Die Präsidentschaftswahlen 2020 in den USA waren aus unterschiedlichen Gesichtspunkten besonders und werden in die Geschichtsbücher eingehen: Sie fanden unter den Bedingungen der COVID-19-Pandemie statt, was sowohl die Organisation der Wahlen als auch die Wahlkampfthemen (siehe
Eine US-Wahl für die Geschichtsbücher
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Noch nie gaben so viele Menschen in den USA ihre Stimme bei einer Präsidentschaftswahl ab wie 2020. Wie haben sie gewählt und vor welchen Herausforderungen steht die neue Administration? Eine Analyse.
Geschichtsträchtig war auch die Wahlbeteiligung: Seit 190 sind noch nie so viele Wählerinnen und Wähler bei Präsidentschaftswahlen an die Urnen gegangen und haben von ihrem Recht auf Briefwahl Gebrauch gemacht: Die Wahlbeteiligung lag bei 66,2 Prozent der wahlberechtigten US-Bürgerinnen und -Bürger (2016 – 59,1 %). In vielen Bundesstaaten lag die Wahlbeteiligung sogar deutlich über 70 Prozent, darunter insbesondere die umkämpften Bundesstaaten Wisconsin (75,8 %), Michigan (73,9 %) und Pennsylvania (71 %)
COVID-19 und die Briefwahl
Die Corona-Pandemie hatte großen Einfluss auf die Präsidentschaftswahlen in den USA. Die Gesundheitskrise und die mit ihr einhergehende Wirtschaftskrise beeinflussten maßgeblich die Themen des Wahlkampfs und Amtsinhaber Trump sah sich verstärkter Kritik an seinem Pandemie-Krisenmanagement gegenüber. Organisatorisch stellte der Verlauf der Pandemie und die steigenden Fallzahlen auch die praktische Umsetzung der Wahlen vor große Herausforderungen. Aufgrund des hohen Infektionsrisikos wurden in fast allen Bundesstaaten die Möglichkeiten zur
Analyse des Wahlergebnisses
Das Wahlergebnis der Präsidentschaftswahlen muss aufgrund des Wahlsystems in den USA in zweierlei Hinsicht analysiert werden. Zum einen mit Blick auf das Electoral College und zum anderen mit Blick auf Wähler/-innenwanderungen und die Mobilisierung der traditionellen Wähler/-innenschaft der Parteien. Um siegreich aus den Wahlen hervorzugehen, braucht ein Kandidat oder eine Kandidatin zumindest 270 der 538 Wahlpersonenstimmen. Diese werden in den allermeisten Staaten nach dem Winner-takes-all Prinzip in den einzelnen Bundesstaaten vergeben.
Die US-Präsidentschaftswahl kurz erklärt
Zumeist werden die Wahlen in einigen wenigen sogenannten
Wie aber schafften es die Parteien Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren und etwaige Wähler/-innenwanderungen herbeizuführen, die den Wahlsieg Bidens erklären können? Zu den Besonderheiten der Präsidentschaftswahl 2020 zählt sicherlich, dass beide Kampagnen im Vergleich zu 2016 ihre Wähler/-innenbasis deutlich ausbauen konnten. Zu den Überraschungen gehört aber auch, dass es anders als in Umfragen vorhergesagt bei den meisten demografischen Gruppen keine deutlichen Verschiebungen gab. Wahlentscheidend war vielmehr, wie erfolgreich die beiden Kampagnen mobilisiert und die eigene potentielle Wähler/-innenbasis ausgeschöpft haben. Das zeigt sich daran, dass sehr wenige Landkreise von der einen zur anderen Partei umgeschwenkt sind: Wechselten 2016 noch 237 Landkreise die Farbe (blau = Demokraten; rot= Republikaner), waren es in der jetzigen Wahl lediglich 72 Landkreise. Biden hat von diesen 59 gewonnen.
