Verfassungsfeindliche Symbole, Gewalt oder die Missrepräsentation marginalisierter Gruppen sind im wahrsten Sinne des Wortes offensichtliche Ziele einer kritischen Betrachtung von Computerspielen. Aber politische Inhalte im Computerspiel hören nicht dort auf, wo die Möglichkeiten ihrer Abbildung auf einem Bildschirm enden. Vielmehr kommt gerade erst auf der Ebene ihrer Regelsysteme das volle ideologische Potenzial zur Geltung.
Computerspiele erschließen sich uns zunächst über Augen und Ohren. Bevor wir den Spielcontroller selbst in die Hand nehmen, können wir uns zur politischen Einschätzung nur auf ihre audiovisuellen und narrativen Oberflächen verlassen. Betrachten wir ein Spiel wie „Wolfenstein II: The New Colossus“ (2017, MachineGames) wird schnell sicht- und hörbar: Der populäre Ego-Shooter bietet primär martialische Waffengewalt, das kontrafaktische Spiel mit nationalsozialistischer Ästhetik und eine Erzählung antifaschistischen Widerstands.
Ohne Zweifel handelt es sich um einen politisch relevanten Kulturgegenstand. Er berührt kritische Aspekte des Jugendschutzes, der Darstellung deutscher Geschichte und des Kampfes gegen den Faschismus. Nehmen wir jedoch den Controller selbst in die Hand, stellen wir fest: Der Ego-Shooter ähnelt anderen Vertretern seines Genres. „Wolfenstein II: The New Colossus“ könnte ebenso gut wie „Doom Eternal“ (2020, id Software) Dämonen statt Nazisoldaten in die Schlacht schicken. Für die unmittelbare Spielerfahrung macht das politische Setting keinen wesentlichen Unterschied.
Diese Austauschbarkeit der Oberflächen bringt zwei Probleme mit sich. Erstens besteht die Gefahr, dass die audiovisuellen und erzählerischen Inhalte mit dem eigentlichen Spielsystem verwechselt werden. Zweitens schließt sich an diese Verwechslung eine Verkennung des eigenständigen politischen Potenzials eben jenes Spielsystems an. In der Debatte um sogenannte Killerspiele ist das besonders deutlich geworden. Der Begriff etablierte sich nach dem tragischen Amoklauf von Erfurt im Jahr 2002 im politischen Diskurs um die Wirkung von Gewalt in Computerspielen.
So sprach 2008 der bayerische Innenminister Joachim Herrmann Externer Link: im Interview mit „Zeit Online“ davon, dass er selbst nicht spiele, sich die betroffenen Spiele jedoch intensiv anschaue. Basierend auf diesen Eindrücken kommt er zur Einschätzung: „Je grausamer der Mord, umso höher die Punktzahl“ (vgl. Läßig 2008). Verteidiger*innen von Ego-Shootern wie „Counter-Strike“ (2000, Valve) rücken hingegen die vermeintlich unverfängliche Spielmechanik in den Vordergrund. Es gäbe eher eine Ähnlichkeit zum analogen Schach, erklärt 2010 der E-Sportler Manuel MakohlExterner Link: im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“: „Man muss vorausschauend spielen“ (vgl. Picker 2010).
Beide Perspektiven sind unzureichend. Der bloße Blick auf die Oberflächen erzeugt ein verzerrtes Bild des Spielverlaufs. Nur weil die Bilder politisch sind, muss es das Spielsystem nicht in gleicher Weise sein. Der Vergleich mit ähnlichen, gesellschaftlich bereits etablierten Kulturartefakten verkennt jedoch, dass auch ein Spiel wie Schach nicht politisch neutral, sondern durchaus Teil historischer Kriegsvorstellungen und Ausdruck gesellschaftlicher Hierarchien ist. „Wolfenstein II: The New Colossus“ und „Counter-Strike“ mögen auf den ersten Blick politisch aussehen, aber – wie im Folgenden gezeigt werden soll – es offenbart sich erst in der aktiven Auseinandersetzung mit den Spielsystemen, ob wir Ideologie spielen, wenn wir spielen.
Blackbox Computerspiel
Dass es schwerfällt, Computerspiele auf der Ebene ihrer Spielsysteme zu betrachten, hängt auch damit zusammen, dass sie sie gut vor uns verstecken. Um analoges Schach zu spielen, müssen die Regeln gelernt und anschließend eigenständig umgesetzt werden. Schachspielen ohne Kenntnis der Regeln ist nicht möglich. Im digitalen Spiel hingegen übernimmt der Computer automatisiert die Umsetzung der Regelsysteme. Der Historiker und Spielentwickler James F. Dunnigan (2000, S. XII) spricht daher vom „Black Box Syndrome“. Was sich genau hinter den Plastikhüllen der Spielmaschinen abspielt, bleibt häufig im Dunkeln.
In seinem Essay „Externer Link: Play It Again, Pac-Man“ weist der Dichter Charles Bernstein (vgl. 2009) bereits Ende der 1980er auf die Ähnlichkeit der unsichtbaren und unantastbaren Regelsysteme von Computerspielen mit Ideologien hin. Weil sie ihre Kontrollinstrumente verstecken, können sie uns umso wirkungsvoller kontrollieren, schreibt er. Das entspricht ebenso dem Ideologieverständnis des Philosophen Slavoj Žižek. Ihm zu Folge ist Ideologie nicht einfach die falsche Wahrnehmung einer objektiven Realität. Die vermeintliche Realität selbst stelle bereits eine ideologische Dimension dar (Žižek 1989, S. 16). Für das reibungslose Funktionieren von Gesellschaft und Spiel muss diese ideologische Dimension in der Regel aus dem Bewusstsein verdrängt werden. Der Literaturwissenschaftler Marshall McLuhan (2007, S. 259) spricht davon, dass Spiele Maschinen seien, die von uns einfordern, für eine Weile freiwillig zu Puppen zu werden. Spätestens mit dem Einüben von Interface und Bildoberfläche eines Computerspiels wird dessen ideologisches Spielsystem für uns langsam zur zweiten Natur. Wie der Medienwissenschaftler Rolf F. Nohr (2010, S. 109) schreibt: „Wir naturalisieren Ideologie, wenn wir spielen.“
Kriegs- und Arbeitsmaschinen
Um Computerspiele umfassend als politische Gegenstände betrachten zu können, muss diese Naturalisierung hinterfragt werden. Ein wichtiger Schritt ist dafür der Blick in die Vergangenheit. Nicht erst seit „Pong“ (1972, Atari) spielen Menschen mit Computern und auch der Computer selbst hat eine vielfältige Entwicklungs- und Ideengeschichte. Wie der Medienwissenschaftler Claus Pias (vgl. 2002) in seinem Standardwerk „Computer Spiel Welten“ zeigt, existieren vor allem enge Verknüpfungen zur militärischen und wissenschaftlichen Forschung und Entwicklung. Im Computerspiel ist dieses Erbe nach wie vor präsent.
Prototypische Computerspiele wie etwa die Tennissimulation „Tennis for Two“ (1958) von William Higinbotham basieren auf militärischem Know-how und wissenschaftlicher Messtechnik. Der Physiker war in den 1940er-Jahren etwa für die Zielerfassung des B-28-Bombers sowie den Zündmechanismus der ersten Atombombe mitverantwortlich. Er setzte dieses Know-how über Flugbahnen und Zeitplanung später in der spielerischen Darstellung von Tennis auf einem Oszilloskop um (Pias 2002, S. 13 ff.). Bis „Pong“ sind es zwar noch mehr als zehn Jahre, doch die damals etablierten Grundprinzipien des Computerspiels blieben weitgehend unverändert. Bis heute orientiert sich ein großer Teil der digitalen Spiele in ähnlicher Weise an den Einsatzgebieten und Möglichkeiten früher Computertechnologie. Sie vermessen Reaktions-, Entscheidungs- und Planungsvermögen ihrer User*innen und vergleichen diese mit den Vorgaben einer Software oder der Leistung anderer Menschen. Obwohl das Ziel eines Spiels nach allen gängigen Definitionen (vgl. etwa Suits 2014) nicht in der Optimierung von Messdaten aufgehen muss, passiert genau das in fast allen modernen digitalen Spielen. Sie sind, wie Pias (2002, S. 104) schreibt, „eine Art ,unheimlicher‘ Doppelgänger des Desktops“.
Wo Arbeitscomputer und Anwendungssoftware uns die Arbeit möglichst leicht machen, kehrt das Computerspiel dieses Prinzip um. Die Arbeit wird zum Spiel, weil wir nun, im Sinne des Philosophen Bernard Suits (2014, S. 43), am Bildschirm freiwillig unnötige Hindernisse überwinden. Dem Spielziel stehen Monster, Rätsel und knappe Ressourcen im Weg. Das Ziel bleibt jedoch auch im Computerspiel eine zu optimierende Arbeitsleistung. Wo analoge Spiele viele verschiedene Möglichkeiten des Gelingens anbieten und dabei den Spieler*innen das letzte Wort lassen, zählt im digitalen Spiel vor allem, was sich reproduzierbar durch einen Computer zählen lässt. Das heißt, während beim analogen „Monopoly“ (1935, Parker Brothers) bei Zahlungsunfähigkeit ein Auge bei den Spielregeln zugedrückt werden kann, um den gemeinsamen Spaß nicht zu gefährden, ist das digitale „Monopoly“ (2017, Ubisoft) stets ein unbestechlicher Schiedsrichter. Spielen heißt hier zwingend, etwas Messbares zu leisten.
Als zweckentfremdetes Arbeitswerkzeug und „Mißbrauch von Heeresgerät“ (Kittler 1986, S. 149) übertragen Computerspiele so die Ideologien einer leistungsorientierten Arbeitsgesellschaft und des planungsorientierten Militärs. Ein modernes Strategiespiel wie „This War of Mine“ (2014, 11 Bit Studios) präsentiert sich an der Oberfläche als ziviler Überlebenskampf zwischen den Fronten eines Bürgerkrieges. Auf der Ebene der Spielmechanik handelt es sich jedoch um ein rein logistisches Problem, das sich mit hinreichender Arbeitsleistung reproduzierbar lösen lässt. Selbst eine Depression wird hier zu einer Frage der Ressourcenverteilung.
Allegorische Algorithmen
Gamedesigner*innen, die die technikhistorischen Grundlagen ihres Gegenstandes nicht kritisch reflektieren, sind also dazu verdammt, die Vergangenheit des Computerspiels zu wiederholen. Prozesse der Vermessung, Optimierung und Kontrolle von Leistung finden auf diese Weise ihren Weg in alle politischen Aussagen digitaler Spiele – seien sie zum Kampf gegen den Faschismus, zum Umgang mit einer Depression oder zum Verlauf von Weltgeschichte. Die Strategiespiele der „Civilization“-Reihe (1991 bis 2016) repräsentieren die Entwicklung der Menschheit etwa als linearen Optimierungswettkampf abgetrennter Ethnostaaten.
Der unverfänglichen Präsentation der Spiele sieht man dieses reduzierte Geschichtsbild zunächst nicht an. „Das Spiel spielen heißt, den Code des Spiels zu spielen“, betont der Medienwissenschaftler Alexander R. Galloway (2007, S. 275). Erst im aktiven Erproben der Regelsysteme schält sich – als Kofferwort aus Allegorie und Algorithmus – ein „Allegorithmus“ (ebd.) heraus, der sich ideologiekritisch interpretieren lässt. Im Fall der „Civilization“-Reihe ist das ein Allegorithmus der „informatischen Kontrolle“ (ebd.), der Repräsentation von Geschichte als berechenbares und kontrollierbares System von Variablen.
Um die Widersprüche, Austausch- und Vermischungsprozesse menschlicher Zivilisationen zu repräsentieren, ist dieser allegorische Algorithmus denkbar ungeeignet. Eine ähnliche Kritik formuliert die Kulturwissenschaftlerin McKenzie Wark. Die primäre Gewalt des Computerspiels sei nicht der Splatter auf den Bildschirmen, schreibt sie, sondern die Tatsache, dass analoge Zusammenhänge zu digitalen Bits reduziert würden. Statt Kontinuen formulieren sie Grenzen – gewonnen oder verloren, Freund oder Feind (Wark 2007, § 023). Diese ideologischen Grundstrukturen des Computerspiels erlauben Grauzonen und Mehrdeutigkeit lediglich eingeschränkt.
