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Im Visier des Unsichtbaren. Stasi im Film | Stasi | bpb.de

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Im Visier des Unsichtbaren. Stasi im Film

Dr. Claus Löser

/ 19 Minuten zu lesen

Welchen Einfluss nahm das MfS auf TV- und Kinofilme und ebenso auf die Ausbildung zum Regisseur oder zur Regisseurin? Und wie kam die Staatssicherheit selbst in Filmen vor? Welche Filme haben es geschafft, das Wirken (und Nachwirken) der Stasi am lehrreichsten zu vermitteln?

Szenenfoto aus "Das unsichtbare Visier" mit dem Schaupsieler Armin Müller-Stahl (© RBB Berlin)

In der Vorweihnachtszeit des Jahres 1973 startete das DDR-Fernsehen die erste Staffel eines ihrer erfolgreichsten Serien überhaupt. "Das unsichtbare Visier" brachte es auf stabile Einschaltquoten von rund 50 Prozent und wurde bis zum Dezember 1976 mit ähnlichem Erfolg jährlich neu aufgelegt. 1977 stürzten die Zuschauerzahlen dann ab, 1979 ging die letzte Folge über den Sender. Zum Ende der Popularität kam es vor allem wohl deshalb, weil der bisherige Hauptdarsteller durch einen weit weniger charismatischen und vor allem weniger beliebten Schauspieler abgelöst worden war. Dies entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Kein Geringerer als Armin Mueller-Stahl war der Favorit des ostdeutschen TV-Publikums und sorgte als MfS-Offizier Werner Bredebusch alias Oberleutnant der Luftwaffe a.D. Achim Detjen für hohe Zuschauerzahlen. Nachdem Mueller-Stahl 1976 die Petition gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann mitunterzeichnet hatte, fiel er in Ungnade und stellte einen Ausreiseantrag. Damit war er in der Rolle eines Stasi-Mitarbeiters natürlich nicht mehr länger tragbar. Vielmehr begann sich die DDR-Geheimpolizei nun auch für ihn selbst zu interessieren.

"Das unsichtbare Visier" war ein echter "Straßenfeger", hielt viele DDR-Bürger zumindest punktuell davon ab, immer nur ARD oder die ZDF einzuschalten. Die Mischung aus Abenteuer, Spionage, Exotik und Erotik schlug für das sonst eher schwerfällige und prüde Sendeprogramm aus Berlin-Adlershof ungewöhnliche Töne an. Das Gros der Handlung fand an Orten statt, die von der normalen DDR-Bevölkerung niemals besucht werden konnten: Italien, Argentinien, Portugal, Skandinavien, Südafrika, schließlich die Bundesrepublik Deutschland, wo im Film alle Fäden der imperialistischen Machenschaften und Intrigen zusammenlaufen. Den Fernsehzuschauern wurde flotte Unterhaltung im Stil von James-Bond-Filmen geboten, dabei gleichzeitig suggeriert, dass es sich quasi um eine "saubere Agententätigkeit" handele. Immerhin ging es ja um die Rettung des "Weltfriedens". Und einen Auslandsgeheimdienst leistet sich schließlich jeder souveräne Staat - so ein weit verbreiteter Meinungskonsens.

Einseitige Tätigkeitsdarstellung

Dass die HVA als fester Bestandteil des SED-Machtapparates von dessen Tätigkeit bei der Bekämpfung des "Inneren Feindes" nicht zu trennen war, wurde dabei elegant überspielt. Und auch die Abhängigkeiten von den Strategien Moskaus im Kalten Krieg blieben unerwähnt. Sogar die Verbindung zur DDR selbst wird in den insgesamt 16 Folgen auffallend zurückhaltend dargestellt. Hin und wieder werden Offiziere in Ost Berlin bei der Auswertung der Informationen gezeigt. Diese bringen dann auch Blumen zur einsamen Mutter des Genossen Bredebusch. Ihr Sohn operiert unterdessen im Westen als ein "Kundschafter des Friedens" - wie die offizielle Sprachregelung für einen Auslandsspion in Stasi-Diensten lautete. Im Fokus der Serie standen also nicht die berüchtigten, die eigene Bevölkerung überwachenden Abteilungen, sondern der zwischen von 1952 bis 1986 von Markus Wolf geleitete Auslandsgeheimdienst, der förmlich die Bezeichnung "Hauptverwaltung Aufklärung" (HVA) trug. Die Initiative für das Bildschirm-Spektakel war direkt vom Ministerium für Staatssicherheit ausgegangen. Auf geschickte Weise, weil fast nebenbei, propagierte und idealisierte das MfS damit die eigene Arbeit.

