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Antisemitismus unter muslimischen Jugendlichen | Antisemitismus | bpb.de

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Antisemitismus unter muslimischen Jugendlichen Wir brauchen mehr Aufklärung!

Ahmad Mansour

/ 11 Minuten zu lesen

Die Auseinandersetzung mit Antisemitismus findet in der muslimischen Community kaum Beachtung, sagt Ahmad Mansour. Weder auf religiöser, noch auf traditioneller und schon gar nicht auf politischer Ebene. Es sei ein pädagogisches Umdenken notwendig, um diese antisemitischen Tendenzen wirkungsvoll zu bekämpfen.

Supermarkt mit koscheren Lebensmitteln in Berlin. (© AP)

Im Jahr 2003 stellt der gläubige Jude Dieter T. seinen Laden in Berlin Tegel auf koschere Lebensmittel um. Neben Kaffee und Brötchen gibt es jetzt auch Delikatessen aus Israel. Draußen weht die israelische Fahne, die Schaufenster beklebt er mit dem Davidstern. Vier Wochen geht das gut, dann beginnt der Terror. Fast täglich halten vor seinem Laden Autos, deren Fahrer ihn bedrohen: "Du Judenschwein” und "Du hättest schon längst in der Gaskammer sein können” oder "Mit deiner dreckigen Fahne putze ich mir die Schuhe!”. Täglich findet er bespuckte Fensterscheiben, dann Urin und andere menschliche Exkremente an der Hauswand. Als er schließlich immer weniger verdient und auch die Polizei ihn und seinen Laden nicht schützen kann, sieht der Ladenbesitzer keine andere Möglichkeit, als sein Geschäft zu schließen.

Neun Jahre danach, im August 2012, wird Herr Alter, ein Rabbi aus Berlin Friedenau, auf offener Straße verprügelt und dabei schwer verletzt. Seine kleine Tochter, die mit ihrem Vater unterwegs war, wird ebenfalls bedroht und muss die Attacke auf ihren Vater miterleben. Was Dieter T. und Rabbi Alter eint: Ihre Peiniger haben wahrscheinlich einen muslimischen Hintergrund.

Zwar gelangen feige Attacken wie diese regelmäßig zu medialer Aufmerksamkeit. Viel häufiger begegnet einem der Antisemitismus unter muslimischen Migranten aber im Alltag, auf Schulhöfen, in Schulklassen, Moscheen, auf Facebook, in Satellitensendern und in Foren. Dieser Antisemitismus ist kaum erforscht, stellt aber eine der großen Bedrohungen für unsere Demokratie dar.

Die Auseinandersetzung mit Antisemitismus findet in der muslimischen Community kaum Beachtung. Weder auf religiöser, noch auf traditioneller und schon gar nicht auf politischer Ebene. "Jude" ist unter muslimischen Jugendlichen ein Schimpfwort geworden. Verschwörungstheorien über die "Herrschaft der Juden" oder ihre aktive Rollen bei der Finanzkrise oder bei den Anschlägen am elften September und die Behauptung, die Juden steuerten die USA und ihre Politik, sind unter muslimischen Jugendlichen sehr verbreitet. Auch Stereotype wie "Juden sind dreckig, betrügerisch, manipulativ und geldgierig” sind nicht selten und werden zumeist durch die Familie, arabische Medien (besonders der Sender Al-Aqsa, der von der Terrororganisation Hamas betrieben wird, sowie der libanesische Hisbollah Sender El- Manar) und auch Moscheen vermittelt und verstärken sich dann in den Peer-Groups. Die pädagogischen Konzepte in den Schulen haben auf diese spezifische Problematik kaum Antworten. Es ist ein pädagogisches Umdenken notwendig, um diese antisemitischen Tendenzen wirkungsvoll zu bekämpfen.

Formen des Antisemitismus unter muslimischen Jugendlichen

Es sind vielfältige antisemitische Stereotype, die bei muslimischen Jugendlichen in Deutschland zu finden sind. So sind beispielsweise bei türkischen Jugendlichen seit ein paar Jahren verstärkt Verschwörungstheorien im Umlauf über die Herrschaft der Juden in der Finanz- und Weltpolitik. Auch wird den Juden eine einflussreiche und negative Rolle bei den innertürkischen Konflikten zugeschrieben. Serien und Filme wie "Tal der Wölfe” propagieren solche Stereotype unterschwellig. Die momentane neoosmanische Außenpolitik der Regierung Erdogan und ihre verstärkte Orientierung an den arabischen Ländern führt dazu, dass der Staat Israel zunehmend feindlich wahrgenommen und als Feindbild dargestellt wird. Diese Distanz der türkischen Regierung gegenüber Israel befördert eine unreflektierten Israel-Hass türkischer Jugendlicher auch hier in Deutschland.

Bei arabischen Jugendlichen macht sich der Antisemitismus meist anhand des Nahostkonfliktes bemerkbar. Man kann hier von antizionistischem Antisemitismus sprechen, denn es wird kaum zwischen Israelis und Juden unterschieden. Die Stimmung gegenüber Juden ist oft sehr aggressiv und die Klischees deutlicher ausgeprägt.

Darüber hinaus ist auch ein islamistisch argumentierender Antisemitismus auf dem Vormarsch. Radikale islamistische Gruppierungen sprechen oft von Juden als Feinden des Islams. An dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass sich rund ein Drittel des Korans mit Geschichten über Juden beschäftigt. Solche Geschichten werden oft aus ihrem historischen und lokalen Kontext gerissen und auf alle Juden und die Gegenwart übertragen. Ohne eine differenzierte, moderne, zeitgemäße und demokratieorientierte Koraninterpretation besteht so immer die Gefahr, Vorurteile über Juden zu verstärken und unreflektiert weiterzugeben. Anhänger extremistischer Strömungen wie die Salafisten beziehen sich zur Legitimation ihrer antisemitischen Positionen auch auf bestimmte religiöse Quellen neben dem Koran und seiner wörtlichen Interpretation: Sie verbreiten fragwürdige Hadithen (überlieferte Aussagen des Propheten Mohammad), in denen Gott die Juden verflucht oder in denen von der "Armageddon Schlacht" die Rede ist, in der die Muslime alle noch lebenden Juden umbringen werden. Darüber hinaus wird die im Koran beschriebene Auseinandersetzung zwischen dem Propheten Mohammed und den jüdischen Stämmen, die auf dem Gebiet des heutigen Saudi-Arabien lebten, auf die heutigen Juden übertragen.

Die Mobilisierung und Reproduktion pauschalisierender antiisraelischer Positionen bietet Anknüpfungspunkte für antisemitische Stereotype. Außerdem beobachtet man seit mehr als 20 Jahren eine Islamisierung des Nahostkonflikts. Vor allem Extremisten stellen den territorialen Konflikt zwischen den Palästinensern und Israel als globales, islamisches Problem dar. Und leiten daraus eine Pflicht ab für alle Muslime, um das heilige Land zu kämpfen.

Wir brauchen eine innerislamische Auseinandersetzung mit Antisemitismus

Viele muslimische Institutionen und ihre Vertreter relativieren Antisemitismus als Problem unter Migranten. Das hilft nicht bei seiner Bekämpfung. Hier wird Antisemitismus zumeist nur als eine Form von Rassismus wahrgenommen, die anderen Erscheinungsformen des Antisemitismus hingegen werden klein geredet (wie zum Beispiel Weltverschwörungstheorien ). Hinzu kommt, dass Antizionismus oft pauschal als legitim gilt, selbst wenn er antisemitisch konnotiert ist. Eine wirkliche Analyse findet kaum statt. So sagte Ali Kizilkaya in seiner Funktion als Sprecher des Koordinationsrates der Muslime (KRM) 2012:" Wir sind aber auch überzeugt, dass neben der Bekämpfung des Antisemitismus hier vor allen die Anstrengung gegen den Kern des Übels wirksam sein kann. Und das ist klar Rassismus und Menschenfeindlichkeit". Damit geht er der Frage aus dem Weg, weshalb speziell "die Juden" eine Jahrtausende lange Anfeindung erlebt haben und erleben. Antisemitismus ist auch in der Mehrheitsgesellschaft vorhanden. Doch Antisemitismus unter Muslimen hat in der Regel andere Entstehungsgründe und Ausdrucksweisen.

Eine innerislamische Debatte und Auseinandersetzung mit diesem Thema ist deshalb unverzichtbar und könnte schnell zu positiven Änderungen führen. Dabei könnten muslimische Vorbilder eine entscheidende Rolle spielen: Sie gewinnen schnell das Vertrauen der Jugendlichen und zeigen ihnen eine innerislamische Alternative, die auf Toleranz, Respekt und Miteinander basiert und frei von Vorurteilen, Opfern oder Feinbildern ist.

Wir brauchen neue pädagogische Konzepte

Schule hat nicht nur einen Bildungsauftrag, sondern auch einen Erziehungs- und Sozialisationsauftrag. Die Vermittlung der moralischen und demokratischen Grundlagen unseres Staates ist eine wichtige Aufgabe der Schule und von enormer Bedeutung.

Viel zu lang hat die Pädagogik den muslimischen Antisemitismus ignoriert. Es gibt kaum wissenschaftliche Erkenntnisse, aus denen sie notwendige Schlüsse ziehen und Konzepte entwickeln könnte. Die an deutschen Schulen vorhandenen Unterrichtseinheiten in Geschichte oder Gesellschaftskunde sind für die Bekämpfung von Antisemitismus bei muslimischen Jugendlichen wirkungslos. Die Bearbeitung von Nationalsozialismus, Holocaust und Zweitem Weltkrieg ist wichtig und unverzichtbar, reicht aber zur Sensibilisierung muslimischer Jugendlicher nicht aus. Der Geschichtsunterricht ist auf Schüler/innen ohne Migrationshintergrund angelegt und erreicht muslimische Jugendliche kaum. Ihnen fehlen der Bezug und eine emotionale Verbindung zur deutschen Geschichte – und damit auch das Interesse.

Doch die Schwierigkeiten der Lehrkräfte und Pädagogen/innen im Umgang mit Themen wie Nahostkonflikt, Islamismus und Rolle der Frau sind nicht nur dadurch begründet, dass diese Themen in der Ausbildung der Pädagogen/innen kaum Beachtung finden und es meistens an pädagogischen Konzepten und Hintergrundwissen fehlt. Auch die Art und Weise, wie die Diskussionen über solche Themen in der Schule häufig geführt werden, ist problematisch.

Eine Wir-Ihr Debatte führt beispielsweise schnell dazu, dass sich die Jugendlichen in ihren religiösen und kulturellen Hintergründen nicht akzeptiert, manchmal sogar abgewertet und verachtet fühlen. Meistens ist von "Ausländern” und "muslimischen Jugendlichen” die Rede, obwohl viele muslimisch geprägte Jugendliche die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und in Deutschland geboren sind. Es sind aber gerade die Lehrkräfte, die den ersten Schritt machen könnten, um diese Wir-Ihr Debatte aufzulösen und den Jugendlichen das Gefühl zu vermitteln, ein gleichwertiger Teil der Gemeinschaft zu sein. Das jeweilige Individuum sollte mit seinen Verhaltensweisen und Vorlieben wahrgenommen werden und nicht durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten kulturellen oder religiösen Gruppe stigmatisiert werden. Lehrer/innen, Sozialarbeiter/innen und Pädagogen/innen müssen bei solchen Konflikten in der Lage sein, jenseits jeglicher Vorurteile zu handeln. Allerdings sind nur wenige Lehrkräfte mit den kulturellen Hintergründen vertraut, die antisemitische Denkmuster produzieren. Die Bestätigung und die Akzeptanz der Schüler/innen in ihren religiösen und kulturellen Hintergründen ist der elementare und wichtigste Aspekt für die Entstehung einer vertrauensvollen Atmosphäre. Nur im offenen Dialog, an dem jeder gleichwertig teil haben kann, können solche Themen bearbeitet werden.

In den Schulen müssen Räume für offene und auf Augenhöhe geführte Diskussionen ohne Abwertung geschaffen werden, um sich dann emotional und intensiv mit tabuisierten Themen wie dem Antisemitismus gemeinsam auseinanderzusetzen. Die Schüler/innen können so ihre eigenen Einstellungen zum Thema revidieren und gemeinsam bestimmte gesellschaftliche Strukturen hinterfragen, um dann auch ihre Meinungen zu äußern.

Dichotomes Denken, Exklusivitätsanspruch, die Unfähigkeit eine eigene Meinung zu bilden und zu äußern, das Verbot, dem Kollektiv zu widersprechen und das Pflegen der Opferrolle sind Eigenschaften, die in kollektiven Gesellschaften vorhanden sind. Solche patriarchalisch geprägten Strukturen fördern das kritische Denken nicht und verhindern, dass Jugendliche die kollektive und vorgegebene Haltung in Frage stellen. Häufig werden antisemitische, aber auch traditionelle und religiöse Meinungen unreflektiert von den Eltern, Verwandten oder der Peer-Group übernommen. Deshalb muss das Ziel pädagogischer Arbeit sein, diese Jugendlichen zu motivieren, sich selbstständig ihre eigene Meinung zu bilden. Dabei muss kritisches Denken das Hauptziel der politischen Bildung in schulischen und außerschulischen Institutionen sein – und zwar nicht nur bezüglich der antisemitischen Problematik.

Auch die Lehrer/innen müssen gefördert werden, keine Angst vor solchen Diskussionen zu haben. Durch Wissensvermittlungen und die Erarbeitung und die Durchführung neuer pädagogischer Konzepte können sie sich sicherer in diesem Bereich fühlen und in ihren Klassen mehr mit dem Thema Antisemitismus arbeiten.

Ein weiteres Problem ist, dass viele muslimische Jugendlichen nicht unterscheiden können zwischen dem Staat Israel auf der einen und Juden auf der anderen Seite. Deshalb muss bei der Bekämpfung des Antisemitismus unter muslimischen Jugendlichen tiefgreifend umgedacht werden. Wir brauchen neue pädagogischen Prozesse, die sich klar und gezielt an diese Schülergruppen wenden. Hier müssen die Lehrkräfte sich dringend mit der Geschichte des Nahostkonflikts beschäftigen und dies im Geschichts- und Politikunterricht etablieren. Da viele Jugendliche kaum Wissen über das Geschehen im Nahen Osten besitzen und nur ein dichotomes Bild vom arabisch-israelischen Konflikt haben, in dem häufig Juden nur als Täter und Muslime nur als Opfer vorkommen, brauchen wir eine differenzierte Beschäftigung mit dem Konflikt, damit solche Bilder in Frage gestellt werden können.

Fakten wie beispielsweise die Tatsache, dass Israel im Jahr 1948 der zwei -Staaten- Lösung zugestimmt hat oder dass in Jerusalem schon weit vor 1948 Juden die größte religiöse Gruppe waren, sind Kaum bekannt. Auch weiß kaum ein Jugendlicher, dass Millionen von Juden nach der Gründung Israels gezwungen wurden, aus ihren arabischen Heimatländern zu fliehen, und dass die Westbank und der Gazastreifen jahrelang unter der Herrschaft von Ägypten und Jordanien waren. Sie beziehen ihre Informationen und ihr Wissen meistens aus antisemitischem Sendern, die Muslime nur als Opfer "blutgeiler Juden" darstellen. Auch die Beschäftigung mit der innerisraelischen Politik ist von Bedeutung. Die Tatsache, dass mehr als eine Million Araber in Israel friedlich leben, oder dass fast wöchentlich jüdische Bürger in Israel gegen die Besatzung demonstrieren und manche Soldaten den Dienst in den palästinischen Gebieten verweigern, sind für die meisten Schülerinnen und Schüler unbekannt. Jedoch können solche Tatsachen beim Abbau einer Schwarz-Weiß-Betrachtung des Geschehens sehr hilfreich sein.

Wir brauchen mehr Begegnung

Viele Jugendliche haben noch nie in ihrem Leben einen Juden persönlich getroffen oder mit ihm gesprochen. Meistens assoziieren sie beim Wort "Jude” israelische Soldaten oder radikale Siedler. Dass aber in Deutschland und anderswo Juden leben, die mit Israel kaum oder wenig zu tun haben, ist ihnen unbekannt. Deshalb wirkt eine persönliche Begegnung meistens Wunder, wenn die Jugendlichen merken, dass der vermeintlich andere menschlich und sympathisch ist. Bilder, Vorurteile und Hass brechen dadurch weg. Ein persönliches Treffen mit Zeitzeugen kann in Sachen Holocausterziehung sehr wertvoll sein und eine persönliche und emotionale Begegnung mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte ermöglichen. Und ein Treffen mit einem Israeli kann z.B. einen neuen Blickwinkel auf den Nahostkonflikt ermöglichen.