Das wirkt sich auf die audiovisuellen und narrativen Oberflächen aus. Viele Gamedesignratgeber empfehlen etwa, Interner Link: gesellschaftlich etablierte Feindbilder zu nutzen, da diese eine eindeutige Zuordnung auf der Ebene der Spielmechanik erlauben (Rogers 2010, S. 314). Der Ego-Shooter „Spec Ops: The Line“ (2012, Yager Development) deutet dieses Prinzip jedoch subversiv um. Er markiert Personen im Spielinterface als feindliche Soldaten, in der Spielerzählung jedoch als Zivilisten, die Notwehr üben. Diese Reibung von spielmechanischer Ideologisierung und narrativer Umdeutung produziert im Idealfall eine kritische Auseinandersetzung mit den Spielhandlungen.
Ähnlich verfährt die Gamedesignerin Anna Anthropy. Das autobiografische Spiel „Dys4ia“ (2012) hat die gegengeschlechtliche Hormontherapie der Transfrau und ihre damit einhergehenden körperlichen Veränderungen zum Gegenstand. Dargestellt wird dies unter anderem mit Elementen des Puzzlespiels „Tetris“ (1984, Alexei L. Paschitnow). Der Allegorithmus von „Tetris“ ist das optimierte Anordnen standardisierter Spielsteine. In „Dys4ia“ entsprechen die Spielsteine jedoch keiner Norm und passen sich so nicht widerstandslos in die Spielwelt ein. Anna Anthropy deutet hier also gezielt den Allegorithmus von „Tetris“ zu einer Kritik gesellschaftlicher Körperbilder um.
Prozedurale Rhetorik
Treffen Spielentwickler*innen gezielt Aussagen zu den Regelsystemen und den Prozessen, die diese auslösen, spricht der Medienwissenschaftler Ian Bogost von „procedural rhetoric“ (2007, S. 2 f.). Ein gutes Beispiel für diese auf Prozessen basierende Rhetorik ist das Spiel „Externer Link: To Build a Better Mousetrap“ (2014, Molleindustria) des Künstlers Paolo Pedercini. Die Spieler*innen verwalten eine abstrahierte Fabrik, deren Fließband- und Büroarbeiter sich zunehmend durch Maschinen ersetzen lassen. Damit wächst jedoch die Anzahl unzufriedener Arbeitsloser, die das Fundament der Fabrik langfristig gewaltsam zum Einsturz bringen.
Die Botschaft des Spielsystems scheint eindeutig: Optimierung durch Automatisierung senkt Kosten und erhöht Produktivität, blendet jedoch die gesellschaftlichen Spannungen aus, die mit erhöhter Arbeitslosigkeit einhergehen. Die Computerwissenschaftler Mike Treanor und Michael Mateas betonen jedoch den hohen Grad an Abstraktion und Komplexitätsreduktion solcher spielerischen Modelle. Sie vergleichen digitale Spiele wie „To Build a Better Mousetrap“ mit politischen Karikaturen und weisen darauf hin, dass Menschen, die noch nicht über ausreichend Erfahrung mit prozeduraler Rhetorik verfügen, die Spielsysteme missdeuten könnten (vgl. Treanor & Mateas 2009).
Hinweise auf solche unerwünschten Effekte prozeduraler Rhetorik haben die Psycholog*innen Gina Roussos und John F. Dovidio entdeckt (vgl. 2016). Ihr Forschungsgegenstand „SPENT“ (2011, Urban Ministries of Durham) zielt darauf ab, durch spielerische Entscheidungsdilemmata Empathie für die prekäre Lage armer US-Amerikaner*innen zu vermitteln. Unter den Teilnehmer*innen ihrer Studie verschlechterte sich die Einstellung gegenüber armen Menschen jedoch signifikant nach dem Spielen. Schließlich, Externer Link: so die Interpretation der Forscher*innen, suggerieren die aktiven Entscheidungssituationen von „SPENT“ keine strukturelle, sondern eine individuelle Verantwortung für Armut. Eine Kontrollgruppe, die dem Browserspiel passiv zugeschaut hat, blieb in ihrer Einstellung hingegen relativ unverändert.
Toxische Meritokratien
Wenn einzelne digitale Spiele wie „SPENT“ die Einstellung gegenüber marginalisierten Menschengruppen negativ beeinflussen können, liegt es nahe, dass solche Effekte auch in der Breite wirken. Der Rhetorikforscher Christopher A. Paul hat die Gemeinschaften um spezifische Computerspiele untersucht. Er kommt zu dem Schluss, dass sich dort in vielen Fällen eine meritokratische Ideologie, also die Überzeugung, dass gesellschaftliche Hierarchien durch Leistung bestimmt sein sollten, etabliert hat (vgl. Paul 2018). Gerade hochkompetitive Computerspiele wie „League of Legends“ (2009, Riot Games) formen so toxisches Verhalten.
