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Talkshows: Wissbegier und Wortwitz | Deutsche Fernsehgeschichte in Ost und West | bpb.de

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Talkshows: Wissbegier und Wortwitz

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Die Diskussionsrunde "Internationaler Frühschoppen" mit dem Moderator Werner Höfer und seinen Gästen während der 1.500. Sendung. (© AP)

Talkshows im deutschen Fernsehen

Gesprächssendungen unterhaltender Art gehören zu den deutschen Fernsehprogrammen in West und Ost seit ihren Anfängen in den frühen 1950er Jahren. "Öffentliche Streitgespräche (waren) für uns Jüngere etwas völlig Neues, ein Geschenk der Demokratie", so die zeitgenössische Kritikerin Andrea Brunnen-Wagenführ über die in den 1950er Jahren etablierten Gesprächsformen im Fernsehen. Noch vor Ablauf des Jahrzehnts hatte sich das Genre bereits ausdifferenziert. Es gab politische Diskussionen, Gespräche zu kulturellen Themen, Stammtischdebatten, heitere Plaudereien, dialogische Porträts und allerlei Mischformen, mal mit Saalpublikum, mal ohne.

Talkshows ab 1974 im Westen

Der Begriff Talkshow fand erst in den frühen 1970er Jahren Eingang in den deutschen Sprachgebrauch, zunächst in der Bundesrepublik, später in der DDR. In englischsprachigen Ländern steht 'Talkshow' seit Hörfunkzeiten für Wortsendungen im Allgemeinen und bezog ursprünglich Manuskriptsendungen mit ein . In Deutschland dagegen wurde die Talkshow von den Programm-Machern als neue Unterhaltungsform propagiert . Das Missverständnis verdankte sich nicht zuletzt dem Kompositum aus Talk und Show. Das Wort 'Show' war in Deutschland ein Synonym für große Unterhaltungsveranstaltungen. Die Moderatoren solcher Sendungen bekamen den Titel "Showmaster", eine deutsche Wortschöpfung, die im angelsächsischen Bereich nicht gebräuchlich ist. Dort heißen Unterhaltungsmoderatoren zumeist "Host", also Gastgeber.

"Je später der Abend" (WDR/ARD)

Der Journalist und Talkshow-Moderator Hansjürgen Rosenbauer (Mitte hinten) im Februar 1975 mit seinen Gästen (r-l): Willy Brandt, Maximilian Schell und Maria Schell. In den 70-er Jahren wurde er als Moderator der TVTalkshow "Je später der Abend" bekannt. (© picture-alliance/dpa)

Im Jahr 1973 wurde die Sendereihe "Je später der Abend" (WDR) als Neuheit angekündigt. Sie gilt als die erste deutsche Talkshow. Hintergrund dieser nur scheinbaren Innovation (denn es gab ja schon Gesprächssendungen) war ein von den Programmverantwortlichen des Fernsehens als krisenhaft empfundener Zustand der Fernsehunterhaltung. Deren herkömmliche Formen galten als nicht mehr zeitgemäß, neue aber wurden vom breiten Publikum kaum akzeptiert. Die Lösung war, pointiert formuliert, ein Rückgriff auf eine Urform, die als Import aus den USA, dem Mutterland des Show-Geschäfts, ausgegeben wurde. Die Presse unterstützte diesen Weg, erklärte das unbekannte Wort, beschrieb die Talkshows – und zwar speziell die Late-Night-Shows – der USA, die jedoch nur eine von mehreren Spielarten und überhaupt eher eine Mischform mit Comedy, Musikpräsentation und Talk-Elementen darstellen. "Je später der Abend" mit dem Gesprächsleiter Dietmar Schönherr hatte am 18. März 1973 im dritten Programm des WDR Premiere und war anfangs beim Publikum erfolgreich. Mit Übernahme der Reihe in das Erste Programm der ARD änderte sich dies. Gleich die Auftaktsendung Silvester 1973 erntete heftige Kritik: "Daß Krampf Trumpf blieb, lag am Gastgeber. Schlagfertigkeit, Humor, Souveränität und Takt hatten Pause, als Schönherr die Prominenz mit eingelernten Fragen aus dem Archiv traktierte" .

