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Chinas Digitalisierung: Effizienz und Kontrolle durch eigene Technologiestandards | China | bpb.de

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Chinas Digitalisierung: Effizienz und Kontrolle durch eigene Technologiestandards

Jens Damm

/ 10 Minuten zu lesen

Digital ist China eine Weltmacht, die globale Entwicklungen prägt. Online Banking, Gesichtserkennung, digitales Stadtmanagement - im chinesischen Alltag sind die Internetgiganten allgegenwärtig. Ein Überblick.

Diese Illustration, gestaltet von Yi Luo, zeigt eine fiktive Stadt auf dem Motherboard. (© bpb)

Als in den späten 2000er Jahren die Zahl der Interner Link: chinesischen Internetuser in den städtischen Ballungsregionen rasch anstieg, sah man im Westen, aber auch in nicht unbeträchtlichen Teilen der in China neu entstehenden Zivilgesellschaft das Potenzial für eine Liberalisierung der Gesellschaft. Im Mittelpunkt der westlichen Forschung standen die zahlreichen Blogs (wie der 2009 gegründete Mikrobloggingdienst Sina Weibo), Bürgerjournalisten und -journalistinnen und Onlinejournale, aber auch E-Governance.

Die chinesische Führung führte jedoch ein Klarnamensystem für die Benutzung des (mobilen) Internets und der chinesischen mobilen Apps ein, welches ab 2015 für alle Internetanwendungen verpflichtend gilt. Internationale Anwendungen und Apps von Google bis Facebook wurden schließlich vollkommen verbannt. Heute spricht Chinas Staatschef Interner Link: Xi Jinping von der Notwendigkeit einer "Online Zivilisation“, mit der das "Chaos“ des Internets in geordnete Bahnen in Richtung einer "sozialistischen Ideologie und Kultur“ gebracht werden soll. Hierzu zählt zunächst die Einhaltung der entsprechenden gesetzlichen Regelungen, also insbesondere einer Liste von inhaltlichen Verboten, die bereits seit dem Jahr 2000 existiert: Separatismus, Rassismus, das "Verbreiten von Gerüchten“, "feudaler Aberglaube“, Gewalt und Terror, Pornografie und Glücksspiel, Aufruf zu Straftaten bzw. zu Handlungen, die dem Staatsinteresse schaden.

Internetnutzung in China

Zensur im chinesischen Internet

Bis 2018 teilten sich eine Vielzahl von Institutionen sowohl der chinesischen Regierung und der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) die Verantwortung für die Internetzensur, was die Zensurbemühungen oftmals erratisch wirken ließ. Nach Umstrukturierungsmaßnahmen im Jahre 2018, haben nun zwei Organisationen den Großteil der Moderation und Zensur übernommen.

Die Cyberspace Affairs Commissions (CACs, wangluo anquan he xinxihua weiyuanhui) umfassen sowohl Regierungs- als auch Parteiorganisationen. Auf der nationalen Ebene handelt es sich hierbei um ein Informationszentrum für die öffentliche Meinung im Internet, welches mit lokalen Niederlassungen und staatlichen Medien zusammenarbeitet. Es existieren weitere untergeordnete Zentren auf Provinz- und Stadtebene. Neben der "Steuerung der öffentlichen Meinung im Internet" gehört hierzu auch die "Beseitigung schädlicher Online-Informationen". Konkret werden Beiträge auf Plattformen wie WeChat und Weibo sowie auf ausländischen sozialen Medien überwacht. Die Network Security Bureaus (wangluo anquan baowei ju) sind der Justiz untergeordnet. Sie verhängen Strafen gegen Internetnutzerinnen und Nutzer, die gegen die chinesischen Internetgesetze verstoßen. Durch das Klarnamensystem können die Menschen so direkt erreicht werden.

Neu hinzu kam im September 2021 eine umfassende Regelung, die dazu auffordert, einen "positiven Content“ für die breite Masse der Internetuser zu schaffen, der "positiv, gesund und moralisch gut ist“ und auf den "Marxismus als Ideologie im Cyberspace“ aufbaut. Zudem trat am 1. Juni 2017 Chinas Cybersecurity Law in Kraft. Es verpflichtet Netzbetreiber, ausgewählte Daten innerhalb Chinas zu speichern, und erlaubt chinesischen Behörden stichprobenartige Kontrollen. Das Gesetz hat bei einigen ausländischen Unternehmen Besorgnis über die verstärkte Datenkontrolle und das erhöhte Risiko des Diebstahls geistigen Eigentums ausgelöst. Weiterhin ist seit September 2021 das Data Security Law gültig, welches in Detail regelt, wie Daten erhoben und gespeichert werden.

Zeitgleich mit der zunehmenden Kontrolle ausländischer Unternehmen wie Google und Facebook, Medien und Informationsdienste wie Wikipedia wurde nach dem Jahr 2000 jedoch chinesischen Unternehmen freie Hand bei der Gestaltung eigener chinesischer Anwendungen gegeben. Unter Xi Jinping, Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas seit Ende 2012 und Staatspräsident der Volksrepublik China seit 2013, wurde die Digitalisierung von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik stärker und zentraler überwacht und in "geordnete Bahnen“ – also in Einklang mit der politischen Ordnung des Einparteienstaates – gebracht. Nachdem der Nationale Volkskongress im Jahr 2018 die in den 1980er Jahren eingeführte Amtszeitbegrenzung des Präsidenten aufhob und Xi Jinping eine dritte Amtszeit als Präsident erhielt, wandte sich der Parteistaat verstärkt der Kontrolle der nun als übermächtig betrachteten chinesischen Internetunternehmen zu.

InterviewChinas IT-Standards sollen in der Welt dominant werden

Welche globale Bedeutung wird Chinas IT-Industrie in der Zukunft zukommen? Und wie entwickelt sich das Verhältnis des chinesischen Staates zur eigenen Tech-Branche? Randy Kluver, Medien- und Kommunikationsexperte der Universität Oklahoma, hat darauf ein paar Interner Link: Antworten.

Neben dem Internet sind es folgende Bereiche, in denen Interner Link: Chinas Digitalisierung sehr weit fortgeschritten ist bzw. vom Westen als im ökonomischen und geopolitischen Wettbewerb stehend gesehen wird: (1) Finanztechnologie (FinTech), (2) Künstliche Intelligenz (KI), (3) Smart Cities und (4) Sozialkreditsystem. Diese Bereiche werden im Folgenden näher erläutert.

Fintech: Finanzdienstleistung custom made in China

Bezahlt wird in China fast überall nur per QR Code. (© picture-alliance/dpa, HPIC | Li Zhihao)

"FinTech“ oder "Finance Technology“ (Jinrong keji) ist ein Überbegriff, der eine Reihe innovativer, technologiegestützter Finanzdienstleistungen umfasst. Hierzu zählen mobile Zahlungen, Online-Banking, der Abschluss von Versicherungen online, Vermögensverwaltung sowie Kryptowährungen (die seit 2017 in China selbst illegal sind, wobei seit September 2021 das vollständige Verbot des Handels im Ausland gilt). Gesetzliche bzw. politische Vorgaben, die gegen ausländische FinTech Anbieter gerichtet waren, führten in den frühen 2000er Jahren zu der rasanten Entwicklung einer spezifisch chinesischen FinTech Branche. In diesem schützenden Umfeld konnte UnionPay, ein 2002 gegründeter Bankkartenverband, zum Zeitpunkt der Öffnung des Sektors für ausländische Anbieter wie z. B. Mastercard, bereits eine beherrschende Stellung als Debit- und Kreditkartenanbieter in China erlangen. Von 2010 bis 2015 wurden weiterhin zahlreiche Kredite in China ohne staatliche Kontrolle und Absicherung über die Peer-to-Peer (P2P) Technologie vergeben: Das P2P Unternehmen Ezubao beispielsweise häufte in einem Schneeballsystem fast 60 Milliarden Yuan (rund 9 Mrd. Dollar) Schulden an, und mehr als 900.000 Investoren und Investorinnen verloren ihren Einsatz. Seit 2018 verlangt die chinesische Zentralbank nun, dass alle Online-Zahlungen zentralisiert über die National NetsUnion Clearing Corporation (NUCC) (Wanglian qingsuan youxian gongsi) laufen.

Zu den fünf größten Finanzdienstleistungsunternehmen auf dem chinesischen Markt gehören heute die Internetgiganten Ant Group (Mayi jituan) und Tencent (Tengxun), daneben JD Technology (Jingdong keji, technologische Lösungen) sowie zwei spezialisierte Nachzügler: Ping An (Cloud Computing für Banken) und Du Xiaoman Financial (Betrugserkennung und -prävention).

Außerhalb des Bankensektors wurden zwei mobile Zahlungssysteme, Alipay von Alibaba (seit 2004) sowie WeChat Pay des Tech-Giganten Tencent (seit 2013), marktbeherrschend. Die rasche Verbreitung von Smartphones und die Verbreitung des QR Codes erlaubte kleinen Geschäften, ja selbst Straßenverkäuferinnen und -verkäufern nun eine einfache Bezahlung bzw. die Bestellung von Waren und Dienstleistungen online. Gerade in COVID-19 Zeiten gewannen dann auch Online-Dienstleistungen wie Ele.me (Alibaba) und Meituan dianping (Tencent) sowie Fahrdienste (Didi) große Marktanteile und führten zu einer weiteren Umstrukturierung des Marktverhaltens.

Künstliche Intelligenz: Vorsprung durch massenhafte Datenerfassung

Gesichtserkennung ist in chinesischen Städten allgegenwärtig, nicht nur beim Zugang zu Gebäuden oder in der U-Bahn.] (© picture-alliance/dpa, HPIC | Bi Zhiyi)

China ist weltweit führend bei Veröffentlichungen und Patenten im Bereich der Interner Link: Künstlichen Intelligenz (KI). Dies deutet darauf hin, dass China auch im Bereich der KI-gestützten Unternehmen, z. B. bei Sprach- und Bilderkennungsanwendungen, den Marktführer USA einholen könnte. Wenn man bedenkt, wie wichtig große Datensätze für Innovationen im Bereich der KI sind, ist es naheliegend, dass Chinas gigantische Marktgröße dazu beiträgt, seinen schnellen Aufholprozess im Bereich der KI zu erklären. Wichtig ist hier vor allem auch das politische Umfeld. China hat in den letzten Jahren eine Reihe von Maßnahmen zur Förderung der KI-Entwicklung ergriffen. Diese Politik sendet ein klares Signal an verschiedene KI-Akteure wie Unternehmer, Investorinnen oder Forscher. Darüber hinaus kann das Fehlen klarer Richtlinien und Vorschriften unter anderem für den Datenschutz erklären, warum China in bestimmten KI-Anwendungsbereichen so schnell aufgeholt hat. Beispielsweise schafft die Allgegenwart von Überwachungskameras in China einen großen Markt für KI-Unternehmen, die sich auf visuelle Erkennung spezialisiert haben. Dieser Markt wäre in vielen anderen Ländern mit strengeren Datenschutzbestimmungen nicht so schnell gewachsen.

Jedoch fehlt es chinesischen Unternehmen oft an starken Anreizen, in die Entwicklung von KI-Kerntechnologien zu investieren, da anders als in den westlichen Industrieländern in China die meisten KI-Patente von staatlichen Universitäten und Forschungsinstituten angemeldet werden. Ungeachtet dieser Unwägbarkeiten wird der Wettbewerb zwischen den USA und China auf dem Gebiet der KI noch viele Jahre andauern. Hierbei sollte auch der geopolitische Aspekt nicht unerwähnt bleiben. Wegen der Verwendung von Gesichtserkennungssoftware gerade in Interner Link: Xinjiang stehen verschiedene chinesische KI-Unternehmen, aber auch Telekommunikationsausrüster wie Huawei und zeitweise ZTE auf schwarzen Listen und sind vielerorts vom 5G Aufbau ausgeschlossen.

Smart City: Effizienz und Überwachung

Der digitale Alltag eines 30-Jährigen in China. Die fiktive Person "Herr Zhang" basiert auf drei Experten-Interviews, die der Autor Jens Damm geführt hat. (© bpb)

In China werden zurzeit hunderte sogenannter Smart-City-Projekte umgesetzt. So ging der World Smart City Award im November 2020 an Shanghai ("City Award“) und Shenzhen ("Enabling Technologies Award“). Die EU definiert eine Smart City als einen Ort, an dem herkömmliche Netze und Dienste durch den Einsatz digitaler Lösungen zum Nutzen der Einwohner und Einwohnerinnen sowie Unternehmen effizienter gestaltet werden. Dies betrifft städtische Verkehrsnetze, verbesserte Wasserversorgungs- und Abfallentsorgungseinrichtungen und effizientere Methoden zur Beleuchtung und Beheizung von Gebäuden. Hinzu kommen interaktive Stadtverwaltungen, sicherere öffentliche Räume und die Erfüllung der Bedürfnisse einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung. In China unterstützt das Smart City Konzept zusätzlich den traditionellen Urbanisierungsansatz, den die Interner Link: Kommunistische Partei Chinas (KPCh) seit der Gründung der Volksrepublik verfolgt: Lokale Partei- und Nachbarschaftskomitees (shequ) kontrollieren und leiten Informationen an die Stadtverwaltung weiter, während Nachrichten und Verordnungen bzw. die Parteilinie nach unten vermittelt werden. Durch die umfassende Überwachung des öffentlichen Raums in China u. a. durch Kameras mit Gesichtserkennung und zunehmend der Verwendung von KI wird nicht nur Kriminalität bekämpft, sondern es werden auch "illegale“ Versammlungen und Interner Link: Proteste verhindert; ethnische Gruppierungen wie die Uiguren und Uigurinnen in den Städten Xinjiangs werden besonders strikt beobachtet. Die COVID-19 Pandemie hat zudem die Erprobung einiger Smart-City-Technologien und -Ausrüstungen (Drohnen, Roboter, Tracking-Apps, KI-gestützte Überwachungskameras usw.) in China erheblich beschleunigt.

Gesundheit und Überwachung sind dann auch die beiden wichtigsten Argumente, mit denen China diese Technologie auf dem Weltmarkt – beispielsweise in den ASEAN Staaten und über die "Digital Silk Road“ – vermarktet. Insgesamt dient der Interner Link: Export des chinesischen Smart City Systems auch dazu, andere Länder von der Überlegenheit des chinesischen Modells mit der Betonung von Effizienz, Sicherheit und der Vermeidung von sozialen Unruhen zu überzeugen. Daher stehen zahlreiche chinesische Unternehmen auch in diesem Bereich auf schwarzen Listen der US-Regierung (u. a. Huawei, Megvii Technology, SenseTime oder Yitu Technologies).

Das Sozialkreditsystem: im Dienst gesellschaftspolitischer Ziele

Über die App seiner Social Media Plattform WeChat führte Tencent 2018 Konten für das Social Credit System ein: Je nach Kreditwürdigkeit konnte man 300 bis 850 Punkte erlangen, sofern man seine Ausweisnummer, Namen und Telefonnummer eingab. Die weitere Punktezuteilung erfolgt aufgrund von Informationen zur Person, finanzieller Kreditwürdigkeit, Besitz und Verhalten, auch dem in Sozialen Netzwerken. (© picture-alliance/dpa, HPIC | Lang Xinchen)

Im Jahr 2020 ist aus Sicht der chinesischen Regierung eine weitere wichtige Phase im Aufbau des Sozialkreditsystems (shehui xinyong tixi) abgeschlossen worden, welches darauf zielt, eine datengesteuerte Interner Link: Governance auf verschiedenen Ebenen zur Durchsetzung gesellschaftspolitischer Ziele zu verwirklichen. Mit dem System soll sichergestellt werden, dass sich alle gesellschaftlichen Akteure (Einzelpersonen, Unternehmen, soziale und staatliche Organisationen) an die allgemeingültigen Regeln halten, wobei Parteiorganisationen ausgenommen sind. Private Systeme, beispielsweise zur Feststellung der Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Individuen, existieren parallel, sind aber erst in COVID-19-Zeiten partiell integriert worden.

Ein Bericht des MERICS (Mercator Institute for China Studies) in Berlin aus dem Jahre 2021 kommt u. a. zu folgenden Schlussfolgerungen: Das Sozialkreditsystem beschränkt sich darauf, die Einhaltung und Durchsetzung von vorhandenen Gesetzen und Vorschriften zu überwachen. Es ist ein äußerst flexibles Instrument, das schnell an neue politische Prioritäten angepasst werden kann. Problematisch ist die fehlenden klare Definition des Begriffs "Sozialkredit“. Dadurch besteht die Gefahr, dass sowohl Individuen als auch Unternehmen mit unverhältnismäßigen Strafen und Sanktionen belegt werden. MERICS verweist darauf, dass das Sozialkreditsystem bis heute die am wenigsten digitalisierte der technikgestützten Überwachungsinitiativen Chinas darstellt und sich stark auf herkömmliche Beobachtungen und Berichte stützt.

Die Digitalisierung stärkt das System

Das chinesische Internet und die Digitalisierung der Gesellschaft einschließlich des Interner Link: Sozialkreditsystems ist ein Abbild der chinesischen Politik und Gesellschaft unter der Leitung der KPCh. Über verschiedene chinesische soziale Medien ist zwar bedingt Kritik an gesellschaftlichen Problemen (Umweltschutz, Korruption, Lebensmittelskandale, Entschädigung bei Enteignung, Pfusch am Bau) möglich. Auch das Sozialkreditsystem erlaubt es Bürgern und Bürgerinnen, Missstände aufzugreifen, falls diese Unternehmen oder andere Menschen betreffen. Kritik am Führungsanspruch der Kommunistischen Partei wird jedoch verhindert, und eine Zivilgesellschaft chinesischer Prägung wird in den Dienst des Parteistaates gestellt. Die Digitalisierung der chinesischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stärkt anders als noch in den 1990er Jahren vorhergesagt somit das gegenwärtige System: einerseits durch flächendeckende Kontrolle, andererseits aber auch durch effiziente Governance und die Möglichkeit breiter Teile der Gesellschaft, am wirtschaftlichen Aufschwung teilzuhaben. 

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ist assoziierter Mitarbeiter am European Research Center on Contemporary Taiwan (ERCCT) an der Eberhard Karls Universität Tübingen und Vorstandsmitglied der European Association of Taiwan Studies (EATS e.V.)
E-Mail Link: jens.damm@fu-berlin.de