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Verkündung der These von der eigenständigen sozialistischen Nation der DDR, Verfassungsänderung 1974 | DDR kompakt | bpb.de

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Verkündung der These von der eigenständigen sozialistischen Nation der DDR, Verfassungsänderung 1974

Sonja Hugi

/ 1 Minute zu lesen

13. Volkskammertagung: Blick auf das Präsidium während der Ansprache des Ersten Sekretärs des ZK der SED, Abgeordneten Erich Honecker (am Rednerpult), der den Antrag aller Fraktionen zum Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Verfassung begründete. (© