Vom Hashtag zur größten antirassistischen Bewegung der US-Geschichte: Entwicklungen und Positionen von Black Lives Matter von der Obama-Ära bis zum globalen Protest gegen die Ermordung George Floyds.
"Black Lives Matter" (BLM) ist der Slogan der mutmaßlich größten Protestbewegung der US-amerikanischen Geschichte. Die antirassistische Bewegung, die 2013 durch einen Hashtag ins Leben gerufen wurde, erreichte im Sommer 2020 mit der viralen Verbreitung des Videos, das die Externer Link: Ermordung des Afroamerikaners George Floyd zeigt, ihren bisherigen Höhepunkt. Floyd war im Mai 2020 in Minneapolis, Minnesota, qualvoll erstickt, als der Polizeibeamte Derek Chauvin vor laufenden Handykameras knapp neuneinhalb Minuten auf seinem Hals kniete. Die Demonstrationen, die bereits am Tag nach Floyds Tod begannen, weiteten sich rasch in den USA und zahlreichen anderen Ländern aus. Auffallend war die vergleichsweise hohe Beteiligung weißer Demonstrierender. Diese kann unter anderem durch die globale Corona-Pandemie erklärt werden, die dafür sorgte, dass zahlreiche Menschen diesen Mord und andere rassistische Gewalttaten unter den entschleunigten Bedingungen des Lockdowns von zu Hause aus verfolgten. Zum raschen Wachstum der Proteste führte auch die Tatsache, dass die Pandemie die soziale Ungleichheit in den USA dramatisch verschärfte. Schwarze, Indigene und andere People of Color (BIPoC, Abkürzung für Black, Indigenous and People of Color) erkrankten und starben nicht nur überproportional häufig an Covid-19, sondern verloren unter den Bedingungen der Pandemie auch vergleichsweise öfter ihre Existenzgrundlage. Auch Floyd, der durch die Pandemie seinen Job als Sicherheitsmann in einem Restaurant verloren hatte, war kurz vor seinem Tod von Covid-19 genesen. Die Pandemie legte die tiefverankerten Ungleichheitsstrukturen in der US-amerikanischen Gesellschaft offen, die durch die Überlappung von ökonomischer und rassifizierter Gewalt geprägt sind. Ferner entlarvte sie die gleichgültige Tatenlosigkeit des damaligen Präsidenten Interner Link: Donald Trump, der angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen 2020 auf die Interner Link: polarisierende und postfaktische Strategie setzte, die ihn vier Jahre zuvor an die Macht gebracht hatte. Dass ihm eine zweite Amtszeit verwehrt blieb, lag auch an der Mobilisierung von BLM und der damit verbundenen historischen Wahlbeteiligung von BIPoC, durch die die Demokratische Partei wichtige swing states gewannen.
Entstehung der BLM-Bewegung
BLM entstand unter dem Interner Link: ersten Schwarzen US-Präsidenten. Das mag zunächst verwundern, signalisierte Barack Obamas Wahl im Jahr 2008 doch einigen Beobachter*innen zufolge den Beginn eines sogenannten post-racial America—einer US-amerikanischen Gesellschaft also, in der Rassismus angeblich überkommen sei. Obamas Präsidentschaft bedeutete jedoch keineswegs das Ende von Interner Link: Rassismus; vielmehr markierte sie zunächst das Ende der Rassismus-Debatte, denn eine Schwarze Familie im Weißen Haus schien der endgültige Beweis dafür zu sein, dass die USA vermeintlich eine Meritokratie waren, also eine Gesellschaft, die nach dem Prinzip individueller Leistungen funktioniert. Ein individualisierender, farbenblinder Diskurs, der die strukturelle Benachteiligung rassifizierter Gruppen verleugnete, gewann so an Bedeutung. Rassismus war demnach nicht länger ein soziales Problem, sondern bloß eine fragwürdige Einstellung einzelner "fauler Äpfel"; und die sozioökonomische Marginalisierung der Afroamerikaner*innen resultierte nicht aus einer historisch gewachsenen strukturellen Machtbeziehung, sondern aus ihrem persönlichen Versagen. Diese Entwicklung zeigt, dass sich das "Machtverhältnis", das dem Legitimationsbegriff 'Rasse' "zugrunde [...] liegt", nicht trotz, sondern gerade durch Wandel fortschreibt, wie die Amerikanistin Astrid Franke Interner Link: erklärt. Diese Fortschreibung geschieht, so Franke, insbesondere durch die "Komplizenschaft des Rechtssystems".
