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Strafe und Strafvollzug

Michael Kubink

/ 9 Minuten zu lesen

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts gab es Bemühungen, Alternativen zur klassischen Freiheitsstrafe zu finden und die Resozialisierung der Verurteilten zu fördern. Diese Ansätze wurden stetig weiterentwickelt und prägen unser heutiges Strafrecht, das sich durch den Gedanken der Haftvermeidung auszeichnet, so Michael Kubink.

Das Strafrecht und sein Instrument, die Strafe, haben verschiedene Funktionen. Strafen sollen bestimmte soziale Güter und Werte schützen. Man spricht heute von Rechtsgütern, die sich aus einem gesellschaftlichen Konsens über besonders bedeutsame soziale Interessen ergeben: Leben, körperliche Unversehrtheit, Eigentum sind solche Bestandsgrundlagen der Gesellschaft.

Vorausgesetzt wird eine schuldhafte Straftat, die solche Güter verletzt. Sie bildet den Ausgangspunkt für die Wirkung von Sanktionen. So entsteht zugleich ein dualer Bezug. Die Strafe soll die persönliche Schuld des Straftäters ausgleichen und sie soll präventiv auf ihn einwirken, damit er keine neuen Straftaten begeht. Damit wiederum soll die Gesellschaft geschützt werden.

Strafrecht im Kaiserreich und in der Weimarer Republik

Hinter diesen Grundlinien des Strafrechts verbirgt sich die Dualität von Schuldstrafrecht und Präventionsstrafrecht, die wiederum verschiedene Strafrechtsschulen reflektieren. Begonnen hat dieser Streit Ende des 19. Jahrhunderts. Es war ein Streit um die Weiterentwicklung des Reichsstrafgesetzbuchs aus dem Jahre 1871, das bis heute die Grundlage des geltenden Strafrechts bildet.

Nach der "klassischen Strafrechtsschule" ist Strafe "absolut". Sie muss um ihrer selbst willen sein, weil es Schuld im Sinne eines Kant´schen kategorischen Imperativs auszugleichen gilt. Der staatliche Strafanspruch verkörpert moralisch-ethische Ansprüche an die Person, ist aber ansonsten im Wesentlichen tatbezogen.

Demgegenüber verfolgt die "moderne Strafrechtsschule" eine relative Straftheorie. Strafe ist abhängig von Funktionen und Zwecksetzungen der Prävention. Diese kann einerseits individuell auf den Täter ausgerichtet sein; man spricht auch von Spezialprävention: positiv in Gestalt von Resozialisierung oder negativ in Form der Abschreckung. Und sie kann sich andererseits an die Gesellschaft insgesamt wenden. Diese sogenannte Generalprävention wurde bereits Anfang des 19. Jahrhunderts von dem Rechtsgelehrten Paul Johann Anselm von Feuerbach diskutiert.

Franz von Liszt und sein "Marburger Programm"

Rund 80 Jahre später, in seinem "Marburger Programm" von 1882, propagierte Franz von Liszt, Juraprofessor in Marburg und zugleich Politiker, den "Zweckgedanken im Strafrecht". Von Liszt wurde damit zum führenden Protagonisten der "modernen Strafrechtsschule".

Er setzte sich für eine Strafrechtsreform ein, die das Strafen nicht allein als nachträglichen Schuldausgleich begreift, sondern als gesellschaftlich orientierten Gestaltungsprozess. Dafür sollten neue Sanktionsmöglichkeiten eingeführt werden. Bis dahin gab es als strafrechtliche Sanktionen nur die Freiheitsstrafe – in verschiedenen Abwandlungen, die von Zuchthaus über Gefängnis bis hin zu anderen Formen der Haft reichten – und in begrenztem Umfang die Geldstrafe.

Erste Diskussionen über eine Änderung des Strafvollzugs

Demgegenüber machte von Liszt Vorschläge für eine bedingte Verurteilung (als Vorform der Strafaussetzung zur Bewährung) und eine neu interpretierte Geldstrafe. Diese sollte sich nicht allein an der Tatschwere, sondern auch an den Vermögensverhältnissen des Verurteilten orientieren. Außerdem forderte er Möglichkeiten für die Verurteilten, solche Geldstrafen durch Arbeitsleistungen zu tilgen.

