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Cumhuriyet Halk Partisi (CHP) | Türkei | bpb.de

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Cumhuriyet Halk Partisi (CHP) Republikanische Volkspartei

Dr. Yaşar Aydın

/ 5 Minuten zu lesen

Gründungsjahr
1923/1992
Vorsitz
Kemal Kılıçdaroğlu
Parlamentswahl Juni 2015
25,9%
Parlamentswahl November 2015
25,3%
Parlamentswahl 2018
22,8%
Parlamentswahl 2023
25,4% (vorläufiges Ergebnis)
Kommunalwahl 2014
26,3 %
Kommunalwahl 2019
29,4 %
Letzte Regierungsbeteiligung
1995-1996
Internationale Verbindungen
Sozialistische Internationale, Progressive Allianz, Sozialdemokratische Partei Europas (assoziiert)

Die zentralen Prinzipien der Cumhuriyet Halk Partisi (CHP, Republikanische Volkspartei) sind Republikanismus, Laizismus, Revolutionismus, Etatismus, Populismus und Nationalismus. Die säkulare "Mitte-Links-Partei" versteht sich als Garant der "unabhängigen, republikanischen und laizistischen Türkei" und steht nach eigener Aussage für Menschenrechte, die Herrschaft des Rechts, Gewaltenteilung, die Unabhängigkeit der Justiz und Rechtsstaatlichkeit. In ihrem Parteiprogramm "Veränderung für eine zeitgemäße (moderne) Türkei" verspricht die CHP "demokratische und soziale Reformen" und eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung.

Die CHP ist seit 2002 die Hauptoppositionspartei der Türkei. 1979 regierte sie zuletzt alleine und 1995 war sie letztmals Teil einer Koalitionsregierung. Ihre Stammwählerschaft besteht überwiegend aus städtischen, säkularen und gebildeten Bevölkerungsschichten, wie auch Aleviten, die in der CHP ein Bollwerk gegen eine Islamisierung sehen sowie Wählern aus Westanatolien, aus Großstädten und aus Thrakien.

Die CHP ging aus der 1919 gegründeten "Gesellschaft zur Verteidigung der Rechte von Rumelien und Anatolien" hervor, die den nationalen Widerstand gegen die Besatzung Anatoliens organisiert hatte, und wurde 1923 als Partei gegründet. Von 1923 bis 1945 war die CHP – mit Ausnahme kurzer Perioden – die einzige Partei der Türkei und mit dem Staat verschmolzen. Unter der Führung des Staatsgründers Interner Link: Mustafa Kemal Atatürk führte sie zahlreiche Reformen durch, wie u.a. die Abschaffung des Sultanats und des Kalifats, die Vereinheitlichung des Unterrichts, die Einführung des lateinischen Alphabets sowie die grundlegende Reform des Zivil-, Straf- und Schuldenrechts. 1946 leitete die CHP unter der Führung von Ismet Inönü den Übergang zum Mehrparteiensystem ein und unterlag jedoch bei der Parlamentswahl 1950 der Demokrat Parti (DP).

In der Opposition erfuhr die CHP eine demokratische Wende. Auf dem CHP-Kongress im Jahr 1957 wurde die "Erklärung der primären Ziele" verabschiedet. Darin wurde für den Fall einer Regierungsbildung die Aufhebung anti-demokratischer Gesetze, eine umfassende Umänderung der Verfassung in Anlehnung an die Prinzipien der Volkssouveränität, soziale Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit und soziale Sicherheit sowie die Kontrolle der Legislative über die Exekutive versprochen. 1965 bezeichnete der Parteichef Ismet Inönü die CHP als eine Partei "links von der Mitte". Unter der Leitung von Bülent Ecevit ab 1972 wurde die Bezeichnung "demokratische Linke" gebräuchlich, die Linkswende der Partei setzte sich fort.

Nach der Wiedergründung der CHP im Jahre 1992 – nach dem Interner Link: Militärputsch von 1980 waren alle Parteien verboten worden – übernahm Deniz Baykal (1992–2010) den Parteivorsitz. In dieser Zeit entwickelte sich die CHP zu einer Partei urbaner, säkular eingestellter Türken insbesondere aus der Mittelschicht und der Aleviten. Militanter Laizismus, eine defensive Haltung in der Kurdenfrage und EU-Skepsis waren in dieser Zeit Eckpunkte der Politik der "neuen CHP".

2010 übernahm Kemal Kılıçdaroğlu den Vorsitz der Partei und leitete einen vorsichtigen Wechsel in der etablierten Führungsriege ein. Obwohl die CHP seitdem Fragen der sozialen Sicherheit und Gerechtigkeit betont und sich um die Stimmen konservativer Bevölkerungsteile bemüht, weicht sie entgegen ihres Selbstbildes sowohl programmatisch als auch rhetorisch und organisatorisch in einigen Punkten von einer sozialdemokratischen Partei europäischem Vorbilds ab.