Es war daher auch der Schock über den gerichtlichen Freispruch von George Zimmerman, der die BLM-Bewegung im Juli 2013 ins Leben rief. Zimmerman hatte im Februar 2012 den 17-jährigen Trayvon Martin erschossen, weil dieser durch seine Anwesenheit in einer wohlhabenden, mehrheitlich weißen Wohnanlage in Sanford, Florida, "verdächtig" auf ihn wirkte. Bestürzt über diese Gerichtsentscheidung schrieb die Aktivistin Alicia Garza eine Liebesbekundung an Schwarze Menschen, die sie im Internet veröffentlichte. Ihre Freundin Patrisse Cullors teilte Garzas Text unter dem Hashtag #BlackLivesMatter, der wiederum mehrfach geteilt wurde. Die Aktivistin Opal Tometi schloss sich den Freundinnen an und kreierte entsprechende Internetseiten, über die Straßenproteste organisiert wurden.
Die Proteste um den Tod des 18-jährigen Michael Brown weiteten BLM zu einer nationalen Bewegung aus. Brown war im August 2014 in der Nähe seines Wohnortes in Ferguson, Missouri, von dem weißen Polizisten Darren Wilson erschossen worden. Nach der Tötung ließ die Polizei Browns Leiche stundenlang in der heißen Sonne liegen, sichtbar für die Anwohner*innen des mehrheitlich Schwarzen Wohnviertels. Wie auch bei anderen Polizeitötungen sahen antirassistische Beobachter*innen im Fall Brown einen modernen Interner Link: Lynchmord. Beide Gewaltformen zeichnen sich durch das öffentliche Spektakel und die unverhüllte Form der Machtdemonstration aus: Die Journalistin Isabel Wilkerson betonte in diesem Zusammenhang die Analogie zwischen dem Hängenlassen gelynchter Schwarzer in der Interner Link: Jim-Crow-Ära und dem Liegenlassen von Browns Leiche. Ein weiterer Grund für die Vehemenz der Ferguson-Proteste war die Segregation in dieser Stadt, in der die weiße Minderheit die Machtpositionen besetzte und die Schwarze Mehrheit unterdrückte. Das US-Justizministerium deckte in einem Bericht den strukturellen Rassismus bei der Polizei- und Justizbehörde in Ferguson auf, die die Schwarzen Bewohner*innen systematisch zur Füllung der kommunalen Kassen ausbeuteten. So kam es neben den überwiegend friedlichen tagelangen Demonstrationen auch zu Ausschreitungen gegen die militarisierte Polizei. Patrice Cullors und Darnell Moore organisierten den sogenannten Black Lives Matter Freedom Ride, der insgesamt fünfhundert Aktivist*innen und Medienschaffende aus dreizehn Bundestaaten nach Ferguson brachte und so die antirassistische Berichterstattung der Proteste verstärkte. Im November 2014 entschied eine Grand Jury, dass Wilson nicht für den Mord an Brown angeklagt werden würde. Der Bericht des US-Justizministeriums, der die Debatte über strukturellen Rassismus bei der Polizei und anderen Institutionen vorantrieb, verweist jedoch auf den Einfluss, den die Proteste auf die nationale Politik ausübten. Innerhalb eines Jahres war BLM somit zu einer führenden Schwarzen Widerstandsbewegung avanciert.
