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Eine US-Wahl für die Geschichtsbücher | USA | bpb.de

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Eine US-Wahl für die Geschichtsbücher

Prof. Dr. Christian Lammert

/ 10 Minuten zu lesen

Noch nie gaben so viele Menschen in den USA ihre Stimme bei einer Präsidentschaftswahl ab wie 2020. Wie haben sie gewählt und vor welchen Herausforderungen steht die neue Administration? Eine Analyse.

Unterstützerinnen und Unterstützer von Joe Biden und Kamala Harris feiern den Sieg des Demokraten-Duos bei der US-Präsidentschaftswahl 2020. (© picture-alliance/AP)

Die Präsidentschaftswahlen 2020 in den USA waren aus unterschiedlichen Gesichtspunkten besonders und werden in die Geschichtsbücher eingehen: Sie fanden unter den Bedingungen der COVID-19-Pandemie statt, was sowohl die Organisation der Wahlen als auch die Wahlkampfthemen (siehe Interner Link: hier und Interner Link: hier) massiv beeinflusste. Fast vergessen ist dabei, dass zu Beginn des Wahljahres auch ein Interner Link: Amtsenthebungsverfahren gegen den amtierenden Präsidenten Interner Link: Donald Trump lief, was es bislang in der US-amerikanischen Geschichte noch nie gab.

Geschichtsträchtig war auch die Wahlbeteiligung: Seit 190 sind noch nie so viele Wählerinnen und Wähler bei Präsidentschaftswahlen an die Urnen gegangen und haben von ihrem Recht auf Briefwahl Gebrauch gemacht: Die Wahlbeteiligung lag bei 66,2 Prozent der wahlberechtigten US-Bürgerinnen und -Bürger (2016 – 59,1 %). In vielen Bundesstaaten lag die Wahlbeteiligung sogar deutlich über 70 Prozent, darunter insbesondere die umkämpften Bundesstaaten Wisconsin (75,8 %), Michigan (73,9 %) und Pennsylvania (71 %) . Im Gegensatz zu 2016 konnte bei dieser Wahl der Kandidat mit den meisten Stimmen auch eine Mehrheit im Interner Link: Wahlkollegium (Electoral College) gewinnen: Auf Interner Link: Joe Biden entfielen 306 Wahlpersonenstimmen und auf Donald Trump 232. Ein absolutes Novum in der US-amerikanischen Geschichte war auch, dass der Wahlverlierer seine Wahlniederlage nicht eingestanden hat. Noch lange nach der Wahl warf Trump seinen politischen Gegnerinnen und Gegnern massiven Wahlbetrug vor, ohne hierfür stichhaltige Beweise vorlegen zu können.

