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Von einer globalen Referenzwährung bis zu Krypto und Komplementärwährungen

Caspar Dohmen

/ 7 Minuten zu lesen

Nach jeder Banken- und Finanzkrise stellen sich viele die Frage: Wie stabil sind unsere Währungssysteme? Verschiedene und neue Währungssysteme, seien es Kryptowährungen oder Vollgeld, sind denkbar.

Die Anti-Wall-Street-Bewegung ("Occupy") forderte 2011 mehr soziale Gerechtigkeit, strengere Kontrollen der Banken und weniger Einfluss der Wirtschaft auf die Politik. (© picture-alliance/AP, Don Ryan)

Funktionierende Währungssysteme haben eine ganz zentrale Bedeutung für die Interner Link: Weltwirtschaft. Gerade die Realwirtschaft, in der Güter produziert, Dienstleistungen angeboten und die meisten Jobs geschaffen werden, profitiert von stabilen Währungsarrangements. Wäre ein stabileres Währungssystem möglich? Gibt es eine Alternative zu unserem heutigen Währungssystem der freien Wechselkurse? Womöglich werden alte Ideen wiederbelebt, so wie die von John Maynard Keynes.

Währungsexperimente

Der Ökonom hatte schon auf der Interner Link: Konferenz von Bretton Woods 1944 ein Weltwährungssystem mit grundsätzlich festen, aber veränderbaren Wechselkursen vorgeschlagen. Keynes wollte eine internationale Zahlungsunion schaffen, bei der alle Zentralbanken ein Konto unterhalten sollten. In den Mittelpunkt rückte er eine künstliche Währung, den sogenannten Bancor, und die Schaffung einer Clearingstelle. Über diese neue Institution sollten künftig alle Mitgliedsländer ihre Exporte und Importe abrechnen. Bei Ungleichgewichten sollten Defizit- und Überschussländer eine Strafgebühr zahlen. Damit gäbe es für alle Länder einen Anreiz, Ungleichgewichte im Welthandel zu reduzieren. Mittlerweile gibt es auch andere Vorschläge für ein neues System fester Wechselkurse. Wenn die Staaten keine neuen Regeln entwickeln, wäre es auch denkbar, dass Menschen selbst neue Währungen entwickeln, so wie es das schon oft in der Geschichte gab (Wörgl) oder heute geschieht (Bitcoin). Man spricht von komplementären Währungen, wenn sie parallel zur offiziellen Währung eingesetzt werden.

(© bpb)

Das bekannteste alternative Währungsexperiment in Deutschland ist der Chiemgauer. Die Idee hatte der spätere Lehrer Christian Gelleri während seines Wirtschaftsstudiums und testete es 2003 mit seinen Schülerinnen und Schülern. Er überlegte sich, wie man ein nachhaltiges Währungssystem schaffen kann, das ohne Blasen funktioniert, und griff auf die alte Schwundgeldidee zurück. Alle zwei Monate wird eine Gebühr von zwei Prozent auf die Geldgutscheine fällig. Auf diese Weise gibt es keinen Anreiz, Geld zu horten.

Für die lokalen Geschäftsleute ist es sinnvoll, die Alternativwährung auszugeben, denn beim Umtausch in Euro wird eine Gebühr von fünf Prozent fällig. Nicht überall klappt das Experiment mit einer Regionalwährung, mancherorts sind die Initiativen eingeschlafen. Als Griechenland unter den Folgen der Schuldenkrise darbte, hoffte Gelleri auf die Einführung einer Parallelwährung in dem Land.

