Wenn junge Menschen eine Straftat begehen und die Polizei davon erfährt, hat das Konsequenzen. Es wird ein Strafverfahren eingeleitet, an dessen Ende eine förmliche
Die Gesetzesgrundlage – wo steht was?
Verbote gelten für alle in Deutschland lebenden Menschen in derselben Weise; sie sind im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Das Diebstahlsverbot ergibt sich beispielsweise aus § 242 StGB, das Verbot, andere Menschen zu verletzen, aus § 223 StGB. Die allgemeinen Regeln für das Strafverfahren sind in der Strafprozessordnung (StPO) niedergelegt. Hier ist beispielsweise festgelegt, unter welchen Voraussetzungen jemand festgenommen und verurteilt oder wann eine Durchsuchung durchgeführt werden darf. Diese allgemeinen Regelungen gelten auch für Jugendliche und Heranwachsende.
Das Jugendgerichtsgesetz (JGG) enthält Sonderregelungen für die Verfahren gegen junge Straftäterinnen und Straftäter, die von den für Erwachsene geltenden Regelungen abweichen.
Sonderstrafrecht für junge Täterinnen und Täter
Auch wenn die Gewaltkriminalität unter Minderjährigen seit 2021 wieder zunimmt, lässt sich festhalten, dass Jugendliche insgesamt überwiegend leichte Delikte begehen. Typische Delikte sind Schwarzfahren, Ladendiebstahl, Sachbeschädigung, leichte Körperverletzungen oder das unerlaubte Downloaden von Bildern, Filmen oder Software im Netz. Die meisten Jugendlichen begehen solche Delikte nur ein paar Mal, dann hören sie auf. Hinter ihren Taten stehen häufig Motive wie Neugier, der Reiz des Verbotenen, das Austesten von Grenzen oder Langeweile. Die möglichen strafrechtlichen Folgen haben Jugendliche oft nicht im Blick; sie werden verdrängt.
Medienberichte konzentrieren sich zumeist auf die vergleichsweise wenigen besonders schweren Fälle oder auf Straftaten von Wiederholungstäterinnen und -tätern. Solche Jugendliche haben oft schlechte Erfahrungen gemacht, Gewalt erlebt, zu anderen Menschen keine vertrauensvollen Beziehungen aufbauen können, sich womöglich nicht integrieren können, sind Außenseiter geblieben oder haben „falsche Freunde“. Hinter schweren Taten stehen also meist erhebliche Probleme, die die psychosoziale Entwicklung der Jugendlichen belasten.
Das JGG trägt diesen ganz unterschiedlichen Ausgangslagen Rechnung. Es eröffnet den Strafverfolgungsbehörden verschiedene Möglichkeiten, um auf straffällig gewordene junge Menschen zu reagieren. Die individuellen Sanktionen sollen Lernprozesse anstoßen und zu einer positiven Entwicklung der jungen Menschen beitragen.
Anwendungsbereich des Jugendstrafrechts
Das Gesetz unterscheidet zwischen Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden. Entscheidend ist das Alter zum Zeitpunkt der Tat.
Kinder sind jünger als 14 Jahre und können strafrechtlich noch nicht zur Verantwortung gezogen werden. Die Polizei gibt diese Fälle an das
Ab dem 14. Geburtstag kommen auch strafrechtliche Maßnahmen infrage. Das Gesetz unterscheidet in § 1 JGG zwischen Jugendlichen bis zum 18. Geburtstag und Heranwachsenden bis zum 21. Geburtstag. Bei Jugendlichen wird geprüft, ob sie schon „strafmündig“ sind. Die Strafverfolgung ist nur dann zulässig, wenn der oder die Jugendliche zur Zeit der Tat bereits in der Lage war, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (§ 3 JGG). Nur wenn diese doppelte Voraussetzung erfüllt ist, kann die Tat dem jungen Menschen zum Vorwurf gemacht werden. Wenn sie nicht erfüllt ist, muss das Strafverfahren eingestellt werden und es kommen wie bei Kindern allein Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe in Betracht.
Ab dem vollendeten 18. Lebensjahr wird vom Gesetz unterstellt, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit gegeben ist. Nur in Ausnahmefällen gilt die strafrechtliche Verantwortung nicht, etwa wenn bei der Täterin oder dem Täter eine psychische Störung vorliegt (§ 20 StGB). Bis zum vollendeten 21. Lebensjahr muss allerdings geprüft werden, ob sich die Täterin oder der Täter noch in der „sittlichen und geistigen“ Entwicklung eines jungen Menschen befindet oder ob der Entwicklungsprozess bereits abgeschlossen ist (§ 105 JGG). Im ersten Fall wird auf die Straftaten von Heranwachsenden noch mit jugendstrafrechtlichen Maßnahmen reagiert. Im zweiten Fall kommt das allgemeine Strafrecht für Erwachsene zur Anwendung; beispielsweise können eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe verhängt werden.
