Status Quo: Multiple Krisen und Zukunftsunsicherheit
Seit 1977 kürt die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) jährlich das ‚Wort des Jahres‘. Dabei werden Begriffe ausgewählt, „die die öffentliche Diskussion besonders bestimmt haben“ (Deutsche Welle, o.D.). Oft gelingt es, mit nur einem Wort prägnant zu beschreiben, was in dem jeweiligen Jahr relevant war und die Menschen umgetrieben hat.
2016 etwa, also dem Jahr, in dem Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde, ernannten die Jurorinnen und Juroren den Ausdruck „postfaktisch“ zum Wort des Jahres. Als dann 2021 mithilfe von Impf-Kampagnen und 3G-Maßnahmen die Corona-Pandemie eingedämmt werden sollte, wählten sie „Wellenbrecher“ zum Wort des Jahres (Gesellschaft für deutsche Sprache e.V., o.D.). 2023 wurde dann der Begriff „Krisenmodus“ gewählt (Tagesschau, 2023). Und wie auch schon in den vorherigen Jahren griff das Wort treffend auf, was die Öffentlichkeit bewegte: die Nachwehen der Corona-Pandemie, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der gewaltsame Konflikt im Gaza-Streifen. Noch dazu war 2023 das heißeste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn (Zeit Online, o.D.) – ein Anzeichen für das weitestgehend ungebremste Voranschreiten der Klimakrise. In diesem Zusammenhang begründete GfdS-Geschäftsführerin Andrea Ewels die Wahl zum Wort des Jahres auch wie folgt: „Der Ausnahmezustand ist zum Dauerzustand geworden […]. Das löst bei den Menschen Angst, Unsicherheit und Ohnmacht aus“ (Tagesschau, 2023).
Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung bezeichnet das Auftreten und Zusammenspiel der oben genannten Krisen mit Verweis auf eine Studie in der Fachzeitschrift Global Sustainability als „Polykrise“ (Lawrence, Homer-Dixon, Janzwood, Rockström, Renn und Donges, 2024, zitiert nach Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, 2024). Damit meinen die Autorinnen und Autoren der Studie eine „kausale Verflechtung von Krisen in mehreren globalen Systemen, die die Perspektiven der Menschheit erheblich verschlechtern“ (ebd.). Angesichts dieser schlechter werdenden Perspektiven ist es nicht verwunderlich, dass viele Menschen sich in einem ständigen Krisenmodus befinden. Dazu passt eine repräsentative Forsa-Studie, die das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) 2023 in Auftrag gegeben hatte. Sie zeigt, dass knapp die Hälfte der Deutschen vor dem Hintergrund dieser Dauerkrisen befürchtet, dass sie es in Zukunft schlechter haben wird als heute (Scheffel und Speer, 2023). Solche Zahlen sind alarmierend, denn letztlich gefährdet ein schwindendes Vertrauen in eine gelingende Zukunft auch Fähigkeit und Wille, das eigene Leben selbstbestimmt zu gestalten und aktiv an Gesellschaft teilzuhaben.
Anschließend an diese kurze Bestandsaufnahme soll das vorliegende Teildossier den Versuch darstellen, herauszufinden, wie Menschen auf den Umgang mit unsicheren Zukunftsaussichten vorbereitet werden können und wie ihnen die Fähigkeit gegeben werden kann, ihre Zukunft nicht nur irgendwie zu überstehen, sondern sie auch gut zu bewältigen. Dabei wird im weiteren Verlauf des Beitrags darauf eingegangen, welche Rolle das Medium digitales Spiel bzw. Games in diesem Vorhaben einnehmen kann. Davor ist es jedoch erforderlich, Grundlagen für eine weitere Auseinandersetzung mit dem breiten Begriff der Zukunftskompetenzen zu schaffen und zu erläutern, welche Rolle die Klimakrise im vorliegenden Dossier spielen wird.
Da im vorliegenden Teildossier nicht alle der genannten Krisen vollumfänglich besprochen werden können, soll sich dabei auf die Klimakrise konzentriert werden. In der Öffentlichkeit wird sie bisweilen als „größte Herausforderung der Menschheit“ (z.B. Robert Koch-Institut, 2023) bezeichnet, deren Lösung eine „Jahrhundertaufgabe“ darstelle (Kern, 2020). Es ist davon auszugehen, dass eine Krise dieses Ausmaßes alle Lebensbereiche und dementsprechend auch alle Menschen ohne Ausnahme betrifft, obgleich zu unterschiedlichem Maße. Hinzukommt, dass die Klimakrise die längste ‚Halbwertszeit‘ der aktuellen Krisen haben wird. Während die kriegerischen Konflikte – hoffentlich – zeitnah beigelegt werden können, werden die Folgen der Klimakrise auch noch in Jahrhunderten spürbar sein. Vor dem Hintergrund dieser thematischen Generalität und zeitlichen Reichweite der Klimakrise erscheint es besonders relevant, Kompetenzen zu entwickeln, die zum Umgang mit zukünftigen Herausforderungen befähigen, die aus der Klimakrise resultieren. Gerade deshalb soll die Klimakrise im vorliegenden Teildossier einen Rahmen bilden, innerhalb dessen die Förderung von Zukunftskompetenzen mithilfe von Games diskutiert werden kann.
