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Zeitungsfinanzierung Infografik

Horst Röper

/ 6 Minuten zu lesen

Die Zeitungskrise ist in aller Munde. Um die Hintergründe zu verstehen, muss man die ökonomische Struktur der Zeitung kennen: Wie verteilen sich Ein- und Ausgaben? Auf welche Geschäftszweige neben der Zeitung setzen die Medienhäuser noch?

Grafik: Wie sich eine Zeitung finanziert - Klicken Sie auf die Grafik, um die PDF zu öffnen. (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Das Geschäftsmodell der Medienindustrie unterscheidet sich von jenem anderer Industrien erheblich. Im Normalfall zahlt der Kunde für ein Produkt und dessen Herstellung (Rohmaterial plus Verarbeitung). Die Medienindustrie hingegen stellt dem Kunden vielfach Produkte unentgeltlich zur Verfügung: Sie liefert Anzeigenblätter bis zum Briefkasten, legt in Kneipen und in Kinos regionale Zeitschriften zur kostenlosen Mitnahme aus oder strahlt für Hörer und Zuschauer kostenlos private Rundfunkprogramme aus. Finanziert werden diese Medien ausschließlich über Werbung. Ein anderer Teil der Medienindustrie arbeitet mit einem Mischmodell aus Verkaufserlösen und Werbeeinnahmen, so z. B. die meisten Zeitschriften- und alle Zeitungsverlage.

Der Anteil der Werbeeinnahmen ist dabei sehr unterschiedlich und hängt gerade bei den Zeitschriften sehr stark von der jeweiligen Leserschaft ab. Die Werbewirtschaft hat beispielsweise ein besonderes Interesse an den besser verdienenden Bevölkerungsgruppen und an jungen Leuten, da diese auf Werbung besonders ansprechen. Daher können Jugendzeitschriften wie "Bravo" einen relativ hohen Preis z. B. für eine ganzseitige Anzeige verlangen.

Die Tageszeitungen in Deutschland haben in der Regel keine Leserschaft, die sich über Geschlecht, Alter oder auch spezifische Interessen (Hobbys) bestimmen ließe. Nur für die wenigen überregionalen Tageszeitungen wie "Süddeutsche Zeitung" oder "Frankfurter Allgemeine Zeitung" gilt dies weniger. Drei Viertel aller in Deutschland verkauften Zeitungsexemplare stammen von lokalen oder regionalen Abonnementzeitungen. Diese Zeitungen haben keine spezifische Leserschaft sondern sprechen alle Bevölkerungsgruppen an, allerdings mit unterschiedlichem Erfolg. Die Gemeinsamkeiten innerhalb einer solchen Leserschaft sind so gering, dass die Verlage der werbenden Wirtschaft keine wie auch immer bestimmte Leserschaft anbieten können – mit einer Ausnahme: Lokal- oder Regionalzeitungen erreichen die Leserschaft in einem bestimmten Gebiet. Daher wird Zeitungswerbung insbesondere vom örtlichen Handel und von lokalen Dienstleistern betrieben. Für Markenartikel (vom Waschmittel bis zum Handy) wird überwiegend im Fernsehen oder in Zeitschriften geworben.

Verlust des Rubrikengeschäfts

Werbung trägt erheblich zur Finanzierung von Medien bei. Dem Leser kann es recht sein, denn die Werbung wirkt wie ein Sponsor und sorgt für relativ geringe Preise. Bei den Tageszeitungen macht das Werbegeschäft heute noch knapp die Hälfte des Gesamtumsatzes aus. Über Jahrzehnte war das ganz anders: Die Werbung in Zeitungen boomte. Zwei Drittel der Verlagseinnahmen wurden mit Werbung erzielt. Diese große Nachfrage nach Zeitungswerbung hielt an bis zum Jahr 2000. Es war das beste Jahr für die Zeitungsverlage, die allein mit der Werbung einen Umsatz von 6,6 Mrd. € erreichten.