Das Erfolgskonzept des "Unsichtbaren Visiers" und ähnlicher Produktionen basiert auf der Benutzung von Strukturen des westlichen Genre-Kinos und -Fernsehens, die dabei aus Sicht der SED-Ideologen mit politisch umgekehrten Botschaften aufgeladen wurden. Der sozialistische "Kundschafter-Film" griff quasi die ästhetischen Formen des "Klassenfeindes" auf und wandte diese gegen ihn. Dem Durchschnittszuschauer wiederum waren die Botschaften erst einmal herzlich egal: er wollte spannende Filme erleben und nahm dafür einen MfS-Offizier als Hauptfigur für jeweils 90 Minuten erst einmal billigend in Kauf, auch wenn er eigentlich lieber das James-Bond-Original gesehen hätte. Dieser Trick war schon 1963 mit dem DEFA-Spielfilm "For Eyes Only" effektiv zur Anwendung gekommen. Hier spielte Alfred Müller unter der Regie von János Veiczi einen MfS-Agenten, der in eine US-amerikanische Geheimdienst-Zentrale in Würzburg eingeschleust wird und dort brisante Geheimpapiere an sich bringt. Seine spektakuläre Flucht in die DDR und die anschließende Veröffentlichung der Papiere stellt angebliche Aggressionspläne der "Bonner Ultras" bloß. Über zwei Millionen Zuschauer sahen sich den gekonnt inszenierten Polit-Krimi in den DDR-Kinos an.

Genre-Produktionen wie diese steigen und fallen mit dem handwerklichen Geschick, mit dem sie umgesetzt werden. Dies gelang in den oben beschriebenen Fällen besser, bei einigen anderen weit weniger gut. Gemeinsam ist all diesen Filmen, dass sie die Auslandsarbeit des MfS behandeln. Gleichzeitig wurde damit in den filmischen Medien der DDR die Allgegenwart des sich immer weiter aufblähenden Sicherheitsapparates sowie die damit einhergehende Überwachung der eigenen Bevölkerung ausgeblendet. Eine eher kuriose Ausnahme bildet Kurt Maetzigs Spielfilm "Septemberliebe" (1960). Hier wendet sich eine junge Frau vertrauensvoll an die Genossen der Stasi, um die Fluchtabsichten ihres eigenen Freundes zu melden, der daraufhin verhaftet wird und im "sozialistischen Strafvollzug" die Chance erhält, sein Verhältnis zum Arbeiter- und Bauernstaat zu überdenken. Die achtsame Geliebte und Denunziantin wartet inzwischen vor den Gefängnismauern auf ihren geläuterten Bräutigam. Dieser Film zeigte die Stasi-Mitarbeiter als väterlich wirkende Vertrauenspersonen, die auch ein eigenes Privatleben führen und ein freundlich eingerichtetes Kontaktbüro mitten im Leipziger Hauptbahnhof unterhalten. Der Versuch, das MfS als ganz normale Institution der sozialistischen Gesellschaft darzustellen, blieb ein Einzelfall - zu offensichtlich war die Kluft zwischen dieser Verklärung und der bedrückenden Erfahrung unter den potentiellen Zuschauern. Wer sollte und wollte sich auch eine derart offensichtliche Verfälschung der Wirklichkeit im Kino anschauen?

Visuelle Geheimsprache und ihre Decodierungen

Dass es bis 1989 keine offiziellen ostdeutschen Filme gab, in denen die zersetzende Energie der Stasi behandelt wurde, ist folgerichtig. Das Thema war gleichzeitig latent vorhanden, unterlag aber im Maße seines Anwachsens einer zunehmenden Tabuisierung. In den 1970er-Jahren, ausgelöst durch die Biermann-Affäre 1976, wurde der Sicherheitsapparat enorm vergrößert. Seine Struktur erfuhr eine wesentliche Modernisierung, die Belegschaft wurde massiv aufgestockt, vor allem das Netz der "Inoffiziellen Mitarbeiter" (IM) nahm ein bis dahin unerreichtes Ausmaß an. Die Präsenz der "Behörde" in den staatlichen Medien stand hingegen in einem umgekehrten Verhältnis. Die nach Innen gerichtete Tätigkeit wurde ab den späten 1970er Jahren nicht einmal mehr, wie noch in Maetzigs Spielfilm, verharmlost. Auf der Leinwand und im Fernsehen kam das MfS im letzten DDR-Jahrzehnt schlichtweg nicht mehr vor. So war zwar die realsozialistische Geheimpolizei in der Erlebniswelt fast aller DDR-Bürger überaus präsent, schlug sich aber in den medialen Abbildungen nicht nieder.

Durch diese Ausblendung entwickelte sich neben der offiziellen Sprache in Bildender Kunst, Literatur und Film ein Codierungssystem, das nur wenige Zeichen benötigte, um als MfS-Anspielung verstanden zu werden. Ohne dass noch erklärende Worte hätten fallen müssen, luden sich zunächst harmlose Konstellationen oder auch historische Stoffe plötzlich mit aktuell-politischer Brisanz auf. Ein im 18. Jahrhundert im repressiven Preußen spielender Film wie Frank Vogels "Die Gänse von Bützow" (1985) konnte problemlos als DDR-Gleichnis gelesen werden, inklusive Spießbürgerlichkeit, Zensur, Überwachung und Flucht. Besonders mutig ging Ulrich Weiß mit "Dein unbekannter Bruder" (1981) vor. Er griff auf einen Roman des kommunistischen Autors Willi Bredel zurück, um die Universalität totalitärer Systeme – und damit eben auch der DDR – zu beschreiben. Anhand eines Gestapo-Spitzels innerhalb einer Widerstandsgruppe enthüllt der Film die Mechanismen von Verrat und Zersetzung. Durch die offenkundigen Analogien von National- und Realsozialismus zog sich Weiß den Zorn der Kulturfunktionäre zu und konnte danach nur noch einen weiteren Film umsetzen. Auch in Andreas Dresens kabarettistisch angehauchtem Studentenfilm "Der Zug in die Ferne" (1989) wusste jeder sofort, wer und was sich hinter dem zeitungslesenden Mann auf dem Bahnsteig verbarg. In den Filmen des künstlerischen Untergrunds, die ja eigentlich völlig unabhängig von den staatlichen Bilderfabriken in Berlin-Adlershof oder Potsdam-Babelsberg entstanden, reproduzierte sich diese visuelle Verschlüsselung. Hier kommen häufig die auffällig-unauffälligen Männer in Regenmänteln vor, die an Häuserecken oder in parkenden Autos warten. Überhaupt ist vielen dieser auf Super-8 gedrehten Werke eine ausgesprochen paranoide Atmosphäre eigen. Es gibt zahlreiche, zunächst zeit- und ortlos erscheinende Verhör- und Verfolgungssituationen, die unmittelbar der Erfahrungswelt sowohl ihrer Macher als auch der (wenigen) Zuschauer entsprachen.

Beeinflussung, Beobachtung, Verbot

Das Ministerium für Staatssicherheit war Teil eines weitaus umfassenderen Beeinflussungs- und Repressionsapparates als das mysteriös klingende Kürzel "Stasi" zunächst vermuten lässt. Das MfS operierte nicht als verselbstständigter "Staat im Staat", der manchmal über die Bresche schlug, sondern erfüllte innerhalb des Gesamtsystems genau festgelegte Aufgaben. Deshalb muss die Stasi auch in all ihren Kontexten untersucht werden. Es ist kontraproduktiv, sie zu dämonisieren - weil damit im Umkehrschluss die gesamtgesellschaftliche Situation in der DDR verharmlost wird.

Auf dem Gebiet der Kunst spitzen sich die Konfrontationen zwischen Geist und Macht besonders deutlich zu. Wenn eine elementare menschliche Ausdrucksform unter ständiger Beobachtung und Kontrolle steht und auf ihre staatspolitische Tauglichkeit oder eben Schädlichkeit abgeklopft wird, dann können die daraus hervorgehenden Werke natürlich nicht unbeeinflusst davon bleiben. In der Geschichte der DDR gelang es nur ganz wenigen künstlerischen Einzelgängern, ihre Arbeit frei zu halten von den Ansprüchen des Staates und seiner Instrumentarien. Auf dem Gebiet des Films war dies nahezu ausgeschlossen. Zu groß war der materielle, personelle und organisatorische Aufwand, zu stark seine öffentliche Wirkung, als dass hier Nischen völlig freier künstlerischer Arbeit hätten Bestand haben können. Nicht zufällig soll schon Lenin den Film als "wichtigste aller Künste" bezeichnet haben. Wer sich in dieses Medium hineinbegab, wusste von Vornherein, dass er hier unter besonderer Beobachtung stand.

Schon die jungen Leute, die voller Hoffnung ein Studium an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) aufnehmen konnten, hatten bereits eine lange Reihe von DDR-Erfahrungswerten in sich aufgenommen und dabei gelernt, sich normgerecht zu verhalten. Sorgfältiger als die künstlerische Begabung wurde bei der Aufnahmeprüfung an der HFF die "politische Zuverlässigkeit" hinterfragt. Der Prüfungskommission lag ohnehin auch die berüchtigte "Kaderakte" vor, in der eventuelle Verfehlungen verzeichnet waren. Gelang es den Bewerbern dann tatsächlich immatrikuliert zu werden, war die Reglementierung noch lange nicht abgeschlossen; im Gegenteil. Es gab marxistisch-leninistischen Unterricht und paramilitärische Ausbildung. Regelmäßig wurden Ergebenheitsadressen gegenüber dem "sozialistischen Vaterland" eingefordert. Und es gab Bespitzelung durch Kommilitonen und Lehrkräfte. Manche, wie der spätere Dokumentarfilmer Thomas Heise oder der Schriftsteller Thomas Brasch, zeigten sich nicht willens, diese Kompromisse einzugehen. Sie wurden exmatrikuliert oder verhaftet. Andere schafften es, erfolgreich durch die Studienzeit zu kommen, danach von einem der DEFA-Studios übernommen zu werden und später wichtige Filme zu drehen. Noch andere gaben den Verführungen durch die Macht nach, knickten ein, gaben - soweit vorhanden - ihre Utopien auf, wurden zu Mitmachern oder gar selbst zu Denunzianten. Jeder individuelle Fall unterliegt einzelnen Konstellationen, ist von vielen widersprüchlichen Faktoren abhängig. Doch kein Absolvent der Filmhochschule verließ diese unbefangen von den politischen Realitäten der DDR. Jedenfalls war niemand frei vom Wissen, welch gefährliche Konsequenzen inhaltliche oder formale Nichtanpassung nach sich ziehen konnten.