COVID-19 und die Briefwahl

Die Corona-Pandemie hatte großen Einfluss auf die Präsidentschaftswahlen in den USA. Die Gesundheitskrise und die mit ihr einhergehende Wirtschaftskrise beeinflussten maßgeblich die Themen des Wahlkampfs und Amtsinhaber Trump sah sich verstärkter Kritik an seinem Pandemie-Krisenmanagement gegenüber. Organisatorisch stellte der Verlauf der Pandemie und die steigenden Fallzahlen auch die praktische Umsetzung der Wahlen vor große Herausforderungen. Aufgrund des hohen Infektionsrisikos wurden in fast allen Bundesstaaten die Möglichkeiten zur Interner Link: Briefwahl und des vorzeitigen Wählens (Early Voting) ausgeweitet – wenn auch mit unterschiedlichen Anforderungen. Am Ende haben 94 Millionen US-Bürgerinnen und -Bürger bei der Wahl von ihrem Recht Gebrauch gemacht, bereits vor dem eigentlichen Wahltag am 3. November ihre Stimme abzugeben. Zum Vergleich: 2016 waren es lediglich 47,2 Millionen und 2008 gar nur 31,7 Millionen. Die Pandemie hat also nicht wie anfangs befürchtet dazu geführt, dass weniger Menschen zur Wahl gehen würden. Ganz im Gegenteil, durch den Ausbau des Briefwahlsystems und durch die sowohl positive als auch negative Mobilisierung durch Donald Trump zeichnete sich bereits frühzeitig eine Rekordwahlbeteiligung ab. Insbesondere Anhängerinnen und Anhänger der Demokratischen Partei nutzten das Early Voting, bzw. die Briefwahl. Nach Angaben des Externer Link: United States Elections Project hatten die Demokraten hier einen deutlichen Vorsprung vor den Republikanern. In den 20 Bundesstaaten, die über die Parteiregistrierung der Wählerinnen und Wähler in der Wahlanalyse Auskunft erteilen, lag dieser Vorsprung bei rund 15 Prozentpunkten. Da in zahlreichen Staaten die Briefwahlstimmen erst nach dem eigentlichen Wahltag ausgezählt wurden, führte Trump am Wahlabend noch in vielen Bundesstaaten. Erst mit der späteren Auszählung der Briefwahlstimmen konnte Biden diesen Rückstand verringern oder gar an Trump vorbeiziehen. Am deutlichsten war dies in den beiden Bundesstaaten Pennsylvania und Michigan zu sehen. In Ohio, wo die Briefwahlstimmen zuerst ausgezählt wurden, zeigte sich die umgekehrte Dynamik: Biden lag zu Beginn vorne und erst mit der Auszählung der Stimmen, die am Wahltag selbst abgeben wurden, sicherte sich Trump den Sieg.

Analyse des Wahlergebnisses

Das Wahlergebnis der Präsidentschaftswahlen muss aufgrund des Wahlsystems in den USA in zweierlei Hinsicht analysiert werden. Zum einen mit Blick auf das Electoral College und zum anderen mit Blick auf Wähler/-innenwanderungen und die Mobilisierung der traditionellen Wähler/-innenschaft der Parteien. Um siegreich aus den Wahlen hervorzugehen, braucht ein Kandidat oder eine Kandidatin zumindest 270 der 538 Wahlpersonenstimmen. Diese werden in den allermeisten Staaten nach dem Winner-takes-all Prinzip in den einzelnen Bundesstaaten vergeben.

Die US-Präsidentschaftswahl kurz erklärt

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Die US-Präsidentschaftswahl kurz erklärt

Wie wird man Präsidentin oder Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika? Unser Erklärfilm veranschaulicht den Prozess vom Vorwahlkampf bis zum Amtseid – damit Begriffe wie Primaries & Caucuses, Swing States oder Electoral College keine Fragezeichen mehr aufwerfen.

Zumeist werden die Wahlen in einigen wenigen sogenannten Interner Link: Swing States entschieden, in denen sich die Kandidatinnen und Kandidaten ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Trumps überraschender Wahlsieg 2016 ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass er die sogenannte blaue Mauer (blue wall) einnehmen konnte: Wichtige Bundesstaaten im sogenannten Rust-Belt der USA, der ehemaligen Stahl- und Automobilindustrieregion, die traditionell mit ihrem großen Anteil an Wählerinnen und Wählern der Arbeiterklasse die Demokraten gewählt haben, fielen 2016 den Republikanern zu. Trump gelang es damals Michigan, Wisconsin und Pennsylvania zu gewinnen. Diese drei Staaten konnte Biden 2020 für die Demokraten zurückerobern und zusätzlich noch Arizona und Georgia hinzugewinnen. Die Wahlleute aus diesen zum Teil bevölkerungsreichen Staaten sicherten Biden letztendlich einen deutlichen Wahlsieg im Electoral College, auch wenn Trump in Florida (29 Wahlleute), wo die Demokraten die letzten beiden Wahlen vorne lagen, klar und für viele mit Blick auf die Prognosen vor der Wahl überraschend gewinnen konnte.