Zugleich sah er unbegrenzte Freiheitsstrafen als Notwendigkeit eines "modernen Strafrechts" an. Gestaltet werden sollte ein Rechtsfolgenprogramm, das die Strafen an dem Behandlungs- und dem Sicherungsbedarf des jeweiligen Straftäters ausrichtet. Die weniger Gefährlichen sollten in der Gesellschaft belassen, die riskanten aus ihr herausgenommen werden.

In dieser Phase entwickelten sich auch erste Diskussionen über eine behandlungsorientierte Ausgestaltung des Strafvollzuges. Dieser war nicht reichseinheitlich geregelt, sondern beruhte auf Strafvollzugsanordnungen der Länder, die den Charakter von Verwaltungsvorschriften hatten. Strafvollzug war damals rein abschreckender Freiheitsentzug im Sinne eines Verwahrvollzugs.

Entwicklung von Kriminalstatistiken und Täterlehren

Um Ideen einer Einwirkung auf den Straftäter zu entwickeln, galt es neue Erkenntnisse über Kriminalität als gesellschaftliche Erscheinung insgesamt und über die Straffälligen zu erlangen. Dem ersten Ziel diente die damals beginnende Erstellung von Kriminalstatistiken; nicht zufällig datiert die erste "Reichskriminalstatistik" ebenfalls aus dem Jahre 1882.

Im Zeichen eines Entfaltungsprozesses der Kriminologie entwickelten sich zugleich Täterlehren, die nach dem groben Muster von Besserungsfähigkeit und Unverbesserlichkeit unterschieden. Empirische Erkenntnisse aufstrebender Tatsachenwissenschaften und normative Reformforderungen wurden damals eng miteinander verbunden.

Zusammenfassend lässt sich das späte 19. Jahrhundert als eine Art Gründungsphase einer Konzeption "präventiven Strafrechts" bezeichnen. Mit v. Liszts geflügeltem Wort von der "Sozialpolitik als der besten Kriminalpolitik" wird diese Konzeption anschaulich charakterisiert.

Sozial konstruktive Lösungen statt kurzer Verwahrungen

Wie aus der ersten Reichskriminalstatistik ersichtlich ist, erfolgten im Jahre 1882 gut drei Viertel (76 Prozent) aller Verurteilungen zu Freiheitsstrafen, deren Mindestdauer damals bei lediglich einem Hafttag lag. Ein reformiertes Strafrecht sollte dies ändern: Statt kurzer Verwahrungen sollten sozial konstruktive Lösungen als Antwort auf Straftaten gefunden werden.

Tatsächliche Änderungen im Strafrecht ließen allerdings lange auf sich warten. Erst in der Weimarer Republik wurden mit den Geldstrafengesetzgebungen der Jahre 1921/1924 und dem ersten Jugendgerichtsgesetz aus dem Jahre 1923 "präventive Gesetzgebungen" realisiert, die sich auf das Gedankengut der "modernen Strafrechtsschule" stützen konnten.

Jugendstrafrecht als Vorreiter von Reformen

Freilich waren deren Erfolge im Sinne einer Vermeidung von Haftstrafen recht rasant. Bereits im Jahre 1925, also unmittelbar nach der Reform, erfolgten zwei Drittel (66,9 Prozent) aller Verurteilungen in Deutschland zu einer Geldstrafe. Offenbar hatten die Richter schon lange auf eine Sanktionsmöglichkeit gewartet, mit der sich die Verhängung von Freiheitsstrafen vermeiden ließ. Diese konnte nunmehr auf der Grundlage der wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters Anwendung finden.

Mit der ersten gesetzlichen Ausgestaltung eines eigenständigen Jugendstrafrechts wurde ein weiterer wesentlicher Schritt hin zu einem täterorientierten Präventionsstrafrecht gemacht. Gemeinhin wird das Jugendstrafrecht heute sogar als Vorreiter der Strafrechtsreform bezeichnet, weil dort viele der alternativen Denkansätze für die Entwicklung des Kriminalrechts gleichsam ausprobiert werden. Im Jugendgerichtsgesetz von 1923 findet sich für Deutschland erstmals eine gesetzliche Regelung zur sogenannten bedingten Verurteilung als Alternative zur vollstreckbaren Jugendstrafe.