Insgesamt lässt sich der Wahlerfolg Bidens in erster Linie mit der größeren Mobilisierung der eigenen Wahlbasis und weniger mit großen demografischen Verschiebungen erklären. Biden hat insbesondere in der ideologischen Mitte, also bei den moderaten Wählerinnen und Wählern, erfolgreich mobilisiert. Auch bei den Independents, also jenen Wählerinnen und Wählern, die sich weder als Demokraten noch als Republikaner registriert haben, konnte Biden das Wahlergebnis für die Demokraten im Vergleich zu 2016 deutlich verbessern. Im Schnitt hat Biden hier um zwölf Prozentpunkte zugelegt, während Trump hier im Vergleich zu seinem Wahlsieg 2016 bei dieser Gruppe fünf Prozentpunkte verloren hat.
Trump war ebenfalls sehr erfolgreich bei der Mobilisierung der Republikanischen Anhängerschaft. Hier konnte er im Vergleich zu 2016 um sechs Prozentpunkte zulegen. Damit stimmten rund 94 Prozent der Republikanischen Anhänger 2020 für Trump. Zum Vergleich: 2016 lag der Wert noch bei 88 Prozent. Das ist auch ein Indikator für die extreme parteipolitische
Die Latinx waren die wohl interessanteste Wähler/-innengruppe bei diesen Wahlen. Zudem wird dies Gruppe immer relevanter, weil der Anteil der Latinx an der Gesamtbevölkerung in den USA kontinuierlich zunimmt. Es hat sich deutlich gezeigt, wie heterogen diese Gruppe mit Blick auf ihr Wahlverhalten ist. Insgesamt konnte Biden hier deutlich mehr Stimmen als Trump erzielen und somit das gute Ergebnis von Hillary Clinton wiederholen. Allerdings konnte auch Trump in zwei Bundesstaaten sein Ergebnis bei den Latinx deutlich verbessern. In Florida lag Trump in dieser Wähler/-innengruppe nur noch fünf Prozentpunkte hinter Biden, was auch zum Teil seinen überraschenden Sieg in dem Bundesstaat erklärt. 2016 hatte Hillary Clinton hier noch einen Vorsprung von 27 Prozentpunkten. Der Erfolg lässt sich in erster Linie auf das gute Abschneiden Trumps bei den Cuban-Hispanics zurückführen, bei denen er sogar eine Mehrheit von 56 Prozent erzielen konnte. Cuban-Hispanics gelten allgemein als sehr werte-konservativ und die Politik der USA gegenüber Kuba spielt in ihrer Wahlentscheidung eine dominante Rolle. Und hier konnte Trump mit seiner Anti-Kuba Politik punkten. Auch in Texas konnte Trump bei den Latinx seinen Wahlanteil von 34 Prozent (2016) auf 41 Prozent ausbauen.
Insgesamt hat sich allerdings gezeigt, dass die Wähler/-innenkoalitionen beider Parteien relativ stabil geblieben sind. Biden gewann die Wahlen aufgrund der höheren Mobilisierung und aufgrund einiger regionaler Besonderheiten. In Arizona zeichnete sich beispielsweise schon seit einiger Zeit eine machtpolitische Verschiebung aufgrund des demografischen Wandels ab. Dies liegt zum einen am wachsenden Anteil der Latinx in der Bevölkerung, aber auch am Zuzug vieler junger gut ausgebildeter Menschen als Folge der guten ökonomischen Entwicklung. Das hat letztendlich zu einer Stärkung der Demokraten in Arizona geführt. In Georgia, dem anderen Bundesstaat den Biden überraschend gewinnen konnte, haben die Demokraten eine intensive und erfolgreiche Strategie der Wähler/-innenmobilisierung – insbesondere in Teilen der afroamerikanischen Bevölkerung – gefahren, die sich ausgezahlt hat.