In den Studios der DEFA setzte sich die umfassende Kontrolle auf noch höherem Niveau fort, dies in offizieller wie inoffizieller Hinsicht. Vor allem nach dem 11. Plenum des ZK der SED im Dezember 1965, in dessen Folge fast die gesamte Spielfilm-Jahresproduktion verboten wurde, kam es zu einer Perfektionierung der Zensur. Um zu verhindern, dass überhaupt noch anstößige Filme gedreht werden konnten, die später dann mühselig verboten werden mussten, erfolgte eine Verlagerung der Zulassungsschranken weit ins Vorfeld des Produktionsprozesses hinein. Bereits Szenarien und Drehbücher unterlagen einer intensiven Prüfung durch die Studioleitung. Dabei wurden die Gutachten der fest angestellten Lektoren und Dramaturgen von den Berichten der IMs flankiert und ergänzt - nicht selten in Personalunion. Das Maß von Beeinflussung und Verhinderung bewegte sich in Abhängigkeit der politischen Großwetterlage, war auch immer wieder abhängig von einzelnen Personalien. So setzte sich nach dem Mauerbau ab 1961 zunächst eine relativ tolerante Stimmung bei der DEFA durch. Filmemacher wie Konrad Wolf, Frank Vogel oder Frank Beyer wurden in diesem Klima des "Tauwetters" von einzelnen staatlichen Leitern ermuntert, sich brisanter Themen anzunehmen. Nachdem Kulturminister Hans Bentzien und Jochen Mückenberger 1966 aber ihrer Posten enthoben worden waren, kippte die Stimmung wieder. Nach der Entmachtung Walter Ulbrichts durch Erich Honecker zu Beginn der 1970er Jahre kam es dann zu einer zweiten, kürzeren Tauwetter-Periode, die im November 1976 mit dem "Biermann-Schock" ihr Ende fand. Viele Künstler, die eben noch als Schriftsteller, Maler oder Filmemacher ihre Werke veröffentlichen konnten, gerieten ins Visier des MfS, wurden oft mit Berufsverbot und anderen Repressalien belegt und gingen schließlich in den Westen.

In besonderer Form auf die Probe gestellt

Aus allen vier Dekaden des DDR-Sozialismus sind Fälle belegt, bei denen das MfS unmittelbar in die künstlerische Arbeit und in individuelle Biografien von Filmschaffenden eingegriffen hat. Besonders perfide waren beispielsweise die gegen Frank Beyer, Rainer Simon sowie gegen Sibylle und Hannes Schönemann in Anwendung gebrachten Maßnahmen. Beyer, dessen 1974 veröffentlichtes Holocaust-Drama "Jakob der Lügner" der DEFA ihre einzige Oscar-Nominierung eingebracht hat, wurde unter dem Operativen Vorgang (OV) "Karbid" systematisch ins berufliche Abseits und schließlich in den Westen gedrängt. Gegenüber Simon (OV "Schreiber") entspann sich eine nachgerade absurde Kontrollmaßnahme, die in der gesamten Zensurgeschichte des Ostblocks wohl ihresgleichen suchen dürfte. Um zu überprüfen, ob er nun ein linientreuer oder aber ein politisch eher unzuverlässiger Filmemacher sei, sollte Simon einen brisanten Gegenwartsstoff verfilmen. Ein ganzer Spielfilm wurde quasi initiiert, um die Loyalität eines einzelnen Regisseurs zu überprüfen. Während der Dreharbeiten bestätigten sich aus Sicht des MfS und der Studioleitung dann die Verdachtsmomente. Der Film "Jadup Boel" - einer der schönsten und ironischsten Bestandsaufnahmen aus der Spätphase der DDR - wurde 1981 verboten und verschwand bis 1988 in den Tresoren. Simon drehte nie wieder einen in der realsozialistischen Echtzeit spielenden Film.