Wie aber schafften es die Parteien Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren und etwaige Wähler/-innenwanderungen herbeizuführen, die den Wahlsieg Bidens erklären können? Zu den Besonderheiten der Präsidentschaftswahl 2020 zählt sicherlich, dass beide Kampagnen im Vergleich zu 2016 ihre Wähler/-innenbasis deutlich ausbauen konnten. Zu den Überraschungen gehört aber auch, dass es anders als in Umfragen vorhergesagt bei den meisten demografischen Gruppen keine deutlichen Verschiebungen gab. Wahlentscheidend war vielmehr, wie erfolgreich die beiden Kampagnen mobilisiert und die eigene potentielle Wähler/-innenbasis ausgeschöpft haben. Das zeigt sich daran, dass sehr wenige Landkreise von der einen zur anderen Partei umgeschwenkt sind: Wechselten 2016 noch 237 Landkreise die Farbe (blau = Demokraten; rot= Republikaner), waren es in der jetzigen Wahl lediglich 72 Landkreise. Biden hat von diesen 59 gewonnen. Die starke Wähler/-innenmobilisierung führte letztendlich auch dazu, dass noch kein Präsident mit einer so großen Stimmenzahl ins Weiße Haus gewählt worden ist: Auf Joe Biden entfielen 81.283.098 Stimmen. Aber auch der Wahlverlierer Trump konnte mit seinen 74.222.958 einen Rekord aufstellen: Noch nie hatte ein Amtsinhaber so viele Stimmen gewinnen können. Bei seinem Wahlsieg 2016 stimmten nur knapp 63 Millionen US-Bürgerinnen und -Bürger für ihn.

Insgesamt lässt sich der Wahlerfolg Bidens in erster Linie mit der größeren Mobilisierung der eigenen Wahlbasis und weniger mit großen demografischen Verschiebungen erklären. Biden hat insbesondere in der ideologischen Mitte, also bei den moderaten Wählerinnen und Wählern, erfolgreich mobilisiert. Auch bei den Independents, also jenen Wählerinnen und Wählern, die sich weder als Demokraten noch als Republikaner registriert haben, konnte Biden das Wahlergebnis für die Demokraten im Vergleich zu 2016 deutlich verbessern. Im Schnitt hat Biden hier um zwölf Prozentpunkte zugelegt, während Trump hier im Vergleich zu seinem Wahlsieg 2016 bei dieser Gruppe fünf Prozentpunkte verloren hat. Biden und die Demokraten konnten insbesondere in den Vorstädten gut mobilisieren, aber auch bei vielen Afro-Amerikanerinnen und -Amerikanern in den großstädtischen Regionen. Insgesamt sind die Demokraten noch immer stärker in den städtischen Regionen, während die Republikaner in den ländlichen Regionen dominieren. Dies zeigte sich insbesondere in den umkämpften Bundesstaaten Pennsylvania, Michigan und Georgia und führte dann auch zum letztendlich deutlichen Sieg Bidens im Electoral College.

Trump war ebenfalls sehr erfolgreich bei der Mobilisierung der Republikanischen Anhängerschaft. Hier konnte er im Vergleich zu 2016 um sechs Prozentpunkte zulegen. Damit stimmten rund 94 Prozent der Republikanischen Anhänger 2020 für Trump. Zum Vergleich: 2016 lag der Wert noch bei 88 Prozent. Das ist auch ein Indikator für die extreme parteipolitische Interner Link: Polarisierung der Wähler/-innenschaft in den USA. Auch wenn Biden sicher aufgrund der großen Unterstützung bei den Latinx und Afro-Amerikanerinnen und -Amerikanern diese Wahl gewonnen hat, konnte Trump in dieser Wähler/-innengruppe ebenfalls erfolgreich abschneiden. Trump hat seinen Anteil bei dieser Gruppe im Vergleich zu 2016 um sechs Prozentpunkte ausgebaut. Insbesondere bei schwarzen Männern konnte Trump zugewinnen: von 13 Prozent im Jahr 2016 auf 19 Prozent bei den Wahlen 2020. Lediglich Pennsylvania muss hier als Ausnahme genannt werden. Hier konnte Biden das sehr gute Ergebnis von Interner Link: Hillary Clinton bei den Wahlen 2016 wiederholen, bei den schwarzen Männern konnte er sogar noch um sechs Prozentpunkte zulegen.

