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Antifaschismus als Thema linksextremistischer Agitation, Bündnispolitik und Ideologie | Linksextremismus | bpb.de

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Antifaschismus als Thema linksextremistischer Agitation, Bündnispolitik und Ideologie Eine Analyse zu ideengeschichtlichen Hintergründen und strategischen Funktionen eines Kampfbegriffs

Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber Armin Pfahl-Traughber

/ 8 Minuten zu lesen

Auch wenn jeder überzeugte Demokrat auch überzeugter Gegner des Faschismus sein muss: Antifaschismus ist keine per se demokratische Position.

Autonome bei einer Demonstration im Rahmen einer Kampagne, August 1997 in Quedlingburg. (© AP)

Bringt man den Begriff "Antifaschismus" in den Kontext zum Linksextremismus, so löst dies mitunter Irritationen und Verwunderung aus. Was soll, so lautet eine häufige Reaktion, daran verwerflich sein, wenn man sich als dezidierter Gegner des Faschismus und der Faschisten versteht? Handelt es sich hierbei denn nicht, so eine mögliche andere Stellungnahme, um eine demokratische Grundposition? Der in diesen Fragen indirekt enthaltenen Auffassung, wonach jeder überzeugte Demokrat auch ein überzeugter Gegner des Faschismus ist, kann grundsätzlich zugestimmt werden. Gleichwohl gilt nicht der Umkehrschluss, wonach auch jeder überzeugte Antifaschist auch überzeugter Demokrat sein muss. Als Beleg für diese Auffassung mag hier der Hinweis genügen, dass ein totalitärer Diktator wie Stalin (zumindest vor 1939 und nach 1941) ein bekennender Antifaschist, aber wohl schwerlich ein überzeugter Demokrat war. Hier soll der Antifaschismus als Thema linksextremistischer Agitation, Bündnispolitik und Ideologie kritisch dargestellt und interpretiert werden.

Die Faschismus-Definition im wissenschaftlichen Sinne

Die Auseinandersetzung mit dem Antifaschismus setzt die Definition des Bezugsbegriffes der Ablehnung voraus: Der Terminus "Faschismus" kam als Selbstbezeichnung der Mussolini-Bewegung in Italien auf und bezeichnete inhaltlich zunächst nur die Bündelung der damit angesprochenen politischen Kräfte. Ihnen war ideologisch die Orientierung am Nationalismus, sozial die Rekrutierung aus der Mittelschicht und strategisch die Organisation als Massenbewegung eigen. Einige Aktivisten, wie Mussolini selbst, entstammten der sozialistischen Linken. Daher erklärt sich auch der relativ hohe Stellenwert der sozialen Frage in der Agitation und Programmatik der Faschisten, die im Unterschied zu den marxistischen Sozialisten aber nicht die Enteignung von Produktionsmitteln beabsichtigten. Vielmehr ging es darum, die gesellschaftlichen Unterschiede durch das gemeinsame Bewusstsein nationaler Zugehörigkeit nur mental aufzuheben. In Anlehnung an die Mussolini-Bewegung entstanden in den 1920er und 1930er Jahren auch in vielen anderen Ländern faschistische Bewegungen.

Die Faschismus-Definition im linksextremistischen Sinne

In der kommunistischen Bewegung der damaligen Zeit bildeten sich schon früh Faschismustheorien heraus, welche das Aufkommen derartiger Bestrebungen als Ausdruck einer besonderen Krise des Monopolkapitalismus interpretierten und in ihnen das Instrument eines bestimmten Flügels der Kapitalistenklasse sahen. Gerade aufgrund seiner politischen Nähe zu Kapitalisten definierte der orthodoxe Kommunismus der damaligen Zeit den Faschismus als die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Monopolkapitals (Dimitroff-These). Darüber hinaus galt der Faschismus als Kampfinstrument der Bourgeoisie gegen das Proletariat, und so bezeichnete man zeitweise im inflationären Sinne alle gegen den Kommunismus gerichteten Tendenzen als faschistisch – und zwar unabhängig von ihrer tatsächlichen politischen Ausrichtung. Die KPD der Weimarer Republik überspitzte diese Agitation sogar so weit, dass sie die SPD als "sozialfaschistisch" diffamierte.

Antifaschismus im demokratischen Sinne

Da man somit die Verwendung der Bezeichnung "Faschismus" als linksextremistischen Kampfbegriff und wissenschaftlichen Terminus unterscheiden kann, gilt Ähnliches für das Verständnis von "Antifaschismus". In einem demokratischen Sinne verstand sich etwa die liberale Opposition gegen Mussolini schon in den 1920er Jahren als antifaschistisch. Und in diesem Sinne fand die Bezeichnung große Verbreitung: als Ausdruck der Ablehnung einer autoritären Diktatur, die im angeblichen Namen von Nation und Volk Grundrechte aufhob und Oppositionelle verfolgte. Als Antifaschisten in diesem Sinne verstanden sich aber nicht nur die Gegner von Mussolinis Regime in Italien. Auch im Spanischen Bürgerkrieg von 1936 bis 1939 und nach dem Sieg Francos bezeichneten sich viele Gegner seiner Militärdiktatur als Antifaschisten. Insofern handelt es sich bei diesem Begriff auch um einen positiv besetzten Terminus, d. h. mit dieser Selbstbezeichnung geht in demokratischen Gesellschaften eine anerkennende und wohlwollende Wahrnehmung einher.

Antifaschistisch im linksextremistischen Sinne

Die erwähnte kommunistischen Faschismus-Definition geht demgegenüber davon aus, dass Faschismus in wirtschaftlichen Krisen notwendigerweise aus dem Kapitalismus folgt. Damit beabsichtigt ein konsequenter Antifaschismus in diesem Sinne die Abschaffung der Wirtschaftsordnung des Kapitalismus und damit auch der als bürgerlich geltenden parlamentarischen Demokratie. Insofern richtet sich ein solches Verständnis der Kommunisten nicht nur gegen Faschisten bzw. Rechtsextremisten, sondern auch gegen bürgerliche Demokraten unterschiedlichster Ausrichtung. Daher war und ist dieses Faschismusverständnis ein politisches Instrument zur ideologischen Legitimation der eigenen Machtansprüche, das je nach den konkreten Rahmenbedingungen taktisch unterschiedlich angewandt wurde und wird: In scheinbaren "revolutionären Situationen" weitet man das Faschismusverständnis bis auf die Sozialdemokratie aus, bei eher marginaler Bedeutung strebt man über den Antifaschismus auch Bündnisse mit bürgerlichen Kräften an.

Der Antifaschismus-Begriff zwischen Demokratie und Extremismus

Antifa-Aktivisten im Schweizerischen Aarau (© AP)

Somit ist Antifaschismus ebenso wie Antikommunismus keine per se demokratische Position. Die Termini beziehen sich lediglich auf die Ablehnung einer bestimmter Ideologie oder eines spezifischen Systems, die beide für eine antidemokratische politische Ordnung mit autoritärer bis totalitärer Prägung stehen. Diese Frontstellung kann aus einer demokratischen Haltung heraus, sie kann aber auch aus einer antidemokratischen Haltung heraus erfolgen. So lehnen Rechtsextremisten mit Demokraten den Kommunismus ab und Linksextremisten mit Demokraten den Faschismus. Beim Antifaschismus erfolgt die primäre Identifikation der sich dazu Bekennenden eben nicht durch einen gemeinsamen Konsens hinsichtlich der Akzeptanz der Grundlagen eines demokratischen Verfassungsstaates, sondern durch die Ablehnung einer besonderen Ideologie oder Herrschaft in Gestalt des Faschismus. Dieses Verständnis schließt daher auch die Subsumtion von Antidemokraten unter den Begriff "Antifaschismus" ein. Anders formuliert: Auch kommunistische Diktaturen verstanden sich als antifaschistisch.