Nach der Jahrtausendwende brach der Werbemarkt dann insgesamt – nicht nur für die Zeitungen – förmlich ein. Der Umsatz mit Werbung in Medien ging von 23,4 Mrd. € auf 18,9 Mrd. € in 2011 zurück, so die Zahlen des Zentralverbands der Werbewirtschaft. Die Wirtschaftskonjunktur lahmte und entsprechend wurde weniger für Werbung ausgegeben. Für die Zeitungsverlage kam annähernd zeitgleich ein zweites Problem hinzu. Das Internet formierte sich immer stärker im Werbemarkt und wuchs insbesondere im Immobiliengeschäft und beim Kfz-Handel zum Konkurrenten der Zeitungen heran. Heute werden gebrauchte Autos ob von Privatleuten oder vom Handel überwiegend über das Internet verkauft. Ähnliches gilt für den Wohnungsmarkt. Dabei spielen vor allem die Suchfunktionen im Internet eine gewichtige Rolle. Den Zeitungen ist dieses so genannte Rubrikengeschäft weitgehend verloren gegangen. Entsprechend fehlen die Einnahmen in der Kasse. So konnten Zeitungsverlage – regional wie überregional agierend - 2011 nur noch einen Umsatz von 3,5 Mrd. erreichen.

Alle Verlage in Deutschland haben in den letzten Jahren versucht, diese Einnahmeverluste über die Anhebung der Verkaufspreise zumindest in Teilen auszugleichen. Der Einzelpreis für den Kioskverkauf und – noch wichtiger – der Abonnementpreis pro Monat für den Bezug per Botenzustellung wurde erhöht. Im Jahr 2000 kostete das Abonnement einer Lokal-/Regionalzeitung in Westdeutschland durchschnittlich noch 17,44 € (Ostdeutschland: 13,89 €). In 2010 mussten die Abonnenten bereits 26,85 € (Ostdeutschland: 21,77 €) zahlen. Preissteigerungen sind für die Verlage aber nicht risikolos, denn nicht alle Abonnenten akzeptieren sie. Manche kündigen das Abonnement. Zudem müssen die Verlage zumindest in jenen Gebieten, in denen noch Wettbewerb zwischen verschiedenen Zeitungen besteht, auch die Konkurrenzsituation beachten. Die Verlage agieren entsprechend vorsichtig, sind aber zu Preiserhöhungen gezwungen. Über die Werbung wird das Produkt Zeitung für den Leser immer noch verbilligt, aber nicht mehr in dem Ausmaß wie das früher galt.

Abschied von der monomedialen Unternehmensausrichtung

Auf der Kostenseite der Verlage machte 2010 nach Angaben des Bundesverbands deutscher Zeitungsverleger (BDZV) allein der in Deutschland gewohnte – im Ausland vielfach unbekannte – Service der Hauszustellung per Boten mit knapp 24 Prozent der Ausgaben aus. Die Redaktionskosten sind mit knapp 26 Prozent noch etwas höher. Ähnlich die technische Herstellung: Sie kostet insgesamt 25 Prozent (wobei 6 Prozentpunkte davon für Papier verwendet werden). Für die Anzeigenbeschaffung werden 16 Prozent und für die Verwaltung 9 Prozent ausgegeben (Durchschnittswerte für Abo-Zeitungen in Westdeutschland)

Demnach ergaben sich 2010 die Erlöse zu 52 Prozent durch den Lesermarkt und zu knapp 48 Prozent durch Anzeigen. Bei den Werbeerlösen sind inzwischen neben der klassischen Anzeige auch die der Zeitung beigefügten Prospekte wichtig. Die Anteile dieses Beilagengeschäfts machten immerhin knapp 8 Prozent der gesamten Erlöse aus. Der Löwenanteil wird aber weiterhin mit Anzeigen verdient. Der Preis für diese Anzeigen ist abhängig von der Größe der Anzeige und der Auflage der Zeitung. Zudem arbeiten die Verlage mit unterschiedlichen Grundpreisen. Gewerbliche Anzeigen sind am teuersten. Für die Rubrikenmärkte (Stellen-, Immobilien- und Bekanntschaftsanzeigen) ist der Preis reduziert. Noch günstiger sind die Preise für Familienanzeigen (Hochzeiten, Geburten, Sterbefälle und Ähnliches).