Die Latinx waren die wohl interessanteste Wähler/-innengruppe bei diesen Wahlen. Zudem wird dies Gruppe immer relevanter, weil der Anteil der Latinx an der Gesamtbevölkerung in den USA kontinuierlich zunimmt. Es hat sich deutlich gezeigt, wie heterogen diese Gruppe mit Blick auf ihr Wahlverhalten ist. Insgesamt konnte Biden hier deutlich mehr Stimmen als Trump erzielen und somit das gute Ergebnis von Hillary Clinton wiederholen. Allerdings konnte auch Trump in zwei Bundesstaaten sein Ergebnis bei den Latinx deutlich verbessern. In Florida lag Trump in dieser Wähler/-innengruppe nur noch fünf Prozentpunkte hinter Biden, was auch zum Teil seinen überraschenden Sieg in dem Bundesstaat erklärt. 2016 hatte Hillary Clinton hier noch einen Vorsprung von 27 Prozentpunkten. Der Erfolg lässt sich in erster Linie auf das gute Abschneiden Trumps bei den Cuban-Hispanics zurückführen, bei denen er sogar eine Mehrheit von 56 Prozent erzielen konnte. Cuban-Hispanics gelten allgemein als sehr werte-konservativ und die Politik der USA gegenüber Kuba spielt in ihrer Wahlentscheidung eine dominante Rolle. Und hier konnte Trump mit seiner Anti-Kuba Politik punkten. Auch in Texas konnte Trump bei den Latinx seinen Wahlanteil von 34 Prozent (2016) auf 41 Prozent ausbauen.

Insgesamt hat sich allerdings gezeigt, dass die Wähler/-innenkoalitionen beider Parteien relativ stabil geblieben sind. Biden gewann die Wahlen aufgrund der höheren Mobilisierung und aufgrund einiger regionaler Besonderheiten. In Arizona zeichnete sich beispielsweise schon seit einiger Zeit eine machtpolitische Verschiebung aufgrund des demografischen Wandels ab. Dies liegt zum einen am wachsenden Anteil der Latinx in der Bevölkerung, aber auch am Zuzug vieler junger gut ausgebildeter Menschen als Folge der guten ökonomischen Entwicklung. Das hat letztendlich zu einer Stärkung der Demokraten in Arizona geführt. In Georgia, dem anderen Bundesstaat den Biden überraschend gewinnen konnte, haben die Demokraten eine intensive und erfolgreiche Strategie der Wähler/-innenmobilisierung – insbesondere in Teilen der afroamerikanischen Bevölkerung – gefahren, die sich ausgezahlt hat.

Die Ergebnisse der US-Präsidentschaftswahl 2020, 2016, 2012

Bei den parallel zur US-Präsidentschaftswahl abgehaltenen Kongresswahlen ist die Bilanz der Demokraten eher durchwachsen, gerade mit Blick auf die eigentlichen Erwartungen und auch auf Grundlage der Prognosen, die den Demokraten hier ein weitaus besseres Ergebnis vorhergesagt haben. Im Repräsentantenhaus konnten sich die Demokarten zwar weiterhin eine Mehrheit (222:211) sichern, sie mussten aber an Sitzen einbüßen. Im Gegensatz zu den Zwischenwahlen 2018 haben die Demokraten hier 9 Sitze an die Republikaner verloren. Dafür konnten die Demokraten im Senat ihre Anzahl der Sitze auf 50 erhöhen (+3), wobei Umfragen allerdings ebenfalls einen noch deutlicheren Sieg prognostiziert hatten. Damit kommt es im Senat jetzt zu einer 50-50 Pattsituation, in der die amtierende Vizepräsidentin Kamala Harris laut Verfassung dann die entscheidende Stimme hat. Damit sind sowohl die Exekutive als auch die Legislative unter Kontrolle der Demokraten, was das Regieren im Kontext Interner Link: massiver Polarisierung und wenig überparteilicher Zusammenarbeit bis zu den Zwischenwahlen in zwei Jahren deutlich erleichtern wird.