Auch aus dem Mainstream des Finanzgeschäfts gibt es Ideen, das gesetzliche Zahlungsmittel Interner Link: Euro um eine Parallelwährung zu ergänzen. „Um ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, müsste die Regierung Schuldscheine ausgeben“, erklärt Thomas Mayer, früherer Chefökonom der Deutschen Bank und heute Leiter eines Thinktanks des Fondsbetreibers Flossbach von Storch. Die Empfänger müssten ihrerseits Rechnungen bezahlen und die Schuldscheine deshalb in Umlauf bringen. Dies hätte „der Anfang eines Parallelkreislaufs des Griechen-Euros, kurz Geuro“, sein können. 2015 wollte der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis sogar eine elektronische Parallelwährung einführen, um die EZB und die Politikerinnen und Politiker der Eurozone unter Druck zu setzen, damit sie Griechenland bessere Bedingungen gewährten, um seine Schulden zurückzuzahlen. Der Plan scheiterte aber.

Auch in Italien machte die populistische Regierung des Movimento 5 Stelle (M5S) und der Lega Nord (Lega) 2018 Planspiele für eine Art Parallelwährung, die es der Regierung wieder ermöglichen würde, Geld zu drucken. Unabhängig davon, ob diese Überlegungen in diesen beiden Fällen sinnvoll oder unsinnig gewesen wären, zeigen sie: Verschiedene und neue Währungssysteme sind stets denkbar und möglich. Die Bürgerinnen und Bürger haben es selbst in der Hand, sie nach ihren gesellschaftlichen Bedürfnissen zu schaffen.

Vollgeldreform

Es ist still geworden um die Interner Link: Occupy-Bewegung, die nach der Besetzung des Zuccotti-Parks im New Yorker Finanzdistrikt 2011 weltweit Beachtung fand für ihre Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit, einer strengeren Kontrolle der Banken und weniger Einfluss der Wirtschaft auf die Politik.

Wer sich aber genau umschaut, findet weiterhin Menschen, die beharrlich an Ideen für eine Reform unseres Wirtschaftssystems arbeiten. Zum Beispiel hält die Initiative Monetative eine neue Interner Link: Geldordnung für unabdingbar, um mehr wirtschaftliche Stabilität zu erreichen. Die vielen Banken- und Finanzkrisen sind für die Beteiligten Beleg genug für die Anfälligkeit des Systems, was sich vor allem in der gigantischen Geldmenge manifestiere. „Den Interner Link: Zentralbanken ist die Kontrolle über die Geldmenge entglitten“, kritisiert Monetative-Vorstand Joseph Huber. Er zieht eine Parallele zum 19. Jahrhundert, als private Banken für den Druck von Geldscheinen zuständig waren: Es kam zu Krisen, weil die Institute zu viele Scheine herstellten. Deswegen übertrugen die Regierungen das Notenmonopol an Zentralbanken.

(© bpb)

Mittlerweile ist das Bargeld jedoch weitgehend vom Interner Link: Giralgeld verdrängt worden, über das Notenbanken keine Kontrolle haben. Deswegen wollen einige Menschen die Geldordnung ändern.

2018 fand in der Schweiz sogar eine Abstimmung über das sogenannte Vollgeld statt. Die Idee: Künftig soll nur noch die Notenbank Geld schöpfen. Ein Viertel der Wählerinnen und Wähler votierte für diese Reform, drei Viertel dagegen. Aber die Reformbefürworter gehen davon aus, dass der Vorschlag bei der nächsten Krise wieder zur Debatte stehen wird.

Kritiker der Idee monieren, dass die Vollgeld-Theorien naiv und die Möglichkeit der Banken, Giralgeld durch Kreditvergabe zu schöpfen, letztlich nicht ursächlich für Wirtschaftskrisen seien. Als problematisch sehen sie auch die Machtfülle an, die bei den Zentralbanken oder Parlamenten entstehen würde, weil diese Akteure je nach Vollgeld-Modell, das alleinige Recht bekämen, neues Geld in Umlauf zu geben. In den Augen der Verfechter des Vollgeldes wäre dies wesentlich demokratischer als die Ausweitung der Geldmenge mehr oder weniger allein den Banken zu überlassen.