Das Konzept der Futures Literacy als möglicher Lösungsansatz
Grundsätzlich bieten sich einige Zugänge zu dem Vorhaben an, vor dem Hintergrund der Klimakrise die Zukunftskompetenz der Menschen zu fördern. Einen dieser Ansätze bildet dabei das Konzept der Futures Literacy, das von der UNSECO entwickelt wurde. Hierbei handelt es sich um ein Konzept, welches das Ziel verfolgt, „[…] jede*n Einzelne*n dazu [zu] befähigen, Strategien zur Bewältigung einer unsicheren Zukunft im Zeichen des Klimawandels zu entwickeln“ (Sippl, Brandhofer und Rauscher, 2023, S. 9) . Anders ausgedrückt stellt das Konzept der Futures Literacy den jüngsten Versuch dar, sich der ausbreitenden Zukunftsunsicherheit im Angesicht der Klimakrise anzunehmen. Dadurch, dass sich dieser weitreichende Anspruch nahezu vollkommen mit dem Erkenntnisinteresse des vorliegenden Teildossiers deckt, soll im Folgenden also überprüft werden, wie eine Förderung der Futures Literacy mithilfe von Games gestaltet werden kann.
Obwohl das Ziel des Futures Literacy-Ansatzes einigermaßen klar umrissen ist, existieren viele verschiedene Auffassungen und Auslegungen des Konzepts. Die meisten von diesen weisen Überschneidungen miteinander auf. Ein einheitliches, verbindliches Verständnis gibt es jedoch nicht. Bevor also untersucht werden kann, wie eine Förderung von Futures Literacy gestaltet werden kann, soll zunächst dargelegt werden, wie das Konzept im Folgenden verstanden wird.
Die UNESCO selbst beschreibt Futures Literacy etwa als eine Fähigkeit, die „es den Menschen erlaubt, besser verstehen zu können, welche Rolle die Zukunft in allem einnimmt, was sie sehen und tun“ (UNESCO, o.D.; freie Übersetzung). Riel Miller, einer der Verfasser des Konzepts, fasst die Futures Literacy demgegenüber als antizipatorische Fähigkeit zusammen. Antizipation wird dabei als die Fähigkeit definiert, das „‘Später-Als-Jetzt‘ in die eigene, [gegenwärtige] Funktionsweise zu integrieren“ (Miller, 2018b, S. 20; freie Übersetzung). Demnach haben Menschen, die „futures literate“ – d.h. zu Deutsch „zukunftsalphabetisiert“ – sind, die Fähigkeiten erlernt, verschiedene Vorstellungen der Zukunft in ihr Denken und Handeln in der Gegenwart einfließen zu lassen (ebd., S. 15; freie Übersetzung). Gemeint ist hier also eine Kompetenz, die es ermöglicht, die Zukunft in der Gestaltung der Gegenwart zu berücksichtigen.
Neben dieser ersten Funktion von Futures Literacy umfasst das Konzept noch eine weitere Dimension. Dieser liegt die Prämisse zugrunde, dass die Zukunft stets unsicher ist, wobei der Begriff der „Unsicherheit“ hier auf zweierlei Weise verstanden werden kann: Erstens ist die Zukunft kein vorgeschriebener Zustand, der sicher eintreffen wird. Zwar können auf Grundlage der Gegenwart wünschenswerte Zukünfte imaginiert oder wahrscheinliche Zukünfte antizipiert werden. Mit absoluter Sicherheit wissen, wie genau die Zukunft aussehen wird, kann hingegen niemand (ebd.; Miller, 2018a, S. 1f).
