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Die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) | Linksextremismus | bpb.de

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Die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD) Eine analytische Betrachtung zu Entwicklung und Stellenwert einer politischen Sekte

Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber Armin Pfahl-Traughber

/ 7 Minuten zu lesen

Sie ist die zweitgrößte orthodox-kommunistische Organisation in Deutschland: Die MLPD pflegt einen ideologischen Dogmatismus wie kaum eine andere Gruppe im linksextremen Spektrum. Und isoliert sich damit selbst.

Website der MLPD: Verherrlichung von Stalin und Mao Tse Tung. Screenshot, 2. November 2011, http://www.mlpd.de/themen/themen-a-z/personenkult.

Nachdem das Ausmaß von Verbrechen in kommunistischen Diktaturen mittlerweile allgemein bekannt geworden ist, bekennen sich selbst Linkextremisten orthodox- kommunistischen Typs kaum noch offen zu Mao und Stalin. Beide Politiker hatten im 20. Jahrhundert Millionen von Todesopfern zu verantworten. Ein relativ offenes Bekenntnis zu ihnen kann man allerdings immer noch bei der "Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands" (MLPD) ausmachen. Dabei handelt es sich nach der "Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) um die zweitgrößte orthodox-kommunistische Organisation in Deutschland. Hier soll ihre Entwicklung und ihr Stellenwert dargestellt und eingeschätzt werden.

Die Entstehung aus der K-Gruppen-Szene

Die MLPD ging aus der maoistischen K-Gruppenszene der 1970er Jahre hervor. Sie entstand wiederum personell wie politisch aus der zerfallenden Achtundsechziger Bewegung. Die marxistisch-leninistisch geprägten Teile, die nicht in Richtung der DKP orientiert waren, gründeten zahlreiche kleinere Organisationen. Sie bezogen sich überwiegend auf das damalige maoistische China, verehrten teilweise aber auch die frühere stalinistische Sowjetunion. Trotz der grundlegenden ideologischen Gemeinsamkeiten gab es zwischen den einzelnen Gruppen heftige Konflikte um die richtige politische und strategische Auslegung der Ideologie. Dies führte zum einen dazu, dass die Gruppen aufgesplittert blieben und somit keine größere politische Wirkung entfalten konnten und zum anderen dazu, dass sie sich in gegenseitigen Selbstzerfleischungen ergingen und ständigen Spaltungsprozessen ausgesetzt waren. Zu den bekannteren Gruppen gehörten der "Kommunistische Bund" (KB) und der "Kommunistische Bund Westdeutschland" (KBW).

Gründung und Entwicklung der Partei

1982 entstand aus dem "Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands" (KABD), der ebenfalls zu den maoistischen K-Gruppen gehörte, die MLPD. Es handelte sich hier um den Zusammenschluss zweier früher selbständiger Organisationen, dem "Kommunistischen Arbeiterbund (Marxisten-Leninisten)" und der "Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (Revolutionärer Weg)". Zu den führenden Personen der letztgenannten Organisation zählte der Altkommunist Willi Dickhut, der auch nach seinem Tod heute noch als Person und mit seinen Werken innerhalb der MLPD hohes Ansehen genießt. Als Vorsitzenden wählte man indessen den gelernten Schlosser Stefan Engel, er hat diese Amt seit der Gründung der Partei ununterbrochen inne. Bereits im Gründungsjahr verfügte man über 900 Mitglieder und war daher die stärkste Organisation der damals noch bestehenden K-Gruppen.

Programmatische Grundpositionen

In ihrem aktuell gültigen Parteiprogramm von 1999 geht die MLPD davon aus, dass in Deutschland und anderen Industrieländern das Monopolkapital mit dem Staatsapparat verschmolzen sei. Der Prozess der Fäulnis und Zersetzung der ideologischen, ökonomischen und politischen Kräfte des kapitalistischen Gesellschaftssystems verschärfe sich allseitig. Die einzige Alternative zu dieser Entwicklung bestehe in einem neuen Aufschwung des Kampfs um den Sozialismus. Die Arbeiterklasse müsse nach dem Sturz der Diktatur der Monopolkapitalisten und der Eroberung der Staatsmacht die Diktatur des Proletariats errichten und die Produktionsmittel in gemeinsames Eigentum des gesamten werktätigen Volkes überführen. Die MLPD habe im Vorfeld dieser angestrebten Entwicklung die Aufgabe, in beharrlicher Kleinarbeit die entscheidende Mehrheit der Arbeiterklasse für den Sozialismus zu gewinnen und ihre Kämpfe zu einem Kampf gegen das Monopolkapital und seinen Staat höher zu entwickeln.