Initiative für mehr Steuergerechtigkeit

Mit dem sperrigen Thema Interner Link: Steuergerechtigkeit beschäftigt sich die Organisation Tax Justice Network (TJN). Seit 2013 erstellt das Netzwerk einen sogenannten Schattenfinanzindex (Corporate Tax Haven Index), in dem Länder nach dem Grad der Geheimhaltung von Finanzgeschäften und ihrem Anteil am Weltmarkt der Finanzdienstleistungen geordnet werden. Über die Höhe von Steuerausfällen durch legale Steuervermeidung mag man sich streiten – die EU-Kommission beziffert sie auf etwa eine Billion Euro in der Gemeinschaft. In jedem Fall ist es eine Menge Geld, das für die Erledigung staatlicher Aufgaben fehlt.

Der gesellschaftliche Diskurs über das Thema habe sich „massiv gewandelt“, berichtet TJN-Mitarbeiter Markus Meinzer und nennt als Gründe unter anderem die Bericht¬erstattung über „Konzernsteuervermeidung“. Kritik gab es beispielsweise an Starbucks, Apple, Amazon und Google. „Viele der politischen Reformvorschläge, für die das TJN als weltfremd belächelt wurde, sind heute auf der Agenda internationaler Politik“, sagt Meinzer zufrieden. Als Beispiele nennt er einen automatischen, länderübergreifenden Informationsaustausch von Steuerbehörden und die Veröffentlichung der wahren Eigentümer von Firmen und Treuhandschaften. „Die Schwierigkeit ist nun, Nägel mit Köpfen zu machen, oft gegen die mächtigsten und reichsten Interessengruppen der Welt“, sagt er.

Eine "Gemeinwohl-Ökonomie"

Weltweit gibt es Aktivisten, die sich für die Idee einer solidarischen Ökonomie aussprechen. Besonders populär ist der Ansatz der „Interner Link: Gemeinwohl-Interner Link: Ökonomie“ (GWÖ), der vom „Internationalen Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie“ vorangetrieben wird: Deren Befürworterinnen und Befürworter wollen die Wirtschaft von Gewinnstreben und Konkurrenz auf Gemeinwohlstreben und Kooperation umpolen. Geht es nach ihnen, wird wirtschaftlicher Erfolg nicht mehr mit Geld, sondern mit nichtmonetären Nutzwertindikatoren gemessen – sowohl auf der Ebene des einzelnen Unternehmens als auch der Volkswirtschaft. Zehn Jahre nach dem Start der Initiative unterstützten etwa 1.000 Unternehmen vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz das Vorhaben, darunter die Münchener Sparda-Bank und auch das spanische Unternehmen Mondragon mit seinen 80 Kooperativen und mehr als 80.000 Beschäftigten.

Aus Sicht der GWÖ leben Unternehmen heute in einer verkehrten Welt: Wenn sie über die Gesetzesvorgaben hinausgehend ökologisch und sozial nachhaltiger wirtschaften, haben sie einen Kosten- und damit Wettbewerbsnachteil gegenüber Unternehmen, die dies nicht tun. Viele Firmen verlagern ihre Produktion sogar dorthin, wo sie leichter Mensch und Umwelt ausbeuten können: in Entwicklungs- und Schwellenländer. Christian Felber, Aktivist und Mitbegründer der GWÖ, vertritt die Auffassung, dass die Verhältnisse umgedreht werden könnten: Je höher der gesellschaftliche, ökologische und ethische Mehrwert eines Unternehmens in Gestalt seines Gemeinwohl-Bilanzergebnisses in Punkten, desto weniger Steuern soll es zahlen und umso günstigere Finanzierungen erhalten. Der Staat sollte diese Unternehmen beim Einkauf bevorzugen. So könnten in Summe die ethischsten und nachhaltigsten Unternehmen ihre Waren und Dienstleistungen preislich günstiger anbieten, sagt Felber: Das wäre dann eine ethische Marktwirtschaft – oder eben eine "Gemeinwohl-Ökonomie".

Im September 2015 bekam die Bewegung den Ritterschlag vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, der sie in einer offiziellen Stellungnahme als ein „nachhaltiges Wirtschaftsmodell für den sozialen Zusammenhalt“ bezeichnete. Während eine Umsetzung der gesamten GWÖ utopisch erscheint, testen einige Unternehmen, Kommunen, Universitäten und andere ein Kernelement bereits: die „Gemeinwohl-Bilanz“. Mehr als 1000 Unternehmen und Organisationen haben sie erstellt, knapp 60 Gemeinden und 200 Hochschulen.

Bei dieser „Gemeinwohl-Bilanz“ werden viele Dimensionen gemessen: Werte wie Menschenwürde, Gerechtigkeit und Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit und demokratische Mitbestimmung werden mit Punkten bewertet, sofern sie das gesetzliche Mindestmaß übertreffen. Erfasst werden die am Wirtschaftsprozess beteiligten oder betroffenen Gruppen, also Eigentümer, Lieferanten, Finanzpartner, Mitarbeiter, Kunden und das gesellschaftliche Umfeld. Bei dieser Bilanzierung können Unternehmen maximal 1 000 Punkte erreichen. 2022 übernahm die European Financial Reporting Advisory Group, die einen Europäischen Nachhaltigkeitsberichtsstandards erarbeitet, die GWÖ als eine von 13 neuen Mitgliedsorganisationen auf.

Allerdings gibt es an der GWÖ auch deutliche Kritik, wie sie beispielsweise der Ökonom Dirk Löhr formuliert: „Nach dem liberalen Konzept sollte eine Marktwirtschaft eigentlich frei von Privilegien sein. In der Gemeinwohlökonomie werden Privilegien stattdessen ausdrücklich zugestanden. Nicht mehr der Markt entscheide, sondern die Gesinnung.“ Damit werde zugleich politisch festgelegt, was und wie produziert werden soll. Gleichzeitig verweisen Kritikerinnen und Kritiker darauf, dass die GWÖ letztlich nur funktionieren könne, wenn sie sich mehrheitlich und weltweit in der Wirtschaft durchsetzt. Das jedoch sei schwer vorstellbar.

Virtuelle Währungen: Über Bitcoins und die Blockchain

Zu Beginn der Finanzkrise tauchte ein neues, privat geschaffenes Zahlungsmittel auf. Es begann damit, dass am 31. Oktober 2008 Hunderte Experten für Kryptografie eine E-Mail von einem ihnen unbekannten Absender erhielten, der sich Satoshi Nakamoto nannte und dessen Identität bis heute ungeklärt ist. Er schrieb: „Ich habe an einem neuen elektronischen Zahlungssystem gearbeitet, das vollständig auf gleichberechtigten Rechner-zu-Rechner-Verbindungen beruht und keinen vertrauenswürdigen Dritten erfordert.“ Was für die meisten Menschen völlig unverständlich klingt, bedeutete für Kennerinnen und Kenner der Materie eine kleine Revolution.

Der Bitcoin ist die erste sogenannte Währung, bei der Methoden der Verschlüsselung (Kryptografie) angewandt werden, um ein dezentral sicheres digitales Geld anzubieten. Es ist kein Geld zum Anfassen, sondern eine Art Kontoguthaben in einer elektronischen Börse (englisch Wallet). Bezahlen kann man direkt an Besitzer anderer solcher Börsen. Fachleute streiten, ob man überhaupt von einer Währung sprechen sollte. Aber der Begriff hat sich faktisch durchgesetzt. Im deutschsprachigen Raum redet man auch von Kryptogeld. Es wird im Gegensatz zum Zentralbankgeld – wie dem Euro – bislang ausschließlich von Privatpersonen hergestellt. Zentralbanken und Geschäftsbanken bleiben noch außen vor – auch wenn einige Zentralbanken, allen voran die chinesische mit dem E-Yuan, bereits an öffentlichen Kryptowährungen arbeiten.