Zweitens – und im Anschluss daran – erscheinen die konkreten Zukünfte, die viele Menschen derzeit antizipieren, als zutiefst unsicher: Eingangs wurde bereits auf die multiplen Krisen verwiesen, mit denen viele Menschen aktuell konfrontiert werden. Im Angesicht dieser Herausforderungen lösen sich vermeintliche Gewissheiten auf – wie etwa der Fortbestand von Wohlstand oder die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen. Das hat wiederum eine große Verunsicherung der Menschen zur Folge und führt letzten Endes dazu, dass sie sich in ihrer Fähigkeit eingeschränkt fühlen, die eigene Zukunft zu gestalten (UNESCO, o.D.).
Futures Literacy kann die Menschen in diesem Zusammenhang befähigen, Zukünfte zu „nutzen“ und so mit ebendieser doppeldeutigen Unsicherheit von Zukünften umzugehen. Dazu schreiben Loes Damhof und Nicklas Larsen Folgendes: „Indem wir verschiedene Strategien erlernen, Zukünfte zu nutzen, öffnen wir uns für Veränderungen und können mit Ungewissheiten besser umgehen. Dies kann uns helfen, neue Wege des Handelns, Denkens und Seins zu erschließen“ (Damhof und Larsen, 2022; Hervorhebung im Original). Ergänzend lässt sich hier Damhoff, zitieren, die im Gespräch mit der Plattform „FuturePod“ das Konzept der Futures Literacy wie folgt beschreibt: „Bei Futures Literacy geht es im Allgemeinen darum, zwischen dem Planen und Vorbereiten von Zukunft […] und dem Gebrauch von Zukunft als Umgang mit Neuheit und Veränderung zu navigieren“(FuturePod, 2022).
Insgesamt umfasst Futures Literacy damit zwei zentrale Kompetenzen: Einerseits beinhaltet sie die Fähigkeit, verschiedenen Zukünften antizipatorisch-proaktiv zu begegnen, indem sich auf wahrscheinliche Zukünfte vorbereitet und auf wünschenswerte Zukünfte hingearbeitet wird. Beides umfasst dabei die Gestaltung der Gegenwart. Andererseits umfasst die Futures Literacy aber auch die Fähigkeit, spontan-reaktiv auf unvorhergesehene und unerwartete Aspekte von Zukünften zu reagieren und so mit den Unsicherheiten umzugehen, die von diesen Zukünften ausgehen.
Angesichts des gesellschaftlichen Zukunftspessimismus scheint es sinnvoll, eine derart verstandene Futures Literacy in der Bevölkerung zu stärken. So könnten die Möglichkeiten der gesellschaftlichen Partizipation und der individuellen Handlungsfähigkeit trotz der Vielzahl an unsicheren Zukünften gewährleistet werden. Diesbezüglich ist jedoch problematisch, dass aus dem Konzept selbst kaum hervorgeht, wie eine Förderung von Futures Literacy zu bewerkstelligen ist. So werden beispielsweise keine konkreten Schritte oder Methoden benannt, die zu einer Förderung der Futures Literacy eingesetzt werden könnten. Ariane Steuber bezeichnet das Futures-Literacy-Konzept entsprechend als „zu vage, um konkrete bildungsbezogene Anwendungsmöglichkeiten daraus ableiten zu können“ (Steuber, 2023, S. 73). Aus diesem Grund kommt sie mit Verweis auf Carmen Sippl, Gerhard Brandhofer und Erwin Rauscher zu dem Schluss, dass zunächst die Frage beantwortet werden müsse, wie „Zukunftsgestaltungskompetenz für Bildungsprozesse zu konzipieren“ sei (ebd.). Anders ausgedrückt ist es also zunächst wichtig, Aspekte innerhalb des Konzepts zu identifizieren, die anschlussfähig an etwaige Bildungsvorhaben und -maßnahmen sind.
Die zehn Teilkompetenzen der Futures Literacy
Ebendiese Anknüpfungspunkte lassen sich über den Baustein der „Literacy“ herstellen. So beschreiben die „Zukunftsbauer“, eine Institution, die sich die Förderung von Futures Literacy zur Aufgabe gemacht hat, den Begriff wie folgt: „Der Begriff Futures Literacy (FL) leitet sich dabei aus dem Englischen ab, wo Literacy ein Set aus Wissen, Fertigkeiten und Einstellungen beschreibt, die die Entwicklung des Lesens und Schreibens fördern. Bezogen auf Zukunft meint Literacy eine Art Zukunftsalphabetisierung oder Zukunftskompetenz“ (Die Zukunftsbauer, o.D.). Für das Konzept der Futures Literacy formuliert die UNESCO zehn Teilkompetenzen, die als ebendieses Set aus Wissen, Fertigkeiten und Einstellungen verstanden werden können. Namentlich handelt es sich dabei um Folgende: (1) Innovation; (2) Agility; (3) Discovery; (4) Confidence; (5) Choice; (6) Capability; (7) Leadership; (8) Knowing; (9) Strategy; (10) Resilience.
