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Mit zunehmender Macht schwanden die Freiheiten Pressefreiheit in der Türkei

Bülent Mumay

/ 9 Minuten zu lesen

Erdoğan versprach 2002 Korruption, Armut und politische Repression zu bekämpfen. 21 Jahre später ist er ein Staatschef, der die freie Berichterstattung über Missstände im Land verhindert.

Die türkische oppositionelle Tageszeitung Cumhuriyet erscheint am 6.2.2018 in Ankara mit der Schlagzeile "Massive Zensur im Internet" auf ihrer Titelseite. (© picture-alliance)

Es gibt mehr als einen Grund dafür, dass Recep Tayyip Erdoğan in der Geschichte der türkischen Demokratie der am längsten ununterbrochen amtierende Staatschef ist. An erster Stelle ist seine machiavellistische und extrem pragmatische Auffassung von Politik zu nennen. Dank seiner Fähigkeit, Weichen rasch umzustellen, je nach Konjunktur alle seine Prinzipien über Bord zu werfen, zwecks Verlängerung seiner Amtszeit alte Freunde im Handumdrehen fahren zu lassen und neue Koalitionen zu bilden, hat er das Land 21 Jahre lang nahezu allein regiert. Wichtigstes Instrument war dabei die permanente Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit – denn nur so konnte er die Zustimmung der Öffentlichkeit zu seiner wechselhaften Politik bewahren. Seit seinem Regierungsantritt 2002 verwandelte er mit seinen politischen Praktiken die Türkei Schritt für Schritt in ein Land ohne Pressefreiheit.

Angetreten war er anfangs mit drei großen Versprechen: Beseitigung der Korruption und der Armut sowie die Ermöglichung politischen Betätigung von pro-islamischen, aber auch von linken und kurdischen Akteuren. Von der Errichtung einer Autokratie war damals nicht die Rede.

Nach dem Verbot der islamistischen Refah Partisi (Wohlfahrtspartei), für die Erdoğan das Rathaus von Istanbul eroberte, gründete er 2001 die Adalet ve Kalkınma Partisi (AKP, Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei) und wollte damit "muslimisch-demokratische" Politik vorantreiben. Erdoğan versprach seinen Wählern, die unter der von den vorangegangenen Koalitionsregierungen verursachten Wirtschaftskrise litten, die drei genannten Versprechen einzulösen und weckte damit vor allem in der islamisch-konservativen Unter- und Mittelschicht Hoffnungen. Nur ein Jahr nach ihrer Gründung erreichte die AKP 2002 als Wahlsiegerin die absolute Mehrheit im Parlament und konnte damit allein die Regierung bilden. In den ersten Jahren seiner Regierung tat Erdoğan jedoch nur wenig, um Armut, Korruption und das allgemein repressive Klima gegen pro-islamische, linke oder kurdische Aktivisten zu bekämpfen. Doch im Rahmen der von der EU geforderten demokratischen Reformen, wurde der Einfluss des Militärs auf die Politik zurückgedrängt und das Zivil- und Strafgesetzbuch der Türkei reformiert. In der Wirtschaftspolitik hielt er am Kurs des Internationalen Währungsfonds (IWF) fest, was zu Wachstum und Stabilität führte.

Je mächtiger seine Regierung wurde, desto stärker ging sie die Presse an.

Allerdings hatte Erdoğan mit der Umsetzung der Reformen nicht vor, die Demokratie in der Türkei zu stärken, was auch damals viele seiner Weggefährten so einschätzten und öffentlich vertraten. Vielmehr nutzte er die von der EU geforderten Reformen, um den Einfluss politischer Gegner, wie etwa das Militär und das säkular eingestellte Großunternehmertum, zu schwächen. Besonders die Zurückdrängung des damals stark EU-skeptisch und Amerika-kritisch eingestellten Militärs wurde von der EU und den USA unterstützt. Viele haben die damalige Politik der AKP und Erdoğans bis 2011 in gewisser Weise als "muslimisch-demokratisch" verstanden. Doch die nahezu fünfzig Prozent Wählerstimmen, die er in jenem Jahr bei den Parlamentswahlen erhielt, verliehen ihm so großes Selbstvertrauen, dass er seine Politik verschärfte, seinen Machtanspruch vergrößerte und begann, demokratische Rechte und die Pressefreiheit im Land einzuschränken.