Bei den parallel zur US-Präsidentschaftswahl abgehaltenen Kongresswahlen ist die Bilanz der Demokraten eher durchwachsen, gerade mit Blick auf die eigentlichen Erwartungen und auch auf Grundlage der Prognosen, die den Demokraten hier ein weitaus besseres Ergebnis vorhergesagt haben. Im Repräsentantenhaus konnten sich die Demokarten zwar weiterhin eine Mehrheit (222:211) sichern, sie mussten aber an Sitzen einbüßen. Im Gegensatz zu den Zwischenwahlen 2018 haben die Demokraten hier 9 Sitze an die Republikaner verloren. Dafür konnten die Demokraten im Senat ihre Anzahl der Sitze auf 50 erhöhen (+3), wobei Umfragen allerdings ebenfalls einen noch deutlicheren Sieg prognostiziert hatten. Damit kommt es im Senat jetzt zu einer 50-50 Pattsituation, in der die amtierende Vizepräsidentin Kamala Harris laut Verfassung dann die entscheidende Stimme hat. Damit sind sowohl die Exekutive als auch die Legislative unter Kontrolle der Demokraten, was das Regieren im Kontext
Trump zweifelt Wahlergebnis an
Trump hatte schon im Vorfeld der Wahl angekündigt, dass er eine Wahlniederlage nicht automatisch akzeptieren würde. Die oben beschriebenen Besonderheiten der Wahl – z. B. Early Voting und Briefwahl – nutzte Trump, um die Legitimität von Bidens Wahlsieg anzuzweifeln. Zahlreiche Nachzählungen und Untersuchungen konnten jedoch keinerlei Wahlfälschung oder -manipulation nachweisen. Trotzdem sprechen Trump und seine Anhängerinnen und Anhänger weiterhin von Wahlbetrug, verbreiten Verschwörungsideologien und Falschinformationen, indem sie beispielsweise eine
Bidens Politikagenda und sein Kabinett
Der neue Präsident Joe Biden muss sich großen Herausforderungen stellen. Dabei unterscheidet Biden zwischen Initiativen, die er nach Möglichkeit bereits am ersten Amtstag umsetzen will und Projekten, die eine längerfristige Umsetzung erfordern. Per Exekutivanordnungen kann Biden einige Reformen der Trump-Administration kurzfristig zurücknehmen. Biden hat beispielsweise angekündigt, den Austritt der USA aus dem
Ein Ausblick auf die Politik unter Joe Biden
Zu den längerfristigen Projekten der Biden-Administration zählt die Klima- und Energiepolitik. Hier steht der Kampf gegen die globale Erwärmung im Zentrum der Reformen. Biden will über die kommenden vier Jahren ein zwei Billionen US-Dollar Investitionsprogramm durchsetzen, um die US-Wirtschaft stärker auf erneuerbare Energien umzubauen. Dazu soll das Energiesystem der USA bis 2035 frei vom Ausstoß von Kohlenstoffen sein und die Treibhausgas-Emissionen bis ins Jahr 2050 auf Null zurückgefahren werden. Auch in der Einwanderungspolitik plant Biden die Rücknahme vieler Initiativen der Trump-Administration. So soll der Einwanderungsstopp wieder aufgehoben werden und die Gelder für den Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko gestoppt und stattdessen in eine verstärkte digitale Überwachung der Grenze investiert werden. Auch die jährlich zulässige Anzahl von Flüchtlingen soll von derzeit 18.000 auf 125.000 deutlich erhöht werden. Zudem sollen die Dreamers, also jene rund 660.000 Immigrantinnen und Immigranten ohne Papiere, die als Kinder in die USA gekommen sind, vor der Abschiebung geschützt werden. Weiteren 11 Millionen nicht-dokumentierten Einwanderern soll der Weg zur Staatsbürgerschaft geebnet werden.