Organisation, Themen und Ziele der BLM-Bewegung
Da der Slogan "Black Lives Matter" nicht markengeschützt ist, sollte zwischen der BLM-Bewegung im breiteren Sinne und dem Netzwerk Black Lives Matter Global Network (BLMGN) im engeren Sinne unterschieden werden. BLMGN ist ein "von Mitgliedern geführtes globales Netzwerk aus über 40 Ortsverbänden", wobei jeder Ortsverband interne "Führungsstrukturen" besitzt, seine Arbeit gemäß den lokalen Themen eigenständig gestaltet und "einen Beitrag zur Entscheidungsfindung im Hinblick auf die Aktivitäten" des größeren Verbundes leistet. Die Aktivist*innen verwenden häufig Begriffe wie "Ortsgruppen-basiert" und "führungsreich", um eine Organisationsphilosophie zu beschreiben, die nicht auf zentrale charismatische Führungspersönlichkeiten, grundsätzlich aber auf koordinierte Führungsstrukturen setzt.
Diese Philosophie markiert – neben dem Online-Aktivismus von BLM – einen der deutlichsten Unterschiede zur Interner Link: früheren Bürgerrechts- und Black-Power-Bewegung. Zentralistisch geführte Organisationen, sind, so BLM-Aktivist*innen, fragil, da ihre charismatischen Führungspersönlichkeiten von den Interessen der Herrschenden vereinnahmt werden beziehungsweise persönliche Interessen über die der Organisation stellen können; diese Führungspersönlichkeiten sind ferner – wie die Fälle von Martin Luther King, Malcolm X oder Huey P. Newton zeigen – häufig Ziele von Mordanschlägen, wodurch wesentliche Vorhaben und Konzepte der Organisationen mit den Ermordeten sterben. Dezentralisierung muss daher zunächst als eine Strategie im Sinne der Langlebigkeit von BLM verstanden werden. Sie ist aber auch Ausdruck einer vor allem von Millennials gehegten neuen Auffassung von Protest, die mit dem traditionellen Modell der an etablierte Strukturen angepassten alten Garde bricht.
Verkörpert durch ihre Anführer prägten traditionelle zentralistisch geführte Protestbewegungen bislang eine dominante Vorstellung von (Schwarzem) Widerstand als Domäne heterosexueller, vorwiegend religiöser Cis-Männer mit respektabler Außendarstellung. Im Unterschied hierzu macht die dezentrale Führungsaufteilung bei BLM jene aktivistische Arbeit (und Tradition) sichtbar, die in der öffentlichen Wahrnehmung normalerweise getilgt wird: die Arbeit von Schwarzen Frauen, die – wie im Fall der drei BLM-Mitbegründerinnen – vorwiegend queer, nichtreligiös und, gemäß einem der BLM-Leitsätze, "unapologetisch Schwarz" sind. Neben der critical race theory – einem kritischen Theorieansatz mit dem Fokus auf strukturellem Rassismus – sind die theoretischen Einflüsse von BLM daher insbesondere im Externer Link: Schwarzen Feminismus zu finden. Dieser nimmt die intersektionalen Aspekte sozialer Unterdrückung in den Blick. 1989 von Kimberlé Crenshaw eingeführt, erlaubt es das Konzept der Interner Link: Intersektionalität, durch die Berücksichtigung der komplexen Verschränkung (intersection) bisher isoliert betrachteter Herrschaftssysteme wie etwa 'Rasse', Klasse und Geschlecht, verborgene Formen der Unterdrückung (und Privilegierung) sichtbar zu machen. So kann Intersektionalität beispielsweise die spezifische Unterdrückung Schwarzer Frauen aufdecken, die oftmals dadurch übersehen – und verschlimmert – wird, dass in der dominanten Wahrnehmung Rassismus vorrangig Schwarze Männer und Sexismus vor allem weiße Frauen betrifft (ersteres zeigt sich beispielsweise an der Tatsache, dass Fälle von polizierender Gewalt gegenüber Schwarzen Frauen in der öffentlichen Wahrnehmung meist weniger Aufmerksamkeit erhalten, als Fälle von polizierender Gewalt gegenüber schwarzen Männern). Durch den besonderen Fokus auf die Marginalisierten innerhalb marginalisierter Gruppen (z.B. Arme, Queere, körperlich und psychisch Beeinträchtigte, Undokumentierte oder strafrechtlich Verfolgte) betont BLM daher den Wert Schwarzen Lebens "in all seinen Facetten".