Am schwerwiegendsten verliefen die geheimdienstlichen Aktivitäten gegen das junge Filmemacher-Paar Sibylle und Hannes Schönemann (OV "Zweifler"). Nachdem es für die beiden mit ungewöhnlichen Sujets und Formen experimentierenden Filmkünstler immer offensichtlicher wurde, dass sie niemals ihre Visionen im Rahmen der DEFA umsetzen werden können, stellten sie einen Ausreiseantrag. Um ein Exempel zu statuieren, erfolgte im November 1984 ihre Verhaftung und Verurteilung wegen "gemeinschaftlicher Beeinträchtigung staatlicher Tätigkeit" für ein Jahr und zwei Monate. Bis zu ihrem Freikauf durch die Bundesrepublik verbrachten sie neun Monate in Haft. Ihre beiden Kinder sahen sie erst in Hamburg wieder.

Der gesamte Komplex der Durchdringung von Film-Ausbildung und -Praxis einerseits und Stasi-Kontrolle andererseits harrt bis heute einer systematischen Aufarbeitung. Im Gegensatz zur Literatur oder Malerei gibt es bislang kein Grundlagenwerk, das sich mit diesem Thema angemessen auseinander gesetzt hätte. Erschwerend kommt hier sicher hinzu, dass der Film ein eher elitäres Medium war und ist. Die HFF war eine Ausbildungsstätte für eine verschwindend kleine Minderheit. Dort studieren zu können, stellte ein ungeheures Privileg dar. Und wohl nicht zufällig befanden sich unter den Studierenden zahlreiche Kinder von Funktionären oder hoch dotierten Staatskünstlern. Wer es geschafft hatte, an der HFF sein Diplom abzulegen, war in der Regel gegenüber den Ansprüchen des Staates kompromissbereit. Auffälligstes Symptom für diesen Anpassungswillen ist die extrem hohe Quote an SED-Mitgliedern unter den DDR-Filmemachern. Fast alle DEFA-Regisseure waren auch Genossen. Nur Ausnahmen bestätigen diese Regel.

Produktionsort unter besonderer Kontrolle: Die DEFA-Studios in Postdam Babelsberg (© dpa-Report)

Nach 1990: Das Stasi-Thema in neuem Licht

Als die DDR und ihr undurchsichtiges Zensursystem im Herbst 1989 kollabierten, hatten sich bei den DEFA- Regisseuren und -Drehbuchautoren viele unerzählte Geschichten angehäuft. Die Tabus waren zahlreich: Neben Alter, Tod, Sucht oder missliebigen Jugendkulturen gehörte auch der MfS-Komplex zu den ausgesparten Themen. Einige namhafte Filmemacher, die selbst im Fokus von Untersuchungen durch den Sicherheitsapparat gestanden hatten, machten sich sofort an die Arbeit. Heiner Carow drehte 1991 "Verfehlung" – eine Ost-West-Liebesgeschichte, die an Missgunst, provinziellem Kleingeist sowie offenen und verdeckten "staatlichen Maßnahmen" zerbricht. Auch Frank Beyer rechnete in "Der Verdacht" (1991) auf der Basis einer bedrohten Liebe mit der von Misstrauen und Bespitzelung durchsetzten DDR-Gesellschaft ab. Beide Filme waren vom ehrlichen Wunsch nach einer kritischen Gesellschaftsbilanz getragen, krankten aber an ihrem übergroßen Sendungsbewusstsein, das einer adäquaten Form im Weg stand.

Dokumentaristen fanden hingegen zu wirksameren Lösungen. Was sich im Fiktiven als schwerfällig erwies, entfaltete hier unmittelbare und sehr nachhaltige Energie. Die Ungeheuerlichkeit der eben erlebten Geschichte benötigte keine erzählstrategischen Umwege, vollzog sich faktisch als Operation am offenen Herzen. In ihren Filmen formulierte sich zunächst der Wunsch, zu einer Bestandsaufnahme des juristischen und politischen Unrechts zu gelangen – ohne vom gesamten Umfang der Tatsachen und ihrer Konsequenzen wirklich zu wissen. Denn die Akten waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugänglich. Tamara Trampe und Johann Feindt porträtierten in "Der schwarze Kasten" (1991) einen Stasi-Offizier, der als Hochschullehrer "Operative Psychologie" unterrichtet hatte und damit unmittelbar für die Vermittlung von Verhör- und Überwachungsmethoden verantwortlich war. Einen ebenfalls strukturellen Blick auf den Sicherheitsapparat versuchte Ralf Marschalleck in "Streng vertraulich oder Die innere Verfassung" (1990), verlor sich dabei aber bisweilen in pathetischen Verallgemeinerungen, anstatt analytisch-streng am Gegenstand zu bleiben.