Vorbilder, Kritik und Skandale

Die Talkmaster Marianne Koch (li.) und Wolfgang Menge (re.) im Gespräch mit einem Gast während der Talkrunde "III nach 9" (© picture-alliance/dpa)

Durch zahllose Vergleiche mit den amerikanischen Late-Night-Shows und die Übernahme einiger Specials mit dem deutschstämmigen US-Moderator Dick Cavett ins deutsche Programm waren hohe Erwartungshaltungen erzeugt worden. Cavett verfügte wie seine Kollegen über einen Stab aus Rechercheuren, Redakteuren, Vorab-Interviewern, Gag-Autoren. Die entsprechenden Sendungen waren minutiös vorbereitet, viele Gags mit den Gästen abgesprochen. In Deutschland setzte man dagegen bei der Talkshow-Produktion vorrangig auf die Souveränität und Spontaneität des Gastgebers. Sowohl Dietmar Schönherr als auch seine Nachfolger Hansjürgen Rosenbauer und Reinhard Münchenhagen klagten über eine hochgeschraubte Erwartungshaltung bei der Kritik und beim Publikum, der unmöglich entsprochen werden konnte.

"III nach 9"/ "3nach9" (RB)

Unabhängig von US-amerikanischen Vorbildern hatte Dieter Ertel beim Süddeutschen Rundfunk die Idee eines "Anti-Magazins" im Sinne der späteren Talkshow entwickelt. Eine erste Probesendung erntete heftige Kritik bei den Vorgesetzten. Nach Ertels Wechsel zu Radio Bremen wurde das Konzept 1974 unter dem Titel "III nach 9" (später "3nach9") ein anhaltender Erfolg. Hier konnte und kann man die Spontaneität erleben, die anderswo vermisst wurde. Drei Moderatoren unterhielten sich inmitten des Saalpublikums abwechselnd, manchmal quer durcheinander, mit ihren Gästen. Alle Anwesenden, der Kameramann eingeschlossen, durften mitreden. Einen festen Sendeschluss gab es nicht. Verlief die Diskussion spannend, wurde schon mal bis weit nach Mitternacht gesendet. Das Themenspektrum war weit gefasst, das Moderatorenteam – anfangs zu dritt: Marianne Koch, Wolfgang Menge und Gert von Paczensky, inzwischen zu zweit: Judith Rakers und Giovanni di Lorenzo– war daran interessiert, den angesprochenen Fragen auf den Grund zu gehen. Im Laufe der Zeit wurde die Form jedoch zumindest zeitlich dem Programmrahmen angepasst. Inzwischen gibt es über 550 Folgen der monatlichen und dienstältesten Talkshow im deutschen Fernsehen.

Trotz Kritik weiter im Programm

Trotz fortwährender öffentlicher Kritik blieb die Sendeform Talkshow kontinuierlich im Programm. Neue Reihen wurden entwickelt, neue Moderatoren etabliert (z. B. "NDR Talk Show", seit 1979; "Riverboat", MDR, seit 1992; ("Menschen bei) Maischberger" bzw. "maischberger. die woche", ARD, seit 2003; "Markus Lanz", ZDF, Seit 2008). Denn die Talkshow stellt ein äußerst preisgünstiges Programm dar. Zudem waren die 1970er Jahre eine politisch turbulente Zeit mit hochbrisanten Themen (Frauenemanzipation, Kinderladenbewegung, neue Beziehungsformen, Entspannungspolitik usf.), die spannende Sendungen ermöglichten und manchen 'Talkshow-Skandal' hervorbrachten. So lieferte sich z. B. ein Hannoveraner Zuhälter, der mit seiner Thai-Ehefrau und seinem Anwalt 1984 in "3 nach 9" war, eine heftige Kontroverse mit der Politikerin Herta Däubler-Gmelin, und die feministische Autorin Gerlinde Schilcher kippte dem Bordellchef ein Glas Weißwein in den Kragen. Ähnlich hatte 1982 der Berliner Kommunarde Fritz Teufel dem SPD-Politiker Hans Matthöfer mit einer Wasserpistole bespritzt und dieser ihm dafür ein Glas Wein vor die Brust geschüttet. Mit der Zeit reduzierte sich die Programmform auf meist harm- und ziellose Plauderstunden und zog vor allem Gäste an, die gerade ein Buch, einen Film oder ein anderes Produkt zu vermarkten hatten. Eine Ausnahme bilden gelegentlich politische Talkshows (siehe Themenbereich "Interner Link: Information").