Antifaschismus als Legitimationsideologie für die DDR-Diktatur

Denn mit zur Agitations- und Bündnispolitik von Linksextremisten mit dem "Antifaschismus" gehört die Rechtfertigung eigener Politik, die sich auch in dem Versuch der Selbstlegitimation der DDR als "antifaschistischem Staat" artikulierte. Der antifaschistische Gründungsmythos diente noch bis in die Endphase ihrer Existenz als Identitätsfaktor der DDR und Herrschaftsinstrument der SED. Im Unterschied zur Bundesrepublik habe man, so die offizielle Darstellung, durch die Abschaffung des Kapitalismus und die Errichtung des Sozialismus den Faschismus endgültig überwunden. Diese Sichtweise diente propagandistisch der mentalen Integration im "antifaschistischen Staat" wurde aber gleichzeitig zur Abschottung vor Kritik oder zur Diffamierung von Opposition genutzt. In diesem Kontext kam es auch zu einer inflationären Ausweitung des Faschismusbegriffs, galt doch der Aufstand des 17. Juni 1953 als "faschistischer Putschversuch", und die Berliner Mauer bezeichnete man als "antifaschistischen Schutzwall".

Antifaschismus als Agitationsthema einer linksextremistischen Vorfeldorganisation

Zu den aus bündnispolitischen Absichten heraus im Antifaschismus-Bereich von Kommunisten gegründeten Organisationen gehört auch die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten" (VVN-BdA). Hierbei handelt es sich um den 1947 gegründeten Zusammenschluss einer überwiegend aus Kommunisten bestehenden Verfolgtenorganisation, die sich mit der Namenserweiterung "Bund des Antifaschisten" 1971 für jüngere Anhänger ohne Verfolgtenhintergrund öffnete. Während sich die Basis der Organisation zu großen Teilen aus nicht-kommunistischen Gegnern des Rechtsextremismus zusammensetzte, bestand die Führung aus Angehörigen oder Sympathisanten der KPD bzw. DKP, die wiederum den Weisungen ihrer Partei verpflichtet waren und über sie finanzielle Mittel aus der DDR zur Aufrechterhaltung des Apparats erhielten. Auch nach dem Zusammenbruch des SED-Regimes änderte sich an der Dominanz orthodox kommunistischer Kräfte an der Spitze nur wenig.

Antifaschismus als Bündnisstrategie einer linksextremistischen Vorfeldorganisation

Aktivitäten zur Erinnerung an NS-Verbrechen und Widerstand sowie Kampagnen gegen den Rechtsextremismus dienten der VVN/BdA einerseits zur Gewinnung von gesellschaftlicher Anerkennung, andererseits zur Ausweitung ihrer Anhängerschaft unter im Verband selbst relativ einflusslosen Demokraten. Wichtiges Instrument für beide Ziele war und ist die Bündnispolitik, sah man doch als zentrales Ziel "antifaschistischer Politik" die Zusammenarbeit von Christen, Gewerkschaftlern, Grünen, Kommunisten, Liberalen und Sozialdemokraten an. Nur im gemeinsamen Kampf aller "fortschrittlichen Kräfte", so die offizielle Auffassung, könne der Antifaschismus erfolgreich sein. Politische Erklärungen oder öffentliche Veranstaltungen, woran sich sowohl Repräsentanten der DKP oder VVN/BdA als auch Vertreter demokratischer Parteien oder Organisationen beteiligten, galten denn auch als Erfolg, ließ sich hier doch die beabsichtigte "Erosion der Abgrenzung" (Wolfgang Rudzio) zwischen linken Demokraten und Extremisten ausmachen.

Antifaschismus als Agitationsfeld von Autonomen

Neben der VVN/BdA bedienten und bedienen sich aber auch noch andere linksextremistische Kräfte des Antifaschismus als Agitationsthema. Hierzu gehören insbesondere die Autonomen, beteiligen sie sich doch gewalttätig sowohl an Demonstrationen gegen wie an Übergriffen auf Rechtsextremisten. Selbst militantes Vorgehen gegen Polizeibeamte sah man in der Szene als Ausdruck einer "Antifaschistischen Aktion" an. Es existieren sogar Abbildungen in den einschlägigen Publikationsorganen, welche unter dem Motto "Das kannst Du auch" Gewalttaten nicht nur gegen Polizisten und Skinheads, sondern auch gegen Bischöfe oder Richter propagieren. Darüber hinaus richtet sich die Agitation und Gewalt von Autonomen unter den Parolen "Antifaschistische Aktion" oder "Antifa heißt Angriff" nicht nur gegen rechtsextremistische Organisationen und Personen. Im Zentrum steht die Bekämpfung des bürgerlichen und kapitalistischen Systems in Gestalt der Bundesrepublik Deutschland, worin die eigentliche Ursache und Wurzel des Faschismus gesehen wird.