Und die meritokratischen Hierarchien werden verteidigt. Laut Paul erlaubt die in Spielsystemen und -erzählungen etablierte Leistungsideologie den scheinrationalen Ausschluss ganzer Menschengruppen. Frauen, People of Color oder LGBTI-Menschen genügten vermeintlich nicht den Leistungsidealen des fairen, weil durch einen Computer moderierten Wettkampfes in digitalen Spielen. Die Ideologie der Meritokratie erlaube dabei, so Paul, eine selbsterfüllende Prophezeiung. Marginalisierte Gruppen werden durch toxisches Verhalten einer homogenen Elite sabotiert. Die dadurch bedingte Leistungsschwäche wird nachträglich zur Rechtfertigung der Menschenfeindlichkeit (ebd., S. 45 ff.).
Sichtbar wurde dieses Phänomen etwa in einer 2014 über soziale Medien geführten Kampagne von Spieler*innen, die unter dem Hashtag Interner Link: #GamerGate größere Bekanntheit erlangt hat. Unter dem Vorwand, Qualitätsstandards im Spielejournalismus zu verteidigen, wurden vor allem weibliche Spielentwickler*innen und Journalist*innen, die die etablierten Regelsysteme, Narrative und Leistungshierarchien der Spielekultur infrage stellten, massiv online angegriffen – bis hin zur Veröffentlichung persönlicher Daten und Morddrohungen (ebd., S. 80 ff.). #GamerGate erwies sich dabei als hoch anschlussfähig an die antifeministischen und verschwörungsideologischen Erzählungen ultrakonservativer und rechtsextremer Akteur*innen (Nagle 2017, S. 24 ff.).
Nicht erst seit dem Attentat von Halle im Oktober 2019 betrachten Extremismusexpert*innen toxische Communitys innerhalb der Netz- und Spielekultur als möglichen Risikofaktor für schleichende Radikalisierungskarrieren. Die sogenannte Alt-right pipeline (vgl. Munn 2019) findet in den toxischen Meritokratien einiger Computerspiele, in denen leistungsorientierte Menschenfeindlichkeit normalisiert ist, ideale Startbedingungen. Unabhängig davon, ob auf dem Bildschirm scheinbar unpolitische Fantasywelten zu sehen sind, beeinflussen digitale Spiele mit ihren ideologisch geprägten Spielsystemen unsere Weltanschauungen. Manchmal offensichtlich zum Positiven oder Negativen, manchmal verborgen hinter den audiovisuellen Oberflächen. Denn wenn wir spielen, spielen wir Ideologie.
Glossar:
Meritokratie Herrschaftsordnung, bei der die Herrschenden einer Gesellschaft aufgrund ihrer Leistung ausgewählt werden.
Missrepräsentation fehlende oder falsche Darstellung
kontrafaktisch der Realität, Wirklichkeit nicht entsprechend, nicht wirklich gegeben
Christian Huberts, Jahrgang 1982, studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis an der Universität Hildesheim und arbeitet seit 2009 als kultur- und medienwissenschaftlicher Publizist mit Sitz in Berlin. Sein inhaltlicher Fokus ist die digitale Spielkultur in allen Facetten. Er kuratiert Texte auf dem News-Aggregator piqd.de und tritt regelmäßig als Experte für digitale Spiele bei Kulturveranstaltungen sowie im Rundfunk und Fernsehen auf. Zuletzt hat er unter anderem den Game-Studies-Sammelband „Zwischen|Welten: Atmosphären im Computerspiel“ im vwh-Verlag herausgegeben, das „Handbuch Gameskultur“ des Deutschen Kulturrats und des Branchenverbands game redaktionell betreut sowie das Berliner Studio waza! Games als Associate Producer bei der Entwicklung der politischen Bildungs-App Konterbunt unterstützt. Für die Stiftung Digitale Spielekultur arbeitet er seit 2020 als Projektmanager für die Initiative „Erinnern mit Games“. Daneben schreibt er für wissenschaftliche Publikationen, Kulturmagazine sowie Onlinezeitungen diverse Artikel über die Partizipation an virtuellen Welten und die Kultur von Computerspielen.
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