Auch Filme über den Nahost-Konflikt können bei der Sensibilisierung helfen, wenn in ihnen die in den Vorstellungen der Jugendlichen häufig einfachen Rollenverteilungen aufgehoben werden. Nennenswert wären hier z.B. die Filme "To die in Jerusalem” und "Paradise now”.

Umgang mit Antisemitismus bei palästinensischen Jugendlichen

Allein in Berlin leben fast 30.000 Palästinenser und Libanesen, die Anfang der 1980er Jahre aus dem Libanon geflohen sind. Ihre Geschichte ist von Flucht und Exil geprägt. Die meisten von ihnen wurden in Deutschland jahrelang nur geduldet, viele machen den Staat Israel und die Juden für ihr perspektivloses und unsicheres Leben verantwortlich. Viele sind hochtraumatisiert und geben dieses Trauma bewusst oder unbewusst an ihre Kinder weiter. Deshalb bedarf es einer intensiveren Beschäftigung mit den Biographien solcher Jugendlicher und ihren Bedürfnissen. Häufig wissen sie auch über ihre eigenen Wurzeln sehr wenig Konkretes, da über solche Themen in der Familie lieber geschwiegen wird. Die Beschäftigung mit der Herkunft und den Familiengeschichten dieser Jugendlichen und ihrer Eltern ist ein Ausdruck der Anerkennung und des Interesses. Nur dadurch können wir diese Jugendlichen erreichen und eine Vertrauensbasis schaffen, um das Thema Antisemitismus zu bearbeiten.

Aggression und Antisemitismus

Ein letzter und wichtiger Aspekt ist die Fähigkeit, mit Frustrationen, anderen Meinungen und Menschen umzugehen, die etwas anderes verkörpern. Jugendliche, die im eigenen Elternhaus lernen, Probleme und Konflikte ausschließlich mit Gewalt zu lösen, greifen bei kleinsten Überforderungen zu Gewalt. Solchen aggressiven Jugendlichen mit niedriger Toleranzschwelle fehlt die bedingungslose Liebe der Eltern. Das führt zu einem gestörten Selbstwertgefühl und einer Verschlechterung der Eltern-Kind-Beziehung. Und wenn noch Gewalterfahrungen in der Peer-Group dazukommen, wird Gewalt immer und primär angewendet, um Konflikte zu lösen.

Die Pädagogik muss mehr Zeit investieren für das Erlernen einer Konfliktfähigkeit. Schüler sollen lernen, ihre verbalen Fähigkeiten zu verbessern und ihre Meinungen in Worte zu fassen, ohne das Gegenüber zu verletzen. Toleranz und Respekt sind die Schlüsselworte in solchen pädagogischen Prozessen.

Dazu müssen die Schule und der Staat mehr Aufklärung bei den Eltern leisten. Viel zu oft sind sich die Eltern über die Konsequenzen von Gewaltanwendungen in der Erziehung nicht bewusst und kennen meist selber keine anderen Strategien, um Probleme und Konflikte zu lösen. Elternabende, Elternkurse und Projekte, die den Eltern deutlich machen, wie gefährlich Gewalt sein kann, könnten unserer Gesellschaft bei der Bekämpfung von Antisemitismus, Gewalt in der Peer-Gruppe und Radikalisierung sehr helfen.

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ist Diplom-Psychologe. An der Universität in Tel- Aviv studierte er Psychologie, Soziologie und Philosophie und führte sein Studium im Fach klinische Psychologie an der Humboldt Universität zu Berlin fort. Neben seiner Tätigkeit als Gruppenleiter bei "Heroes", einem Projekt für Gleichberechtigung, arbeitet Herr Mansour als wissenschaftlicher Mitarbeiter in dem Projekt "ASTIU" (Auseinandersetzung mit Islamismus und Ultranationalismus) und bei der Beratungsstelle Hayat, wo er gefährdete Jugendliche und deren Angehörige berät.