Antifaschismus-Kritik zur Immunisierung vor anderer Kritik

Linksextremisten nutzen die Agitation mit dem Antifaschismus darüber hinaus, um ihnen unliebsame politische Auffassungen von Andersdenkenden zu diskreditieren. Meistens handelt es sich dabei um konservative Intellektuelle oder Organisationen, welchen dann eine faschistische Gesinnung oder Zielsetzung unterstellt wird. Diese Instrumentalisierung des Antifaschismus durch Linksextremisten nutzen wiederum Vertreter des anderen politischen Lagers zur Immunisierung vor Einwänden: Aus deren Sicht gilt dann jede Kritik an einer problematischen Position am rechten Rand des demokratischen Spektrums oder einer gemäßigt rechtsextremistischen Position als Ausdruck einer linksextremistischen Antifa-Strategie. Exemplarisch dafür stehen die Schriften des Politologen Hans-Helmuth Knütter oder die Veröffentlichungen in der Wochenzeitung "Junge Freiheit". Der Verweis auf eine inhaltlich ähnlich lautende Kritik von linksextremistischer Seite dient ihnen dazu, sich jeder kritischen Auseinandersetzung mit ihren eigenen Auffassungen zu entziehen.

Schlusswort und Zusammenfassung

Bilanzierend betrachtet muss noch einmal gesondert darauf hingewiesen werden, dass Antifaschismus keineswegs per se linksextremistisch sein muss. Es gilt sich immer zu vergegenwärtigen, was die jeweiligen Antifaschisten konkret unter "Faschismus" verstehen und welche Forderungen sich aus ihrem Selbstverständnis als "Antifaschisten" ergeben. Die zentrale Frage dabei lautet: Richtet sich die Ablehnung nur gegen Rechtsextremisten und sie befördernde gesellschaftliche Entwicklungen oder richtet sich die Ablehnung gegen die Normen und Regeln eines demokratischen Verfassungsstaates. Im letztgenannten Sinne findet meist auch eine inhaltliche Ausweitung des mit "Faschismus" oder "Faschisten" gemeinten statt. Dann ordnet man nicht nur konservative und rechte Demokraten, sondern mitunter auch liberale oder linke Kräfte in die damit verbundene Kategorie ein. Angesichts des realen Faschismus ist dies von der Sache her nicht nur inhaltlich absurd, sondern objektiv auch eine Verharmlosung der mit diesem Terminus eigentlich gemeinten politischen Bestrebungen.

Literatur



Agethen, Manfred/Jesse, Eckhard/Neubert; Ehrhart (Hrsg.), Der missbrauchte Antifaschismus. DDR-Staatsdoktrin und Lebenslüge der deutschen Linken, Freiburg 2002.

Bundesamt für Verfassungsschutz (Hrsg.), "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antfaschistinnen und Antifaschisten" (VVN/BdA). Organisation – Entwicklung – Aktionsfelder – Wirkungen 1947-1997, Köln 1997

Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Bedeutung und Funktion des Antifaschismus, Bonn 1990.

Grunenberg, Antonia: Antifaschismus – ein deutscher Mythos, Reinbek 1993.

Keller, Claudia (Hrsg.), Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag. Antifaschismus. Geschichte und Neubewertung, Berlin 1996.

Knütter, Hans-Helmuth: Die Faschismus-Keule- Das letzte Aufgebot der deutschen Linken, Frankfurt/M. – Berlin 1993.

Peters, Tim: Der Antifaschismus der PDS aus antiextremistischer Sicht, Wiesbaden 2006.

Rudzio, Wolfgang: Die Erosion der Abgrenzung. Zum Verhältnis zwischen der demokratischen Linken und Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1988.

Schuh, Horst (Hrsg.): Buchenwald und der deutsche Antifaschismus, Brühl 1996.

Dipl.-Pol., Dipl.-Soz., Jg. 1963, ist hauptamtlich Lehrender an der Fachhochschule des Bundes in Brühl mit den Schwerpunkten Extremismus und Ideengeschichte, Lehrbeauftragter an der Universität zu Bonn mit dem Schwerpunkt Politische Theorie und Herausgeber des seit 2008 erscheinenden Jahrbuchs für Extremismus- und Terrorismusforschung (Brühl).