Die Revolution von 1989 war für die ostdeutsche Gesellschaft Befreiung und Selbstbefreiung zugleich. Die Geschichte hatte ihren Stillstand überwunden und begann von neuem. Sie war nicht, wie manche 1989 vermuteten, an ihr Ende gelangt. Das war eine unvergessliche Erfahrung für alle Ostdeutschen, egal ob sie zu den Trägern der Revolution gehörten oder zu ihren Gegnern. In solchen Zeiten entschied sich jeder zwangsläufig für eine Seite, selbst wenn nicht jeder aktiv mitmachte.
Nur wenige Jahre nach der Revolution von 1989/90 schienen die Ereignisse, auf die die ganze Welt blickte, vergessen, schienen viele Ostdeutsche ihre eigene Revolution nicht verkraftet und viele Westdeutsche den tiefen Veränderungssinn der Revolution auch für die eigene Gesellschaft nicht angenommen zu haben. In den 1990er Jahren war viel vom Gegensatz zwischen Ost und West die Rede, fast mehr noch als in den Jahrzehnten zuvor beschworen nun Viele eher Gegensätze als Einendes.
Die Herstellung der Einheit erwies sich als kostspieliger und komplizierter als so manche Politiker 1990 behaupteten. Im Osten zeigten sich viele Menschen enttäuscht. Politische Freiheiten und soziale Sicherheit waren nur eine Seite der Medaille. Dass vor allem die Menschen in Ostdeutschland unzufrieden mit den Entwicklungen in den letzten Jahren waren, hing natürlich mit der zum Teil gravierenden sozialen Situation in manchen Regionen zusammen. Die Kosten der Einheit waren immens, aber sie waren ein trauriges Erbe des Kommunismus in Deutschland, das noch lange fortwirkte.
"Schieß doch, Du Arsch" – 10 Jahre nach der Revolution
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Die Bürgerrechtlerin Kathrin Hattenhauer erinnert sich an die dramatischen Ereignisses im Herbst 1989 in Leipzig. Kontraste legt dar, wie sich seitdem Land und Menschen verändert haben.
"Schieß doch, Du Arsch"
Es waren aber durchaus hoffnungsvolle Perspektiven zu erkennen. Leipzig, die Stadt der Revolution von 1989, zählte zu den heruntergekommensten Städten der DDR. Durch einen Film von Kontraste wurde im Spätsommer 1989 aber nicht nicht nur den Leipzigern, sondern auch anderen DDR-Bürgerinnen und -Bürgern gewahr, dass sie alle in einer Abrissgesellschaft hausten und die Verwahrlosung Leipzigs nur ein Beispiel unter vielen war. Das wurde erkannt und in selbstbestimmte Politik umgewandelt, was mit den massenhaften Montagsdemonstrationen fast umgehend geschah. Zehn Jahre nach der Revolution erinnerten frühere Bürgerechtlerinnen und Bürgerrechtler daran, und zeigen, dass Ihnen ihr Engagement für die Freiheit auch Spaß bereitete.
Nach der institutionellen Wiedervereinigung zeigte sich in den 1990er Jahren aber, dass die lange Trennung der Gesellschaften tiefe mentale Spuren hinterlassen hatte. Im Prozess der Neugründung der Bundesrepublik fehlte eine stiftende Idee, die das Zusammenkommen der beiden Gesellschaften symbolisiert. Nach 1990 ging zu viel vom Geist der Revolution – dem Geist des Neubeginnens – verloren. Die Bedeutung aber der ostdeutschen Revolutionen für die neue Republik und damit für das neue Europa scheint plausibel. Natürlich lassen sich mit einer Aufwertung des ostdeutschen Beitrages zur Einheit Deutschlands und Europas nicht alle Probleme beheben. Aber es müsste stärker betont werden als bislang: Die sozialen, ökonomischen und finanziellen Folgen nach "1989" sind Folgen des kommunistischen Erbes und nicht des Umbruchs. Die oft als "Kosten der Einheit" apostrophierten Milliarden sind keine "Kosten der Einheit", sondern Folge der kommunistischen Diktatur über halb Europa und nicht zuletzt Folge der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft über ganz Europa. "1989" stellte eine Massenbewegung für den demokratischen Verfassungsstaat dar. Es zielte auf die Überwindung von Grenzen. "1989" gehört zu den historischen Ereignissen, die die Deutschen mit den anderen Europäern verbinden. "1989" war ein europäisches Jahr, weil es Europa ermöglichte.
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