Tägliche Talkshows

Moderator Hans Meiser in seiner ersten Sendung am 14. September 1992 (© RTL)

Ab 1989 wurde, zunächst mit "Talk täglich" (ARD), der Nachmittag mit Talkshows belegt. Die dann vor allem von den kommerziellen Anbietern produzierten "Daily Talkshows" präsentierten vor allem Menschen des Alltags mit ihren Konflikten und Beziehungsproblemen. Nach einigermaßen seriösen Anfängen kam es nicht zuletzt durch die verschärfte Konkurrenzsituation zu immer grelleren Auswüchsen ("Konfro-Talk"). Die Sendungen der kommerziellen Anbieter stießen teilweise auf heftige öffentliche Kritik und führten vereinzelt zu Sanktionen der Medienaufsicht der Landesmedienanstalten.

Daily-Talk-Boom in den 1990er Jahren

Die Hoch-Zeit der Daily Talkshows wie "Hans Meiser" (1992–2001), "Ilona Christen" (1993–1999), "Fliege" (1994–2005), "Bärbel Schäfer" (1995–2002) , "Vera am Mittag" (1996–2006), "Andreas Türck" (1998–2002) und anderen lag in den 1990er Jahren. Kennzeichen dieser Talkshows war eine besondere Emotionalisierung der Teilnehmer, aber auch des Publikums, weil es hier zum einen zu einer direkteren Ansprache des Zuschauers vor dem Bildschirm kam . Zum anderen ging es um vorwiegend intime Details von Beziehungen, die von den Gästen ausgebreitet wurden, sowie um sehr private und persönliche Einstellungen und Haltungen anderen Menschen gegenüber. Dabei wurden Bloßstellungen, Beleidigungen, ein Lächerlichmachen nicht nur von den Moderatoren geduldet, sondern oft sogar bewusst provoziert. Zu Beginn des neuen Jahrhunderts ebbte das Interesse des deutlich ab, die Gattung hatte sich erschöpft. Die letzte derartige Daily Talkshow endete schließlich im Jahr 2013 (ausführlicher unter Interner Link: "Reality TV").

Late Night Shows

Eine werktägliche Late Night Show, die amerikanischen Mustern folgte , gelangte erst 1992 mit "Gottschalk täglich" (RTL) ins deutsche Fernsehen. Sie wurde nach anfangs täglicher Ausstrahlung bereits 1993 auf vier Sendungen pro Woche reduziert. Thomas Gottschalk unterhielt sich vor allem mit prominenten Gästen und betrieb weniger Comedy, als es in den amerikanischen Beispielen wie "Late Show with David Letterman" der Fall ist. Die Sendereihe lief bis 1995, bis RTL den Vertrag kündigte, weil Gottschalk zusätzlich für den Mitbewerber Sat.1 arbeiten wollte. Gottschalks Sendeplatz übernahm sein zeitweiliger Vertreter Thomas Koschwitz, aber die Einschaltquoten sanken, so dass die Sendereihe schließlich abgesetzt wurde.

Die "Harald Schmidt Show" (Sat.1/ARD/Sky)

Harald Schmidt mit Gast Joschka Fischer (li.) zwei Tage vor der Bundestagswahl 2002 (© picture-alliance/dpa)

