- Interner Link: Wofür steht die Kommunistische Partei Chinas, wie hat sie sich seit ihrer Gründung (1921) verändert?
- Interner Link: Was verbirgt sich hinter den Begriffen Führungsgenerationen, Faktionen und Patron-Klienten-Netzwerken?
- Interner Link: Wie definiert China sein politisches Modell?
- Interner Link: Was ist ein "Partei-Staat"?
- Interner Link: Infografik: Wie funktioniert Chinas politisches System?
- Interner Link: Gewaltenverschränkung versus Gewaltenteilung: Rule by law statt rule of law?
- Interner Link: Wie ist der chinesische Staatsapparat organisiert?
- Interner Link: Welche Grundprinzipien unterliegen der Parteipolitik? Welche Parteiorgane gibt es?
- Interner Link: Welchen Status haben Hongkong, Macao und Taiwan?
Wofür steht die Kommunistische Partei Chinas, wie hat sie sich seit ihrer Gründung (1921) verändert?
Die Volksrepublik (VR) China fällt in die Gruppe der kommunistischen Ein-Partei-Regime. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh), offiziell gegründet 1921 in Shanghai, verstand sich in ihrer Frühphase als revolutionäre Partei der Arbeiter, Bauern und Soldaten. Ganz nach ihrem sowjetischen Vorbild strebten die marxistisch-kommunistischen Gruppierungen Chinas, die sich in der ausgehenden Kaiserzeit formierten, den Umsturz des alten Systems an, zuerst den des chinesischen Kaiserreiches, später den der von der nationalistischen Partei Guomindang/Kuomintag (GMD/KMT) regierten Republik China. Auch nach Ausrufung der VR China am 1. Oktober 1949 blieb die KPCh zunächst den Grundprinzipien der (permanenten) Revolution und des Klassenkampfes verschrieben. In der post-maoistischen Reform-Ära (Tod Maos: 1976; offizieller Beginn der Reformpolitik: Ende 1978) erfolgte die graduelle Neuerfindung der KPCh als Vertretung der Interessen des gesamten chinesischen Volkes (inklusive der unter Mao noch verfolgten Gruppen der Intellektuellen und Kapitalisten). An die Stelle der Revolutionäre und Revolutionärinnen ist nach und nach eine Elitentruppe chinesischer Technokraten mit Hochschulabschluss getreten. Unter den Spitzenpolitikern und Spitzenpolitikerinnen der vierten Führungsgeneration fanden sich überdurchschnittlich viele mit einer universitären Ausbildung in den Ingenieurswissenschaften (der renommierten Tsinghua Universität in Peking). Die seit 2012/2013 regierende fünfte Führungsgeneration umfasst zahlreiche Absolventen und Absolventinnen der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Über das Nomenklatura-System besetzt die KPCh wichtige Ämter im Staat, Wirtschaft und Gesellschaft mit ihren eigenen Kadern und durchdringt so jeden dieser Bereiche.
Was verbirgt sich hinter den Begriffen Führungsgenerationen, Faktionen und Patron-Klienten-Netzwerken?
Jede Führungsgeneration – wobei Generation hier soziologisch für eine Gruppe mit ähnlichem Sozialisationshintergrund und gemeinsamen prägenden historischen Schlüsselerfahrungen steht – zeichnet sich durch spezifische Slogans (z.B. Harmonische Gesellschaft; Chinesischer Traum) aus und trägt ihren Teil zur partiellen Neukonzeption des chinesischen Modells und der chinesischen Staatsideologie bei. Alle Führungsgenerationen halten formal an dem obersten Ziel der Erreichung der finalen Phase des Sozialismus (in symbolischen hundert Jahren) fest. Die seit 2012 regierende Gruppe mit Interner Link: Xi Jinping im Zentrum der Macht wird der fünften Führungsgeneration zugerechnet. Die früheren Führungsgenerationen, beginnend mit der ersten Generation um Mao, hatten sich durch ihre anfänglich starke Prägung durch die Sowjetunion und revolutionäre Grundorientierung ausgezeichnet. Mit der dritten Führungsgeneration begann der Machttransfer an die Technokraten und Technokratinnen, die statt der permanenten Revolution auf den Aufbau einer modernen, effizienten Staatsbürokratie fokussierten. Unter der vierten Führungsgeneration (Hu Jintao/Wen Jiabao 2002/2003-2012/2013) erreichte dieser Technokratisierungstrend seinen Höhepunkt.
Die Unterteilung in Generationen verdeutlicht die Wandlungsfähigkeit und pragmatische Adaptabilität des chinesischen Sozialismus. Das Bild des monolithischen Ein-Partei-Staates, das die Jahre des Ost-West-Konflikts dominiert hatte, ist damit dem Bild eines sich beständig an gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen anpassenden Interner Link: "lernenden" Systems gewichen. Parallel wurde China einer Sonderform des "fragmentierten Autoritarismus" zugerechnet, womit die Idee einer alleinigen Machtbündelung und Steuerung durch die Parteizentrale in Peking relativiert wurde. Chinas moderner, flexibler Autoritarismus vollzog in der post-maoistischen Ära zunächst einen Übergang von einem personalistisch-charismatischen Herrschaftsmodell zu dem Prinzip der bürokratisch-rationalen kollektiven Führung. Die Re-Zentralisierungs- und Re-Personalisierungstendenzen unter Xi Jinping legen jedoch eine, zumindest partielle, Relativierung dieses Prinzips nahe. Xi regiert weit eher als princeps inter pares denn als primus inter pares.