Auch wenn die Bürgerrechts- und Black-Power-Bewegungen in Studien zu BLM meist den Orientierungsrahmen bilden, lassen sich gerade über den Schwarzen Feminismus weitere Einflüsse ausmachen. So verweist die Historikerin Keeanga-Yamahtta Taylor etwa auf das Erbe des Combahee River Collective (CRC), einem 1974 gegründeten Kollektiv aus queeren, sozialistischen Schwarzen Feministinnen, die den Begriff der verschränkten Unterdrückung (interlocking oppression) prägten und so die Grundlage für das Konzept der Intersektionalität legten. Die Mitglieder des CRC führten auch den Begriff der Identitätspolitik ein und meinten damit, im Unterschied zu seiner gegenwärtigen Verwendung, eine emanzipatorische Politik, die durch eine intersektional unterdrückte Identität begründet werden kann. Das CRC wurde nach dem Combahee River benannt, an dem die ehemalige Sklavin Harriet Tubman 1863 die Befreiung von 750 Sklaven anführte. Insofern befindet sich BLM in der Tradition einer Schwarzen feministischen Befreiungsbewegung, die bis in die Zeit der Sklaverei zurückreicht.
Ein wesentlicher Aspekt der Arbeit von BLM ist der Kampf gegen Interner Link: rassistische Polizeigewalt. BLM-Aktivist*innen verwenden häufig den Begriff "Staatsgewalt", um zu betonen, dass dies die Gewalt der Polizei im engeren Sinne beinhaltet, aber auch die polizierende Gewalt von Individuen und Bürgerwehren, die insofern staatlich sanktioniert ist, als dass sie für ihre Taten juristisch oftmals nicht belangt werden. Der Begriff meint ferner, was BLM-Aktivist*innen als Organisationsprinzip eines Staates ansehen, der die Unterdrückung von Schwarzen insbesondere durch das Rechtssystem (re)produziert. Fälle von Polizeigewalt, so BLM, dürfen nicht isoliert betrachtet werden, denn sie resultieren aus einer Struktur, die jedem einzelnen Fall zugrunde liegt. Die Arbeit der modernen US-amerikanischen Polizei geht historisch unter anderem auf bewaffnete weiße Patrouillen zurück, die die Versklavten rigide kontrollierten und sie, im Falle eines Fluchtversuches, in die Versklavung zurückführten. Die Rechtswissenschaftlerin Michelle Alexander zeigte 2010 in ihrem Buch Interner Link: "The New Jim Crow", wie im Kontext des war on drugs insbesondere Schwarze Männer durch eine Reihe kriminalisierender Gesetze unter strafrechtliche Kontrolle gebracht und inhaftiert werden. Die Masseninhaftierung von Schwarzen, so Alexander, steht in einer historischen Kontinuität zur Sklaverei und der darauffolgenden Jim-Crow-Ära der rechtlich verankerten Interner Link: Segregation, mit dem entscheidenden Unterschied, dass die Wahrscheinlichkeit, in das strafrechtliche Kontrollnetz zu geraten, heute, anders als damals, an die Höhe des Einkommens gekoppelt ist. Mit dem Ruf nach abolition fordern Teile der BLM-Bewegung die Abschaffung des Strafrechtssystems und evozieren dabei diese historische Dimension der rassifizierten Unterdrückung. Gewissermaßen als Vorstufe hierzu ist die moderatere Forderung zu verstehen, die unter defund the police bekannt geworden ist. Dahinter steckt der Aufruf, der Polizei die finanziellen Mittel zu entziehen und diese vor allem in die öffentliche Infrastruktur sozioökonomisch benachteiligter