Der Charme des Bitcoins besteht für Anhänger darin, dass die Menge der Digitalwährung – anders als etwa der Euro oder US-Dollar – begrenzt ist. Denn der Algorithmus ist so programmiert, dass bei der Zahl von 21 Millionen Bitcoins Schluss wäre. Voraussichtlich ist dies im Jahr 2100 so weit. Die Schöpfung des Bitcoins erfolgt allerdings völlig losgelöst vom Bedarf – ein großer Haken. Aufgrund des Automatismus kann die Bitcoin-Menge nicht der wirtschaftlichen Entwicklung angepasst werden.

Unter Bitcoin versteht man zwei unterschiedliche Dinge: Einerseits die Werteinheit Bitcoin, die man in andere Güter, Dienstleistungen oder Währungen tauschen kann. Dank der Verschlüsselung brauchen Nutzerinnen und Nutzer nur ihr Passwort einzugeben und können dann direkt digitales Geld verschicken, ohne dass sie ihr Passwort einer Institution oder Person anvertrauen müssen. Das Programm überprüft selbst, ob der Zahlende flüssig ist und nicht mit gefälschtem digitalem Geld zahlt. Andererseits gibt es die Technologie Bitcoin.

Dem Erfinder gelangen bei der Technologie zwei wichtige Neuerungen. Nakamoto schuf ein universelles Grundbuch, auf Englisch als Blockchain und auf Deutsch als Blockkette bezeichnet. Dieses Protokoll erlaubt allen Teilnehmern, zu überprüfen, ob eine Transaktion gültig ist, und alle getätigten Transaktionen zu speichern. Außerdem programmierte er einen monetären Anreiz für Computerbesitzer, das Grundbuch stets zu aktualisieren und dafür ihre Rechner zur Verfügung zu stellen. Dafür erhalten die Betreiber einen winzigen Bruchteil von jeder Transaktion in Bitcoin als Belohnung. Vereinfachend kann man von einem Betriebssystem sprechen, weil es auf einer öffentlich zugänglichen, aber auch für andere weiterentwickelbaren Software beruht.

Technologisch gehört der Bitcoin längst zum alten Eisen. Dagegen sind die Aussichten für die dahinter liegende technologische Idee der Blockchain rosig. „Das ist ein irres Feld mit ganz vielen wirklich auch teilweise faszinierenden Ideen“, sagt Philipp Sandner, Experte für Kryptowährungen an der Frankfurt School of Finance & Management. Mit der Technik ließen sich beispielsweise Auszahlungen an bestimmte Bedingungen knüpfen, was es erlauben würde, große Teile der Buchhaltung zu automatisieren. Diese Anwendung basiert wie andere auf Ethereum, einer Blockchain-Technologie, aber keiner reinen Kryptowährung, sondern einer Plattform für sogenannte Dapps (Distributed Apps), die aus Smart Contracts bestehen. Für Smart Contracts gibt es eine Vielzahl von Anwendungen, unter anderem E-Voting-Systeme, virtuelle Organisationen, Identitätsmanagement, Crowdfunding oder ein Grundeinkommen.

So mancher Verfechter von Bitcoin hegte anfangs die Hoffnung, dass sich mit der Kryptowährung die Welt gerechter und menschlicher gestalten lässt, weil die Möglichkeiten des Einzelnen steigen und die Macht von Banken schwinden würde. In die Schlagzeilen geriet die Währung aber, weil Verbrecher sie benutzten und sie immer mehr zu einem Spekulationsobjekt wurde, an dem sich einige wenige bereicherten. Mit der programmierten ansteigenden Komplexität der für die Schaffung von Bitcoin zu lösenden Rechenaufgaben stiegen die Anforderungen an die Leistung von Prozessoren und Rechnerkapazitäten drastisch. Heute benötigt man für das Mining riesige Serverfarmen und eine Menge Energie. In einer Studie zum Ressourcenverbrauch bei der Gewinnung von Kryptowährungen kamen Forschende aus dem Umfeld der Vereinten Nationen Ende 2023 zu dem Ergebnis, dass Bitcoin-Mining einen erheblichen ökologischen Fußabdruck hinterlasse und alles andere als nachhaltig sei.