Zeitungsverlage sind heute anders als früher keine monomedialen Unternehmen mehr. Sie sind längst auch im Internet aktiv, unterhalten dort eigene Portale, meist unter dem Namen der Zeitung, oft auch noch weitere. Diese Portale finanzieren sich gleichfalls überwiegend aus Werbeeinnahmen. Die meisten Zeitungsunternehmen verlegen zudem Anzeigenblätter, die in der Regel ein- oder zweimal wöchentlich den Haushalten in einem bestimmten Gebiet zugestellt werden, oder sind an solchen Blättern beteiligt. Viele Zeitungsunternehmen haben sich auch im Privatfunk engagiert, meistens bei Hörfunkanbietern, seltener bei Fernsehveranstaltern. Seitdem in Deutschland private Postunternehmen zugelassen sind, arbeiten viele Verlage auch in dieser Branche und nutzen ihr Vertriebs-Knowhow. Letztlich werden in Zeitungsdruckereien nicht nur Zeitungen produziert, sondern auch Fremdaufträge ausgeführt. Vor allem Verlage von hochauflagigen Zeitungen verkaufen darüber hinaus eigene Buch oder DVD-Reihen.

Das digitale Geschäftsfeld wird von den Verlagen Zug um Zug ausgebaut:

  • Sie bieten digitale Versionen der Zeitungen als ePaper dem Kunden zur täglich aktuellen Nutzung an;

  • Internetportale werden ausgebaut und parallel zur technischen Entwicklung um Audio- und Videodateien ergänzt;

  • für Smartphones werden mehr und mehr kostenpflichtige Apps angeboten. Auch für die Nutzung mit Tablets werden Apps angeboten, noch allerdings nur in kleiner Zahl.

Die Verlage sind also bemüht, die heute noch überwiegend zunächst für die Zeitung erstellten redaktionellen Leistungen mehrfach zu verwerten. An die redaktionellen Mitarbeiter werden multimediale Aufgaben gestellt: Interviews werden auch zu (kurzen) Audiofiles verarbeitet; der Zeitungsfotograf ist heute mit digitalen Kameras unterwegs, um neben dem Zeitungsfoto auch einen Videobericht zu produzieren, der über die digitalen Verbreitungswege vermarktet wird.

Die Zeitungsverlage haben damit in den letzten Jahren ihre Reichweite erhöht. Die redaktionellen Leistungen werden über die unterschiedlichen Wege heute von mehr Menschen wahrgenommen. Dennoch haben die Verlage betriebswirtschaftliche Probleme. Im Internet hat sich die kostenlose Nutzung auch von journalistischen Inhalten durchgesetzt. Bepreiste Angebote finden nur sehr geringes Interesse. Die Finanzierung dieser Angebote allein über die Werbung gelingt nur unzureichend. Zugleich wird die bezahlte Zeitung immer weniger nachgefragt. Die Auflage der Tagespresse sinkt seit Jahren beständig, ohne dass ein Ende dieser Entwicklung abzusehen wäre. Insbesondere die jungen Leser fehlen. Sie kaufen Zeitungen viel seltener als frühere Generationen. Seit Jahren wird intensiv versucht, das Medium Zeitung bei jungen Leuten populär zu machen. Bundesweit gibt es beispielsweise Dutzende von Modellen zum Einsatz von Zeitungen in der Schule. All diese Bemühungen haben allerdings bislang nicht dazu geführt, den langsamen aber anhaltenden Auflagenverlust der Zeitungen zu stoppen.

Horst Röper ist Diplom-Journalist und Leiter des Formatt-Instituts für Medienforschung. Die regelmäßigen Analysen des Medienforschers zur deutschen Zeitungslandschaft liefern ein umfassendes Bild zu den Marktentwicklungen, zu Machtverhältnissen und zu Konzentrationsbewegungen der Branche.