Offenes Bekenntnis zu Mao und Stalin

Die politische Ausrichtung der MLPD lässt sich auch aus ihrer ideengeschichtlichen Selbstverortung ablesen. Im Parteiprogramm heißt es, die Lehren von Marx, Engels, Stalin und Mao Tsetung bildeten die entscheidende Grundlage für den Kampf für den Sozialismus. Und in der Parteizeitung "Rote Fahne" findet sich regelmäßig folgende Auffassung in einem Selbstportrait: Ausgangspunkt für die Gründung der MLPD sei eine grundsätzliche Kritik am Verrat des Sozialismus in der Sowjetunion und der DDR nach dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 gewesen. Dort sei wie nach dem Tode Maos auch in China der Sozialismus zerstört worden, weil die demokratische Kontrolle über die verantwortlichen Führer in Partei, Wirtschaft und Staat nicht mehr ausgereicht habe. Aus Sicht der MLPD gab es demnach unter den beiden Diktatoren Mao und Stalin in China und der Sowjetunion eine ausreichende demokratische Kontrolle, welche durch den Verrat am wahren Sozialismus durch eine kleinbürgerliche Denkweise abgelöst worden sei.

Soziale Integration der Mitgliedschaft

Die Partei erwartet von ihren Angehörigen ein hohes Maß an Engagement: Hierzu gehört die regelmäßige Teilnahme an Großveranstaltungen der MLPD, Schulungen ideologischer Art und Sitzungen der Parteigliederungen. Auch für den privaten Bereich lässt sich eine enge Anbindung an die Partei ausmachen. Insofern hat die MLPD für viele ihrer Mitglieder den Charakter einer "Ersatz-Familie" durch ein hohes Maß sozialer Integration. Darüber hinaus sind tatsächlich nicht selten ganze Familien in der Partei organisiert. Der Bruch mit der Organisation würde einen Bruch vieler sozialer Beziehungen nach sich ziehen. Somit besteht ein hohes Maß an Bindung an die MLPD im politischen wie sozialen Bereich.

Entwicklung und Zusammensetzung der Mitgliedschaft

Bereits im Gründungsjahr verfügte die MLPD über 900 Angehörige, was in der vergleichenden Betrachtung zu den anderen K-Gruppen der 1970er Jahre eine durchaus hohe Zahl war. In den folgenden Jahren stieg die Mitgliedschaft kontinuierlich an, konnte aber nie über 3.000 Personen hinaus gehen. Laut Angaben der Verfassungsschutzbehörden gehörten 1983 1.000, 1990 1.500, 1993 2.000 und 1995 2.700 Personen der MLPD an. Der Niedergang des "real existierenden Sozialismus" führte demnach nicht zu einem Einbruch in der Mitgliederentwicklung. Ganz im Gegenteil, lässt sich in der ersten Hälfte der 1990er Jahre sogar ein Anstieg an Neumitgliedern konstatieren. Gegen Ende der 1990er Jahre gingen die Zahlen allerdings wieder zurück, bewegten sich seit 2000 um die 2.000 Personen, stiegen aber bis Ende 2006 wieder auf 2.300 Personen an. Bis 2012 sanken die Zahlen nach Angaben der Verfasungsschutzbehörden – die Partei selbst veröffentlicht keine – auf 1.900. Laut Angaben der MLPD – die hier wohl auch zutreffend sein dürften – handelt es sich bei der Mehrheit der Mitglieder um Arbeiter und einfache Angestellte.

Finanzielle Situation

Bei der MLPD fällt deren besonders gute finanzielle Situation auf, kann die Partei doch im Verhältnis zu ihren Mitgliederzahlen als die wohlhabendste extremistische Organisation gelten. Laut ihrem Finanzrechenschaftsbericht machte das Gesamtvermögen der Partei Ende 2004 rund 15 Millionen Euro aus. Eine intensive Spendenkampagne anlässlich des Bundestagswahlkampfs 2005 habe bis Mitte 2006 noch einmal eine halbe Million Euro eingebracht (vgl. Rote Fahne, Nr. 22 vom 2. Juni 2006). Überwiegend stammen die Gelder von einzelnen Mitgliedern. Hierzu gehörten auch Großspender mit relativ hohen Beträgen. So vermachte etwa 2005 und 2006 allein eine einzelne Person der MLPD aus einer Erbschaft eine Summe in Höhe von 2,5 Millionen Euro. Zu großen Teilen legt die Partei dieses Vermögens in Immobilien an, welche sich insbesondere in der Stadt ihres Sitzes in Gelsenkirchen befinden. Die ausgezeichnete Vermögenslage der MLPD dürfte die Partei trotz ihrer politischen Isolation zukünftig noch jahrelang die Basis für ihre politische Arbeit liefern.

Bedeutung als Wahlpartei

Der MLPD gelang es bei Bundes- oder Landtagswahlen noch nicht einmal, in die Nähe der Fünf-Prozent-Hürde zu kommen. Zumeist lagen ihre Ergebnisse weit unter einem Prozent der Stimmen, in der Regel zwischen 0,0 und 0,2 Prozent. Exemplarisch steht dafür das Ergebnis der Bundestagswahl 2005, wo die MLPD mit 45.000 Stimmen einen Zweitstimmenanteil von 0,1 Prozent erhielt. Im Vergleich zur letzten flächendeckenden Teilnahme bei der Bundestagswahl 1994 handelte es sich zwar um eine Vervierfachung der Voten. Gleichwohl lässt sich hier noch nicht einmal von einem Achtungserfolg sprechen. Selbst in ihrem "Stammland" Nordrhein-Westfalen erhielt die MLPD nur 0,1 Prozent und auch in Gelsenkirchen als Stadt ihres Parteisitzes waren es nur 0,4 Prozent der Stimmen. Bei Kommunalwahlen ohne Fünf-Prozent-Hürde konnten gleichwohl Parteimitglieder über angeblich überparteiliche Personenwahlbündnisse unter der Bezeichnung "Alternativ Unabhängig Fortschrittlich" (AUF) einige wenige Mandate erzielen.

Demonstrationsteilnahmen und Kampagnen

Die MLPD nimmt regelmäßig an öffentlichen Demonstrationen anderer Linker oder Linksextremisten teil und gibt sich dabei durch Transparente und Zeitungsverteilungen zu erkennen. Darüber hinaus führt sie eigenständige Demonstrationen oder Mahnwachen durch. In einem Fall konnte die Partei dadurch sogar zeitweilig einen gewissen Einfluss auf die Organisation größerer Protestbewegungen nehmen. Bereits seit 2003 hatte man ohne größere öffentliche Beachtung "Montagsdemonstrationen" gegen die Arbeitsmarktreformen durchgeführt. Nachdem zeitweilig eine größere Protestbewegung gegen Hartz IV entstanden war, strömten spontan Tausende zu diesen Veranstaltungen – meist ohne den Bezug zur MLPD zu erkennen. Binnen kurzer Zeit konnte die MLPD allerdings aus ihrer Rolle als Initiatorin solcher Demonstrationen von anderen Linken oder Linksextremisten verdrängt werden.

Einstellung gegenüber DKP und PDS

Aufgrund ihres hohen Grades an ideologischem Dogmatismus und dem Exklusivanspruch auf das Verständnis des "wahren Sozialismus" sieht die MLPD in anderen linken oder marxistischen Organisationen "Reformisten" und "Revisionisten": Sie würden eigentlich gar nicht für eine Revolution eintreten, sondern entweder nur den Kapitalismus bezüglich bestimmter sozialer Folgen verbessern oder eine kleinbürgerliche Herrschaft im Namen des Sozialismus errichten wollen. Daher finden sich auch im Programm der MLPD rigide Abwertungen in den Kommentaren zur DKP und PDS. Gleichwohl bot die Partei – im Selbstverständnis als führende Kraft bei den sozialen Protesten – im Vorfeld der Bundestagswahlen 2005 der PDS und WASG die Beteiligung an einem linken Wahlbündnis an. Beide reagierten darauf allerdings noch nicht einmal mit einer negativen Antwort. Dieses Verhalten steht exemplarisch für die politische Isolation der MLPD nicht nur in der Linken allgemein, sondern auch im Linksextremismus.

Schlusswort und Zusammenfassung

Bilanzierend betrachtet handelt es sich bei der MLPD um eine politisch isolierte Organisation. Hinzu kommt das hohe Ausmaß an ideologischem Dogmatismus, der exklusive Anspruch auf den "wahren Sozialismus" und das starke Maß sozialer Einbindung. All diese Gesichtspunkte zusammen erklären aber auch die Stabilität der um die 2.000 Personen ausmachenden Partei. Zwar versucht sie sich durch Engagement bei öffentlichen Demonstrationen und Diskussionen an politischen Aktivitäten zu beteiligen. Ihr Dogmatismus und Spaltungselan verschreckt allerdings schnell andere Anwesende aus dem linken und linksextremistischen Spektrum. Gleichwohl zeigt sich die MLPD durch ihre Organisationsstruktur immer wieder in hohem Maße als mobilisierungsfähiger Akteur.

Literatur



Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2006, Berlin 2007, S. 188f.

Hüllen, Rudolf van: Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands, in: Frank Decker/Viola Neu (Hrsg.), Handbuch der deutschen Parteien, Wiesbaden 2007, S. 329-331.

Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2006, Düsseldorf 2007, S. 110-115.

Langguth, Gerd: Protestbewegung. Entwicklung, Niedergang, Renaissance. Die neue Linke seit 1968, Köln 1983, S. 102-108.

Dipl.-Pol., Dipl.-Soz., Jg. 1963, ist hauptamtlich Lehrender an der Fachhochschule des Bundes in Brühl mit den Schwerpunkten Extremismus und Ideengeschichte, Lehrbeauftragter an der Universität zu Bonn mit dem Schwerpunkt Politische Theorie und Herausgeber des seit 2008 erscheinenden Jahrbuchs für Extremismus- und Terrorismusforschung (Brühl).