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Typen, Motivation und digitales Spielen im Alltag

Jörg Friedel

/ 10 Minuten zu lesen

Menschen jeden Alters spielen überall auf der Welt. Im Spiel werden immer wieder neue Verhaltensweisen ausprobiert, Abläufe verändert, Probleme gelöst, die eigenen Gefühle kontrolliert. Es wird vorausgedacht, sich in andere Menschen hineinversetzt, kooperiert und sich miteinander gemessen.

Ob Kinder, Jugendliche, Erwachsene oder Senior*innen: Menschen jeden Alters spielen und das überall auf der Welt. Je nach kulturellen Werten einer Gesellschaft, ihren technologischen Zugängen sowie den individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten variieren aber die Spielformen. In der Kindheit nimmt das Spielen noch eine zentrale Rolle ein. Schon als Säugling beginnen wir damit, unsere Umwelt spielerisch zu erkunden und zu begreifen. Die Art des Spielens verändert und erweitert sich im Laufe der Lebenszeit. Von der Erkundung des eigenen Körpers über den Gebrauch von Spielzeug, Rollenspiele bis hin zu Regelspielen, die in einem festgelegten Rahmen ablaufen. Immer ist es eine Auseinandersetzung mit uns selbst und unserer Umwelt, die spielerisches Verhalten hervorbringt. So trainieren Aufwachsende ihre Denkfähigkeiten, erwerben Wissen und Fähigkeiten im Umgang mit Gegenständen und entdecken viele Gebrauchsmöglichkeiten. Was Erwachsene oft Spiel nennen, ist im Grunde die Aneignung verschiedener Erfahrungen und Kompetenzen als Voraussetzung für Bildung und Denken. Im Spiel werden immer wieder neue Verhaltensweisen ausprobiert, Abläufe verändert, Probleme gelöst und die eigenen Gefühle kontrolliert. Es wird vorausgedacht, sich in andere Menschen hineinversetzt, kooperiert und sich miteinander gemessen. Dabei erwerben wir die nötigen Fähigkeiten für ein eigenverantwortliches, selbstbestimmtes und aktives Lernen und Leben in Gemeinschaften. In seiner Komplexität ist Spielen die effizienteste und anstrengendste, jedoch auch die lustvollste Art zu lernen. Spielzeit ist eine höchst wertvolle Zeit des Wohlbefindens, des Erlebens und Erkennens, die Entwicklungschancen schafft sowie individuelle Begabungen und Potenziale freisetzt.

Abb. 1: Was Erwachsene oft als Spielen bezeichnen, ist die Aneignung von Erfahrungen und Kompetenzen als Voraussetzung für Bildung. (© Photo by Gabe Pierce on Unsplash)

Kultur entfaltet sich im Spielen

Spiele gehören zur Kultur des Menschen. Ob Schauspiel im Theater, das Spiel mit Karten, mit Worten oder mit dem Ball: Vieles wird unter dem Begriff versammelt und zählt zum kulturellen Bestand. Funde von Materialien aus klassischen Spielen wie Spielsteine, Spielpläne oder Würfel reichen viele Tausend Jahre zurück – Brettspiele wie "Senet" wurden bereits im alten Ägypten gespielt (Kobbert 2010, S. 103). Unabhängig ihres Inhalts oder ihrer Botschaft stellen sie ein Kulturgut dar. Sie haben eine hohe gesellschaftliche Bedeutung. In unterschiedlichen Völkern und Kulturen bestehen Unterschiede hinsichtlich der Spieltraditionen und -vorlieben. Jenseits aller Sprachbarrieren tragen Spiele seit jeher zur Gemeinschaftsbildung bei. Laut dem niederländischen Kulturhistoriker Johan Huizinga ist das Spielen ein natürlicher Impuls, der sich in spielerischen Handlungen ausdrückt und zu einer Spielhaltung, einer Probehaltung führt. Huizinga ging davon aus, dass dieser Impuls nicht kulturell erworben und weitergegeben wird, sondern bereits bei der Geburt im Menschen angelegt ist. Um dieses Spielerische im Menschen zu verdeutlichen, hat er den Begriff des "Homo Ludens" – der spielende Mensch – geprägt. Der spielerische Impuls ist jedoch nicht nur auf Spielsituationen begrenzt, sondern zeigt sich auch in Form spielerischen Verhaltens in Situationen des Alltags. Unsere gesamte menschliche Kultur, also Politik, Wissenschaft, Religion, Recht, aber auch kreativschaffende Subkulturen wie Musik, hat ihren Ursprung im Spiel. Indem mit Gedanken gespielt, ausprobiert und immer weiter entwickelt wurde, nahmen Ideen und Abläufe immer mehr Gestalt an. Überlegungen Huizingas (2015, S. 12) führten zu der These, "dass menschliche Kultur im Spiel – als Spiel – aufkommt und sich entfaltet".

Mod (kurz für: Modifikation)

Bezeichnung für Erweiterungen eines bestehenden Computerspiels, die meist von Hobbyprogrammierer*innen kostenlos online zur Verfügung gestellt werden. Dabei handelt es sich beispielsweise um Spielelemente wie Gegenstände, neue Funktionen oder um weitere Spielabschnitte (Levels).

Spiele treffen mit ihren Inhalten Aussagen über unsere Gesellschaft. Gleichzeitig geben sie Impulse für vielfältige Kontexte außerhalb von Spielen, auch wiederum als Kulturstifter für neue Schaffensprozesse. Neben vielen anderen Formen des Spiels gehören längst auch digitale Spiele zum Alltag. Auch mit ihnen folgen wir unserem natürlichen Spieltrieb. Sie stellen ein bedeutendes Massenphänomen der Moderne dar. Sie führen den Spieltrieb als menschliches Bedürfnis und den Computer als Informations- und Kommunikationstechnologie zusammen. Die kulturelle Wirkung digitaler Spiele zeigt sich in Phänomenen der sogenannten Gamingkultur wie dem Cosplay, der Moddingszene, Museen wie das Computerspielemuseum in Berlin, Messen wie die Gamescom, dem E-Sport und Videoplattformen. Zudem sind Berufsfelder wie Gamedesign oder Game Studies entstanden. Games gehören zur Freizeit- und Populärkultur. Längst sind sie Elemente internationaler Überlieferungen mit Einflüssen aus verschiedenen gesellschaftlichen Strömungen. Es brauchte seine Zeit, bis digitalen Spielen die gesellschaftliche Anerkennung zuteilwurde, die sie heute genießen. So wurden sie im Zuge der Killerspieldebatte für Gewaltdarstellungen und Spielaufgaben kritisiert und mit realen Gewalttaten in Verbindung gebracht. Zwar wurden diese Vorurteile durch kontrovers geführte Debatten mittlerweile zum Teil entkräftet, der Mythos der Killerspiele besteht jedoch bis heute fort. Klischees, die Aussagen darüber treffen, wie Spielende aussehen, sich ernähren oder kleiden, gehören zwar nicht gänzlich der Vergangenheit an, wurden aber weitestgehend überwunden. Spielende gibt es heute viele, auch wenn sich nicht jede*r gleich als Gamer*in bezeichnen würde und ebenso unterschiedlich und vielseitig sind die Menschen, die sich damit befassen.

Cosplay

Cosplay (Kofferwort aus "costume" und "play"): Fansubkultur, bei der Lieblingsfiguren aus der Popkultur durch selbst gemachte Kostüme und Verhalten möglichst originalgetreu nachgeahmt werden.

In Deutschland erfreuen sich etwa 34 Millionen Menschen an digitalen Spielen, fast die Hälfte der Bevölkerung. Ein Drittel ist hierzulande älter als fünfzig Jahre und der Anteil an Männern und Frauen ist beinahe gleich (vgl. Wijman 2019; vgl. game 2019a). Mittlerweile werden in der Gamesbranche mehr Einkünfte erzielt als in Fernsehen, Kino oder Musik, denn digitale Spiele haben sich weltweit zum beliebtesten Freizeit- und Unterhaltungsmedium entwickelt (vgl. Reuters 2018).

Dass die Branche solch einen rasanten Aufschwung erlebte und damit verbunden natürlich auch die Anzahl der Spieler*innen schnell anstieg, hängt mit der Entwicklung des Internets zusammen. Manche trauern den LAN-Partys nach, wo man sich zusammenfand, um mit den mitgebrachten PCs über das lokale Netzwerk bis tief in die Nacht zu spielen. Ähnliches geschah in Internetcafés, wo Spielzeit noch Geld kostete. Was heute als Couch-Koop bezeichnet wird, war gängige Praxis, da viele Spiele für stationäre Konsolen und mehrere Spieler*innen ausgelegt waren. Heute verbinden sich Menschen meist über das Internet und spielen unabhängig von Raum und Zeit. Sie tauschen sich über die Spielzeit hinaus in Text-, Sprach- und Videochats aus. Sie bilden kleine oder größere Gemeinschaften in Foren oder auf Spieleplattformen. Gerade die junge Generation verfolgt das Spielgeschehen anderer auf Videoplattformen wie Youtube oder Twitch, um sich unterhalten zu lassen, Tipps zu bekommen oder mitreden zu können. Spieler*innen werden zu Entertainer*innen. Einige von ihnen können mit regelmäßigen Livestreams oder Videos sogar ihr tägliches Brot verdienen. Dabei kommt es weniger darauf an, Spiele gut zu meistern, sondern für sehenswerte Momente zu sorgen, etwa durch humorvolles Kommentieren. Wurden 2016 auf Twitch etwa 290 Milliarden Minuten Gamingstreams angeschaut, hat sich die Dauer bis heute mehr als verdoppelt. Auch die Anzahl der aktiven Streamer*innen steigt stetig an und liegt derzeit bei etwa 7,5 Millionen (vgl. Twitchtracker 2022). Einen großen Beitrag dazu leistet der E-Sport. Kein neues Phänomen, aber eine für Fans spannende kulturelle Bewegung der wettkampforientierten Beschäftigung mit digitalen Spielen. Professionelle Spieler*innen sind vergleichbar mit den Stars klassischer Sportarten. Sie verdienen ihr Auskommen mit Sponsoringverträgen und Preisgeldern aus Turnieren. Gerade junge Spieler*innen eifern ihren Idolen nach. Sie besuchen Wettkämpfe und füllen so ganze Stadien oder verfolgen die Spiele im Internet. So wie das global-gesellschaftliche Bewusstsein für diese Art der Unterhaltung zunimmt, steigen auch die Zuschauer*innenzahlen stetig an (vgl. Newzoo 2019).

Couch-Koop

Als solche werden Spiele bezeichnet, die miteinander an einer Plattform gespielt werden können. Sozusagen der ganz normale Mehrspieler*innenmodus von damals, als es noch keine Möglichkeit gab, online miteinander zu spielen. Das Spielgeschehen weiterer Spieler*innen wird entweder im Splitscreen dargestellt (zum Beispiel "Mario Kart") oder es befinden sich mehrere Akteur*innen auf einem Bildschirm.

Abb. 2: Die größten E-Sport-Events füllen ganze Stadien und werden an ein Millionenpublikum gestreamt. (© Photo by Josh Berendes on Unsplash)

Spielen in allen Lebenslagen

Längst dienen aber auch mobile Medien, also Smartphones und Tabletcomputer, als tragbare Spielekonsole und erlauben Spielerlebnisse in allen Lebenslagen. Für vergleichsweise wenig Geld oder kostenfrei können Apps – mobile Anwendungssoftware – heruntergeladen und sofort genutzt werden. Zu deren Zielgruppe gehören selbst die Kleinsten. Die meisten Spiele werden als App auf mobile Medien heruntergeladen (vgl. game 2019b). Manche Spiele bieten "Cross-Plattform", was bedeutet, dass die Spieler*innen über die verschiedenen technischen Plattformen (wie Konsolen und PC) hinweg zusammenspielen können. Es bleibt abzuwarten, inwiefern digitale Spiele mittels "Cloud-Gaming" (wo Spiele auf zentralen Servern berechnet werden) auch Menschen erreichen können, die ansonsten keine passende Hardware dafür hätten. Wenn Spiele uns schon seit jeher zusammengebracht haben, dann tun sie es heute umso mehr, da sie Menschen aus aller Welt miteinander ins Spiel oder ins Gespräch bringen, unabhängig ihres Alters, ihrer Sprache oder anderer Eigenschaften.

Cross-Platforming

Normalerweise ist der Online-Multiplayer*innen-Modus bei Spielen auf die jeweilige Plattform, zum Beispiel Microsoft Xbox, Nintendo Switch oder den PC, beschränkt. Cross-Plattform bietet die Möglichkeit, plattformübergreifend miteinander zu spielen.

In diesem Artikel wird auf den Begriff der sogenannten Gamer*innen verzichtet. Unklar ist nämlich, was genau unter einem "Gamer" / einer "Gamerin" zu verstehen ist beziehungsweise wann jemand "dazugehört". In den öffentlichen und zum Teil sehr hitzig geführten Debatten wie #GamerGate wurde der Begriff zudem instrumentalisiert, um bestimmte Personengruppen auszuschließen. Aus dem englischen Sprachraum kommend (Games), bezeichnet der Begriff "Gamer*in" gemeinhin Spieler*innen digitaler Spiele. Dazu gehören sicherlich sämtliche Liebhaber*innen digitaler Spiele im Allgemeinen, unabhängig davon, ob sie nur gelegentlich oder regelmäßig spielen und weniger oder mehr Zeit damit verbringen. Doch die Art und Weise der Auseinandersetzung mit digitalen Spielen kann sich stark voneinander unterscheiden und lässt sich einzig mit Blick auf die Spielzeiten nur unzureichend erfassen. Es geht nicht nur um das Spielen selbst, auch Zuschauen macht Spaß. Haben Spieler*innen sich früher noch vor Ort abgewechselt und das Spielgeschehen von außen verfolgt, können sie sich heute auf Onlineplattformen wie Youtube oder Twitch unterhalten lassen. Anderen ist es wichtig, zu wissen, welche Gaminghardware auf dem Markt ist oder wie der PC optimal ausgebaut werden kann. Der überwiegende Anteil der Spieler*innen spielt hauptsächlich mobile Spiele-Apps und füllt damit zeitliche Lücken. Die meisten Spieler*innen fallen in diese Kategorie der sogenannten Time-Filler. Einige Senior*innen beschäftigen sich mit Spielen, um sich geistig fit zu halten. Darüber hinaus gibt es jene, die sich für alle Aspekte des Gamings interessieren und einen großen Teil ihrer Freizeit damit verbringen, jedoch wenige andere Interessen haben (vgl. Bosman 2019).

Cloud-Gaming

Ton- und Videosignale werden nicht von der Grafikkarte, sondern von einem externen Server über das Internet (die Cloud) empfangen. Gesendet werden nur die Nutzer*inneneingaben. Mit Cloud-Gaming ist es möglich, mit einer leistungsschwachen Spieleplattform Spiele zu spielen, welche die Anforderungen nicht oder nicht zur Genüge erfüllt. Dafür ist allerdings eine schnelle und stabile Internetverbindung notwendig, um die Datenpakete ohne Verzögerungen zu transportieren.

Spiele befriedigen grundlegende Bedürfnisse

Über 90 Prozent der 12- bis 19-Jährigen in Deutschland nutzen digitale Spiele, wie aus der JIM-Studie 2021 hervorgeht. Warum sind digitale Spiele gerade bei Kindern und Jugendlichen so beliebt? Vordergründig sorgen Spiele für Unterhaltung. Die Psychologie offenbart: Der Umgang mit digitalen Spielen ermöglicht die Befriedigung grundlegender psychologischer Bedürfnisse wie Kompetenz, Autonomie und Beziehung. Es fühlt sich gut an, wenn ein Ziel erreicht oder eine Herausforderung gemeistert wurde. Als interaktive Medien faszinieren Bildschirmspiele dadurch, dass das Spielgeschehen aktiv beeinflusst werden kann. Fast jede Aktion ruft eine visuelle oder akustische Reaktion hervor. Haben wir schwierige Aufgaben gelöst, werden wir mit Erfahrungspunkten, neuen Gegenständen oder sozialer Anerkennung belohnt. Diese Rückmeldungen sind es, die uns ein Gefühl von Selbstwirksamkeit und Kompetenz vermitteln (Klimmt 2010, S. 9). In Spielen können Spieler*innen ihren Weg bis zu einem gewissen Punkt selbst wählen und sich ausprobieren. Auf Fehlschläge folgen weitere Versuche, ohne reale Konsequenzen fürchten zu müssen. Dadurch entsteht ein Gefühl der Unabhängigkeit. Das Bedürfnis dazuzugehören und gebraucht zu werden, kann nicht nur in Multiplayerspielen gestillt werden. Auch Singleplayerspiele mit fiktionalen Charakteren geben uns das Gefühl, anderen wichtig zu sein und eine zentrale Rolle einzunehmen (vgl. Psychreg 2019).

Was und wie wir spielen, hängt auch davon ab, welcher Spieler*innentypus wir sind und welche Spielanteile uns zum Spielen motivieren. Für manche ist das Eintauchen in eine spannende Geschichte von großer Bedeutung, während andere strategisches Denken bevorzugen, sich besonders schwierigen Herausforderungen stellen, sich miteinander messen oder kreativschaffend ausleben wollen. Je nach unseren persönlichen Vorlieben, Bedürfnissen und Fähigkeiten sind wir mehr oder weniger empfänglich für gewisse Spielanreize. Diese sind vielfältig und können je nach Genre, Spielmechaniken und vielen anderen Spielelementen eines Spieltitels auch bei ein- und derselben Person variieren. Das Gamer Motivation Model identifiziert sechs Kategorien mit jeweils zwei Ausprägungen (vgl. Quantic Foundry 2016). Sie stellen die Vorlieben von Spieler*innen heraus. Hinzu kommen geschlechtsspezifische Unterschiede, denn während männliche, junge Spieler oft den Wettbewerb (Duelle, Matches, Ranglisten) und die Zerstörung (Waffen, Explosionen) bevorzugen, zieht der überwiegende Teil der Spielerinnen die Komplettierung (Missionen abschließen, Objekte oder Punkte sammeln) und Fantasie (jemand anders sein, woanders sein) vor. Für Spieler*innen, die sich selbst geschlechtlich als nicht-binär definieren, sind Fantasie und Design (Ausdruck von Individualität, Anpassung) tendenziell motivierende Spielanteile, während Macht (kraftvoller Charakter, Ausrüstung, Statistiken) und Action (Überraschungen, Nervenkitzel) weniger ausgeprägt sind (vgl. ebd.).

Fließen und Fliehen

In Anlehnung an ein Gefühl der Involviertheit als Sammelbegriff für Interaktion und Immersion können uns digitale Spiele auch jederzeit ganz in Beschlag nehmen. Dieser Flow-Effekt, sinngemäß Fließen oder Strömen, meint einen längeren Zustand des tief empfundenen Glücks, des Aufgehens in einer Tätigkeit, von innen motiviert und als Selbstzweck. Aufmerksamkeit, Motivation und Umgebung treffen in einer Art Harmonie zusammen. Solche Momente können sich entfalten, wenn Anforderungen und Fähigkeiten in einem ausgewogenen Verhältnis zueinanderstehen, sodass weder Langeweile wegen Unterforderung noch Frustration aufgrund von Überforderung aufkommen. Es entsteht das Gefühl der Kontrolle über die eigene Aktivität. Diese erscheint mühelos, sodass alltägliche Sorgen verschwinden. Selbst das Zeitgefühl verändert sich, da Handlung und Bewusstsein miteinander verschmelzen (Csikszentmihalyi 1996, S. 103 f.).

Immersion

Bezeichnet das Eintauchen in eine künstliche, virtuelle Welt. Die Spielenden neigen in diesem Moment dazu, die reale, physische Welt um sich herum vorübergehend zu vergessen. Dagegen wird die künstliche Welt als realistisch empfunden. Der Grad der Immersion kann danach bestimmt werden, wie intensiv die Spielerfahrung ist und inwieweit sich die Spielenden mit der Spielfigur identifizieren.

Abb. 4: In den Flow können wir nicht nur beim Spielen, sondern auch beim Arbeiten oder Lernen gelangen. (© Spielbar.de nach Csikszentmihalyi 1996)

Gut ausbalancierte Spiele können eine große Faszinationskraft ausüben. Spieler*innen bestimmen dabei selbst den Schwierigkeitsgrad. Die virtuelle Spielwelt ist beherrschbarer als die reale Lebenswelt. Diesbezüglich wird digitalen Spielen der Vorwurf gemacht, sie würden Eskapismus – die Flucht vor realen Herausforderungen in die Spielwelt – begünstigen. Doch ist dieses "Sich-Verlieren" oder "Abtauchen" in etwas fernab der realen Welt, sei es nur für wenige Stunden, etwas Schlimmes, das vermieden werden sollte? Schließlich suchen wir auch in anderen Medien nach Momenten der Entspannung, Unterhaltung und Zerstreuung. Womöglich ist die Flucht vor der Wirklichkeit sogar notwendig, um unseren Geist ins Gleichgewicht zu bringen und von den Anforderungen des Alltags zu entlasten.

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