Gemeinden zu investieren. BLM zufolge ist Kriminalität das Produkt von Armut (und daraus resultierender Faktoren wie Marginalisierung, körperlicher und psychischer Krankheit, usw.), die wiederum in der Deregulierung des privaten Sektors und der Austerität im öffentlichen Sektor begründet ist. Schulen, Krankenhäuser, psychotherapeutische Einrichtungen und andere Institutionen werden privatisiert oder unterliegen empfindlichen finanziellen Kürzungen, während der Sicherheitsapparat im Zuge des war on drugs und des war on terror eine massive Aufrüstung erfahren hat. Die BLM-Bewegung fordert ein Ende dessen, was sie als staatliche Priorisierung von Polizei und Militär ansieht. Die Polizei übernähme dabei Aufgaben, die eher von Sozialarbeiter*innen, Therapeut*innen, Lehrer*innen und anderen Fachkräften erfüllt werden müssten. Diese strafrechtliche Verwaltung der Folgen sozialer Prekarität ist daher aus Sicht von BLM gescheitert. Die präventive Investition in die Lebensqualität benachteiligter Gemeinden würde hingegen die Arbeit der Polizei langfristig obsolet machen.
BLM betont, dass es bei ihrer Bewegung nicht um den Tod, sondern um das Leben Schwarzer Menschen geht. Ein weiterer wichtiger Aspekt ihres Aktivismus ist daher die Förderung Schwarzer Kunst. Im Zuge der Corona-Pandemie, der letzten Präsidentschaftswahlen und des Angriffs auf das Kapitol durch rechtsextreme Externer Link: Trump-Anhänger*innen im Januar 2021 sind auch gesundheitliche, politische und sicherheitsbezogene Aufklärungskampagnen stärker ins Zentrum der Arbeit von BLM gerückt.
Kritik an der BLM-Bewegung
Seit Oktober 2020 ist die BLM-Organisation, die 2019 rund 90 Millionen Dollar an Spenden eingenommen hat, in drei Teilorganisationen gegliedert: Die übergeordnete Black Lives Matter Global Network Foundation (BLMGNF oder einfach nur BLM) regelt als "aktionsorientierte Denkfabrik" das Fundraising und die Verteilung der Gelder. Das Black Lives Matter Political Action Comittee (BLM PAC) bricht, auch vor dem Hintergrund der Trump-Präsidentschaft, mit der ursprünglichen Strategie, der Parteipolitik fernzubleiben. So griff BLM während der Präsidentschaftswahlen durch Wahl-Mobilisierung und die Unterstützung Demokratischer Kandidat*innen – wie Cori Bush (einer BLM-Aktivistin) und Jamaal Bowman, die bei den Direktwahlen ins Repräsentantenhaus gewählt wurden – aktiv in die Politik ein. Mit der dritten Teilorganisation Black Lives Matter Grassroots gibt es nun eine Dachorganisation der Ortsverbände. Kritiker*innen, insbesondere in den Ortsverbänden, monieren, dass diese Veränderungen eine Abkehr vom ursprünglichen Graswurzel-Aktivismus bedeuten. Ferner interpretieren sie die Restrukturierung als einen Versuch der Mitbegründerin Cullors, die Organisation, entgegen ihrer ursprünglichen Philosophie, zu zentralisieren. (Nach dem formalen Rückzug von Tometi und Garza agierte Cullors zunächst als Geschäftsführerin von BLM, ist von diesem Posten inzwischen aber ebenfalls zurückgetreten.) Einige Mitglieder der Ortsverbände hatten zuvor bereits argwöhnisch auf die Prominenz der Mitbegründerinnen geschaut, konnte diese doch durchaus als charismatische Führung gelesen werden.
