilegiert. Weiter kündigte er eine Überprüfung der Privilegien verschiedener Berufe an, denen derzeit besondere Vergünstigungen zustehen, u. a. betrifft dies die so genannten uniformierten Dienste, Richter, Staatsanwälte, Bergleute und schließlich Priester. Tusk unterstrich auch hier, dass die Reduzierung der Privilegien dieser Gruppen notwendig sei. Darüber hinaus stellte Tusk eine Reihe von Erleichterungen für kinderreiche Familien in Aussicht sowie in naher Zukunft eine Erhöhung der Renten sowie der Löhne im Baugewerbe. Zusammengefasst: Das Exposé war kurz, konkret und frei von allgemeinen, ideologischen Fragen. Vielmehr setzte es ökonomische Schwerpunkte und bezog sich auf Herausforderungen, die angesichts der Weltwirtschaftskrise vor Polen stehen. Vorgestellt wurde ein Aktionsplan für die kommenden Monate, der trotz voraussichtlich schwieriger und unpopulärer Reformen langfristig vor deutlich schmerzhafteren Einschnitten schützen soll. Am 19. November 2011 sprach der Sejm der Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk das Vertrauen aus. Dafür stimmten die Abgeordneten der PO und der PSL,dagegen die Abgeordneten aller anderen Parteien. Recht viele Kommentare rief die Zusammensetzung der Regierung hervor. Zwar blieb die Besetzung der wichtigsten Ministerposten unverändert – stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister blieb Waldemar Pawlak, Finanzminister blieb Jacek Rostowski (einer der engsten Mitarbeiter von Tusk) und Außenminister Radosław Sikorski –, aber in manchen Ministerien kam es zu Neubesetzungen. Viele Kontroversen und Kritik rief insbesondere hervor, dass einige Ressorts von PolitikerInnen übernommen wurden, die bisher keine größere Beziehung zum betreffenden Arbeitsgebiet oder Erfahrung aufwiesen. Dies betraf die neue Ministerin für Sport und Tourismus, Joanna Mucha (in Anbetracht des bevorstehenden Großereignisses der Fußballeuropameisterschaft EURO 2012), und den Minister für Transport, Bauwesen und Meereswirtschaft, Sławomir Nowak. Diese Nominierungen wurden auch als PR-Element aufgefasst. Junge, energische Menschen sollten das Image der Regierung aufbessern. Kontroversen rief auch hervor, dass auf dem Posten des Justizministers der angesehene Fachmann Krzysztof Kwiatkowski von Jarosław Gowin ersetzt wurde, einem Philosophen und Repräsentanten des konservativen Flügels der PO. Außerdem war von Bedeutung, dass das Amt des Gesundheitsministers von Bartosz Arłukowicz übernommen wurde, einem Politiker, der erst kurz vor den Wahlen von der SLD zur PO übergetreten war, wobei er in der SLD als ernstzunehmender Konkurrent von Grzegorz Napieralski gehandelt worden war, sowie die Schaffung eines neuen Ministeriums für Verwaltung und Digitalisierung, das Michał Boni übernahm, bis dahin verantwortlich für den Expertenstab beim Regierungschef und die strategische Fragen.

Die Proteste der Ärzte und Apotheker

In die Anfangszeit der zweiten Regierung unter der PO fiel das Inkrafttreten der umstrittenen Novelle des »Erstattungsgesetzes«. Sie war noch vor den Wahlen, am 12. Mai 2011, unterschrieben worden und sollte ab dem 1. Januar 2012 gelten. Dies bedeutete, dass eine Reihe von Arzneimitteln teurer wurde und die Ärzte u. a. verpflichtet wurden, restriktiv zu überprüfen, ob der betreffende Patient, dem ein Rezept ausgestellt werden soll, auch versichert ist. Falls nicht, würde der Nationale Gesundheitsfonds (Narodowy Fundusz Zdrowia – NFZ) den Ausstellenden mit den Kosten belasten. Außerdem hatten die Ärzte die Pflicht zu überprüfen, in welcher Höhe der NFZ eine Zufinanzierung gestattet – ob zu 30, 50 oder 100 Prozent. Große Unzufriedenheit rief die Tatsache hervor, dass das Gesetz nach Meinung der Ärzte den Angestellten des NFZ eine zu große Einmischung in die Arbeit der Ärzte gestattete. Noch vor Inkrafttreten des Gesetzes kündigten Ärzte und Apotheker Proteste und den Boykott der neuen Vorschriften an. Die Ärzte entschieden, nicht zu überprüfen, ob der betreffende Patient versichert ist, sondern nur das in voller Höhe zu bezahlende Rezept mit der Aufschrift »Kostenerstattung des Arzneimittels wird vom NFZ entschieden« zu versehen. Der Protest rief große Verwirrung hervor. In manchen Apotheken traten Probleme beim Einlösen von Rezepten auf. Im Zusammenhang mit den Protesten gegen die neuen Vorschriften entschlossen sich viele Apotheken in Polen, eine einstündige Arbeitspause einzulegen. Die ganze Situation betraf Millionen von Patienten, häufig ältere Menschen, die völlig orientierungslos hinsichtlich der Änderungen waren. Das Vertrauen in das polnische Gesundheitssystem und dessen Bewertung von Seiten der Bürger, um beides war es ohnehin schlecht bestellt, verminderten sich noch weiter.