Dennoch wirken auch unter Xi Faktionen und Patron-Klienten-Netzwerke merklich auf die Gestaltung der chinesischen Politik ein. In einem Ein-Partei-System bezeichnen Faktionen Interessensgruppen (oder "Flügel") innerhalb dieser einen Partei. Jede dieser Interessengruppen steht für bestimmte Grundvorstellungen in Bezug auf die Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik sowie den Staatsaufbau der VR China. So treten beispielsweise die Anhänger und Anhängerinnen der chinesischen Neuen Linken wie auch die Neo-Maoisten für eine Sozialpolitik ein, die durch Umverteilung der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich entgegenwirken soll. Während sich die Neo-Maoisten auf die Mao-Ära zurückbesinnen, sind Teile der Neuen Linken primär von der globalen Kapitalismuskritik der New Left inspiriert. Die Neoliberalen hingegen priorisieren einen kapitalistischen Entwicklungsweg weitgehend ohne soziale Sicherungsnetze.
Wie definiert China sein politisches Modell?
Der Begriff der Demokratie ist im Polit-Narrativ der VR China fest verankert– so beispielsweise in den omnipräsenten Formeln der "demokratischen Diktatur des Volkes" oder des "demokratischen Zentralismus". Doch praktiziert die VR China keine Demokratie nach westlich-liberalen Prinzipien. Das zentrale Kriterium für die Einordnung eines Systems als Demokratie, die Abhaltung freier (und kompetitiver) Wahlen,
Der Rekrutierungs- und Ernennungsprozess der politischen Führungselite der VR China folgt dem Anspruch nach den Prinzipien der Meritokratie: Die fähigsten und moralisch integersten Partei-Politiker und Politikerinnen sollen mit der Führung des Staates beauftragt werden. Diese Vorstellung des aufgeklärten, selbstlosen Staatslenkers, der im Interesse und zum Wohle des Volkes regiert, weist deutliche Parallelen zu den Grundnarrativen des (Staats-)Konfuzianismus auf. Als wohlwollender Herrscher konnte sich der chinesische Kaiser, der "Interner Link: Sohn des Himmels", nur so lange an der Macht halten, wie er die entsprechenden Rituale erfüllte und die allgemeine Harmonie aufrechtzuerhalten vermochte. Verstöße gegen die kosmologisch-basierte Ordnung konnten, so die Erzählungen der chinesischen Dynastiegeschichtsschreibung, den Verlust des Mandats des Himmels (tianming) und die Ablösung durch eine neue Dynastie bedeuten.
Auch wenn die staatstheoretischen Grundlagen der VR China die politische Realität des 20. und 21. Jahrhunderts reflektieren, so spielen rhetorische Rückbezüge auf die vormoderne chinesische Philosophie und Geschichte weiterhin eine zentrale Rolle bei der symbolischen Legitimierung und Stabilisierung des Ein-Partei-Staates. Insbesondere unter der vierten (Hu Jintao/Wen Jiabao) und fünften (Xi Jinping/Li Keqiang) Führungsgeneration sind diese Anleihen immer wieder deutlich erkennbar. Konfuzius, der während der Kulturrevolution (1966-1976) als Manifestation der degenerierten feudalistischen alten Ordnung ins Visier der Rotgardisten geraten war, ist unter Xi Jinping symbolisch rehabilitiert worden. Unter Hu Jintao war mit der Harmonische Gesellschaft (hexie shehui) ein Neologismus eingeführt worden, der die Politik der vierten Führungsgeneration als Fortsetzung konfuzianischer Prinzipien auswies – auch wenn der Begriff der Harmonischen Gesellschaft kein Bestandteil der konfuzianischen Klassiker ist.
An die Stelle der konfuzianischen Beamtenprüfungen, über die das chinesische Kaiserreich jahrhundertelang seine administrative Verwaltungselite rekrutierte, sind jedoch neue Auswahl- und Rekrutierungselemente getreten. Evaluationsmechanismen sollen die Performanz des Verwaltungsapparats sicherstellen und Machtwillkür lokaler Kader unterbinden. Zugleich sollen diese der Zersplitterung und den zentrifugalen Tendenzen des Systems entgegenwirken und die Partei-Kader auf allen Systemebenen auf gemeinsame Prinzipien und Narrative einschwören.
Was ist ein "Partei-Staat"?
Nachdem in der Mao-Ära die Einschwörung auf einen alles überthronenden charismatischen Parteiführer erfolgt war, wurde nach dem Tod Maos (1976) und der Entmachtung der Viererbande