Den stärksten und auch subjektivsten Beitrag zu diesen frühen Versuchen, die Dimensionen von Entmündigung und Repression zu verstehen, lieferte Sibylle Schönemann mit "Verriegelte Zeit". Die Anfang der 1980er-Jahre für fast ein Jahr inhaftierte Regisseurin begab sich unmittelbar nach dem Fall der Mauer an jene Orte, an denen ihr Akte von Willkür persönlich widerfahren waren: ins DEFA-Spielfilmstudio, ins Gericht oder in den Strafvollzug. Sie stößt dort auf die von den jüngsten Ereignissen gerade überrollten und noch deutlich irritierten Entscheidungsträger, die sich mehr oder weniger gekonnt aus der Affäre ziehen wollen. Kurze Zeit später wären diese Konfrontationen schon nicht mehr möglich gewesen, da Schönemann dann nur noch mit Rechtsanwälten, nicht aber mit den Tätern selbst hätte sprechen können. "Verriegelte Zeit" ist deshalb ein einmaliges Dokument des politisch-juristischen, aber auch moralischen Umbruchs, wobei gleichzeitig die opportunistischen Kontinuitäten deutscher Geschichte bloßgelegt werden. Überdies lebt der Film von starken ästhetischen Spannungsräumen (Kamera: Thomas Plenert). Nur wenige zeitgeschichtliche Filme erreichten für die Zäsur der Jahre 1989/90 eine vergleichbare Übereinstimmung von Inhalt und Form. Wie Jean-Luc Godard in "Nouvelle Vague" oder Marcel Ophüls in "November Days" (beide 1990) schaffte es Schönemann, aus dem scheinbaren Stillstand im Übergang zweier historischer Phasen und der damit verbundenen Sprachlosigkeit Funken zu schlagen.

Ein kurioses Nebenwerk zum Stasi-Thema entstand 1992 unter dem Titel "Die Wahrheit über die Stasi". Der von Alexander Zahn mit Freunden und Familienmitgliedern gedrehte Low-Budget-Spielfilm entwirft ein satirisches, im Jahr 2008 spielendes Zukunftsszenario, dass davon ausgeht, dass die DDR noch immer existiere. Erich Mielke steht weiterhin an der Spitze des MfS; seine offensichtliche Demenz wird von den Genossen kaschiert. Inzwischen sind Opposition und Staatsmacht so eng miteinander verflochten, dass die Wahrheit nicht mehr aufzufinden ist. Die Musik zu dieser Farce schrieb der spätere Rammstein-Keyboarder Christian Lorenz.

Nach der Aktenöffnung

Im Dezember 1991 trat das "Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdiensts der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik" (kurz: Stasi-Unterlagen-Gesetz) in Kraft. Damit stand ein in der deutschen Geschichte einmaliges und für den ganzen einstigen Ostblock vorbildliches Instrument zur Verfügung. Wissenschaftler und Journalisten, vor allem aber betroffene Privatpersonen konnten sich damit einen Einblick in den gegen sie oder andere gerichteten Apparat verschaffen. Für die vom DDR-Sozialismus geprägten Menschen bedeutete dies einen enormen Phasensprung in der Wahrnehmung und Reflexion von Geschichte. Was bislang nur als Gerücht sein Gift verbreitete, bot sich nun schonungslos dem Licht der Öffentlichkeit dar. Die perfiden "Maßnahmenpläne" des MfS zur gezielten "Zersetzung" und "Liquidierung" von Verdächtigen sowie das Ausmaße der Durchdringung von Freundeskreisen und der Verrat innerhalb von Familien war bislang nur Gegenstand von Ahnungen. Jetzt lagen die Tatsachen auf dem Tisch. Schön war das nicht – aber notwendig.

Zu den unangenehmen Begleiterscheinungen jener Zeit zählte der sensationelle Grundton vieler Enthüllungen. Nach den grellen Meldungen in der Boulevardpresse und im Fernsehen fanden bald auch sachliche Recherchen den Weg in die Öffentlichkeit. Kinofilme benötigten, produktionstechnisch bedingt, dafür etwas länger. Das interessante Beispiel einer frühen Beschäftigung mit dem Thema nach der Öffnung der Akten ist Michael Gwisdeks Spielfilm "Abschied von Agnes" (1994). Den auf einem Roman von Hans Löffler basierenden Film sollte ursprünglich Ulrich Weiß inszenieren; Weiß stieg jedoch unmittelbar vor Beginn der Dreharbeiten aus, sodass der Hauptdarsteller kurzerhand auch die Regie übernahm. Gwisdek spielt einen arbeitslosen Wissenschaftler der Nachwendezeit, der von einem unheimlichen Gast heimgesucht wird, der buchstäblich alles über ihn weiß. Der Film ist eine tragikomische Studie über die Verquickung von Opfer- und Täterkonstellationen und harrt seiner Wiederentdeckung.