Neue Eigentumsverhältnisse in der türkischen Medienlandschaft

Um die Presse- und Meinungsfreiheit zu begrenzen, veränderte die Regierung Erdoğan die Eigentumsverhältnisse in der türkischen Medienlandschaft. Bereits vorher herrschte in der Presselandschaft der Türkei eine große Kapitalkonzentration: Zeitungen und Fernsehsender waren das Eigentum einer geringen Zahl von Medienmogulen. Am bekanntesten waren damals Aydın Doğan und Dinç Bilgin, die ihre mediale Macht nutzen, um von der jeweiligen Regierung für andere Zweige ihrer großen Holdings Vorteile (wie etwa Staatsaufträge, Bergbaulizenzen, Exportförderung) zu erlangen. Kurz, sie bauten über ihre Medien eine von Nehmen und Geben geprägte Beziehung zur jeweiligen Regierung auf und vermehrten so ihren Reichtum.

Diese Eigentumsstruktur wurde von der Regierung Erdoğan erst zerschlagen und dann zum eigenen Vorteil genutzt. Zunächst wurden die damaligen Medienmogule zum Verkauf ihre Medienhäuser an regierungsnahe Geschäftsleute genötigt: So wurde etwa die Familie Doğan, Inhaberin der Hürriyet-Gruppe, zur Zahlung mehrerer Milliarden Dollar Steuernachzahlungen verurteilt und anschließend gedrängt, ihre sämtlichen Medienorgane an die für ihre Nähe zu Erdoğan bekannte Demirören-Gruppe zu verkaufen. Der Medienkonzern Sabah von Dinç Bilgin wurde unter dem Vorwand der Überschuldung zunächst enteignet und anschließend der Erdoğan-nahen Çalık-Gruppe übertragen. Die Holdings der beiden neuen Eigentümer erhielten später von der Regierung Erdoğan üppige Staatsaufträge. Sie verwendeten Teile der Gewinne für die Gründung neuer Medienunternehmen, die stets wohlwollend über die Regierungspartei berichteten.

Finanzieller und juristischer Druck gegen die Presse

Dieser Umbau der Eigentumsverhältnisse der Presse- und Medienlandschaft führte laut einer Statistik von Reporter ohne Grenzen dazu, dass 95 Prozent der Medien in der Türkei direkt oder indirekt unter die Kontrolle der Regierung kam. Die übrig gebliebenen Zeitungen und Fernsehkanäle wurden mit rechtlichen und finanziellen Maßnahmen unter Druck gesetzt. So wurden etwa ihre Redakteure mit Strafverfahren überzogen oder Medien bei der Vergabe amtlicher Anzeigen benachteiligt. Mit der Verstärkung der autokratischen Tendenzen der Regierung Erdoğan, insbesondere nach den Gezi-Protesten 2013, verschärften sich auch die Repressionen gegen einzelne Journalisten. Mehrere hundert Journalisten wurden allein aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit festgenommen oder inhaftiert. Die Politisierung der Justiz führte dazu, dass ohne jede Veränderung in der Gesetzgebung (z.B. im Anti-Terror-Gesetz oder im Pressegesetz) Journalisten wegen kritischer Berichterstattung der "Unterstützung des Terrorismus" beschuldigt und verurteilt wurden. Den misslungenen Putschversuch 2016 nutzte die Regierung als Chance, den Druck auf die Medien noch weiter zu erhöhen. Journalisten wurden wegen kritischer Berichterstattungen, frühmorgens aus ihren Wohnungen heraus verhaftet. Laut Reporter ohne Grenzen sind in der Türkei derzeit rund 165 Journalisten im Gefängnis. Auch gegen die Verlage und Medienunternehmen, für die sie tätig waren, wurden finanzielle Maßnahmen ergriffen, um ihre Arbeit zu erschweren: Kritische Berichterstattungen wurden immer wieder durch falsche Anschuldigungen, wie etwa Verrat von Staatsgeheimnissen, Beleidigung des Staatspräsidenten oder Unterstützung einer terroristischen Organisation, angezeigt und die Autoren zu Bußgeldern in astronomischer Höhe verurteilt. Kritische Medien wurden von Werbeanzeigen staatlicher Unternehmen, vor allem staatlicher Banken, ausgeschlossen, was bis dahin eine wichtige Einkommensquelle für die Zeitungen war. Dasselbe gilt für die Veröffentlichung amtlicher Anzeigen.