Die externe Kritik an BLM ist so alt wie die Bewegung. Fast zeitgleich mit dem Aufkommen des Slogans meldeten sich die ersten Stimmen, insbesondere aus dem Umfeld der Interner Link: Republikanischen Partei, zu Wort, die den Fokus auf Schwarze Menschen anprangerten. Lediglich den Wert von Schwarzem Leben zu betonen, sei polarisierend und rassistisch, weshalb lieber der Slogan "Alle Leben zählen" (All Lives Matter) verwendet werden solle. BLM-Aktivist*innen argumentieren hingegen, dass nicht nur Schwarze Leben für sie zählen. Vielmehr betone ihr Slogan den Umstand, dass Schwarze Menschen aufgrund der anhaltenden Auswirkungen der Sklaverei besonders vulnerabel seien. Sie sehen daher in den Reaktionen auf ihren Slogan einen Beleg für dessen Notwendigkeit. Auch wenn BLM grundsätzlich auf multiethnische Koalitionen setzt, muss jede Befreiungsbewegung, "die diesen Namen verdient", so Garza, erkennen, "dass die Schwarze Befreiung in den USA der Schlüssel zur Befreiung aller ist".
Dieser Standpunkt wird auch von der Blue-Lives-Matter-Bewegung angefochten, die in BLM eine polizeifeindliche Bewegung sehen (das Blau steht für die Farbe der Polizeiuniformen). Sie teilen diese Ansicht mit anderen kritischen Stimmen, die tendenziell (wenn auch nicht immer) rechts der politischen Mitte stehen und BLM mit Gewalt, Gesetzesbrüchen, Plünderungen und Vandalismus verbinden. Die Forderung der Abschaffung des Strafrechtssystems, so eine weitere Kritik, zeige, dass BLM nicht nur zivile Kriminalität (insbesondere von Schwarzen Menschen), sondern auch den Wunsch der Menschen nach Sicherheit ignoriere.
Häufig wird auch der Vorwurf des Polizierens gegen die BLM-Bewegung selbst gerichtet; dann beschreiben Kritiker*innen wie etwa Sabine Beppler-Spahl sie als "autoritär[e]" Bewegung, bei der "mit Verbots- und Zensurforderungen nicht gespart" würde. Coleman Hughes beklagt einen kultischen, ritualisierten und "illiberalen Antirassismus", durch den sich BLM-Aktivist*innen "mehr Status und mehr Zugang zu Chancen" versprächen und dabei die Meinungsfreiheit sowie "das Recht des Einzelnen zum Teufel" jagten.
Kritiker*innen verweisen auch darauf, dass es am Rande einiger BLM-Proteste zu Interner Link: antisemitischen Äußerungen und Gewalt gegenüber jüdischen Einrichtungen gekommen ist. Auch wenn Antisemitismus, Kai Funkschmidt zufolge, nur einem kleineren Teil der Bewegung zuzuschreiben sei und "[e]in Teil davon [...] eher auf das Konto weißer linksextremer BLM-Unterstützer" zurückgeht, stünde eine Distanzierung seitens BLM noch aus. Die pro-palästinensische Haltung, die immer wieder auf BLM-Demonstrationen zum Ausdruck gebracht wird, deutet die Kritik als israelbezogenen Antisemitismus. 2015 haben im Rahmen der Initiative "Black for Palestine" 39 afroamerikanische Organisationen und mehr als tausend Aktivist*innen, darunter Cullors und andere prominente BLM-Mitglieder, auch der umstrittenen Interner Link: BDS-Kampagne ("Boycott, Divestment & Sanctions") ihre Unterstützung zugesagt. Kritiker*innen definieren die BDS-Kampagne ebenfalls als antisemitisch. Die Solidarität mit den Palästinenser*innen wurde im Mai 2021, im Kontext der jüngsten Kämpfe im Nahen Osten, zudem auf dem offiziellen Twitter-Account von BLM erklärt. Diese pro-palästinensische Haltung innerhalb von BLM, die im Zuge der pro-israelischen Nahostpolitik der Trump-Regierung verstärkt wurde, ist auch Teil einer wachsenden Kritik "im