Ein wichtiger Dokumentarfilm entstand bereits 1993: "Förräderi" ("Verrat") von Björn Cederberg und Fredrik von Krusenstjerna, der sich einem der spektakulärsten Verratsfälle innerhalb der Ost-Berliner Künstlerszene widmet: dem des Autors und Kulturmanagers Alexander ("Sascha") Anderson, alias IM "David Menzer", "Fritz Müller" und "Peters". Co-Autor und -Regisseur Cederberg fährt mit dem Zug nach Deutschland, um dort Anderson zu treffen und zu den skandalösen Vorwürfen zu befragen. Als Journalist war er früher mehrfach in der DDR und hatte zu Anderson ein Vertrauensverhältnis, fast eine Freundschaft, aufgebaut. Nach der eingehenden Beschäftigung mit der Aktenlage suchte er die Begegnung und das Gespräch über die Vergangenheit. Der Film basiert auf gründlichen Recherchen, nimmt aber eine konsequent subjektive Perspektive ein. Aus dem Off stellt sich der Filmemacher immer wieder Fragen, die eigentlich nicht zu beantworten sind. Neben den eindringlichen Texten (gesprochen von John Hurt) trägt die Musik von Astor Piazzolla wesentlich zur Abrundung des Essays bei. Ohne die Faktenlage außer Acht zu lassen, bleibt die Bilanz der Vorgänge offen. Das moralische Versagen des Dichters bedarf indes keiner weiteren Kommentare.

Zeitgeschichte als Materiallager

Spätestens mit Beginn des neuen Jahrtausends hätten der zeitliche Abstand und der wissenschaftlich erarbeitete Kenntnisstand eigentlich eine gute Grundlage für reife filmische Auseinandersetzungen mit dem Stasi-Komplex und den damit verbundenen seelischen Verheerungen bieten können. Stattdessen bemächtigte sich 2005 der erfolgreiche Unterhaltungsfilm "Das Leben der Anderen" des Themas und schuf eine Art neuer Deutungshoheit. Absurderweise stand dabei kein Opfer im Zentrum der Handlung, sondern ein MfS-Offizier, der sich nach einem religiös-musikalischen Offenbarungserlebnis zum Gutmenschen wandelt. Dieser märchenhafte Plot hatte wenig mit der DDR-Realität, aber umso mehr mit den Konventionen Hollywoods zu tun – und wurde dafür mit den bekannten Ehrungen und vollen Kinokassen belohnt. Der Film schuf durch seinen Erfolg neue Schemata im Umgang mit dem MfS. Die tatsächlichen Gegebenheiten rückten aus Gründen der besseren Erzählbarkeit in den Hintergrund. Baukastenartige "Emotionalisierung" trat zunehmend an die Stelle genauer Recherchen. Dieser Vorwurf ist auch Annekatrin Hendels Dokumentarfilm "Anderson" zu machen. Alle bereits geleistete Vorarbeit ignorierend (auch Cederbergs Film), wird hier von einer angeblichen Tabula rasa ausgegangen, um so zu einer geschmeidigeren Dramaturgie zu finden. Die subjektive Perspektive dient nicht wie in "Förräderi" der Wahrheitsfindung, sondern bleibt bloße Behauptung der Inszenierung. Infolgedessen durchläuft der Antiheld des Films auch keine Dekonstruktion, sondern darf einmal mehr im Dienste der eigenen Mythenbildung tätig werden.

Epilog: Die Stasi über sich selbst

In den 1980-er Jahren wurden an vielen öffentlichen Plätzen der DDR Überwachungskameras installiert. Auf Dächern oder an Fassaden montiert, lieferten diese Kameras den Sicherheitsbehörden Aufnahmen von Brennpunkten des öffentlichen Lebens frei Haus. Obwohl dies offiziell nirgends erwähnt wurde, war doch den meisten Bürgern klar, von welcher Institution die Schaltzentralen der visuellen Kontrolle betrieben wurden. Die Überwachung war ja ohnehin allgegenwärtig, die Kameras bildeten dabei nur die sichtbare Spitze des Eisbergs. Vieles war zu erahnen. Doch erst als ab 1992 die Archive des MfS zugänglich geworden waren, wurde das ganze Ausmaß Schicht für Schicht sichtbar. Es übertraf alle Erwartungen. Neben Megatonnen von Papier kamen auch Filmaufzeichnungen des MfS ans Tageslicht: viele Stunden Material auf analogem Film (35 und 16 und 8mm), aber auch auf diversen Videoformaten. Inzwischen ist das Konvolut gründlich aufgearbeitet. Mehr als 6000 Filme und Videos konnten nachgewiesen und indiziert werden. Viele der gesicherten Aufnahmen sind heute nach einem Antrag beim "Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik" (BStU) für Forschungs- und Recherchezwecke in der Regel unkompliziert zugänglich. Damit konnten diese im Verborgenen vorgenommen und niemals für die Öffentlichkeit vorgesehenen Aufnahmen quasi der Zivilgesellschaft zurück gegeben werden. Grundsätzlich sind drei Bereiche der Filmarbeit nachweisbar: 1) Observationsaufnahmen, Dokumentationen von Verhören, Festnahmen, Prozessen usw.; 2) Schulungs- und Instruktionsfilme; 3) Filme der Selbstdarstellung.