Kontrolle digitaler Medien

Bis vor ein paar Jahren war die Regierung so in der Lage, die öffentliche Wahrnehmung größenteils zu lenken und zu bestimmen, welche Nachrichten die Wähler erreichten. Die fünf Prozent der unabhängigen Presseorgane stellten auf Grund ihrer geringen Reichweite kaum mehr ein Risiko dar. Doch die Wahlniederlage der Regierung bei den Kommunalwahlen 2019 und die zunehmenden Auswirkungen der Wirtschaftskrise sorgten dafür, dass die Presseberichterstattung außerhalb des staatlichen Einflussbereichs ein Risiko für die Regierung darzustellen begann. Der Unmut der Unter- und Mittelschicht, auf die sich die AKP maßgeblich stützte, verbreitete sich mittlerweile schnell und ungefiltert durch digitale und soziale Medien mit großer Reichweite. Anfang 2021 brachten etwa Youtube-Videos von Sedat Peker, einem Mafia-Boss, der sich mit der AKP überworfen hatte, die Regierung in Bedrängnis und führte zum Rückgang ihres Zuspruchs bei der Bevölkerung. Als die ersten Umfragen für die aktuellen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen keinen klaren Sieg für Erdoğan voraussagten, sollten nun auch die verbliebenen fünf Prozent der unabhängigen Medien, die meisten davon im Internet, und die sozialen Medien eingeschränkt werden. Dazu wurden nunmehr nicht nur Journalisten, sondern auch die Nutzer der sozialen Medien ins Visier genommen.

Auch Bürgerinnen und Bürgern droht Haft

Genau wie die Verschärfung des Regierungsstils Erdoğans, erfolgte auch die Kontrolle und Einschränkung des Internets Schritt für Schritt. 2011, als der Stimmenanteil der AKP noch bei fünfzig Prozent lag, wurde ein Gesetz speziell für das Internet erlassen, vorgeblich zur Bekämpfung von Pornographie. Damit konnten Internetseiten ohne richterliche Anordnung blockiert werden, sobald deren Inhalte den Behörden nicht gefielen. Bei den Gezi-Protesten 2013 spielte das Internet eine große Rolle, weshalb die Regierung ihre Repressalien in diesen Medien verschärfte. Soziale Medien, allen voran der Kurznachrichtendienst Twitter, wurden vorübergehend gesperrt. Youtube und Wikipedia waren in der Türkei lange nicht erreichbar. Ab 2020 wurde der Druck auf die digitalen Medien dann systematisch. Zwar gab es in der türkischen Gesetzgebung bereits vorher Regelungen zur Bekämpfung von Fake-News und Desinformation. Doch das Ende 2022 erlassene und zwei Monate vor den Wahlen in Kraft getretene neue "Desinformationsgesetz" führt mit sehr schwammigen Formulierungen dazu, dass nicht nur Beiträge von Journalisten, sondern auch kritische Äußerungen von ganz gewöhnlichen Bürgern angezeigt und mit bis zu viereinhalb Jahren Haft geahndet werden können. Laut Gesetz werden jene, die in der "Bevölkerung irreführende Informationen verbreiten", aber auch alle, die Inhalte von anderen teilen, beispielsweise einen Post auf Twitter re-tweeten, in gleicher Weise als Straftäter behandelt.

Einschränkungen von Social-Media-Plattformen

Das Desinformationsgesetz setzt nicht bloß Journalisten unter Druck, sondern auch Social-Media-Plattformen. Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter müssen offizielle Niederlassungen in der Türkei einrichten, die dem Staat über ihre Inhalte, Schlagwörter und Algorithmen berichten und, auf Anforderung von Gerichten, persönliche Daten ihrer Nutzer preisgeben müssen. Weigern sie sich, müssen sie mit der Einschränkung ihrer Bandbreite um bis zu neunzig Prozent rechnen, werden also nahezu blockiert, obwohl sie mit der Befolgung dieser Vorschriften internationalen Rechtsnormen verletzen und den kommerziellen Interessen der Unternehmen widersprechen würden. Kritiker sind davon überzeugt, dass diese Regelungen überhaupt nur eingeführt wurden, weil Unternehmen sich nicht vollkommen an sie halten können und der Staat so jederzeit eine Intervention rechtfertigen kann. Zudem kann das dem Präsidenten direkt unterstellte Amt für Informations- und Kommunikationstechnologie (Bilgi Teknolojileri ve İletişim Kurumu, BTK) gegen soziale Netzwerke bei angeblichen Regelverstößen ohne richterliche Anordnung ein Werbeverbot von bis zu sechs Monaten verhängen. Mit Hilfe des Desinformationsgesetzes können somit soziale Netzwerke und Internetseiten vor den Wahlen in der Türkei blockiert werden.

