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Die Macht der Konzerne: | USA | bpb.de

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Die Macht der Konzerne: Das Mediensystem der USA

Dagmar Hovestädt

/ 6 Minuten zu lesen

Eine wahre Flut an Informationsmedien senden in den USA täglich auf Tausenden von Fernseh- und Radiokanälen unterstützt von 10.000 Tages- und Wochenzeitschriften. 90% des Marktes wird allerdings von fünf großen Medienkonzernen kontrolliert. Eine Gefahr für die Demokratie, der auch die starke Tradition des investigativen Journalismus in den USA nicht gewachsen ist.

Rupert Murdoch weitet mit dem Kauf von Myspace seinen Einfluß in das Internet aus. (© AP)

"Information ist die Währung der Demokratie." Als Thomas Jefferson Verfasser der Unabhängigkeitserklärung und dritter Präsident der Vereinigten Staaten, diesen Satz sprach, konnte er nicht wissen, dass rund 230 Jahre später das amerikanische Volk in einer Flut von Information nahezu ertrinkt. Über 1.800 Fernsehstationen, 10.000 Tages- und Wochen-Zeitungen und 15.000 Radiosender konkurrieren in den USA um die Gunst der Nutzer – nicht gerechnet, Zeitschriften, Anzeigenblätter und jederlei weniger informationsorientierter Medien wie Film, Videospiele oder das Internet. Jeder Amerikaner verbringt im Durchschnitt täglich acht Stunden mit Medien, am meisten mit dem Fernsehen, aber auch unterwegs mit dem Radio, mit Computern, Videospielen und MP3-Playern. In dieser unaufhörlichen Flut an Bildern, Tönen und gedrucktem Wort die Information zu finden, die den demokratischen Prozess voranbringt, ist nicht einfach.

Die Vielzahl der Medien könnte zumindest eine Vielfalt an Informationen nahelegen. Doch weit gefehlt. Die in den USA gern befolgten Gesetze der Marktwirtschaft haben seit den 1980er Jahren für eine enorme Deregulierung der Eigentumsverhältnisse an Medienunternehmen gesorgt. Während 1983 noch 50 Unternehmen sich die überwiegende Anzahl der Medienbetriebe teilten, hatte sich diese Anzahl bis 1992 auf zwei Dutzend verringert. Fünfzehn Jahre später sind es gerade einmal fünf Konglomerate, die über 90% des Marktes kontrollieren: Time Warner, Disney, Murdoch´s News Corporation, General Electric/NBC und CBS Corp. (zuvor Viacom). Etliche Kritiker sehen in dieser hochkonzentrierten Medienlandschaft eine Gefahr für die Demokratie. Themen und Argumente, die den Interessen großer Konglomerate zuwider laufen, finden immer weniger Beachtung in den von ihnen kontrollierten Medien. Wirtschaftliche Erwägungen sind zudem ausschlaggebend für die Inhalte, nicht Informationsbedürfnisse einer Demokratie. Programme müssen Werbung verkaufen, die umso teurer verkauft werden kann, je mehr Zuschauer und Hörer dabei sind. Das Gesetz des kleinsten gemeinsamen Nenners bestimmt daher oft, was auf Sendung geht, denn nur die größtmögliche Zuschauerzahl verspricht die höchste Gewinnspanne.

