Die Stadt, in der er geboren wurde, hieß Rustschuck, Rousse oder Ruse. Für Elias Canetti, den späteren Literaturnobelpreisträger, war die Stadt an der Donau die bestmögliche aller Heimaten: vielsprachig, vielschichtig, europäisch. Das hat auch seine Literatur geprägt.
Auf einer Reise über den Balkan und ins Osmanische Reich aus dem Jahre 1843 hat Franz Grillparzer sich innerhalb von ein paar Stunden ein Bild von Rustschuk gemacht und seine Eindrücke niedergeschrieben:
"8. September. In Rustschuk findet sich endlich mein Reisegefährte ein. Besehe mit ihm die Stadt. Dieses Reich ist verloren. Der Untergang steht nicht bevor, er ist schon da. Ich wollte, unsere Staatsmänner reisten nur bis hierher, um die Nichtigkeit ihrer Hoffnungen der Wiederherstellung einzusehen. 800 Kanonen in der Festung mit verfaulten Lafetten ohne Bewachung, ohne Bedienung. Die Straßenbuben spielen mit den Kanonenkugeln und Bomben. Die Häuser Trümmer von Ruinen. Es ist aus, da hilft kein Gott…."
Zwei Jahrzehnte später, im Jahre 1864, wurde Rustschuk zum Verwaltungszentrum und zur Hauptstadt der im Osmanischen Reich gegründeten Donauregion (Tuna vilaet). Die Region umfasste sieben Bezirke (sandzhak): Tulcea, Varna, Rustschuk, Tarnovo, Sofia, Vidin und Niš. Als sein erster Verwalter wurde der in Rustschuk geborene Sultan Midhat Pascha ernannt – einer der Pioniere der jungtürkischen Ideologie und Erneuerer des untergehenden Osmanischen Reiches. Er reformierte das administrative und das juristische System und baute mehrere Institutionen um. Er führt den Gemeinsamen Vilaetrat (Regionalparlament) ein, an dem Vertreter der verschiedenen Religionen und Ethnien aus der Region teilnehmen.
Franz Grillparzer wäre aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen. Unter Midhat Pascha wurde im Tuna Vilaet ein neues Verwaltungssystem eingeführt. Es folgten moderne Gerichte, ein neues Straßen- und Verkehrsnetz, Hotels, Krankenhäuser, eine Agrarsparkasse, aber auch eine neue Geheim- und Schutzpolizei. In der neu eröffneten Druckerei des Vilaets wurde nun die Regierungszeitung Tuna (Donau) in bulgarischer und türkischer Sprache gedruckt.
Den entscheidenden Entwicklungsschub für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt gab die erste Eisenbahnlinie auf bulgarischem Boden – sie verband Rousse, wie die Stadt in Ablehnung des türkischen Rustschuk mehr und mehr genannt wurde, mit Varna. Die damals sicherste Handelsroute von Mitteleuropa zum Orient verlief entlang der Donau von Wien nach Rustschuk, dann mit der Eisenbahn nach Varna und schließlich mit dem Schiff nach Istanbul.
Schnell verwandelte sich die Stadt in ein Zentrum für den Transithandel. Darüber hinaus entstanden zwei Dampfmühlen, eine Brauerei, eine Gerberei, eine Schiffswerft. Auch das Finanzwesen entwickelte sich mit der Gründung einer Filiale der "Bank Ottoman". Dank der neuen Verkehrsverbindungen kamen bald auch viele Ausländer nach Rousse und eröffneten neue Handelsvertretungen. Österreich-Ungarn, Russland, Großbritannien, Frankreich und Italien eröffneten Konsulate, Preußen, Belgien, Holland, Spanien und Griechenland Honorarkonsulate. Auf den Straßen der internationalsten Stadt auf bulgarischem Boden konnte man die bulgarische, türkische, armenische, jüdische, walachische, griechische, deutsche, ungarische, englische und russische Sprache hören.
Der wirtschaftliche Aufschwung und Wohlstand in Rousse, seine Verbindungen mit den mitteleuropäischen Staaten sowie mit Russland und Rumänien, die Zuwanderung von Ausländern und der damit verbundene Zugang zu den bürgerlichen Ideen Europas übten einen unmittelbaren Einfluss auf das geistige Leben der lokalen Bevölkerung aus. Der aufgeklärteste Teil davon beteiligte sich aktiv am Kampf um die nationale bulgarische Renaissance und die Gründung einer unabhängigen Kirche. 1878 schließlich wurde Rousse, das nun auch Ruse hieß, bulgarisch.
Aus dieser Zeit – um die Jahrhundertwende des 19. und 20.Jh. – stammt das neue Stadtzentrum. Zu ihm gehört das Freiheitsdenkmal, die erste Skulptur Bulgariens, die keine historische Figur darstellt, sondern die Freiheit als symbolische Frauenfigur repräsentiert, und das Theatergebäude, ein typischer Jahrhundertwendebau. Nino Rossetti, Georg Lang, Eduard Winter, Spiros Valsamaki, Negohos Bedrossian, Edwin Petricki gehörten zu den Architekten, die das moderne Antlitz von Ruse schufen. Hier fanden die verschiedensten Stile – Barock, Gotik, Renaissance, Empire, Rokoko, Biedermeier – zu einer Melange zusammen.
Aber nicht nur die Architektur in Rousse war importiert, schrieb später Elias Canetti, der berühmteste Sohn der Stadt: "Rousse wurde Ende des 19. und Anfang des 20. Jh. von den Bulgaren 'klein Wien' genannt wegen der starken kulturellen Einflüsse der österreichischen Hauptstadt nicht nur im Bereich der Architektur, sondern auch hinsichtlich der Mode – Kleider, Stadtbälle, Manieren, Innenausstattung und Gegenstände zum alltäglichen Gebrauch."
Die Familie Canetti
In dieser Zeit, in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts, zog die Familie Canetti von Edirne nach Rustschuk um. Schnell wurde sie ein aktiver Teil der jüdischen Gemeinde, beteiligte sich am wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und gemeinnützigen Leben der im Aufschwung begriffenen Stadt. Elias Canetti, der Großvater des Nobelpreisträgers, baute dort seine Großhandelsniederlassung auf. Am österreichischen k.u.k. Generalkonsulat diente Abraham Canetti, der Großonkel des Schriftstellers. Ihm wurde von Kaiser Franz Josef am 16. März 1876 das "Goldene Verdienstkreuz" verliehen..Ein an-derer Onkel, Solomon Canetti, beteiligte sich an der Bildungskommission für eine Schulreform.
In Rustschuk heirateten die Eltern von Elias Canetti – Mathilda Arditti (ihre Familie war schon am Anfang des 19. Jahrhunderts hierher gezogen) und Jacques Canetti am 22. August 1904, hier wurde der spätere Literaturnobelpreisträger am 25. Juli 1905 geboren, hier verlebte er die ersten sechs Jahre seines Lebens. Die autobiographischen Erinnerungen an die Stadt schrieb er aber erst 65 Jahre später – und es ist erstaunlich, wie genau diese Kindheitserinnerungen sich bei ihm eingeprägt hatten.
Topoi der Heimat
Das Theater in Ruse aus der Jahrhundertwende. (Todor Bozhinov / Тодор Божинов / Martyr; Wikimedia Commons)
"Rustschuk, an der unteren Donau, wo ich zur Welt kam, war eine wunderbare Stadt für ein Kind, und wenn ich sage, dass sie in Bulgarien liegt, gebe ich eine unzulängliche Vorstellung von ihr, denn es lebten dort Menschen der verschiedensten Herkunft, an einem Tag konnte man sieben oder acht Sprachen hören."
Elias Canetti ist ein emblematischer Name in Bulgarien. Sowohl durch den Ort, in den er hineingeboren wurde, als auch durch sein Leben und Schaffen kann Canetti als der europäische Bürger par excellence betrachtet werden und als Vorbote einer europäischen Identität. In diesem Sinne wird er heute auch in seiner Geburtsstadt geehrt.
Als er 1981 den Nobelpreis bekam, ehrten ihn sieben Staaten: Bulgarien, Deutschland, England, Österreich, Israel, Spanien und die Schweiz. Er besaß die österreichische und britische Staatsbürgerschaft, ist aus Österreich mit einem türkischen Pass geflohen, hat sich zur Tradition der österreichischen Literatur bekannt, gilt als deutschsprachiger Schriftsteller jüdischer Herkunft. Man bekennt sich zu ihm, aber man streitet nicht über seine Zugehörigkeit. Man versucht nicht, ihn "zu teilen" und zu "zerstückeln": Der europäische Denker, der vielerorts und nirgendwo zu Hause ist. Er hat einen Geburtsort, aber keine Zugehörigkeit. Er gehörte, wie er einmal schrieb, allen und keinem: "Niemand gehören, in jedem wachsen; das Beste lieben, das Schlechteste trösten".
Was aber bedeutete der Topos Rustschuck für Canetti, für seinen Begriff der Heimat und für sein Europäertum?
Canetti war in der deutschsprachigen Literatur der erste, der für Bulgarien den Topos der Heimat eingeführt hat. Er schrieb über Bulgarien und über Rustschuk nicht als das Fremde, das Andere, das Unbekannte, das es erst durch Reisen und Erkundungen zu entdecken gilt. Vielmehr ist ihm die Stadt ein Weltenort, indem Bekanntes und Unbekanntes aufgehoben ist:
Zitat
Es wird mir schwerlich gelingen, von der Farbigkeit dieser frühen Jahre in Rustschuk, von seinen Passionen und Schrecken, eine Vorstellung zu geben. Alles, was ich später erlebt habe, war in Rustschuk schon einmal geschehen.
Schon in dieser ersten Erinnerung, die gleich am Anfang seiner Autobiografie steht, kann man die beiden wichtigen Ansätze im Werk und im Menschenbild von Canetti erkennen: die Multikulturalität, in der er aufgewachsen ist, sowie die seine Erfahrung strukturierende Rolle der Kindheitserinnerungen, die in der Folge erweitert und vertieft werden. Canetti beschreibt diese Heimat nicht als Exotikum, nicht als entfremdete Heimat, sondern aus der Perspektive des erlebenden Kindes mit der Bewusstheit des erfahrenen Schriftstellers. Hier er-lebt er die Geborgenheit und die Ängste, die eine jede Kindheit begleiten, die Grunderfahrungen von Masse, Macht, Verblendungen, Vielsprachigkeit, Multikulturalität und Ausgrenzungen. Hier erlebt er jene Grunderlebnisse, die für sein späteres Leben und für sein Werk bestimmend sind. Das prägte ihn auch hinsichtlich der Frage nach seiner Nationalität.
Ein Werk wird geboren
In Ruse erlebt Canetti zum ersten Mal die Masse – die Masse der Zigeuner, die jeden Freitag in den väterlichen Hof zieht, die Masse der Verwandten als "stockende Masse der Erwartung des Weltuntergangs angesichts des Halleyschen Kometen". Hier greift die kleine Kinderhand im großväterlichen Geschäft in die Säcke mit Hirse, mit Gerste, mit Reis hinein und befühlt die Körner, begreift sie, um sie viel später in der Massentheorie erkennend zu beschreiben:
"Die Herkunft des Korns aus Haufen, dem Saatgut, ist so wichtig und bezeichnend wie die Haufen von Körnern, in die es schließlich mündet."
Diese Beschreibung mag von jenem ersten Berühren und Befühlen seiner Kindheitserinnerungen herrühren. Hier, in Ruse, werden das Feuer und das Wasser zu seinen Grunderlebnissen. Hier fühlt er die elementare Kraft der Elemente, die später sein Werk beherrschen werden: in der Blendung vereinigt sich der Protagonist Peter Kein in seinem "Autodafé" am Ende des Romans mit diesen zwei Grundelementen. In Masse und Macht werden sie als Symbole der Masse definiert. Das erste Erlebnis des Brandes im Nachbarhaus lässt ihn die Wirkung dieser Elementarkraft spüren: "Balken stürzten ein und Funken sprühten. Aber was mir weit mehr Eindruck machte als das brennende Haus, waren die Menschen, die sich darum bewegten".
Canetti hat mehrere Brände, so auch den des Wiener Justizpalasts, erlebt und beschrieben. Und bei jedem neuen Erlebnis hat er neue Akzente gefunden, die in seine Theorie von Masse und Macht eingegangen sind. Die Beschreibung jenes ersten Brandes beendet der Erzähler der Autobiographie mit folgender Betrachtung:
"Dieser Anblick, der mir unvergesslich blieb, ist mir später in die Bilder eines Malers aufgegangen, so dass ich nicht mehr sagen könnte, was ursprünglich war und was von ihnen dazu kam: ich war neunzehn, als ich in Wien vor den Bildern Brueghels stand. Ich erkannte auf der Stelle die vielen kleinen Menschen jenes Feuers aus der Kindheit."
Viele einschneidenden Erlebnisse könnten noch aufgelistet werden, die als Grunderfahrungen den Denker sein ganzes Leben begleiten werden: der Tod der türkischen Nachbarsfrau als erste Berührung mit dem Sterben und die damit verbundene Erfahrung der Eifersucht; der Familienstolz; die Verfallenheit an die deutsche Sprache, die als geheime Liebessprache von den Eltern gesprochen wird; die bulgarischen Märchen von Werwölfen, die auf einem wundersamen Weg in sein Bewusstsein gefunden haben, so dass er den Wortlaut nicht mehr kennt, aber die Inhalte zu jeder Zeit erkennen würde; die erste Verwandlung, die er erlebt, als er den Vater für einen Wolf hält, und die erste Lüge, die er sich ausdenkt, in dem er die Stimme des Vaters nachahmt – die ihn im mehrfachen Sinne des Wortes zum Verwandlungskünstler und zum Dichter macht, denn Verwandlung ist der Grundbegriff seines Menschenbildes.
Heimat als Patchwork
Elias Canetti (1905-1994). (Urheber unbekannt; Nationaal Archief und Spaarnestad Photo; Wikimedia Commons)
Man kann wichtige Erlebnisse in seiner weiteren Entwicklung durch die unterschiedlichen Städte und Regionen Europas verfolgen. Dabei konstituiert Canetti einen neuen Begriff von Heimat, der ganz Europa umfasst, ohne sich an Grenzen oder Himmelsrichtungen zu halten. Auch andere Städte seiner Lebensreise sind ihm zur Heimat geworden – in einer Selbstauskunft aus dem Jahre 1945 bezeichnet er Wien als seine ”eigentliche Heimatstadt”, und Zürich ist für ihn das eigentliche "Paradies", aus dem er sich nicht vertreiben lassen möchte:
"Mit allen Mitteln wehrte ich mich gegen diese Übersiedlung, aber sie (die Mutter, Petra Angelova) hörte auf nichts und nahm mich fort. Die einzig vollkommen glücklichen Jahre, das Paradies in Zürich, waren zu Ende. Vielleicht wäre ich glücklich geblieben, hätte sie mich nicht fortgerissen. Es ist aber wahr, dass ich andere Dinge erfuhr als die, die ich im Paradies kannte. Es ist wahr, dass ich, wie der früheste Mensch, durch die Vertreibung aus dem Paradies erst entstand."
Somit hat Canetti in der deutschsprachigen Literatur einen neuen Topos der Heimat eingeführt, in dem die Heimat nicht mehr mit Fremdbildern ab- und ausgegrenzt wird, sondern als multikulturelle Landschaft gepatchworkt wird. In einer Aufzeichnung aus dem Jahre 1943 (sic!), in der für ihn typischen Form der Er-Aufzeichnungen, vermerkt Canetti: "Er will durch die Geschichte seiner Kindheit Europa vereinigen."
Tatsächlich spielt sich sein Leben in lauter "Heimaten" ab, die den Topos der "Heimat" grundsätzlich verändern und ihn zu einer "Heimkehrer in viele Länder" verwandeln. Sein Begriff der Heimat unterscheidet sich deutlich sowohl von der für die deutschsprachige Literatur charakteristische Heimat- als auch von der Antiheimatliteratur.
Einen Überblick über die Topographie dieser ”Heimat”-Zentren gibt bereits die Kapiteleinteilung der Autobiographien: Rustschuk 1905-1911, Manchester 1911-1913, Wien 1913-1916, Zürich-Scheuchzerstrasse 1916-1919, Zürich-Tiefenbrunnen 1919-1921. Sein Werk Die Fackel im Ohr geht auch topochronologisch den einzelnen Orten nach, indem die Topographie mit gewissen Grunderfahrungen verbunden sind: "Inflation und Ohnmacht, Frankfurt 1921-1924","Sturm und Zwang, Wien 1924-1925", "Die Schule des Hörens, Wien 1926-1928", "Das Gedränge der Namen, Berlin 19282" und "Die Frucht des Feuers, Wien 1929-1931".
Diese Topographie ist durch das für den Bildungsroman des 19. Jahrhunderts charakteristische Motiv der Reise verbunden, die die Bildung zum Dichter und die Bildung zum europäischen Bürger vorantreibt und eine zivilisatorische Einheit in ihrer kulturellen Vielfalt darstellt.
Zwei Besonderheiten in Canettis Autobiographien haben eine enorme Bedeutung für seinen Menschenbegriff: die Umwandlung des Reisemotivs – von "fremde Länder kennen-lernen" in "Heimaten entdecken". Und das Motiv der Entwicklung der Persönlichkeit durch die vielfältigen Verwandlungen und aus unterschiedlichen kulturellen Prägungen. Die Beobachtung aus der Geretteten Zunge, dass er aus vielen Personen bestehe, deren er sich keineswegs bewusst sei, wird in den Autobiographien und in den Aufzeichnungen immer wieder bestätigt mit bewussten Erfahrungen und manchmal befremdlichen "Einverleibungen" von literarischen und wirklichen Gestalten, die ihn zum Dichter und zum Menschen gemacht haben und durch die er sich als der Bewahrer einer Tradition erkennt.
Die dreibändige Autobiographie lässt sich als eine ausführliche psychologische Studie in der Form eines Bildungsromans über die Probleme der Menschwerdung durch Verwandlung in Vorbilder und Abgrenzung von Gegenbildern lesen. Die ständige Wiederkehr jenes Satzes, der nicht zu unterscheiden weiß zwischen dem, "was ich bin" und dem, was der Vater, die Mutter, Karl Kraus, Dr. Sonne und andere Vorbilder aus ihm gemacht hätten, veranschaulicht diese Vorbild-Gegenbild-Problematik und den von Canetti entwickelten Verwandlungsmythos.
Als der Vater dem kleinen Elias in Manchester die neue Adresse beibringen will, spielt er ein Spiel mit ihm, bei dem die Adresse von seinem Namen über Straße und Hausnummer, Stadt bis zum Land, England, zusammengestellt wird. Der kleine Elias fügt dieser Adresse, "überflüssig und laut", noch "Europe" hinzu.
Das Erbe bewahren
So ist es eine Selbstverständlichkeit, dass am Geburtsort des Dichters und Denkers gleich nach der Wende im Jahre 1990 Veranstaltungen zu seinem Gedenken stattfanden und 1992 die Internationale Elias Canetti Gesellschaft entstand.
Die Canetti Gesellschaft ist aus dem Streben nach Interkulturalität und Transdisziplinarität entstanden und hat sich die Förderung der Forschung und der Rezeption von Elias Canetti Werk zum Ziel gesetzt. In den zwanzig Jahren ihres Bestehens entwickelte sie vielfältige Aktivitäten, die in drei Sektionen – Kultur, Bildung und Wissenschaft – sowie Verlagstätigkeit und einer Österreich Bibliothek aufgefächert ist. Zusammen mit der Gemeinde Ruse betreut die IECG auch den nationalen Literaturpreis, der zweijährig auf den Namen Elias Canetti ausgeschrieben wird.
Penka Angelova leitet die internationale Elias-Canetti-Gesellschaft in Ruse, Bulgarien, und lehrt als Professorin an den Universitäten von Veliko Tarnovo und Ruse unter anderem deutsche Literatur- und Kulturgeschichte. Ihre Bücher: Romanwelten (1995), Mich liebt, o Mutter, ein Feuerdrache (1996), Ich sehe was, was du nicht siehst (2002). Elias Canetti - Spuren zum mythischen Denken ist 2005 im Zsolnay Verlag erschienen.