Entwicklungen des Strafrechts in der Bundesrepublik

Überblickt man die Perioden der Strafrechtsreform und der Diskussionen um ein "modernes Strafrecht", zeigt sich, dass entsprechende Bestrebungen in der Zeit der NS-Diktatur gleichsam verschüttet wurden. Erst in den frühen Nachkriegsjahren zeigten sich Ansätze, frühere Modelle wieder aufzugreifen.

Rechtliche Entfaltungsprozesse konnten sich in dieser Zeit am Grundgesetz von 1949 orientieren, das gewissermaßen ein wertbezogenes Gerüst im Lichte von Menschenwürde und sozialem Rechtsstaat für Reformen auch im Strafrecht bot. Als Zeichen eines neuen Menschenbildes wurde 1949 die Todesstrafe unmittelbar durch das Grundgesetz aufgehoben.

Im sozial gestaltenden Sinne war es wieder das 1953 reformierte Jugendstrafecht, das mit Weisungen und sogenannten Zuchtmitteln Sanktionsinstrumente zur Verfügung stellte, die Alternativen zur Jugendstrafe systematisch in den Vordergrund rückten. Zeitgleich wurde im Bereich des Erwachsenenstrafrechts erstmals eine gesetzliche Regelung für die Strafaussetzung zur Bewährung getroffen. Wenn damit auch nur Freiheitsstrafen bis zu neun Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden konnten, betraf das im Jahr 1954 immerhin bereits gut 30 Prozent aller Freiheitsstrafen.

Umfassende Reform des Strafrechts 1969 bis 1975

Einen Höhepunkt erlebte die "soziale Strafrechtspflege" in einer recht kurzen Periode ab den späten 1960er Jahren. Dies war nicht nur die Phase der sogenannten Großen Strafrechtsreform (von 1969 bis 1975), sondern auch der Zeitrahmen für die erste Verrechtlichung des Strafvollzuges; das diesen regelnde Gesetz trat 1977 in Kraft.

Im Zuge der Großen Strafrechtsreform erhielt das Strafgesetzbuch im Wesentlichen seine auch heute noch gültige Struktur. Es sieht seitdem unter anderem die Möglichkeit vor, eine Freiheitsstrafe bis zu einer zweijährigen Dauer schon mit dem Urteil auszusetzen. Das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) war Resultat eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts, demzufolge erhebliche staatliche Grundrechtseingriffe einer gesetzlichen Legitimation bedürfen.

Einführung der einheitlichen Freiheitsstrafe

Eine der wesentlichen vollzugsrelevanten Neuerungen war die Einführung der einheitlichen Freiheitsstrafe, die also nicht mehr je nach Art der Vollzugsstätte in Zuchthaus, Gefängnis, Einschließung oder Haft unterschieden wurde. Der Gesetzgeber richtete den Strafvollzug am Ziel der Resozialisierung aus, in dessen Rahmen der "Gefangene fähig werden (soll), künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen" (§ 2 Abs. 1 S. 1 StVollzG).

Resozialisierung in diesem Sinne meint freilich mehr als ein Behandlungsziel. Vielmehr hat sich die gesamte Vollzugsorganisation und -tätigkeit am Resozialisierungsgedanken auszurichten. Die Freiheitsstrafe wurde dabei gewissermaßen als "soziale Sonderbelastung" für den Gefangenen verstanden, der bestimmte Gestaltungsstandards entgegenwirken sollten (zum Beispiel der Angleichungsgrundsatz in § 3 Abs. 1 StVollzG, der das Gefälle zwischen Strafvollzug und Alltag in Freiheit reduzieren soll).

Regelungen zum offenen Vollzug und zu Vollzugslockerungen (vgl. §§ 10,11,141 StVollzG) sind ebenfalls bedeutsam für die Vorbereitung auf ein Leben in Freiheit. Die Entwicklungen standen in einem Zeitgeist der "sozialstaatlichen Blüte" nicht nur im Strafrecht, sondern bei sozialen Gestaltungsprozessen insgesamt.