Auch die Sicherheit persönlicher Daten ist mit dem neuen Gesetz bedroht. Den vorherigen gesetzlichen Regelungen nach, mussten Dienstanbieter Nutzerdaten nur auf Forderung der Staatsanwaltschaft weitergeben. Das neue Gesetz verlangt nun, dass Internetunternehmen die Daten aller Nutzer regelmäßig an den Staat weiterleiten. So wird automatisch und lückenlos – ohne richterliche Anordnung – dem Staat übermittelt, wer wem wie viele und welche Nachrichten geschickt oder wer mit wem telefoniert hat. Medienunternehmen, die diese Daten nicht offenlegen, werden, genau wie die Social-Media-Plattformen, blockiert.

Überwachung des Fernsehens durch die staatliche Aufsichtsbehörde

Wie die Plattformen der digitalen Medien leiden auch die türkischen Fernsehsender unter umfangreichen Repressionen. Die Aufsichtsbehörde für Rundfunk und Fernsehen (Radyo ve Televizyon Üst Kurulu, RTÜK) wurde ursprünglich zur Regulierung des Mediensektors gegründet und entwickelte sich in der AKP-Ära zu einer Zensurbehörde. Der Regierung nicht genehme Inhalte wurden mit Ausstrahlungsverbot oder Geldbußen belegt. Allein im Jahr 2022 stellte die Behörde 2.264 Strafbescheide aus. Radio- und Fernsehsender mussten insgesamt rund 71 Millionen Lira (umgerechnet ca. 2,5 Millionen Euro) Bußgelder zahlen. Kritische Berichte werden nach Paragraphen wie "Herabsetzung über die Grenzen der Kritik hinaus" oder "Volksverhetzung" geahndet. Strafen richteten sich nicht allein gegen journalistische Inhalte, sondern auch gegen Fernsehserien, die nicht den Moralvorstellungen der Regierung entsprachen. Etliche Serienfolgen wurden angezeigt, weil sie gegen das "Prinzip des Schutzes der allgemeinen Moral, sittlicher Werte und der Familie" verstoßen hätten. Fernsehsender ergreifen mittlerweile eine Vielzahl an Maßnahmen, um Strafen zu entgehen. So sind Zigaretten, Alkohol aber auch Szenen, in denen sich ein Mann und eine Frau küssen, nur verschwommen zu sehen. Kürzlich wurde beispielsweise gegen den oppositionellen Fernsehsender Halk TV eine Strafe verhängt, weil dort das neue Buch des inhaftierten kurdischen Politikers Selahattin Demirtaş vorgestellt worden war.

Websites nur noch mit Lizenz

Die zum staatlichen Zensurinstrument gewordenen Aufsichtsbehörde RTÜK wurde vor zwei Jahren per Erlass zusätzlich die Kontrolle von Internetseiten übertragen, die Videos produzieren. Zudem wurden digitale Medienunternehmen, die visuelle Inhalte produzieren, wie etwa Youtube, Tiktok oder auch multimediale Nachrichtenseiten, genötigt, sich von RTÜK lizenzieren zu lassen und ihre Redaktionsstatuten nach den Vorgaben der Regierung zu gestalten. Zahlreiche Websites, darunter auch das türkische Programm der Deutschen Welle, DW Türkçe, beantragten daraufhin keine Lizenz. Das ließ RTÜK jedoch nicht durchgehen: Im Juli 2022 blockierte die Behörde den Zugang zur Deutschen Welle in der Türkei.

2002 war Erdoğan mit dem Versprechen, Korruption, Armut und politische Repression zu bekämpfen, an die Regierung gekommen. Nach 21 Jahren ist er heute ein Staatschef, der die Berichterstattung über die Missstände im Land verhindert oder verbietet. Je lauter die Bevölkerung sich aufgrund der Wirtschaftskrise, in die er die Türkei gestürzt hat, beschwerte und je weiter sein Stimmenpotenzial abnahm, desto stärker erhöhte er den Druck auf die Presse. Sein Anspruch, ein "muslimischer Demokrat" und "Reformer" zu sein, ist längst Geschichte.

Der Text wurde aus dem Türkischen übersetzt von Sabine Adatepe.

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Bülent Mumay war Redakteur der später eingestellten linksliberalen türkischen Tageszeitung „Radikal“ und leitete die Online-Redaktion der „Hürriyet“. Seit August 2016 schreibt Mumay Kolumnen für die türkische Tageszeitung „Bir Gün“. Im deutschsprachigen Raum ist er durch seine „Briefe aus Istanbul“ bekannt, die in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erscheinen, zudem arbeitet er als Journalist für die Türkisch-Redaktion der „Deutschen Welle“.