US-Medien sind kommerziell

Daß viele Amerikaner sich nicht sonderlich an der hochkonzentrierten Besitzstruktur ihrer Medien stören, liegt daran, daß die Massenmedien in den USA von Anfang an Unternehmen mit kommerzieller Ausrichtung waren. Als 1920 die ersten Radiogeräte drahtlose Wellen aussendeten, war das Programm nur eine Beigabe, um die Endgeräte zu verkaufen. Doch schon bald merkten die Betreiber, dass sich mit dem Programm selber vorzüglich Profit machen ließ, wenn man, wie in der Zeitung auch, Werbung verkauft. In den 1930er Jahren erlebte der Hörfunk dann seine goldene Zeit, nur um alle seine Inhalte, Programm-Formate und auch einige seiner Stars ab Mitte der 1940er Jahre an das neue Medium Fernsehen zu verlieren. Fortan hielt das Fernsehen seinen Einzug in die amerikanischen Wohnzimmer, während sich das Radio weg vom Vollmedium hin zum Zweitmedium für spezialisierte Hörergruppen (Format-Radio) entwickelte. Bereits 1934 wurde eine Regulierungsbehörde ins Leben gerufen, die Federal Communications Commission (FCC), die fortan die Vergabe der Lizenzen an Radio- und später Fernsehstationen vornahm. Das Frequenzspektrum zur Austrahlung beider Medien war begrenzt, so mußte staatlicherseits eine Ordnungsbehörde einschreiten, um Chaos auf dem Äther zu verhindern. Unter unterschiedlichen Präsidenten in ihre jahrzehntelangen Geschichte konnte die FCC ihre ordnungspolitischen und auch kartellrechtlichen Pflichten wahrnehmen. Mit der zunehmenden Marktorientierung der 1980er Jahre jedoch gab sie über Zeiten ihre marktrestriktiven Befugnisse auf. Unter Präsident George W.Bush schließlich wacht die FCC nun mehr über die Einhaltung inhaltlicher Standards (Broadcast Decency Enforcement Act 2005) – und weniger über Besitzverhältnisse.

In deutlichem Gegensatz zu Europa entschied man sich in den USA erst in den späten 1960er Jahren dazu, dass auch ein öffentlich organisierter und gemeinnütziger Rundfunk notwendig sei, um die Informationsbedürfnisse frei von kommerziellen Erwägungen im "public interest", im öffentlichen Interesse, zu gewährleisten. Public Radio und Public Television waren geboren und bedienen mittlerweile mit knapp 700 Radiostation und knapp 350 Fernsehsendern ein wöchentliches Publikum von ca. 25 bis 30 Millionen Radiohörern und 65 Millionen Fernsehzuschauern. Finanziert werden diese Sender überwiegend durch freiwillige Spenden ihrer Nutzer, private Förderung und durch eine seit Jahren stetig sinkende Finanzspritze aus dem Bundesetat, die zuletzt bei 400 Millionen Dollar lag. Besonders im republikanischen Lager gilt der öffentliche Rundfunk als Bastion "linken" Gedankenguts, der in seinem aufklärerischen Anliegen oft politischen Interessen zuwider läuft. So "straft" der Kongreß die öffentlichen Medien mit Geldentzug. Einen republikanischen Versuch, staatliche Förderung des öffentlichen Rundfunks komplett zu streichen, hat im Jahre 2007 das House of Representatives jedoch abgelehnt.

Ethik der Medien

Trotz der Profitorientierung der Medienbesitzer steht der Journalismus in den USA in einer langen Tradition von aufklärerischem und die Demokratie unterstützendem Handeln. Neben einer Boulevardpresse im späten 19.Jahrhundert, die auch nicht vor Lügen zurückschreckte, um die Auflagen zu steigern (der Zeitungskrieg ab 1895 zwischen den Verlegern William Randolph Hearst und Joseph Pulitzer bietet viele Beispiele dafür), entstand auch eine neue Art von aufklärerischem Journalismus, die mit dem Begriff "Muckraking" – Sensationsmache beschrieben wird. Auch wenn sich das Wort eher negativ anhört, die zu dieser Richtung gehörenden investigativen Journalisten deckten skandalöse Verhältnisse der armen Bevölkerungsschichten auf, machten Korruption und Verschwendung öffentlich und Verbrechen publik.

Diese frühe Tradition fand ihre Fortsetzung in den investigativen Journalisten, die im Zuge der gesellschaften Unruhen der späten 1960er Jahre die Kriegsverbrechen des Vietnamkrieges öffentlich machten (u.a. Seymour Hersh) sowie den beiden Reportern der Washington Post (Bob Woodward und Carl Bernstein), die die illegale Abhörung der demokratischen Partei-Zentrale im Watergate-Hotel durch Mitarbeiter des amtierenden Präsidenten Richard Nixon recherchierten - und damit zur vorzeitigen Absetzung eines Präsidenten beitrugen. 1975 entstand eine berufsständige Organisation namens IRE (Investigative Reporters and Editors), die ein Forum für Austausch und Unterstützung dieser für eine Demokratie besonders wichtigen Form des Journalismus sein will.