Näher an den Originalen, speziell an David Lettermans "Late Show", war die "Harald Schmidt Show" (Sat.1, 1995–2003 und 2011–2012, seit 2012 auf Sky). Die Sendereihe war – nach einigen Anlaufschwierigkeiten – erfolgreich und wurde von Kritikern und Feuilletonisten jahrelang begeistert gefeiert. Harald Schmidt, vom Jahr 2000 an im Gespann mit seinem Ko-Moderator Manuel Andrack, hatte eine eigene Form gefunden, Tagesereignisse zu kommentieren, satirische Situationen zu erzeugen und mit einem provozierenden Understatement zu argumentieren. Als im Dezember 2003 der Sat.1-Geschäftsführer Martin Hoffmann durch den Schweizer Roger Schawinski ersetzt wurde, verzichtete Schmidt auf die anstehende Verlängerung seines Vertrages und kündigte eine "Kreativpause" an. Von 2005 bis 2011 sah man ihn in der ARD mit der Late-Night-Show "Harald Schmidt", von 2007 bis 2009 zusammen mit dem Comedian Oliver Pocher ("Schmidt und Pocher"). Bei Sat.1 konnte sich Anke Engelke als Nachfolgerin Schmidts nicht durchsetzen. Ihre Late-Night-Show wurde vorzeitig eingestellt. 2011 kehrte Harald Schmidt wieder zu Sat.1 zurück, um dort seine alte Show – nun allerdings ohne permanenten Sidekick – zu moderieren. Anfang Mai 2012 wurde die Sendung wegen zu geringer Einschaltquoten eingestellt. Harald Schmidt wechselte daraufhin zum Pay-TV Sender Sky, wo die Show von September 2012 bis Anfang 2014 dreimal wöchentlich lief. Nach dem Ende erklärte Schmidt seinen Rückzug aus dem Fernsehgeschäft.

Kaum Talkangebote im DDR-Fernsehen

Die Gesprächssendung ist eine Form, die genuin dem Medium entspricht: Mehrere Leute setzen sich in einem Studio zusammen vor die Kameras und unterhalten sich miteinander, damit die Zuschauer unterhalten werden. Die Zuschauer werden also mit anderen Menschen konfrontiert, die sich via Bildschirm quasi bei ihnen zu Hause einfinden. Dennoch hat es im Fernsehen der DDR kaum solche Sendungen gegeben. Zwar gab es im Unterhaltungsbereich immer wieder kulturell orientierte Gesprächssendungen neben unterhaltsamen und porträtierenden Talkshows wie das live ausgestrahlte "Porträt per Telefon" (Heinz Florian Oertel, 1969–1990), "Treff mit O. F." (Otto Franz Weidling, 1979–1984) und "Klönsnack aus Rostock (1987–1991). Hier ging es um die Befragung von mehr oder weniger prominenten Kulturschaffenden der DDR, die auf diese Art und Weise dem Fernsehpublikum vorgestellt wurden. Größere Formen, in denen frei 'durcheinander' gesprochen werden konnte, gab es jedoch selten, so etwa in der Nische des Jugendprogramms .

Fernsehen als Verkündigungsinstrument

Das hängt mit dem Medienverständnis der DDR zusammen, wonach das Fernsehen letztlich im Lenin'schen Sinne ein "kollektiver Organisator" der Massen zu sein hatte, der die Bevölkerung auf die wichtigen Aufgaben und Anforderungen hinlenkte, die notwendig und politisch gewünscht waren. So konnte sich das Fernsehen – trotz aller Formenvielfalt und historischen Veränderungen – dann zumeist doch nur als eine Art Verkündigungsinstrument der "Avantgarde der Arbeiterklasse", der Partei, und in ihr wieder der Parteispitze, verstehen. Oder um es einfacher, nämlich mit den Worten des SED-Funktionärs Günter Schabowski zu sagen, der forderte: "Talkshow oder Sozialismus!".

Fehlende öffentliche Gesprächskultur

Es bestand hier ganz offensichtlich ein Defizit, Fernsehen als ein öffentliches Forum unterschiedlicher Interessen und Positionen zu verstehen, die in einer Fernsehrunde miteinander ins Gespräch gebracht werden, und ungesteuerte und vorher nicht abgesprochene Fragerunden zwischen den Politikern und den Zuschauern zuzulassen. Das zeigt sich daran, dass erst am 24. November 1989 mit "Elf99 – Talk mit open end" eine live gesendete Polit-Talkshow Premiere hatte, aus der der kurzlebige "samsTALK" hervorging (1990/91).

1989 wurden "Klartext" und das "Donnerstag-Gespräch" – Untertitel: "Zuschauer fragen – Politiker antworten" – ins Programm genommen.

Diese Reihen erregten großes Aufsehen und wurden als Foren der Verständigung über den Umbruch in der DDR genutzt, nach der Wiedervereinigung aber umgehend eingestellt. Eine öffentliche 'Gesprächskultur' im demokratischen Sinn hatte sich im DDR-Fernsehen nicht entwickeln können.

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