Bei der Parlamentswahl im Juni 2015 konnte die CHP von den Verlusten der Regierungspartei Interner Link: AKP – diese rutschte von 49,9 auf 40,9 Prozent ab – nicht profitieren und lag mit 24,9 Prozent sogar hinter ihrem Ergebnis von 2011. Bei der vorgezogenen Neuwahl im November 2015 konnte die CHP ihren Stimmenanteil auf 25,3 Prozent leicht ausbauen, die AKP jedoch erneut eine absolute Mehrheit erringen.

Im Mai 2016 hat das türkische Parlament dem Vorstoß des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan folgend und mit der Unterstützung des CHP-Vorsitzenden Kılıçdaroğlu die Immunität von 138 Abgeordneten (darunter 51 von der CHP) wegen angeblicher Verbindungen zur PKK aufgehoben. Im Juli 2016 stellte sich die CHP gegen den Putschversuch und unterstütze für eine kurze Dauer die AKP-Regierung gegen mögliche weitere Umsturzversuche. Im Nachhinein wurde der CHP vorgeworfen, sich in dieser Phase nicht kritisch genug gegenüber der AKP-Regierung gezeigt zu haben.

Im Zuge des Verfassungsreferendums im April 2017 positionierte sich die CHP deutlich gegen die von der Regierung vorgeschlagene Verfassungsänderung. Zwei Monate später startete Parteichef Kılıçdaroğlu von Ankara aus den "Marsch für Gerechtigkeit", den er in Istanbul am 9. Juli mit einer Massenkundgebung zum Abschluss brachte. Damit ist es ihm gelungen, auf politische Missstände und auf das Gerechtigkeitsproblem in der Türkei aufmerksam zu machen und sogar AKP-Anhänger anzusprechen. Auslöser war, dass der CHP-Abgeordnete und stellvertretende Parteivorsitzende Enis Berberoğlu zu 25 Jahren Haft wegen Geheimnisverrats verurteilt worden war. Berberoğlu wurde vorgeworfen, den Journalisten Can Dündar und Erdem Gül von der Zeitung Cumhuriyet Filmmaterial über illegale Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes nach Syrien übergeben zu haben.

Die Parlamentswahl 2018 trat die CHP in einem Bündnis mit der Interner Link: İyi Parti (İP, Gute Partei) und derInterner Link: Saadet Partisi (SP, Partei der Glückseligkeit) an. Das von der CHP geführte Bündnis, die sog. Allianz der Nation, erhielt 33,9 Prozent der gültigen Stimmen. Mit einer starken Mobilisierung der oppositionellen säkular-linken Bevölkerungsschichten und dem engagierten Wahlkampf ihres damaligen Spitzenkandidaten Muharrem İnce hatten Hoffnungen auf einen Machtwechsel geweckt. Doch die säkular-linke Hauptoppositionspartei CHP konnte ihren Stimmenanteil bei den Parlamentswahlen im Juni 2018 nicht ausbauen. Sie blieb mit 22,65 Prozent ebenfalls hinter den Erwartungen und dem Ergebnis der vorherigen Wahl. Auch in absoluten Zahlen blieb die CHP auf der Strecke: 2011 erhielt sie 11.155.972 Stimmen, 2018 waren es 11.271.240, obwohl die Zahl der Wahlberechtigten von 2011 auf 2018 um 3.5 Millionen anstieg.

Bei der Kommunalwahl 2019 konnte das oppositionelle Bündnis, die Allianz der Nation – säkular-linke CHP und national-konservative İyi Parti – seinen Stimmenanteil jedoch um über drei Prozentpunkte verbessern. Die CHP konnte sich erstmals seit 1978 wieder der 30-Prozent-Marke annähern. Sie gewann 11 der 30 Großstadtkommunen – darunter die demographisch und wirtschaftlich wichtigen Städte Istanbul, Ankara, Izmir und Antalya.

Bei der Parlamentswahl am 14. Mai 2023 erhielt die CHP 25,33 Prozent (vorläufiges Ergebnis) und wird ins Parlament mit 169 Abgeordneten einziehen, jedoch werden 25 Abgeordneten von der Deva und Gelecek Partisi wahrscheinlich nicht der CHP-Faktion angehören. Die von ihr geführte Allianz der Nation kam auf 35,02 Prozent der Stimmen und wird im Parlament mit 213 Sitzen vertreten sein. Spitzenkandidat Kılıçdaroğlu blieb bei der Präsidentenwahl mit 44,89 Prozent der Stimmen knapp hinter Erdoğan und wird bei der Stichwahl am 28. Mai erneut gegen ihn antreten.

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ist seit April 2013 Mercator-IPC-Fellow an der Stiftung Wissenschaft und Forschung und Mitarbeiter in der Forschungsgruppe EU-Außenbeziehungen. Forschungsgebiete: Migrationsforschung und Zuwanderungspolitik; Türkeiforschung; Nationalismusforschung (Nationalismus, ethnische Konflikte, Fremdheitsproblematik, kollektive Identität); Soziale Philosophie und Politische Theorie (Theorien der Moderne/Modernisierung)