In der Steuerpolitik will Biden insbesondere höhere Einkommen ab einem Jahresgehalt von 400.000 US-Dollar stärker besteuern, um die Reforminitiativen zu finanzieren. Dabei soll auch der Spitzensteuersatz wieder auf 39,6 Prozent erhöht werden. 2018 hatten die Republikaner im Kongress den Satz auf 37 Prozent gesenkt. Auch die Unternehmensteuer soll wieder von 21 auf 28 Prozent angehoben werden. Zur Sicherung der Sozialversicherungssysteme sollen die Sozialabgaben für Großverdienerinnen und -verdiener erhöht werden und die Einkommen aus Kapitaleinkünften genauso besteuert werden wie Einkünfte aus Lohnarbeit. In der Gesundheitspolitik setzt Biden auf die von Obama 2010 implementierte Reform des Affordable Care Acts (Obamacare) und will dieses Reformprojekt der Obama-Administration noch ausbauen. Zu den zentralen Initiativen zählt hier die Senkung des Alters für den Bezug von Leistungen aus Medicare von 65 auf 60 Jahre und die Einführung einer staatlichen Krankenversicherung (public option), die als Konkurrenz zu den privaten Krankenversicherungsprogrammen angeboten werden soll. Bislang existieren staatliche Krankenversicherungsprogramme nur für Rentnerinnen und Rentner sowie für Bedürftige.
In der Außenpolitik sollen die USA laut Biden eine Vorreiterrolle bei der globalen Klimapolitik einnehmen. Zudem will Biden das US-Engagement in internationalen Organisationen und die multilaterale Weltordnung wieder stärken. Dazu sollen die USA wieder der
Das Ganze findet in einem extrem polarisierten politischen Kontext statt, was jegliche Politikgestaltung in den USA erschwert. Dabei muss sich Biden auch den Forderungen des progressiven Flügels der Demokratischen Partei stellen, der in den letzten Jahren immer mehr an Einfluss gewonnen hat und eine noch weitergehende Restrukturierung der Wirtschaft und eine aktivere Rolle des Staates fordert. Da die Demokraten im Zuge der Stichwahlen in Georgia beide Senatssitze des Bundesstaates gewinnen konnten, verfügen sie nun über eine hauchdünne Mehrheit im Senat. Damit können die Republikaner mögliche Besetzungen der Ministerposten nicht mehr blockieren.
Das geplante Kabinett Biden in Bildern
Das Kabinett von Joe Biden
Ron Klain – der von Biden designierte neue Stabschef – war schon in der Amtszeit von Barack Obama und Vize Biden Stabschef. Zudem war er auch
aktiv in den Wahlkampf Bidens involviert.
Neue Innenministerin soll Deb Haaland werden, die seit 2018 für die Demokraten im Abgeordnetenhaus sitzt. Sie wäre die erste Angehörige der First
Nations, die einen Kabinettsposten in der Regierung innehabe würde.
Für den Posten des Verteidigungsministers ist der ehemalige General Lloyd Austin vorgesehen.
Ein anderes bekanntes Gesicht aus dem Vorwahlkampf der Demokraten soll das Transportministerium übernehmen: Pete Buttigieg, der ehemalige
Bürgermeister aus South Bend (Indiana) und Präsidentschaftskandidat im Wahlkampf 2020.
Antony Blinken soll neuer Außenminister werden. Er war in der Obama Administration stellvertretender Sicherheitsberater und von 2015 bis 2017 auch
stellvertretender Außenminister. Blinken hat bereits in der Clinton Administration in den 1990er Jahren im außenpolitischen Team mitgewirkt.
Tom Vilsack wird den Posten des Agrarministers übernehmen, den er bereits unter der Obama-Administration von 2009 bis 2017 inne hatte.
Das Finanzministerium soll zukünftig von Janet Yellen geleitet werden, einer Ökonomin, die von 2014 bis 2018 der US-Notenbank vorsaß.
Mit Blick auf Bidens bisherige Nominierungen zeichnen sich zwei dominante Muster ab: Expertise und Vielfalt. Biden hat viele Kandidatinnen und Kandidaten nominiert, mit denen er bereits länger zusammenarbeitet und die zum Teil auf langjährige politische Erfahrungen verweisen können. Das gilt insbesondere für seinen engsten Mitarbeiter/-innenkreis im Weißen Haus. Andererseits zeigt Biden mit der Nominierung von Loyed Austin und Deb Haaland, dass sein Kabinett die multikulturelle Wirklichkeit der US-amerikanischen Gesellschaft besser als in den Administrationen zuvor widerspiegeln soll.
Weitere Inhalte
Prof. Dr. Christian Lammert ist Professor für Politik in Nordamerika am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin.
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