Die Unterzeichnung von ACTA

Nicht lange nach Beginn der Proteste gegen das Gesetz zur Kostenerstattung kam es zu einer weiteren Kontroverse. Das internationale Handelsabkommen ACTA, das die Bekämpfung von gefälschten Produkten und das Vorgehen gegen die Verletzung geistigen Eigentums betrifft, wurde am 16. Januar 2012 von Polen und 21 weiteren EU-Ländern unterzeichnet. Diese Entscheidung stieß auf eine Welle von Kritik und Protesten, darunter auch Straßendemonstrationen mit mehreren Tausend Teilnehmern. Die Mehrheit der Polen war der Meinung, dass das Abkommen nachteilig für die Internetnutzer ist, dem freien Zugang zu ins Internet gestellten Inhalten schaden und die Freiheit und Privatsphäre im Netz gefährden kann. An den Straßendemonstrationen im ganzen Land nahmen mehrere Zehntausend, meist junge Menschen teil. Die Proteste gegen das Abkommen waren so stark, dass nicht nur Politiker erstaunt waren, sondern auch Publizisten und politische Kommentatoren. Die Entscheidung der Regierung, die Ratifikation von ACTA zurückzustellen, entsprach demnach den gesellschaftlichen Erwartungen.

Die Rentenreform

Ebenfalls Anfang 2012 verschärfte sich die Diskussion über die Rentenreform. Der Vorschlag der PO sah die Anhebung und Angleichung des Renteneintrittsalters bei Männern und Frauen auf das 67. Lebensjahr vor. Ab 2013 sollte alle vier Monate das Renteneintrittsalter um einen Monat erhöht werden. Dies bedeutet, dass das Renteneintrittsalter jährlich um drei Monate steigen würde, so dass das Ziel von 67 Jahren bei Männern im Jahr 2020 und bei Frauen im Jahr 2040 erreicht wäre. Gegen die Erhöhung des Renteneintrittsalters bei Männern sprachen sich 84 Prozent der Polen aus, bei Frauen waren es 91 Prozent. Dieses Vorhaben stieß auch beim Koalitionspartner PSL nicht auf Unterstützung. Ihm gefielen derart rigorose Änderungen im Rentensystem nicht. Stattdessen schlug die PSL die Einführung einiger Regelungen vor, die Frauen betreffen, wobei deren traditionelle Rolle in der Familie beachtet werden sollte. Dies stieß allerdings nicht auf die Zustimmung der PO. Gespräche zwischen den beiden Koalitionspartnern brachten über lange Zeit keinerlei Bewegung, jeder blieb hartnäckig bei seiner Auffassung. Die Situation schien so dramatisch, dass viele Publizisten ein Auseinanderbrechen der Koalition prognostizierten und über eine mögliche Verständigung der PO mit der Palikot-Bewegung oder der SLD spekulierten. Nach Monaten des Streits wurde ein Kompromiss zur Reform vereinbart. Für diesen stimmten im Sejm nicht nur die PO, sondern auch die PSL und die Palikot-Bewegung (mit Ausnahme eines Abgeordneten).

EURO 2012

Die Phase von Mai bis zum Ende der Ferien Ende August sollte für die Regierung und die größte polnische Partei die Zeit sein, die Früchte zu ernten, die die Organisation der Fußballeuropameisterschaft einbringen sollte. Die EURO 2012, die in Polen und der Ukraine stattfand, sollte für die Polen ein Grund des Stolzes und wachsender Zufriedenheit sein, was gleichzeitig in einem Anstieg der Unterstützung für die Regierung zum Ausdruck kommen sollte. Tatsächlich war es ein Erfolg der Regierung, dass die Organisation der EURO 2012 ohne besonders augenfällige Zwischenfälle gelang. Dabei muss darauf hingewiesen werden, dass die Regierung während der Spiele die Unterstützung der wichtigsten polnischen Medien des Mainstream erfuhr. Vor diesem Hintergrund soll hier eine Reihe von Problemen benannt werden, die trotz allem während der Vorbereitung und Durchführung der Meisterschaft sichtbar wurden und die im Zusammenhang mit einer eventuell wachsenden Unzufriedenheit mit der Regierung von Donald Tusk von Bedeutung sind. Für Polen sollte die EURO 2012 vor allem die Chance auf einen zivilisatorischen Sprung sein. Die Organisation der weltweit drittwichtigsten Sportveranstaltung (nach den Olympischen Spielen und der Fußballweltmeisterschaft) sollte Infrastrukturinvestitionen erzwingen, die den nachfolgenden Generationen zur Verfügung stehen. Die geplanten Investitionsvorhaben, zumindest im Bereich des Fernstraßenbaus, wurden aber überwiegend nicht termingerecht fertiggestellt, darunter auch Bauvorhaben, die als Schlüsselinvestitionen definiert worden waren. Kurz vor Beginn der Europameisterschaft wurde mit großen Pomp der Autobahnabschnitt Warschau–Lodz freigegeben (Teil der Autobahn Warschau–Berlin), was erlaubte, die Misserfolge an anderen »Investitionsfronten« zu kaschieren. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die seit vielen Monaten bestehenden Behinderungen aufgrund von Bauarbeiten den polnischen Autofahrern immer noch zu schaffen machen. Ein Aspekt bei den Diskussionen zum Thema Investitionen, die u. a. in Hinblick auf die EURO 2012 vorbereitet wurden, waren die Art und Weise, wie Ausschreibungen durchgeführt werden, und die Kosten, die der polnische Staat für Bau- und Instandsetzungsvorhaben trug. Ein besonders lautes Echo riefen die Proteste der Unternehmer hervor, die Unterauftragnehmer der Konsortien waren, die die Ausschreibungen der Autobahnen für sich entschieden hatten. Viele der Firmen gingen pleite, weil die Auftraggeber nicht termingerecht für die ausgeführten Arbeiten zahlten, was aber die Unternehmer nicht davon befreite, die Steuer auf die von ihnen ausgestellten Rechnungen zu zahlen. Dabei trat auch der Mechanismus ans Tageslicht, dass »mehrstöckige« Verträge konstruiert wurden, die auf den Dienstleistungen von Dutzenden von Unterauftragnehmern gründeten, von denen jeder seine Marge weitergab und auf diese Weise einen lawinenartigen Preisanstieg für den jeweiligen Dienst mitverursachte. Darüber hinaus erwiesen sich die polnischen Investitionen als eindeutig teurer als vergleichbare in Westeuropa, zum Beispiel in Deutschland, was die Frage nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit provoziert. Als Beispiel können hier die Kosten für den Bau von Sportstadien angeführt werden: Die Kosten für das Nationalstadion in Warschau betrugen zirka 500 Mio. Euro, die der vergleichbaren Allianz Arena in München dagegen 340 Mio. Euro.

Nepotismus, Michał Tusk und Amber Gold

Tatsächlich trat nach Beendigung der Fußballeuropameisterschaft trotz des fatal frühen Ausstiegs der polnischen Mannschaft die von der PO erwartete Verbesserung der allgemeinen Stimmung in der Gesellschaft ein. Die oben genannten Probleme wurden nicht Gegenstand breiterer Diskussionen, folglich sollten Juli und August eine ruhige Phase vor dem Beginn einer neuen politischen Saison im Herbst werden. Allerdings kam es bereits Mitte Juli zu Ereignissen, die das Potential hatten, sowohl die Position der Regierung als auch der PO selbst zu erschüttern. Die Tageszeitung »Puls Biznesu« veröffentlichte einen Mitschnitt, der Vetternwirtschaft in der Koalitionspartei PSL enthüllte. Diese Angelegenheit schlug sich in einem recht großen Echo in den Medien nieder, die angesichts des öffentlichen Interesses an diesem Problem begannen, immer neue Fälle von Machtmissbrauch in parteinah besetzten Verwaltungseinrichtungen und Gesellschaften des Staatsschatzes – auch durch PO-Politiker – zu enthüllen. Schließlich wurde entdeckt, dass der Sohn von Ministerpräsident Donald Tusk, Michał Tusk, von einem Unternehmen angestellt ist, das zum Teil vom Staat und zum Teil von der lokalen Selbstverwaltung kontrolliert wird, dem Danziger Flughafen. Obwohl in diesem Fall keinerlei direkte Protektion seitens des Ministerpräsidenten bewiesen wurde, wurde es laut um diese Angelegenheit. Sie gewann zusätzlich an Fahrt, weil eine weitere Affäre aufgedeckt wurde, nämlich, dass Michał Tusk nicht nur für den Danziger Flughafen arbeitet, sondern gleichzeitig auch für die Lokalredaktion der Tageszeitung »Gazeta Wyborcza«, wo er über Infrastruktur und Kommunikation schrieb, sowie außerdem für die Fluggesellschaft OLT Express. Die Krise wurde durch die Lage der Fluglinien von OLT Express verstärkt: Ende Juli wurden von einem Tag auf den anderen alle Flüge abgesagt und einige Hunderttausend Passagiere, die bereits Tickets gekauft hatten, blieben sitzen. Die Fluglinien wiederum waren Eigentum der Firma Amber Gold. Diese war als »Parabank« tätig, obwohl sie keine entsprechenden Berechtigungen besaß und auf einer Risikoliste des Finanzaufsichtsausschusses stand. Dabei versprach sie ihren Kunden einen viel höheren Zinssatz als andere Anlagefirmen. Wichtig ist hier außerdem, dass sowohl OLT Express als auch Amber Gold in den vorangegangenen Monaten große Summen in unterschiedliche Arten von Werbung investiert hatten. Zusätzlich unterstützten sie einflussreiche Kreise in Pommern, wodurch sie gleichzeitig Vertrauen und einen Schutzschirm für sich aufbauten. U. a. unterstützte die Firma Amber Gold großzügig die Produktion eines Films über Lech Wałęsa, die Dominikanerkirche in Danzig und den Danziger Zoo. Amber Gold schloss Mitte August seine Abteilungen und ließ einige Tausend Menschen mit leeren Händen zurück, die Zloty-Beträge in zweistelliger Millionenhöhe angelegt hatten. Es stellte sich heraus, dass der Vorsitzende von Amber Gold bereits mehrmals wegen Finanzmissbrauchs bestraft worden war und seine Tätigkeit ausübte, ohne die entsprechende Erlaubnis zu haben, er handelte also gegen die Vorschriften. Dennoch waren Staatsanwaltschaft und Gerichte nicht in der Lage gewesen, der Situation vorzubeugen. Die Beschäftigung des Sohns von Donald Tusk bei einer Firma von so verdächtiger Herkunft musste politische Konsequenzen hervorrufen, insbesondere weil in der Zwischenzeit neue kompromittierende Informationen aufgetaucht waren. Michał Tusk gab zu, dass er in einem Interview für die Danziger »Gazeta Wyborzca« sowohl die Fragen gestellt (als Journalist) als auch die Antworten des Chefs der Fluglinie OLT Express formuliert hatte (als Angestellter der Linie im Pressebüro). Der Vorsitzende von Amber Gold, Eigentümer der OLT-Linien, wiederum belastete den Sohn des Ministerpräsidenten, indem er darauf hinwies, dass dieser ihm vertrauliche Informationen finanzieller Art verraten habe. Der Chef des Danziger Flughafens selbst aber teilte mit, dass er in hier keinen Interessenkonflikt sehe. Diese ganze Angelegenheit war zweifelsohne ein Problem für das Image auch der PO.