Öffentliche Unterstützung für die Offenlegung von verdeckten Regierungs-Informationen kam 1966 in Form eines Gesetzes, dem Freedom of Information Act (FOIA), das den Bürgern und Journalisten das Recht auf Zugang zu Dokumenten der US Regierung gibt. 40 Jahre später hat sich dieser demokratieförderliche Gedanke mit dem Informationsfreiheitsgesetz auch in Deutschland verankert. Information bleibt die Währung einer Demokratie.

Ausblick

Mit dem 21.Jahrhundert und der digitalen Revolution stehen die Medien in den USA nun in einem sich extrem schnell wandelnden Gesellschaftsumfeld, das sie vor ungeahnte Schwierigkeiten stellt. Mediennutzer haben eine Auswahl an Inhalten wie nie zuvor in der Geschichte und konsumieren wie, wann und wo sie es wollen - die Digitalisierung macht es möglich. Nachrichten auf dem ipod, Radio aus Indonesien per Satellitenempfang auch in New York, Fernseh-Serien per digitalem Rekorder aufgezeichnet wann immer man es will und unter Umgehung der lästigen Werbung. Durch diese individuelle Konsumierbarkeit von Medien wird vor allem das wirtschaftliche Modell zur Finanzierung der Medien in Frage gestellt. Die Probleme der Musikindustrie, die durch kostenlosen Download von oft Raubkopien ihrer Musikstars enorm an Bedeutung verloren hat, sind das Schreckgespenst für Fernseh- und Filmunternehmen. Um mit der Entwicklung stand zu halten verbreitern die traditionellen Medien ihre Inhalte auf unterschiedliche Plattformen und so müssen Print-, Fernseh- und Radioreporter nicht nur für ihr ureigenes Medium, sondern auch noch für die Webseite arbeiten, ein Blog betreuen, eine Podcast produzieren und Zuschauerforen moderieren. Die "News-On-Demand" Revolution bei schwindenden Einnahmen läßt Journalisten noch weniger Zeit für aufwendige Recherche und gut gemachte Beiträge. Parallel dazu erwächst den traditionellen Journalisten eine Online-Konkurrenz mit Bürgerjournalisten und Bloggern, die oft ohne spezielle Ausbildung sich selber oder Themen in ihrem Umfeld zu erfolgreichen Stories machen. Das Internet bietet allerdings auch Raum für all die Informationen, die in einem kommerziellen Medienumfeld seltener Beachtung finden. Sport, Voyeurismus und Celebrities verkaufen sich dort hingegen blendend, in Reality Shows und auf Titelblättern. Selbst tradtionsreiche Bastionen wie das TIME Magazin hieven Halbberühmtheiten wie Paris Hilton aufs Titelblatt und verzeichnen profitable Resultate. Die Medienwelt ist im Umbruch, Nutzung und Inhalte verändern sich. Immerhin, die Debatten der Präsidentschaftskandidaten und ihrer Vize erzielten Rekordzuschauerzahlen - im Fernsehen. 57 bzw. 70 Millionen Zuschauer schalteten ein, um sich ein besseres Bild von den Kandidaten und der Kandidatin zu machen. Ein offenkundiges Bedürfnis nach Information, wenn es denn wichtig ist, ist also auch bei den US-Bürgerinnen und Bürgern vorhanden. Wie die Medien in finanziell angespannten Zeiten bei einer kontinuierlichen Nischenbildung der Rezipienten darauf reagieren, bleibt abzwarten.

Fussnoten

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Dagmar Hovestädt ist freie Journalistin, Fernsehautorin und Producerin in Los Angeles. Nach Studium, Volontariat und Redakteurstätigkeit in Berlin beim ARD-Politmagazins "Kontraste" verlegte sie Anfang 2000 ihren Arbeitsschwerpunkt nach Kalifornien und berichtet seither für diverse Medien aus den USA. Sie beschäftigt sich seit ihrem Studium mit dem Knotenpunkt von Technik, Medieninhalten und Gesellschaft. Ihre Magisterarbeit behandelt die Entstehungsgeschichte des US-Hörfunksystems und die Rolle des College Radios. Ihre neueste Dokumenation heißt "Die Welt ist eine Google" (2008, ZDF/3SAT mit Michael Grotenhoff).