Trump zweifelt Wahlergebnis an

Trump hatte schon im Vorfeld der Wahl angekündigt, dass er eine Wahlniederlage nicht automatisch akzeptieren würde. Die oben beschriebenen Besonderheiten der Wahl – z. B. Early Voting und Briefwahl – nutzte Trump, um die Legitimität von Bidens Wahlsieg anzuzweifeln. Zahlreiche Nachzählungen und Untersuchungen konnten jedoch keinerlei Wahlfälschung oder -manipulation nachweisen. Trotzdem sprechen Trump und seine Anhängerinnen und Anhänger weiterhin von Wahlbetrug, verbreiten Verschwörungsideologien und Falschinformationen, indem sie beispielsweise eine Interner Link: Manipulation der elektronischen Auszählmaschinen unterstellen oder behaupten, in der Wahlnacht seien zusätzliche Stimmen für Biden aufgetaucht oder zahlreiche bereits verstorbene Personen hätten per Briefwahl abgestimmt. Beweise für diese Vorwürfe konnte Trump und sein Team nicht vorlegen. Insgesamt ist Trump mit all seinen Klagen gegen das Wahlergebnis vor den Gerichten gescheitert. Einen Erfolg kann er allerdings verbuchen: Externer Link: Inzwischen glauben über Zwei-Drittel der Trump-Anhänger/-innen, dass es zu weitreichenden Wahlmanipulationen gekommen sei. Eine schwere Bürde für den 46. Präsidenten der USA, der am 21. Januar ins Weiße Haus einzieht.

Bidens Politikagenda und sein Kabinett

Der neue Präsident Joe Biden muss sich großen Herausforderungen stellen. Dabei unterscheidet Biden zwischen Initiativen, die er nach Möglichkeit bereits am ersten Amtstag umsetzen will und Projekten, die eine längerfristige Umsetzung erfordern. Per Exekutivanordnungen kann Biden einige Reformen der Trump-Administration kurzfristig zurücknehmen. Biden hat beispielsweise angekündigt, den Austritt der USA aus dem Interner Link: Pariser Klimaabkommen zeitnah nach der Amtseinführung rückgängig zu machen. Schnelles Handeln erfordern auch der Kampf gegen die Corona-Pandemie und die damit verbundenen ökonomischen Probleme.

Ein Ausblick auf die Politik unter Joe Biden

Zu den längerfristigen Projekten der Biden-Administration zählt die Klima- und Energiepolitik. Hier steht der Kampf gegen die globale Erwärmung im Zentrum der Reformen. Biden will über die kommenden vier Jahren ein zwei Billionen US-Dollar Investitionsprogramm durchsetzen, um die US-Wirtschaft stärker auf erneuerbare Energien umzubauen. Dazu soll das Energiesystem der USA bis 2035 frei vom Ausstoß von Kohlenstoffen sein und die Treibhausgas-Emissionen bis ins Jahr 2050 auf Null zurückgefahren werden. Auch in der Einwanderungspolitik plant Biden die Rücknahme vieler Initiativen der Trump-Administration. So soll der Einwanderungsstopp wieder aufgehoben werden und die Gelder für den Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko gestoppt und stattdessen in eine verstärkte digitale Überwachung der Grenze investiert werden. Auch die jährlich zulässige Anzahl von Flüchtlingen soll von derzeit 18.000 auf 125.000 deutlich erhöht werden. Zudem sollen die Dreamers, also jene rund 660.000 Immigrantinnen und Immigranten ohne Papiere, die als Kinder in die USA gekommen sind, vor der Abschiebung geschützt werden. Weiteren 11 Millionen nicht-dokumentierten Einwanderern soll der Weg zur Staatsbürgerschaft geebnet werden.

