Die Reichtumsquote in Deutschland ist laut Mikrozensus − gemessen an der Schwelle von 200 Prozent des mittleren (Median)Nettoäquivalenzeinkommens − von 7,7 Prozent im Jahr 2005 auf 8,2 Prozent im Jahr 2013 zunächst angestiegen, bis 2016 gleich hoch geblieben und dann bis 2019 auf 7,9 Prozent gefallen. (vgl. "Einkommensreichtumsquote 2005 bis 2019"). Auch in Westdeutschland zeigt sich dieser Verlauf. In Ostdeutschland schwanken die Werte etwas mehr. Die Quote ist dort im Zeitraum 2005 bis 2019 von 6,1 auf 6,8 Prozent angestiegen.
Zeitliche Entwicklung und regionale Unterschiede
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Deutschlandweit steigt die Reichtumsquote langsam, aber beinahe stetig an. Der Anteil der Reichen an der Bevölkerung ist in Westdeutschland höher als in Ostdeutschland. Allerdings nähert sich der Osten dem Westen diesbezüglich und auch in der gruppenspezifischen Differenzierung langsam an.
Das bedeutet, dass der Anteil der so definierten Reichen im Osten marginal stärker angestiegen ist, aber immer noch − unter Verwendung des regionalen Medians wie des Bundesmedians − unterhalb der westdeutschen Quote liegt. Bei Verwendung des Bundesmedians würden die Werte für 2005 in Westdeutschland 8,8 bzw. 8,6 Prozent in 2019 und in Ostdeutschland 3,9 bzw. 5,0 Prozent in 2019 betragen. Der Angleichungsprozess des Ostens an die westdeutschen Verhältnisse schreitet in dieser Hinsicht ganz langsam fort.
Bemerkenswert ist, dass die Reichtumsquoten im Vergleich zu den Armutsquoten von Jahr zu Jahr weniger schwanken. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte sein, dass die Stabilität der Beschäftigungsverhältnisse auch in Krisenzeiten bei den hier relevanten Personen höher ist als im Bereich des unteren Endes der Einkommenshierarchie.
Auf der Ebene der Bundesländer ist die Streuung der Reichtumsquoten 2019 etwas größer, mit einem leichten Anstieg seit 2005 in fast allen Bundesländern. Die höchste Reichtumsquote verzeichnet im Jahr 2019 gemessen am Bundesmedian mit 10,9 Prozent Hamburg vor Hessen (10,3 %), Baden-Württemberg und Bayern (9,9 bzw. 9,8 %). Die niedrigsten Quoten finden sich in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern mit 3,1 bzw. 3,6 Prozent, gefolgt von Thüringen und Sachsen (3,7 und 3,8 %).
Bei Verwendung des Landesmedians ergeben sich deutlich andere Werte und eine andere Reihenfolge. Im Jahr 2019 verzeichnen Hessen und Berlin die höchsten Reichtumsquoten (9,7 bzw. 9,3 %), gefolgt von Bremen und Hamburg (9,2 bzw. 8,9 %). Am geringsten sind die Werte in Thüringen und Sachsen (5,5 bzw. 5,6 %) und in Mecklenburg-Vorpommern sowie Sachsen-Anhalt mit je 6,1 Prozent (vgl. "Einkommensreichtumsquoten 2019 nach Bundesländern").
Es lassen sich einige, auch über die Jahre hinweg betrachtet stabile Muster gruppenspezifischer Unterschiede bei den Einkommensreichtumsquoten identifizieren, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:
Frauen haben deutschlandweit eine geringere Einkommensreichtumsquote als Männer.
Im Kernerwerbsalter (25 bis 65 Jahre) ist diese Quote höher und bei den unter 18- bzw. über 65-Jährigen geringer als der Durchschnitt. Bei letzteren ist das in Ostdeutschland besonders ausgeprägt.
Einpersonenhaushalte haben die geringsten Anteile.
Ist die Haupteinkommensbeziehende Person verwitwet, so ist die Einkommensreichtumsquote geringer als bei Geschiedenen und als bei Verheirateten.
Die Personen aus Haushalten mit einer in Vollzeit haupterwerbstätigen Person haben den höchsten Anteil, gefolgt von Haushalten Teilzeitbeschäftigter bzw. Nichterwerbstätiger.
In West- wie Ostdeutschland ist die Einkommensreichtumsquote von Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit bzw. Personen ohne Migrationshintergrund höher als bei Ausländern bzw. Personen mit Migrationshintergrund.
Wohlgemerkt: Einkommensreichtum ist – vgl. oben – mit der recht niedrigen Grenze von 200 Prozent des Medians der Nettoäquivalenzeinkommen definiert. Wirklicher "Reichtum" ist etwas anderes!
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Gerhard Bäcker, Prof. Dr., geboren 1947 in Wülfrath ist Senior Professor im Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Bis zur Emeritierung Inhaber des Lehrstuhls "Soziologie des Sozialstaates" in der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Theorie und Empirie des Wohlfahrtsstaates in Deutschland und im internationalen Vergleich, Ökonomische Grundlagen und Finanzierung des Sozialstaates, Systeme der sozialen Sicherung, insbesondere Alterssicherung, Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Lebenslagen- und Armutsforschung.
Ernst Kistler, Prof. Dr., geboren 1952 in Windach/Ammersee, verstorben 2021, war Direktor des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie, INIFES gGmbH in Stadtbergen bei Augsburg. Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Arbeitsmarktberichterstattung, Demografie, Sozialpolitik, Armutsforschung.