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Kollektivität | DDR kompakt | bpb.de

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Kollektivität

Stefan Wolle

/ 2 Minuten zu lesen

Niemand entging in der DDR dem Kollektiv. Es war allgegenwärtig: als Klassenkollektiv, FDJ-Kollektiv, Arbeitskollektiv, Parteikollektiv und Hausgemeinschaftskollektiv. Man sprach von der erzieherischen Funktion, sogar von der Weisheit des Kollektivs. Individualismus war fast schon ein Verbrechen. Jedenfalls war dieser Vorwurf in der Beurteilung ein dicker Minuspunkt. Wer sich gegen einen solchen Eintrag in seine Kaderakte wehrte, bewies gerade dadurch seinen Individualismus und verschlimmerte die Sache noch.

Der Geist des Kollektivs

Andere Schlagworte der SED-Propaganda waren Schall und Rauch. Der Geist der Kollektivität aber existierte wirklich. Das lag wohl an seiner seltsamen Doppelfunktion. Das Kollektiv war auf der einen Seite Instrument der sozialen und ideologischen Kontrolle sowie Transmissionsriemen zur Durchsetzung des Willens der Partei. Aber das Kollektiv war auf der anderen Seite auch eine Gemeinschaft zur Bewältigung der Alltagsprobleme. Hier war man unter Kumpeln und hielt auch gegen die Obrigkeit zusammen. Das Kollektiv verband die Arbeitssphäre mit dem Privatleben. Wenn ein Umzug zu bewältigen oder eine Wohnung zu renovieren war, half das Kollektiv und besorgte Baumaterial, Werkzeug und einen Kleintransporter aus den Beständen des Betriebs. Wer wollte angesichts der Notwendigkeit der Materialbesorgung schon von Klauen reden? Gemeinsam Arbeiten, gemeinsam Leben und gemeinsam „besorgen“.

Oft hatte die Gemeinsamkeit auch einen sozialen Aspekt. Beispielsweise war es üblich, dass der Sozialbeauftragte der Gewerkschaftsgruppe ausgerüstet mit einem Blumenstrauß und einem Kasten Konfekt bei kranken Kollegen einen Hausbesuch machte.

Auch kulturelle Maßnahmen waren erwünscht und von den Menschen teilweise gern angenommen. Das konnte ein gemeinsamer Theaterbesuch, eine Buchlesung oder die Fahrt zu einer Kunstausstellung mit anschließender Diskussion sein. Solche Aktivitäten zur Stärkung des Kollektivs wurden von der Gewerkschaft FDGB finanziell gefördert und waren auch eine Voraussetzung für die Vergabe des Titels „Kollektiv der sozialistischen Arbeit“ oder „Kollektiv der deutsch-sowjetischen Freundschaft“. Hierfür gab es eine Kollektivprämie, die für eine kleine gemeinsame Feier reichte.

Phantomschmerzen

Nach der Wende verschwand nicht nur der Begriff des Kollektivs und wurde durch das Team ersetzt. Der spezifische Charakter – genauer gesagt der Doppelcharakter – des Kollektivs hatte seinen Sinn verloren. Die Dinge, die es in der DDR nur durch Beziehungen gab, konnte jedermann nun auf dem Baumarkt kaufen oder im Versandhaus bestellen. Es war nur eine Frage des Preises. Dadurch lohnte es sich aber auch wieder Leistung zu bringen, beruflich voran zu kommen und Geld zu verdienen. Natürlich zogen auch Konkurrenz- und Karrieredenken in die Arbeitswelt ein.

Die kameradschaftliche Brigade aus sozialistischen Zeiten wie auch die Hausgemeinschaft, die Nachbarschaftshilfe usw. wurden bald schon verklärt und zum Kernbestand der verklärenden Rückerinnerung an die heile Welt der DDR.

Bilder zum Thema

(© Bundesarchiv Bild 183-21686-0449 / Fotograf: Helmut Schaar) (© Bundesarchiv Bild 183-A0716-0005-001 / Fotograf/-in: Siegert) (© Bild 183-K0328-0008-001 / Fotografin: Vera Katscherowski (verehel. Stark))

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Erklärtes Ziel von Kindergarten, Schule, Berufs- und Hochschulbildung war die Schaffung einer allgemein gebildeten sozialistischen Persönlichkeit. Junge Pioniere und FDJ waren dazu sehr präsent.

Dr., geb. 1950; Studium der Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. 1972 Relegation aus politischen Gründen. 1976–1989 Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften der DDR, 1990 Mitarbeiter des Komitees für die Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit, 1998-2000 Referent bei der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, danach freier Autor, zeitweilige Mitarbeit im Forschungsverbund SED-Staat der Freien Universität Berlin. Seit 2005 wissenschaftlicher Leiter des DDR-Museums Berlin.