In der Steuerpolitik will Biden insbesondere höhere Einkommen ab einem Jahresgehalt von 400.000 US-Dollar stärker besteuern, um die Reforminitiativen zu finanzieren. Dabei soll auch der Spitzensteuersatz wieder auf 39,6 Prozent erhöht werden. 2018 hatten die Republikaner im Kongress den Satz auf 37 Prozent gesenkt. Auch die Unternehmensteuer soll wieder von 21 auf 28 Prozent angehoben werden. Zur Sicherung der Sozialversicherungssysteme sollen die Sozialabgaben für Großverdienerinnen und -verdiener erhöht werden und die Einkommen aus Kapitaleinkünften genauso besteuert werden wie Einkünfte aus Lohnarbeit. In der Gesundheitspolitik setzt Biden auf die von Obama 2010 implementierte Reform des Affordable Care Acts (Obamacare) und will dieses Reformprojekt der Obama-Administration noch ausbauen. Zu den zentralen Initiativen zählt hier die Senkung des Alters für den Bezug von Leistungen aus Medicare von 65 auf 60 Jahre und die Einführung einer staatlichen Krankenversicherung (public option), die als Konkurrenz zu den privaten Krankenversicherungsprogrammen angeboten werden soll. Bislang existieren staatliche Krankenversicherungsprogramme nur für Rentnerinnen und Rentner sowie für Bedürftige.

In der Außenpolitik sollen die USA laut Biden eine Vorreiterrolle bei der globalen Klimapolitik einnehmen. Zudem will Biden das US-Engagement in internationalen Organisationen und die multilaterale Weltordnung wieder stärken. Dazu sollen die USA wieder der Interner Link: Weltgesundheitsorganisation (WHO) beitreten und auch das internationale Interner Link: Abkommen zum iranischen Atomprogramm soll wieder reaktiviert werden. Weniger Veränderungen werden sich voraussichtlich in der Interner Link: Handelspolitik insbesondere gegenüber China zeigen. China soll zu einer Änderung ihrer Handelspraktiken gebracht werden, dies allerdings in Kooperation mit den europäischen Partnern. Bei zukünftigen Verhandlungen zu Handelsabkommen sollen dabei Gewerkschaften und Umweltverbände stärker eingebunden werden.

Das Ganze findet in einem extrem polarisierten politischen Kontext statt, was jegliche Politikgestaltung in den USA erschwert. Dabei muss sich Biden auch den Forderungen des progressiven Flügels der Demokratischen Partei stellen, der in den letzten Jahren immer mehr an Einfluss gewonnen hat und eine noch weitergehende Restrukturierung der Wirtschaft und eine aktivere Rolle des Staates fordert. Da die Demokraten im Zuge der Stichwahlen in Georgia beide Senatssitze des Bundesstaates gewinnen konnten, verfügen sie nun über eine hauchdünne Mehrheit im Senat. Damit können die Republikaner mögliche Besetzungen der Ministerposten nicht mehr blockieren.

Das geplante Kabinett Biden in Bildern

Das Kabinett von Joe Biden

(© picture-alliance/AP) (© picture-alliance/AP) (© picture-alliance/AP) (© picture-alliance/AP) (© picture-alliance/AP) (© picture-alliance/AP) (© picture-alliance/AP)

Mit Blick auf Bidens bisherige Nominierungen zeichnen sich zwei dominante Muster ab: Expertise und Vielfalt. Biden hat viele Kandidatinnen und Kandidaten nominiert, mit denen er bereits länger zusammenarbeitet und die zum Teil auf langjährige politische Erfahrungen verweisen können. Das gilt insbesondere für seinen engsten Mitarbeiter/-innenkreis im Weißen Haus. Andererseits zeigt Biden mit der Nominierung von Loyed Austin und Deb Haaland, dass sein Kabinett die multikulturelle Wirklichkeit der US-amerikanischen Gesellschaft besser als in den Administrationen zuvor widerspiegeln soll.

Weitere Inhalte

Prof. Dr. Christian Lammert ist Professor für Politik in Nordamerika am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin.