Die Gamingbranche wächst und digitale Spiele manifestieren sich in der Gesellschaft. Der E-Sport profitiert von dieser Entwicklung: Preisgelder und Zuschauer/-innenzahlen von Veranstaltungen wie der „Fortnite“-WM im Jahr 2019 steigen. Im Finale konnte ein gemeinsamer Höchstwert von 2,3 Millionen Zuschauer/-innen auf den Plattformen Twitch und Youtube verzeichnet werden (vgl. Epic Games 2019). Anhand des „Dota 2“-Turniers „The International“ lässt sich das Wachstum der Preisgelder im E-Sport besonders gut verdeutlichen. Ausgehend von 1,6 Millionen US-Dollar in den Jahren 2011 und 2012 erhöhte sich das Preisgeld jedes Jahr kontinuierlich; im Jahr 2019 wurden dort Preisgelder im Gesamtwert von 34 Millionen Dollar ausgeschüttet (vgl. Esports Earnings 2019). Der Hersteller Valve zahlt dabei nur einen Bruchteil der Gesamtsumme, den Großteil steuerten Fans durch Crowdfunding bei (vgl. Die Welt 2019). Konkret funktioniert das Crowdfunding über den Erwerb eines optionalen digitalen Erweiterungspakets, das neue Spielinhalte für die Spieler/-innen von „Dota 2“ beinhaltet. 25 Prozent dessen Erwerbspreises fließen wiederum in die Preisgelder des Turniers „The International“ (vgl. Valve 2019).
Die Wettkämpfe werden im Mehrspieler/-innenmodus der digitalen Spiele ausgetragen. Spiele und Genres fungieren als Disziplinen des E-Sports. Zu den beliebtesten Klassikerdisziplinen gehören das Echtzeitstrategiespiel „StarCraft“ (Blizzard, 1998) beziehungsweise dessen Nachfolger „StarCraft II“ (Blizzard, 2010) oder „Warcraft III“ (Blizzard, 2002) und die Ego-Shooter „Counter-Strike“ (Valve, 2000), „Counter-Strike: GO“ (Valve, 2012) sowie „Quake“ (id Software, 1996) und die Nachfolgetitel wie beispielsweise „Quake III Arena“ (id Software, 1999) oder „Quake Champions“ (id Software, 2017). Ebenfalls als E-Sport-Titel weitverbreitet sind die taktischen Arenaspiele „League of Legends“ (Riot, 2009) und „Dota 2“ (Valve, 2013). Neuere Wettkampftitel sind beispielsweise die Battle-Royale-Shooter „Fortnite“ (Epic, 2017) und „Playerunknown’s Battlegrounds“ (PUBG, 2017).
E-Sport als Breitensport
E-Sport-Veranstaltungen können Stadien füllen, vergleichbar mit Konzerten oder Sportveranstaltungen. Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene unterstützen ihre favorisierten Teams und Spieler/-innen live vor Ort und schauen Matches primär über Streamingplattformen wie Twitch.
Grundsätzlich kann jede / r mit dem Spiel, einem entsprechenden Computer oder einer Spielkonsole und einer Internetverbindung E-Sport betreiben. Abseits der international-professionell organisierten Profiturniere gibt es Millionen von Menschen, die sich im Amateur/-innenbereich online mit anderen einen Wettkampf liefern. Viele E-Sport-Titel haben ein Punkte- und Rangsystem implementiert, das die Fähigkeiten der Spieler/-innen widerspiegelt. Der Reiz liegt darin, die eigenen Fähigkeiten zu perfektionieren und andere zu übertreffen. Dies beansprucht wie beim klassischen Sport viel Übung und kann einen hohen Zeitaufwand erfordern. Je nach Spielmodus (solo- oder teambasiert) suchen sich auch Amateur/-innen selbstorganisierte Teams (Clans) und Ligen, um sich mit anderen zu messen und gegen sie anzutreten. In Trainingsspielen können Taktiken einstudiert und die Kommunikation im Team verbessert werden. Häufig entwickeln sich dabei auch Freundschaften. Vor allem europäische Profi- und Amateur/-innenteams setzen sich oftmals aus unterschiedlichen Nationalitäten zusammen, sodass interkulturelle Kompetenzen gefördert werden.
Die Diskussion über E-Sport als Sport in Deutschland
Zwischen E-Sport und Sport lassen sich einige Parallelen ziehen. Je nach den spezifischen Eigenheiten eines E-Sport-Titels sind unter anderem Reaktionsgeschwindigkeit, Hand-Augen-Koordination, Multitasking, Teamkommunikation, Strategieentwicklung, taktisches Verständnis, Entscheidungsfindung und Genauigkeit gefragt. E-Sport lässt sich dahin gehend als ein Mix aus Denksport und Geschicklichkeitsspiel begreifen, das ein hohes Maß an Spielverständnis erfordert. Das feinmotorische Agieren mit Händen und Augen unter Druck- und Stresssituationen lässt sich durchaus mit traditionellen Sportarten vergleichen, auch wenn dort meist andere motorische Fähigkeiten gefordert werden, die sich eher in einer ganzkörperlichen physischen Ertüchtigung niederschlagen (Sauer 2019, S. 18). Dass die erforderliche Schnelligkeit an Maus und Tastatur durchaus anstrengend sein kann, zeichnet sich durch die Rate an Tastaturanschlägen und Mausklicks ab. Diese Aktionen pro Minute (actions per minute, APM) spielen in erster Linie bei E-Sport-Titeln des Genres der Echtzeitstrategie eine zentrale Rolle, bei der Profispieler/-innen durchschnittlich mehrere Hundert APM während eines Matches erreichen. Diese vielen Eingaben sind nötig, da in diesem Genre eine hohe Anzahl an Einheiten gleichzeitig aus der Vogelperspektive gesteuert wird und ein hohes Maß an Multitasking vonnöten ist. Dazu kommt die mentale Belastung der Spieler/-innen, denn je nach Spiel können sich die einzelnen Partien über mehrere Stunden ziehen.
Seit Herbst 2018 unterscheidet der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) (vgl. 2018) zwischen Sportsimulationen („E-Sport“) und anderen digitalen Spielen („E-Gaming“). Abseits des ungünstig gewählten Begriffs „E-Gaming“ („Gaming“ ist immer digital und elektronisch) bleibt auch die inhaltliche Unterscheidung schleierhaft und umstritten. So handelt es sich etwa bei der Fußballsimulationsreihe „FIFA“ zwar um das Abbild einer real existierenden Sportart, und das fußballerische Taktikverständnis ist auch digital von Vorteil. Dennoch unterscheidet sich die Tätigkeit des digitalen Spielens deutlich von der des Fußballspielens auf dem Spielfeld und ähnelt eher den übrigen digitalen Spielen, auch wenn hier die erforderten Fähigkeiten durchaus variieren können.
Der DOSB verweigerte dem E-Sport die Aufnahme und damit die Anerkennung als Sport. Ein Rechtsgutachten im Auftrag des DOSB hebt die beim E-Sport fehlende Körperlichkeit hervor, die als eine grundlegende Anforderung an Sport angesehen wird (vgl. Zeit online 2019). In Anbetracht von traditionell anerkannten Sportarten wie Billard oder Sportschießen erscheint diese Anforderung vielen Kritiker/-innen ungerecht. Die Organisation des Denksportes Schach im DOSB sei eine historische Ausnahme. Der Schachbund ist Gründungsmitglied des DOSB.
Der Leiter des Zentrums für Gesundheit durch Sport und Bewegung an der Deutschen Sporthochschule Köln, Ingo Froböse, argumentiert für eine Anerkennung des E-Sports als reguläre Sportart. Dies begründet er unter anderem mit einer hohen körperlichen Belastung der E-Sport-Profis. So würden bei einem „Counter-Strike“-Finale, das bis zu fünf Stunden dauert, bis zu 2000 Kalorien verbraucht. Die Forschung der Kölner Sportwissenschaftler/-innen hat ergeben, dass die geistige und körperliche Belastung von E-Sportler/-innen sehr hoch ist. Dazu gebe es Bewegung und Spaß. Beim Spielen an der Konsole käme es zum Ausstoß der Stresshormone Adrenalin oder Cortisol wie beim Elfmeterschießen im Fußball. Spieler/-innen hätten einen Puls zwischen 140 und 150 Schlägen pro Minute (vgl. Froböse 2019).
Als weiteren Grund für seine Einschätzung nennt der DOSB (vgl. 2018) das Geschäftsmodell des E-Sport: „Im Gegensatz zu dem gemeinwohlorientierten Sport, den der DOSB mit seinen Vereinen und Verbänden vertritt und in dem Entscheidungen über Regeln, Spiel- und Wettkampfsysteme demokratisch getroffen werden, stehen im E-Sport gewinnorientierte global agierende Unternehmen im Vordergrund. Einzig und allein diese Unternehmen entscheiden über Regeln, Inhalte und Spielformen.“ Darüber hinaus erwähnt der DOSB (ebd.) die explizite Gewaltdarstellung im E-Sport und die daraus resultierende Unvereinbarkeit mit seinen ethischen Werten: „In vielen Spielen ist die Vernichtung und Tötung des Gegners das Ziel des Spiels. Insbesondere die deutlich sichtbare und explizite Darstellung des Tötens von virtuellen Gegnern ist mit den ethischen Werten, die wir im Sport vertreten, nicht vereinbar.“
Förderung in Südkorea, China und den USA.
International wird E-Sport gesellschaftlich und politisch unterschiedlich aufgefasst. In einigen Ländern ist er eine offiziell anerkannte Sportart. Es gibt TV-Übertragungen und staatliche Förderungen. E-Sport ist sogar teilweise Gegenstand des Lehrplans an Schulen und Universitäten. Als Vorreiternation des E-Sports gilt Südkorea. Im Jahr 1998, mit dem Erscheinen des RTS-Titels „StarCraft: Brood War“, etablierte sich der E-Sport im Land. Er genießt bis heute viel Anerkennung und verfügt über eine große Basis an Spieler/-innen und Zuschauer/-innen (vgl. Sport1 2019). E-Sport-Profis sind in Südkorea anerkannte Athlet/-innen, die zum Teil die Popularität von Popstars erreichen. Das Wirtschaftsmagazin „Forbes“ wählte den südkoreanischen „League of Legends“-Star Lee Sang-hyeok alias „Faker“ zu einer von Asiens dreißig wichtigsten Persönlichkeiten im Bereich Entertainment und Sport unter dreißig Jahren (vgl. Lee & Nishikori 2019). Weltweit bekannte Marken wie Nike schlossen im Januar 2020 eine Partnerschaft mit „Fakers“ Team „T1“. Neben dem Sponsoring von Teambekleidung übernimmt Nike den Bau einer neuen E-Sport-Trainingsanlage für „T1“ in Seoul. Lee Sang-hyeok nimmt dabei als einer der bekanntesten und erfolgreichsten E-Sportler weltweit eine Schlüsselrolle in der Partnerschaft zwischen Nike und T1 ein (vgl. Impey 2020).