Häufige Einstellungen der Verfahren
Strafverfahren gegen Jugendliche werden häufig eingestellt. Der Grund: Jugendliche begehen Straftaten oft im Rahmen ihres Entwicklungsprozesses. Es ist überwiegend eine bloße Episode, der mit der zunehmenden Integration in das Erwachsenenleben keine Bedeutung mehr zukommt. In diesen Fällen wäre eine förmliche Sanktion für eine erfolgreiche Integration eher hinderlich; so soll dem Jugendlichen etwa erspart bleiben, sich als „verurteilter Straftäter“ um einen Ausbildungsplatz bewerben zu müssen. Die
Was bedeutet Täter-Opfer-Ausgleich?
Der Täter-Opfer-Ausgleich nach § 45 Abs. 2 Satz 2 JGG ist ein häufig im Jugendstrafrecht angewandtes außergerichtliches Verfahren. Hierbei wird der Konflikt, der der Straftat zugrunde gelegen oder sich aus ihr entwickelt hat, vor einer Ausgleichsstelle aufgearbeitet. Das Ziel ist es, zu einer für beide Seiten akzeptablen Vereinbarung über den Umgang mit den Folgen der Tat zu gelangen. Der oder die Geschädigte soll die Möglichkeit erhalten, tatbedingte psychische und gegebenenfalls auch materielle Belastungen abzubauen. Der oder die für die Tat Verantwortliche soll das begangene Unrecht einsehen und die Möglichkeit erhalten, die Verantwortung für die Tat zu übernehmen. Typische Leistungen sind neben dem Reden über die Tat und ihre Folgen das Zugeben der schädigenden Handlung und die Bitte um Entschuldigung sowie die Übernahme von kleinen Schadensersatz- und Schmerzensgeldzahlungen.
Besonderheiten des Jugendstrafverfahrens
Im Vergleich zu Strafverfahren gegen Erwachsene weisen Jugendstrafverfahren zahlreiche Besonderheiten auf. Die Verfahren finden vor Jugendgerichten (§ 33 JGG) statt, bei denen die Richterinnen und Richter über besondere Kenntnisse und Erfahrung im Umgang mit straffällig gewordenen Jugendlichen verfügen (§ 37 JGG). An dem Verfahren wirken auch Vertreterinnen oder Vertreter des Jugendamts mit, die als „Jugendhilfe im Strafverfahren“ die wesentlichen sozialen und erzieherischen Gesichtspunkte zur Geltung bringen (38 JGG). Auch die Erziehungsberechtigten der Beschuldigten können an dem Verfahren mitwirken. Sie können beispielsweise Fragen und Anträge stellen (§ 67 JGG) und sie haben bei der Wahl der Verteidigung ein Mitspracherecht.
Die Verfahren werden grundsätzlich nach denselben Regeln durchgeführt wie Strafverfahren gegen Erwachsene. Es gibt allerdings einige Besonderheiten, insbesondere sind die Hauptverhandlungen nicht öffentlich (§ 48 JGG). An den Verhandlungen dürfen in der Regel nur die Angeklagten, die Opfer und die Erziehungsberechtigten beziehungsweise gesetzlichen Vertreter teilnehmen. Bei schwereren Delikten bekommen die Jugendlichen eine Pflichtverteidigerin beziehungsweise einen Pflichtverteidiger. Die Kosten dafür trägt in der Regel die Staatskasse. Grundsätzlich gilt allerdings auch im Jugendstrafverfahren, dass sich alle Angeklagten zu jeder Zeit des Verfahrens durch eine selbstgewählte Verteidigerin oder einen Verteidiger vertreten lassen können.
Sanktionen nach dem Jugendstrafrecht
Wenn das Verfahren nicht eingestellt wird, ergeht nach einer Hauptverhandlung ein Urteil. Wenn sich das Gericht nicht davon überzeugen kann, dass die angeklagte Person die Straftat begangen hat, erfolgt ein Freispruch. In allen anderen Fällen wird die Person schuldig gesprochen und das Gericht bestimmt im Urteil, welche Sanktion verhängt wird. Das Gesetz unterscheidet zwischen drei Arten von Sanktionen:
Die Erziehungsmaßregeln (§ 9 JGG) sollen an erkennbare Problemlagen in der Entwicklung der verurteilten Person anknüpfen und geeignete Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen in Gang setzen. Typischerweise werden vom Gericht Weisungen verhängt, beispielsweise die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs oder an einer suchttherapeutischen Maßnahme.
Zuchtmittel (§ 13 JGG) setzt das Gericht bei Jugendlichen ein, bei denen der erzieherische Bedarf gering ist. Vielmehr soll den Jugendlichen durch diese Sanktion bewusst gemacht werden, dass sie eine Straftat begangen haben, für die sie einstehen müssen. Dem Verurteilten können beispielsweise Auflagen wie Arbeitsleistungen („Sozialstunden“) oder die Zahlung von kleineren Geldbeträgen an gemeinnützige Einrichtungen erteilt werden. Ein Zuchtmittel ist auch der Jugendarrest (§ 16 JGG). Wenn Jugendarrest angeordnet wird, bedeutet das, dass die verurteilte Person für einige Tage, höchstens jedoch bis zu vier Wochen in einer Jugendarrestanstalt inhaftiert wird. Der Verlust der Freiheit und die Erfahrung der Gefangenschaft sollen als Warnung dienen und den Verurteilten verdeutlichen, welche Folgen bei weiteren Straftaten drohen können. Die jungen Gefangenen werden im Jugendarrest von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern betreut.
Die Jugendstrafe (§ 17 JGG) ist die härteste Sanktionsart, die das JGG kennt. Diese Freiheitsstrafe kann verhängt werden, wenn die Entwicklung des Jugendlichen auf massive psychosoziale Problemlagen hinweist, die weitere Straftaten erwarten lassen. Die Jugendstrafe kann auch verhängt werden, wenn die abgeurteilte Straftat sehr schwer war, beispielsweise bei einem Tötungsdelikt oder einem anderen schweren Gewaltdelikt. Die Jugendstrafe dient also dem Schutz der Allgemeinheit und der Resozialisierung des Jugendlichen. In beiden Fällen dauert die Jugendstrafe mindestens sechs Monate. Die Vollstreckung kann unter bestimmten Voraussetzungen für zwei bis drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden (§ 21 JGG). Wenn der oder die Jugendliche während dieser Zeit keine weiteren Straftaten begeht, wird die Strafe am Ende der Bewährungszeit erlassen. Andernfalls wird die Aussetzung widerrufen und die verurteilte Person muss die Jugendstrafe in einem Jugendgefängnis verbüßen.
Jugendstrafrecht in der Diskussion
In der Rechtspolitik sind die geltenden Regelungen des Jugendstrafrechts umstritten. Die Kritik entzündet sich vor allem an den Altersgrenzen des JGG. Von manchen Seiten wird die Absenkung der Altersgrenze für die Strafmündigkeit von 14 auf 12 Jahre gefordert. Zur Begründung wird angeführt, Kinder seien heute früher reif als zu der Zeit, als das JGG geschaffen wurde (nämlich im Jahr 1923); sie müssten deshalb auch in jüngeren Jahren zur Verantwortung gezogen werden können. Andere Stimmen argumentieren dagegen, dass sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht nur daran orientieren dürfe, ob Kinder in der Lage seien, das Unrecht ihrer Taten einzusehen. Ebenso wichtig sei es, dass Kinder auch in der Lage sein müssten, ihre Impulse zu kontrollieren und sich der Einsicht entsprechend zu verhalten. Diese Fähigkeit könne bei 12- und 13-Jährigen aber noch nicht vorausgesetzt werden.
Gestritten wird auch über die Regelung für Heranwachsende (§ 105 JGG). Manche Stimmen fordern, die Anwendbarkeit des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende abzuschaffen oder auf Ausnahmefälle zu beschränken. Argumentiert wird, wer unbeschränkt geschäftsfähig sei und zivilrechtliche Verträge abschließen dürfe (§ 2 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB), der müsse sich auch strafrechtlich wie ein Erwachsener behandeln lassen. Aber auch hier gibt es eine Gegenposition: Da die Persönlichkeitsentwicklung mit der Vollendung des 18. Lebensjahres noch nicht abgeschlossen sei, sollten unterschiedslos alle Heranwachsenden in den Anwendungsbereich einbezogen werden.
In der Diskussion kommt es vor allem darauf an, worin der Sinn und Zweck von Strafrecht gesehen wird. Wer den Opfern von jungen Straftäterinnen und Straftätern durch Strafen Rechnung tragen möchte, wird die Absenkung des Strafmündigkeitsalters auf 12 Jahre und die Anwendung des strengeren Erwachsenenrechts auf die 18-Jährigen befürworten. So verhält es sich auch, wenn man Urteile als Abschreckungsmittel für weitere Straftaten versteht. Wer hingegen vor allem im Blick hat, wie die Entwicklung straffällig gewordener junger Menschen durch Sanktionen beeinflusst werden kann, wird die Einbeziehung der 12- und 13-Jährigen in den Anwendungsbereich des JGG ablehnen und die differenzierende Regelung für die Heranwachsenden beibehalten wollen. Wichtig ist in der kriminalpolitischen Diskussion, dass über solche Fragen auf der Grundlage und unter Berücksichtigung von gesicherten wissenschaftlichen Befunden entschieden wird.