Diese zehn Teilkompetenzen sind also Voraussetzung, um Zukunft proaktiv gestalten und reaktiv mit ihr umgehen zu können, und bilden somit in Summe die obengenannte antizipatorisch-proaktiven und spontan-reaktiven Zukunftskompetenzen, die unter dem Begriff Futures Literacy zusammengefasst sind. Mit anderen Worten sind die zehn Teilkompetenzen hier als jenes Set aus Wissen, Fertigkeiten und Einstellungen zu verstehen, deren Erlangung die Menschen zukunftsalphabetisiert, sie also in die Lage versetzt, „die Zukunft zu meistern“ (Allabauer, 2022, S. 40), wie Kurt Allabauer es nennt . Eine Förderung von Futures Literacy kann diesem Verständnis nach nur durch die Förderung der Teilkompetenzen erfolgen., die schlussendlich also die Anschlussmöglichkeiten für Bildungsvorhaben bilden. Damit stehen die zehn Teilkompetenzen auch im Fokus dieses Teildossiers.
Im Folgenden soll sich auf das Förderungspotenzial der genannten Teilkompetenzen mithilfe von digitalen Spielen (im Folgenden auch ‚Games‘ genannt) konzentriert werden. Die Leitfrage ist: Wie können Games durch die Vermittlung konkreter Teilkompetenzen aus der obigen Aufzählung einen Beitrag dazu leisten, Menschen zu einem antizipatorisch-proaktiven und spontan-reaktiven Umgang mit Zukünften zu befähigen? Damit ist nicht gesagt, dass die Teilkompetenzen und damit in letzter Konsequenz eine Futures Literacy nicht auch mit Hilfe anderer Mediengattungen vermittelbar wären, doch legen die spezifischen medialen Eigenschaften von Games zumindest die Vermutung nahe, dass sie besonders gut geeignet sein könnten.
Futures Literacy und Games
Es gibt viele Gründe, die dafürsprechen, digitale Spiele für Bildungszwecke zu nutzen. Insgesamt befasst sich eine wachsende Zahl an Beiträgen mit den Einsatzmöglichkeiten digitaler Spiele in formalen und informellen Lehr- und Lernkontexten.
So verstehen Lena Becker et al. Games als Kulturgüter und damit grundsätzlich als „Ausdrucks- und Erlebnisformen“, die „menschliches Handeln bzw. Denken“ beeinflussen (Becker, Czeschka, Kiehlmann, Rinnhofer und Schönherr, 2022, S. 89). Darüber hinaus stufen die Autorinnen und Autoren Games als geeignete Mittel „zur Krisenbewältigung, Vermittlung schwieriger Information und zur Erleichterung des Zugangs zu komplexen Sachverhalten“ (ebd., S. 94) ein.
In diesem Kontext lässt sich auch Stuart Candy anführen, der Games „enabling constraints“, also „ermöglichenden Beschränkungen“ (Candy, 2018, S. 242) zuspricht: Indem sie vorgefertigte Szenarien anbieten und die Spielerinnen und Spieler nur innerhalb dieser Grenzen interagieren lassen, würden sie die Abstraktheit von (ungewissen) Zukünften reduzieren (ebd., S. 241f). Besonders vor dem Hintergrund einer Zukunft, die durch die höchstkomplexe Klimakrise immer überwältigender oder überfordernder wirkt, erscheint die Dimension der Komplexitätsreduktion besonders relevant. Candy verweist außerdem darauf, dass Games, bzw. ein spielerisches Setting, dabei helfen können, hypothetische, explorative Denkweisen anzuregen. Dadurch würden sie es den Spielenden nicht nur gestatten, „entlang heterodoxer Linien“ also ‚outside the box‘ zu denken, sondern gleichzeitig auch das Material und die Bedingungen liefern, ebendiese Denk- und Vorstellungsweisen anzuregen.
Auch weist dieser Aspekt von Games Überschneidungen mit der Annahme von Kathy A. Mills, Len Unsworth und Laura Scholes auf, die Games die Fähigkeit zuschreiben, die Problemlösungskompetenzen und das Innovationsdenken der Spielenden zu fördern (Mills, Unsworth und Scholes, 2022, S. 66f). Diese Fähigkeiten würden dabei den Autorinnen zufolge nicht auf die Games selbst beschränkt bleiben, sondern könnten auch auf reale Szenarien außerhalb des Spiels übertragen werden (ebd.). Auch dieser Transfer von im Spiel erlernten Fähigkeiten auf realweltliche Kontexte wird in den Beiträgen in diesem Teildossier einer kritischen Betrachtung unterzogen.
Denn besonders in Bezug auf die Klimakrise wird dieser Aspekt von Games aktuell besonders intensiv diskutiert: Diesbezüglich greifen Becker et al. Alenda Changs Idee des „Play it before you live it“ auf (Chang, 2019, zitiert nach Becker et al., 2022, S. 95f). Damit ist gemeint, dass im Spiel gewisse Handlungsweisen und (Zukunfts-)Szenarien im wahrsten Sinne des Wortes durchgespielt werden können, ohne dabei negative Konsequenzen fürchten zu müssen. Komplexe Vorgänge wie etwa die Klimakrise aber auch mögliche Lösungsansätze für dieselbige würden dadurch erleb- und erprobbar (Becker et al., S. 95f).
Games bieten also auf zweierlei Weise einen besonderen Zugang zum Umgang mit Zukünften an, der auf den ersten Blick paradox erscheint: Auf der einen Seite schränken sie Handlungsmöglichkeiten und Komplexität ein und beugen so Überwältigung vor. Dadurch erlauben es Games den Spielenden, mit klarerer Sicht auf gegebene Sachverhalte und Situationen zu blicken. Gleichzeitig regen Games ein Denken außerhalb gewohnter Normen und Bedingungen an. Indem sie Erprobungs- und Explorationsräume bieten, in denen die Spielenden ohne realweltliche Konsequenzen mit neuen Handlungs- und Denkweisen experimentieren können, liefern Games den Spielenden auch die Möglichkeit, ihre Lösungskompetenzen zu entwickeln und zu erweitern. Gerade dieser Handlungsraum ist entscheidend und wird in den Beiträgen in diesem Teildossier des Öfteren zur Sprache kommen.
Über das vorliegende Teildossier
Zusammengefasst untersucht das folgende Teildossier, inwiefern Games für die Förderung von Futures Literacy genutzt werden können. Wie bereits angemerkt, erscheint eine Förderung von Futures Literacy dabei nur über eine Stärkung der Teilkompetenzen möglich zu sein. Im Folgenden wird entsprechend geprüft, inwiefern einige ausgewählte dieser Teilkompetenzen der Futures Literacy mithilfe von Games gestärkt werden können.
Im ersten Text geht Sonia Fizek der Frage nach, wie Games unser Verhältnis sowohl zur Zukunft, wie aber auch zum Klima und vor allem zum Klimaschutz verhandeln. Des Weiteren diskutiert sie, inwiefern Futures Literacy um eine (kritische) Spielkompetenz erweitert werden muss, um ein Lösungsansatz für die Klimakrise sein zu können. So bildet Fizek mit ihrem Text eine Grundlage für weitere Diskussionen.
Als nächstes thematisiert André Czauderna in seinem Text Games als Erprobungsräume für (politische) Maßnahmen zur Lösung der Klimakrise. Dabei geht er auch auf utopische Potenziale von Games ein. In diesem Kontext stellt er die Frage, inwiefern die Leadership-Kompetenz der Spielenden mithilfe von Games gestärkt werden kann.
Danach erörtern Benjamin Strobel, Jessica Kathmann und Nicolas Hoberg in ihrem Text, inwiefern Games die Spielenden gegen Krisen(erfahrungen) wappnen können. Im Kontrast dazu werfen sie auch einen kritischen Blick auf die eskapistischen Funktionsweisen von Games. Insgesamt gehen sie damit der Frage nach, inwiefern die Resilienz-Kompetenz der Spielenden mit Games gefördert werden kann.
Den Abschluss des Teildossiers bildet ein Interview mit Christian Eikmeier. Der Koordinator für Digitalisierung und Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) bei der BNE-Agentur NRW gibt im Gespräch Einblicke in bisherige Erfahrungen mit Games in der BNE-Praxis. Darüber hinaus reflektiert er Games als Bildungsmethode und diskutiert spielerische Lernansätze in der BNE-Arbeit.
Insgesamt bietet das vorliegende Teildossier einen ersten Versuch an, die Themenfelder Klimakrise, Games und Futures Literacy zusammenzudenken. Obwohl damit dieser Themenkomplex noch längst nicht abschließend behandelt sein dürfte, legt das vorliegende Teildossier doch den Grundstein für weitere Auseinandersetzungen und Diskussionen. Und diese Debatten sind dringend geboten, denn im Angesicht einer allesbetreffenden Klimakrise braucht es nicht weniger vielfältige und innovative Herangehensweisen, um ihr zu begegnen.