Reaktionen der öffentlichen Meinung

Wie beeinflussten die dargestellten Probleme die Wahrnehmung der PO und der Regierung von Donald Tusk in der Öffentlichkeit? Wesentlich für das Erscheinungsbild scheinen das Hin- und Her um das Gesundheitswesen und die Renten sowie die Unzufriedenheit mit der Ratifizierung von ACTA durch die Regierung zu sein. Diese Vorgänge kumulierten sich in der ersten Jahreshälfte 2012 im späten Winter und frühen Frühling. Dabei kam es zu einem deutlichen Rückgang der guten Bewertungen des Ministerpräsidenten und der Regierung sowie der PO (s. Grafik 1 im Anhang). Die Daten belegen, dass Anfang des Jahres 2012 eine bisher nicht bekannte Veränderung der gesellschaftlichen Einschätzung gegenüber der PO-Regierung eintrat. Sowohl der Ministerpräsident als auch die Regierung sahen sich zum ersten Mal einer größeren Anzahl von Gegnern als von Anhängern gegenüber (s. Grafik 3 im Anhang). Eine solche Situation hatte während der gesamten vorangegangenen Legislaturperiode vermieden werden können. Es muss allerdings auch darauf hingewiesen werden, dass sich nach dem plötzlichen Einbruch in den ersten Monaten von 2012 die Situation allmählich wieder zu stabilisieren begann. Möglicherweise ist dies eine beständige Tendenz, jedoch ist eine Rückkehr zu den Zeiten, als mehr als 50 Prozent der Polen Vertrauen zu Donald Tusk zu haben angaben, schwer vorstellbar. Wesentlich scheint zu sein, dass das Image des Ministerpräsidenten und der Regierung nicht von den Skandalen beeinflusst wurde, die in der Ferienzeit ausbrachen. Die Gleichgültigkeit der Gesellschaft gegenüber diesen Affären könnte die These von einer wachsenden Entfremdung der Welt der Politik von der übrigen Gesellschaft bestätigen. Faktoren, die die Bewertung der Regierung beeinflussen, sind unmittelbar mit dem Gefühl sozialer Sicherheit der Bürger verbunden (Fragen des Gesundheitswesens, der Rente). Es kommt vor, dass die plötzlich auftretende Unzufriedenheit der Gesellschaft dadurch verursacht wird, dass der Staat in die Privatsphäre und den Bereich des Lebensstils eindringt, beispielsweise in Form der Beschränkung, die Möglichkeiten des Internets zu nutzen. So kann der massenhafte Protest gegen die Ratifizierung von ACTA erklärt werden. Trotz sinkender Beliebtheitswerte ist die führende Position der PO immer noch stark, und Donald Tusk führt sie mit starker Hand. Auch wenn es in der Partei unterschiedliche Fraktionen und Brüche gibt – als stärkste Gruppierung wird der konservative Flügel um Justizminister Jarosław Gowin betrachtet – scheint die innere Integrität der Partei nicht bedroht zu sein. Eine gewisse Herausforderung können in diesem Zusammenhang die Diskussionen und Entscheidungen über Reformen sein, die Wertefragen oder Fragen des Lebensstils betreffen, zum Beispiel das Gesetz über gleichgeschlechtliche Partnerschaften oder die Finanzierung von In-vitro-Fertilisation, allerdings gilt hier, dass diese Fragen vom Ministerpräsidenten eindeutig als zweitrangig – im Vergleich zu den wirtschaftlichen Herausforderungen – beurteilt wurden. Notwendig scheint eine Umbesetzung der Regierung zu sein, so dass durch die Ersetzung unpopulärer oder inkompetenter Minister ebenfalls das gesellschaftliche Vertrauen in die Regierung gehoben werden kann. Hinzuweisen ist außerdem auf die Beliebtheitswerte der PO selbst. Die Unterstützung für die politischen Parteien in der Zeit seit der Parlamentswahl 2007 zeichnet sich durch eine ungewöhnliche Stabilität aus (s. Tabelle 1 im Anhang). Auch die Zustimmung für die PO wirkt stabil und die Position der wichtigsten Partei auf der politischen Bühne Polens ungefährdet. Auch wenn sich Anfang 2012 ein Erdrutsch der Beliebtheitswerte feststellen ließ – nämlich ein wahrnehmbarer Abfluss von Wählergruppen, die bei der Parlamentswahl 2011 die PO aus Mangel an Alternativen und ohne Enthusiasmus gewählt hatten –, bewirkte dies doch nicht die Stärkung einer anderen Gruppierung. Die Unterstützung wurde auch nicht durch die Durchführung unpopulärer Reformen gestört, insbesondere der Rentenreform. Die Oppositionsparteien scheinen mit ihren eigenen Problemen beschäftigt zu sein und stellen keine reale Alternative dar. PiS bemüht sich inständig, ihre Identität zu wahren und die politische Bühne auf der rechten Seite zu bestimmen (was die Unterstützung für die »Abspalter-Partei« des unter rechten Wählern beliebten ehemaligen Justizministers Zbigniew Ziobro nivelliert). Unlängst schaltete sich der Vorsitzende von PiS, Jarosław Kaczyński, in die Debatte um den Zustand des Staates ein und stellte seine Vision von Wirtschaftsreformen vor. Ein Faktor, der die Möglichkeiten von PiS beschränkt, ist auch das mangelnde Vertrauen seitens der Bevölkerung Kaczyński gegenüber (zirka 50 Prozent). Die Palikot-Bewegung scheint damit beschäftigt zu sein, eine eigene Identität und kohärente Vision zu gestalten. Nach dem forschen Einzug ins Parlament als drittstärkste Kraft verliert die Partei allmählich das Vertrauen der Wähler. Der Parteivorsitzende Janusz Palikot ist ein Politiker, dem ähnlich viele Polen misstrauen wie Kaczyński. Die SLD bemüht sich recht wirkungslos um Unterstützung. Der Wechsel des Vorsitzenden zugunsten des markanten ehemaligen Ministerpräsidenten Leszek Miller brachte hier keine Verbesserungen mit sich. Diese beiden Parteien scheinen keine potentiellen Koalitionspartner für die PO zu sein. Wichtig für die Stabilität der Regierung ist auch die Situation des Koalitionspartners. Die PSL kann große Turbulenzen im Zusammenhang mit der Wahl eines neuen Vorsitzenden und der Präsenz unterschiedlicher Fraktionen mit gegensätzlichen Interessen erleben, und die beständig niedrige gesellschaftliche Unterstützung kann ihren Teil zu den inneren Spannungen beitragen.