"20. Jahrestag des MfS" (1970) und "30. Jahrestag des MfS" (1980) gehören zur letztgenannten Kategorie; sie wiederholen die immer gleichen Rituale. Zu sehen sind Militärappelle im Innenhof der Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg und das Defilee mit Gratulanten. Minister Erich Mielke nimmt Glückwünsche und Geschenke entgegen. Unter den Ehrengästen sind neben Erich Honecker und Markus Wolf auch Kulturschaffende wie Hans-Peter Minetti, Manfred Wekwerth oder Herbert Köfer zu sehen. Als Schulungsfilm ist "Revisor" (1984) besonders aufschlussreich. Er zeigt den Verlauf einer sogenannten "konspirativen Hausdurchsuchung": wie sich Zugang zur Wohnung eines Verdächtigen verschafft wird, wie der Zustand der Räume dokumentiert und die Durchsuchung dann selbst vorgenommen werden. Die Aufnahmen von Straßen und Plätzen nehmen im Konvolut der überlieferten Filmdokumente vergleichsweise wenig Raum ein. Der Grund dafür ist einfach: Da Videokassetten Westgeld kosteten, wurden sie immer wieder gelöscht und neu bespielt.

"Beobachtungen auf dem Alexanderplatz" zeigt den berühmten, zentralen Ort in Ost-Berlin am 7. September 1989, damals hatten sich Oppositionelle zu einer symbolischen "Protestpfeifen" gegen die vorangegangene Fälschung der DDR-Kommunalwahlen verabredet. Das von wechselnden Kameras in verschiedenen Einstellungsgrößen aufgenommene Geschehen macht deutlich, was die Genossen interessierte, wo sie potentielle Gefahren für den reibungslosen Ablauf des öffentlichen Alltags vermuteten. In diesem Fall werden sie bald fündig und auch tätig. Ein Fernsehteam aus dem Westen packt seine Ausrüstung aus, wird bald darauf von einem Volkspolizisten nach Ausweispapieren befragt. Wenig später kommt es am Springbrunnen zu einem Tumult: ein Mann wird, sich wild wehrend, von mehreren Beamten in Zivil zu einem Fahrzeug getragen. Die Szenerie wird von mehreren Kameras eingefangen -. in der umfangreichen bpb-Produktion "Feindbilder- Die Fotos und Videos der Stasi" ist in Kapitel 2 ein bedrückender Zusammenschnitt erfolgt. Die Aufnahmen belegen eindrücklich den Kontrollwahn einer Gesellschaft, die schließlich an sich selbst zugrunde gegangen ist, zugrunde gehen musste.

Insgesamt stellen sich die filmischen Selbstzeugnisse des MfS als ernüchternd heraus. Die Filme verfügen selten über Vor- und Abspänne, sind oft handwerklich sehr schlecht, fast rudimentär hergestellt. Zur unterschwelligen formalen Qualität kommen unbeholfene dramaturgische und inszenatorische Umsetzungsversuche, die nicht selten unfreiwillige Komik freisetzen. Das Lachen allerdings bleibt einem im Hals stecken. "Luzifers Ordonnanz - keine alltägliche Geschichte für Tschekisten" (1986) beispielsweise rekonstruiert den Fall eines Zoll-Offiziers, der 1984 wegen "Feindlicher Verbindungsaufnahme" verurteilt wurde. Um diese Geschichte "künstlerisch" aufzuwerten, wurden im Film neben Original-Verhören auch dokumentarische Elemente und Schlager verwendet. Das extrem unbeholfen wirkende Ergebnis wirkt wie pure Realsatire. Es zeigt sich dabei aber auch, dass die medialen Allmachtphantasien des MfS gar nicht so weit entfernt waren von einer nach dem Ende der DDR entstandenen Parodie wie "Die Wahrheit über die Stasi", jenem Low-Budget-Film von Alexander Zahn aus dem Jahr 1992, in dem geschildert wird, wie es eigentlich wäre, wenn die DDR noch weiterlebt.

ist Filmhistoriker und Fachjournalist. Nach einem Studium an der Filmhochschule Potsdam-Babelsberg, das er 1995 mit Diplom abschloss, gründete er 1996 das "ex.oriente.lux"-Filmarchiv. 2011 schrieb er seine Dissertation Strategien der Verweigerung / Untersuchungen zum politisch-ästhetischen Gestus unangepasster filmischer Artikulationen in der Spätphase der DDR.