liberalen politischen Spektrum und in Teilen der Demokratischen Partei [...] an Israels Besatzungspolitik und deren negative[n] Folgen für das nationale Selbstbestimmungsrecht und die grundlegenden Menschenrechte der Palästinenser [...]", wie es in einem Interner Link: Artikel von Stephan Stetter heißt. Die afroamerikanische Bevölkerung ist größtenteils durch eine pro-israelische Haltung gekennzeichnet, was unter anderem auf die historische Identifikation vieler Afroamerikaner*innen mit der Geschichte der jüdischen Unterdrückung und, damit zusammenhängend, der tendenziell pro-israelischen Haltung in der Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King in der Frage des Nahostkonflikts zurückzuführen ist. Im Zuge des Interner Link: Sechstagekrieges und den damit verbundenen Gebietseroberungen Israels meldeten sich ab Ende der 1960er jedoch zunehmend Stimmen—insbesondere aus den Reihen der Black-Power-Bewegung—zu Wort, die den israelisch-palästinensischen Konflikt "als Teil eines weltweiten Kampfes gegen Kolonialismus und Imperialismus" ansahen. Ausgangspunkt dieser Kritik war auch damals vor allem die Opposition einer sich zunehmend global verankernden Schwarzen Bewegung gegenüber der US-Regierung und den ehemaligen Kolonialmächten. Die pro-palästinensische Haltung in Teilen der BLM-Bewegung muss somit im Kontext einer komplexen Geschichte hinsichtlich der afroamerikanischen Perspektive auf den Nahostkonflikt gesehen werden.
Kritische Stimmen links der politischen Mitte monieren an BLM vor allem die "Interner Link: Identitätspolitik", die sie als Diversitätsstrategie definieren. Der Fokus auf Rassismus, so der Vorwurf, sei analytisch unzureichend und produziere eine oberflächliche repräsentationsbezogene Kritik, in der das kapitalistische Organisationsprinzip von sozialer Ungleichheit im Kern unangetastet bleibe. Die Darstellung von Polizeigewalt als vorwiegend Schwarzes Problem, so etwa der Politologe Adolph Reed, verzerre nicht nur die Realität, sondern hemme dabei auch den Blick auf die komplexen Strukturen, die das Polizieren in der Moderne organisieren. Diese sind nach seiner Ansicht die Strukturen des (neoliberalen) Kapitalismus und seiner Kontrolle der ökonomisch Marginalisierten. Im Rahmen des sogenannten "woke capitalism" verweist Cedric Johnson auf die Grenzen des Antirassismus, welcher es Unternehmensleitungen beispielsweise erlaube, die prekäre Beschäftigung ihrer Angestellten durch symbolische Gesten zu verschleiern (er führt das Beispiel von Amazon-Gründer Jeff Bezos an, der schriftlich erklärt, warum der Slogan "Black Lives Matter" nicht rassistisch ist und dabei verspricht, 10 Millionen Dollar an Organisationen zu spenden, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen). Die linke Kritik an BLM bemängelt außerdem, dass das Beharren auf der Vorrangstellung des Anti-Schwarzen Rassismus die multiethnische, proletarische Solidarität verhindere, die es bräuchte, um den Kapitalismus und die mit ihm verbundene polizierende Gewalt herauszufordern.
ist Amerikanistin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bonn Center for Dependency and Slavery Studies (BCDSS). Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Machtbeziehungen, afroamerikanische Kultur, Geschichte und Literatur, die Kopp insbesondere mit den Konzepten der Figurations- bzw. Relationssoziologie analysiert.
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