Strafrecht heute

Das heutige Strafrecht enthält vieles von den zuvor entwickelten Ansätzen und Ideen. Es ist im Wesentlichen ein Strafrecht im Streit zwischen rechtsstaatlicher Grenzziehung, sozialstaatlicher Resozialisierung und gesellschaftlicher Selbstverteidigung. Dieses Strafrecht ist kaum ohne innere Brüche zu interpretieren bzw. es offenbart sich recht schnell als Kompromiss mit inneren Spannungen.

Das geltende Strafrecht hat seit den 1990er Jahren beispielsweise den Täter-Opfer-Ausgleich als Sanktion zur nachhaltigen Konfliktschlichtung hervorgebracht. Beschleunigt wurde diese Alternatividee durch das 1990 reformierte Jugendstrafrecht, das seinerseits neue – sogenannte ambulante – Sanktionen (wie etwa den sozialen Trainingskurs) regelte.

Eingebettet sind diese Haftvermeidungsmodelle in eine Strömung der sogenannten Diversion. Mit diesem Begriff wird ein "Umlenken" der Strafverfolgung in weniger förmliche Abläufe bezeichnet. In der Praxis geht es um die Verfahrenseinstellung von weniger erheblichen Verstößen gegen Auflagen und Weisungen mit dem Ziel, Justiz und Beschuldigte gleichermaßen zu entlasten. Im Jugendstrafrecht werden heute etwa 70 Prozent aller Strafverfahren auf diesem Wege eingestellt, ohne dass es einer vorherigen Gerichtsverhandlung bedurft hätte. Im Erwachsenenstrafrecht gilt das etwa für die Hälfte aller Verfahren.

Gegenläufige Strömungen

Neben diesen Strömungen, die eher auf eine Verringerung von Strafschärfe abzielen, gab es seit den 1990er Jahren zahlreiche Reformen, die in vielen Bereichen zu einer Verschärfung der Sanktionen geführt haben. Dies betrifft insbesondere verschiedene Änderungen des Rechts der Sicherungsverwahrung, die seit 1998 zu verzeichnen sind.

Seit 2008 gibt es diese Sanktion in ihrer Variante als nachträgliche Sicherungsverwahrung gemäß § 7 Abs. 2 JGG unter bestimmten Voraussetzungen sogar für Jugendliche. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in seiner Entscheidung vom 9. März 2010 die Regelungen zur nachträglichen Sicherungsverwahrung allerdings für unvereinbar mit europäischem Recht erklärt. Diese Entscheidung hat den deutschen Gesetzgeber vor erhebliche Probleme gestellt, die nunmehr eine umfassende Reform des Rechts der nachträglichen Sicherungsverwahrung erforderlich machen.

Mit den bereits erfolgten Reformen ist auch die Entwicklung von Sanktionsinstrumenten einhergegangen, die nicht zuletzt technischen Innovationen geschuldet sind, wie etwa die elektronische Überwachung von gefährlichen Straftätern.

Dem in den erwähnten Reformen verkörperten Sicherungsgedanken wiederum gegenläufig gibt es seit 2008 in allen Bundesländern eigene Jugendstrafvollzugsgesetze, die den Gedanken der Resozialisierung junger Häftlinge wieder stärker in den Vordergrund stellen. Entlassungsvorbereitungen, die bereits in die anfängliche Vollzugsplanung eingebunden sind, Formen des Wohngruppenvollzugs innerhalb der Anstalt oder darüber hinausgehende Möglichkeiten eines Vollzugs in freien Formen – zumeist in Einrichtungen der Jugendhilfe – sind nur einzelne Beispiele für Gestaltungsmöglichkeiten, die den Reifungsprozess von Jugendlichen respektieren.

Freilich musste auch hier wieder das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung vom 31. Mai 2006, in der es ein eigenständiges Jugendstrafvollzugsgesetz anmahnte, den Geburtshelfer für eine gleichermaßen rechts- wie sozialstaatliche Notwendigkeit spielen. Seine Forderung versah das Gericht überdies mit einer Art Zukunftsklausel, indem es den Gesetzgeber aufforderte, die Wirkungen seiner Maßnahmen empirisch zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Seit einigen Jahren liegen daher bundesweit Rückfallstatistiken vor, die danach fragen, ob die Verurteilten in einem bestimmten Beobachtungsraum nach einer strafrechtlichen Sanktion wieder rückfällig geworden sind.

