Der Blogkosmos
Lokale Blogs: Konkurrenz und/oder Ergänzung?
Blogger versus Journalisten - ein Konflikt, der mit dem Aufkommen des neuen Publikationsformats immer wieder skizziert wurde. Auf der einen Seite: professionelle Medienproduzenten mit demokratischem Auftrag, auf der anderen: "Hobby-Allesschreiber". Heute setzt sich aber folgende Ansicht durch: Weblogs ergänzen den klassischen Journalismus. Journalisten bloggen und auch Blogger arbeiten mitunter investigativ. Lokalzeitungen nutzen das Format, genauso gibt es im Lokalen unabhängige Blogger.
Die große Verheißung des Internets ist die Möglichkeit, dass sich nun jeder ohne viel Aufwand öffentlich zu Wort melden kann. Social Media haben das Publizieren im Netz erheblich vereinfacht. Darunter ist das Weblog - das Blog - das älteste Social-Media-Format. Mit einigen Vorteilen als Publikationsform: Es lässt dem Autor mehr Gestaltungsfreiheit und Unabhängigkeit als zum Beispiel der Microblogging-Dienst Twitter oder die Kommunikation via Facebook. Blog-Autoren gestalten ihre Seiten sehr individuell und thematisch variabel. Was sie verbindet ist das Format, gekennzeichnet durch die in chronologischer Folge sortierten Kurzbeiträge (Postings), die von einem Blogger oder einer kleinen Gruppe regelmäßig publiziert werden.
Trotz einer vergleichsweise geringen Reichweite in Deutschland sind das Blog und seine Wirkung nicht zu unterschätzen. Zwar gaben nach der ARD/ZDF-Online-Studie nur sieben Prozent der Internetnutzer 2011 in Deutschland an, Blogs zumindest gelegentlich zu nutzen. Und auch im internationalen Vergleich gilt die deutsche Bloggerlandschaft als weniger ausgeprägt, dennoch gibt es auch hierzulande eine Reihe profilierte Blogger unter Experten, Wissenschaftlern und Journalisten. In verschiedenen Themenfeldern wie Mode oder Netzpolitik hat sich eine hohe Blogdichte entwickelt. Klein geblieben ist hingegen die Zahl der politisch relevanten Blogs.
Befragungen zeigen, dass Blogger sich vor allem Alltagsthemen widmen. Nur eine Minderheit besitzt tatsächlich ein journalistisches Selbstverständnis. Im Vergleich mit Journalisten bevorzugen sie einen subjektiven Blickwinkel und streben eher nach einem interaktiven Austausch mit ihren Lesern – und mit anderen Bloggern. Durch die enge Vernetzung der Blogs untereinander entsteht eine Blogosphäre: ein intensiver Austausch mit vielen Verweisen untereinander. Allerdings ist das Blog – wie andere Social-Media-Formate – vielfältig verwendbar, weshalb solche Charakterisierungen nur begrenzt gültig sind.
Vor der Haustür: "Hyperlocal News"
Tatsächlich liegt es für Blogger aber nahe, über das zu berichten, was vor ihrer Haustüre passiert, im eigenen Dorf oder Stadtviertel. Hier hat die Berichterstattung durch lokale Blogger an Bedeutung gewonnen. Unter den Bloggern mit Lokalbezug befinden sich sowohl professionelle Journalisten als auch solche, die in ihrer Freizeit schreiben. In einigen Fällen bloggen auch Lokalpolitiker wie der Varelblogger Djure Meinen, der aus Varel am Jadebusen berichtet und grünes Stadtratsmitglied ist (siehe dazu: Julia Mittmeyer: Auf der Spur eines Leserbriefs).Der Journalist und Internetvordenker Jeff Jarvis sieht in dieser Form von "Hyperlocal News" sogar die Zukunft des Journalismus. Zum Beweis gründete Jarvis, Professor an der Graduate School of Journalism der City University of New York, mit seinen Studierenden in Kooperation mit der New York Times ein eigenes Placeblog. "The Local" berichtet aus Manhattan und Brooklyn. Daneben gibt es in den USA eine große Zahl weiterer hyperlokaler Angebote, einige der ursprünglich unabhängig gegründeten Blogs werden mittlerweile von Medienunternehmen unterstützt oder diese initiieren eigene Plattformen. So akquiriert der Großkonzern AOL Hunderte von Bloggern, um sein landesweites Netzwerk "Patch" aus lokalen Blogs zu komplettieren.
Wie groß die Zahl der lokalen Blogs und wie umfassend ihre Verbreitung in Deutschland ist, lässt sich jedoch nicht genau sagen. Bisher fehlen Studien über diesen Blogtyp. Ein erster Überblick lässt sich allerdings durch die Plattformen istlokal.de und kiezblogs.de gewinnen. Sie vernetzen lokale Blogs, sodass der Leser schneller fündig wird, wenn er nach Blogs aus seiner Region sucht. Sie tragen nicht nur zur Bekanntheit bei, sondern auch zur Entwicklung eines eigenen Selbstverständnisses der Lokalblogger.
Vielfalt der lokalen Blogs

Gemeinsame Standards gibt es derweil kaum. Die Angebote unterscheiden sich erheblich, etwa nach ihrem geografischen Bezug: Während einige größere Regionen wie das Ruhrgebiet (Pottblog, Ruhrbarone, pott2null.de) oder einen Landkreis abdecken (Härten Blog), konzentrieren sich andere auf eine Gemeinde (heddesheimblog.de), eine Stadt (gelsenkirchener-geschichten.de, eisen.huettenstadt.de) oder einen Stadtteil (friedrichshainer-chronik.de, das-gemeine-wesen.blog, porzerleben.de). Auch die Themenschwerpunkte variieren: Die Ruhrbarone, lokalnews.de oder das Heddesheimblog haben sich auf Politik spezialisiert. Dagegen befassen sich das Tübinger Südseh.info oder die Gelsenkirchener Geschichten mit der Kultur und dem Gemeinschaftsleben vor Ort. Zumeist kennzeichnet sie die – für Blogs typische – subjektive Sichtweise. Nur ausnahmsweise, wie im Fall der Tegernerseer Stimme oder lokalnews.de, legen sie Wert auf einen neutralen und sachlichen Stil. Die Passauer Online-Lokalzeitung verfügt über eine eigene Redaktion, die für die Qualität der Beiträge sorgen soll. Einige lokale Blogs sind offen für Mitschreiber und haben sich dadurch zu einer Art von kollektivem Gedächtnis entwickelt. Beispiele sind das Blog eisen.huettenstadt und die Gelsenkirchener Geschichten.