Wettbewerbsrecht ändern

Von der Notwendigkeit einer nachhaltigen Wirtschaftsweise ist vor allem angesichts des Klimawandels viel die Rede und das Ziel ist weitgehend unstrittig. Große Fortschritte erreichen könne man durch eine Änderung des heutigen Wettbewerbsrechts – davon ist die Forschungsgruppe Ethisch-Ökologisches Rating der Universität Frankfurt am Main überzeugt, in der sich weitgehend ehrenamtliche Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft mit dem Verhältnis von Ökonomie zu Ethik und Ökologie auseinandersetzen.

Derzeit könne die Privatwirtschaft viele Schäden an Natur, Klima und Gesellschaft in die Gemeinschaft auslagern, sagt der Geograf Daniel Dahm 2019. Deswegen würden sogar Unternehmen aus dem Markt verdrängt, wenn ihre Produktionskosten aufgrund verantwortlicheren Handels höher seien als bei den Konkurrenten, kritisiert er: „Gegenwärtig gewinnt im Wettbewerb prinzipiell das Unternehmen, das nicht nachhaltig und verantwortlich handelt – es macht schlicht die höchsten Gewinne.“ Nach Ansicht der Projektgruppe soll die Politik künftig alle Unternehmen verpflichten, Verbrauchtes wiederherzustellen, gleichwertig zu ersetzen oder das Gemeingut zumindest so schonend zu behandeln, dass es sich regenerieren kann. Geschehen soll dies durch eine Änderung des Wettbewerbs- und Eigentumsrechts. „Dann funktioniert Marktwirtschaft auch wieder“, ist Dahm überzeugt.

Wir stehen als Menschheit vor enorm großen ökologischen und sozialen Herausforderungen: Vor allem müssen wir sicherstellen, dass künftige Generationen noch einen bewohnbaren Planeten vorfinden. Dafür müsste die Menschheit aber anders als heute innerhalb der Grenzen bleiben, die uns der Planet setzt. Notwendig ist etwa ein Umbau unserer Wirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft. Dazu gehört auch eine gerechtere Verteilung bei der Inanspruchnahme der Ressourcen durch Menschen. Viele Menschen leben heute deutlich besser und länger als ihre Vorfahren. Gleichzeitig hat der Kapitalismus in großem Ausmaß Natur und Kultur zerstört. Es ist eine offene Frage, ob der Kapitalismus nun auch wieder Natur und Kultur aufbauen kann, ohne die Demokratie zu zerstören. Bei der Lenkung der Kapitalflüsse kommt in jedem Fall dem Finanzsystem die Schlüsselstellung zu. Damit das Kapital in zukunftsfähige Verwendungen fließt, sind Menschen gefragt, die sich mit dem Finanzsystem beschäftigen und gesellschaftlich einmischen. Menschen, die lernen, zukunftsfähig zu sparen und zu investieren. Mit anderen Worten: Wir alle sind gefragt.

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Caspar Dohmen ist Wirtschaftsjournalist. Nach seinem Studium der Volkswirtschaft und Politik arbeitete er als Redakteur für den Wiesbadener Kurier, das Handelsblatt und die Süddeutsche Zeitung. Heute schreibt er als freier Wirtschaftsjournalist für die SZ, verfasst Hintergrundberichte für den Deutschlandfunk und die ARD-Sender und arbeitet als Buchautor und Dozent u.a. an den Universitäten Witten-Herdecke und Siegen.