Rückfallstatistik

Innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren begehen erneut eine Straftat, Verurteilte, die zuvor folgende Sanktion erhalten haben:

  • Jugendstrafe ohne Bewährung ca. 69 %;

  • Jugendarrest ca. 64 %;

  • Jugendstrafe mit Bewährung ca. 62 %;

  • Freiheitsstrafe (für Erwachsene) ohne Bewährung ca. 48 %;

  • Freiheitsstrafe mit Bewährung ca. 38 %;

  • Geldstrafe ca. 28 %

Auszug aus der bundesweiten Rückfallstatistik "Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen von Jehle/Albrecht/Hohmann-Fricke/Tetal (Bundesministerium der Justiz, Hrsg.), Berlin 2010; Daten dort entnommen den Übersichten 4.1., S. 54 und 4.4., S. 61 (zum Jugendarrest.)

Schlechte Rückfallbilanz für stationäre Sanktionen

Diese "Rückfallstatistik" weist insbesondere für die stationären – einschließenden – Sanktionen des Jugendstrafrechts eine schlechte Bilanz aus. 69 Prozent derjenigen, die im Jahre 2004 mit einer Jugendstrafe ohne Bewährung sanktioniert wurden, sind innerhalb eines dreijährigen Rückfallzeitraums – also bis Ende 2007 – erneut straffällig geworden. Die Wirkbilanz des bis zu vierwöchigen Jugendarrestes sieht mit einer Rückfallquote von 64 Prozent nicht viel besser aus.

Betrachtet man den strafrechtlichen Sanktionsprozess über alle Ebenen hinweg, so bleibt die Erkenntnis, dass von der Gesamtheit der Verurteilten nur gut fünf Prozent in den Strafvollzug gelangen, weil heute etwa 80 Prozent aller Sanktionen auf die Geldstrafe entfallen und von den restlichen Freiheitsstrafen wieder gut zwei Drittel zur Bewährung ausgesetzt werden.

Um dieses Resultat des Kriminaljustizsystems im Umgang mit Straftätern mit Bevölkerungszahlen abzugleichen, weist die Kriminologie seit Jahren sogenannte Gefangenenziffern aus. Diese berechnen, wie viele Gefangene je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohnern in den Justizvollzugsanstalten einsitzen. Dieser Wert beträgt in Deutschland derzeit etwa 95. Demzufolge befindet sich aktuell also etwa einer von tausend Einwohnerinnen und Einwohnern in deutschen Gefängnissen, die Gesamtzahl beträgt knapp 80 000. In den USA liegt der Wert bei rund 730.

Fazit

Alles in allem gilt Folgendes: Das deutsche Strafrecht unterliegt seit dem späten 19. Jahrhundert einem Entwicklungsprozess, der wesentlich von der Suche nach Alternativen zur Freiheitsstrafe geprägt ist. Dieser Prozess hat zu einer weitgehenden Abkehr von der klassischen Freiheitsstrafe und zu beachtlichen Erfolgen bei der Haftvermeidung geführt. Auch der Strafvollzug hat in dieser Zeit zahlreiche Veränderungen erfahren – von einem bloßen Verwahrvollzug hin zu einem am Gedanken der Resozialisierung orientierten System.

In der letzten Dekade sind aber zunehmend Tendenzen einer Verschärfung des Sanktionsrechts festzustellen. Auch diese Trends waren freilich schon im Modell des Zweckstrafrechts angelegt, eines Strafrechts, das sich außerrechtlichen Strömungen und Interessen – und damit auch politischen Mechanismen – zusehends öffnet.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Professor Dr. Michael Kubink ist Referatsleiter in der Strafrechtsabteilung des Justizministeriums von Nordrhein-Westfalen und dort unter anderem zuständig für das Jugendstrafrecht und für Fragen der Kriminalprävention.