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Geld als gesellschaftliches Arrangement

Caspar Dohmen

/ 4 Minuten zu lesen

Geld ist heute ein selbstverständliches Tauschmittel für Waren und Dienstleistungen. Gäbe es Geld nicht, müssten wir immer wieder nach jemandem suchen, der genau das besitzt, was wir benötigen.

Stapelweise liegt Geld in einer Wechselstube in Tokio. Der US-Dollar ist die Währung, die am häufigsten im internationalen Handel genutzt wird. (© picture-alliance, ZUMAPRESS.com | Taidgh Barron)

Geld als gesellschaftliches Arrangement Geld ist für uns heute ein selbstverständliches Tauschmittel für Waren und Dienstleistungen. Gäbe es dieses Brückenglied zwischen Kauf, Verkauf und wieder neuem Kauf nicht, müssten wir immer wieder nach jemandem suchen, der genau das besitzt, was wir gerade benötigen – und wir müssten dessen Besitzerin wiederum etwas anbieten können, was für sie einen Wert hat. Nur so käme ein Tausch zustande. Unter heutigen Umständen könnte das so aussehen: Wenn man beispielsweise eine gebrauchte Waschmaschine kaufen möchte, könnte man im Gegenzug etwa anbieten, bei Computerproblemen zu helfen, auf die Kinder oder die Wohnung aufzupassen. Da verginge allerdings regelmäßig viel Zeit mit Suchen, bis zwei Tauschpartner einander fänden. Seit der Erfindung elektronischer Börsen ist der Tauschakt prinzipiell wesentlich einfacher geworden. Ohne Geld – zumindest als Bewertungsmaßstab – wären aber auch diese Computerbörsen kaum funktionsfähig. Schließlich müssen jeweils die beiden Tauschpartner davon überzeugt sein, dass ihre beiden Tauschangebote gleich viel wert sind. Sonst werden sie sich kaum auf das Geschäft einlassen. Auch hier vereinfacht das Geld den Handel enorm wie auch in der traditionellen Wirtschaft.

Soziale Folgen

Die Erfindung des Geldes hat den Alltag der Menschen enorm verändert. Während der griechischen Antike entstand in der Interner Link: lydischen Stadt Sardes (heute Türkei) der erste öffentliche Marktplatz. Dort konnte jeder seine Waren anbieten, zugleich fanden die ersten Glücksspiele statt. Die Einführung des Interner Link: Geldes veränderte nicht nur das Wirtschaften, sondern auch den sozialen Zusammenhalt. Der Einzelne konnte sich leichter aus seinem Familienverband lösen, wenn er Geld hatte. Entsprechend schwächte das Geld die traditionellen Bindungen in Familie und Dorf und verhalf gleichzeitig dem Einzelnen zu Freiräumen. Mit Geld konnten sich auch Abhängige von ihren Herrschern befreien. Um dies zu verhindern, legte manch ein Adliger seinen Untertanen noch im Mittelalter Steine in den Weg. So durfte ein englischer Hintersasse [dem Grundherrn Unterworfene] keines seiner Nutztiere verkaufen, ob Schwein oder Kuh, ohne vorher eine Genehmigung seines Grundherrn einzuholen. „Denn durch den Viehverkauf bekam er Geld in die Hand, mit dem er anderswo Land erwerben und sich den Verpflichtungen gegen seinen bisherigen Herrn entziehen konnte“, schreibt der Soziologe Georg Simmel.

Die allgemeine Einführung von Geld hatte auch noch eine andere wichtige Konsequenz: Menschliche Arbeitskraft wurde zu einer Ware mit einem bestimmten, in Geld messbaren Wert. Die Voraussetzung dafür, Zeit in geldwerten Einheiten zu messen, wurde geschaffen. Das ermöglicht unsere arbeitsteilig organisierte Wirtschaft, in der wir für unsere Arbeit nach Zeiteinheiten entlohnt werden – ausgedrückt in Stundenlohn, Tagespauschalen, einem Monats- oder Jahresgehalt. „Zeit ist Geld“, sagt der Volksmund. Simmel schreibt über die Folgen der Geldwirtschaft auf das soziale Zusammenleben in seiner Philosophie des Geldes: Erst die Geldwirtschaft habe „die Herausbildung derjenigen Berufsklassen ermöglicht, deren Produktivität sich inhaltlich ganz jenseits jeder wirtschaftlichen Bewegung stellt – die der spezifisch geistigen Tätigkeiten, der Lehrerinnen und Literaten, der Künstler und Ärztinnen, der Gelehrten und Regierungsbeamten“. Geld erwies sich zudem auch als Katalysator für den internationalen Handel. Unser heutiger globaler Gütertausch ist ohne Geld undenkbar.

Kaufen kann man sich für Geld fast alles: Häftlinge wechseln in den USA gegen einen Aufpreis von 82 US-Dollar in eine komfortablere Zelle. Ausländer, die eine halbe Million US-Dollar auf den Tisch legen und versprechen, wenigstens zehn Jobs in einer Gegend mit hoher Arbeitslosigkeit zu schaffen, erhalten eine Greencard für die USA – dürfen sich also dauerhaft dort aufhalten. Jägerinnen, die 150.000 US-Dollar zahlen, dürfen in Südafrika ein Nashorn erlegen, das ansonsten geschützt ist. Reihenweise listet der Autor Michael J. Sandel solche Beispiele in seinem Buch „What Money can’t buy“ auf. Aber es gibt Grenzen: Zum Beispiel darf man sich in Deutschland kein menschliches Organ kaufen und man darf keinen Politiker bestechen, um eine gewünschte Entschei¬dung zu bekommen.

Das soziale Arrangement mit dem Geld funktioniert aber nur so lange reibungslos, wie es viele Marktteilnehmerinnen und -teilnehmer anerkennen. In normalen Zeiten vertrauen ausreichend Menschen darauf, dass das Geld an sich einen Wert hat. Allerdings kann diese Einschätzung in Krisenzeiten schnell umschlagen, bei hohen Inflationsraten oder in Finanzkrisen merken Menschen schnell wieder, dass das heutige Papiergeld für sich keinen verlässlichen Wert darstellt.

Geld als Kapital

Interner Link: Geld ist als Kapital vor allem auch der Antriebsmotor der wirtschaftlichen Entwicklung. Geld verwandelt sich in ebendieses Kapital, wenn es produktiv investiert wird, sei es in Maschinen oder Bildung. Den Unterschied zwischen Geld und Kapital erklärte der französische Historiker Fernand Braudel in dem Buch „Die Dynamik des Kapitalismus“ folgendermaßen: „Ein Haus ist Kapital; gespeicherter Weizen ist Kapital; ein Schiff, eine Straße sind Kapital. Aber Kapitalgüter verdienen diesen Namen nur, wenn sie am ständig sich erneuernden Produktionsprozess teilhaben: Die Münzen eines Schatzes, der nicht benutzt wird, sind ebenso wenig Kapital wie ein ungenutzter Wald.“ Wer sein Geld erfolgreich als Kapital einsetzt, bekommt dafür später Geld plus Zinsen zurück. Aus diesem Mechanismus ergibt sich der Zwang zum Wachstum in einer kapitalistischen Wirtschaft. Denn will man nicht den Preis von Waren erhöhen, kann eine Rendite für den Kapitalgeber nur dann erzielt werden, wenn die Produktion ausgeweitet wird.

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Caspar Dohmen ist Wirtschaftsjournalist. Nach seinem Studium der Volkswirtschaft und Politik arbeitete er als Redakteur für den Wiesbadener Kurier, das Handelsblatt und die Süddeutsche Zeitung. Heute schreibt er als freier Wirtschaftsjournalist für die SZ, verfasst Hintergrundberichte für den Deutschlandfunk und die ARD-Sender und arbeitet als Buchautor und Dozent u.a. an den Universitäten Witten-Herdecke und Siegen.