Fazit

In den kommenden zwei Jahren werden keine Wahlen stattfinden; erst im Juni 2014 werden das Europäische Parlament und die Selbstverwaltungsorgane in Polen gewählt. Zumindest theoretisch könnte diese Phase also eine Zeit ohne die politischen Gewitter sein, die sonst von Wahlkämpfen ausgelöst werden, sondern vielmehr eine Phase der Ruhe für die Regierung. Dies würde erlauben, sich auf die Umsetzung der geplanten Vorhaben zu konzentrieren, insbesondere der wirtschaftlichen Reformen. Die Vermeidung von Krise und Stagnation ist in dieser Hinsicht eine ernstzunehmende Herausforderung. Da die geplanten wirtschaftlichen Veränderungen unterschiedliche soziale Gruppen betreffen, kann dies zu Unzufriedenheit in der Gesellschaft führen. Gerade die wirtschaftlichen und sozialen Fragen scheinen in der nächsten Zeit die Arena einer verstärkten Debatte mit der Opposition und den Gewerkschaften zu werden. Der Unterstützung der Regierung kann dagegen die Freigabe von EU-Geldern für große Investitionen wie Autobahnen und Eisenbahnlinien dienen. Zweifellos könnte dies die positive Wahrnehmung der PO als Reformer und Modernisierer des Landes stärken. Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Über die Autoren

Marta Gałązka, Politologin, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Programm »Recht und Demokratische Institutionen« beim Institut für Öffentliche Angelegenheiten in Warschau (Instytut Spraw Publicznych, Warszawa). Marek Solon-Lipiński, Soziologe, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Institut für Öffentliche Angelegenheiten in Warschau (Instytut Spraw Publicznych, Warszawa) und beschäftigt sich mit Fragen der gesellschaftlichen Partizipation und der Transparenz des öffentlichen Lebens. Dr. jur. Jarosław Zbieranek, Politologe, ist Leiter des Programms »Recht und Demokratische Institutionen« beim Institut für Öffentliche Angelegenheiten in Warschau (Instytut Spraw Publicznych, Warszawa).

Fussnoten

Marta Gałązka, Politologin, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Programm »Recht und Demokratische Institutionen« beim Institut für Öffentliche Angelegenheiten in Warschau (Instytut Spraw Publicznych, Warszawa). Marek Solon-Lipiński, Soziologe, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Institut für Öffentliche Angelegenheiten in Warschau (Instytut Spraw Publicznych, Warszawa) und beschäftigt sich mit Fragen der gesellschaftlichen Partizipation und der Transparenz des öffentlichen Lebens. Dr. jur. Jarosław Zbieranek, Politologe, ist Leiter des Programms »Recht und Demokratische Institutionen« beim Institut für Öffentliche Angelegenheiten in Warschau (Instytut Spraw Publicznych, Warszawa).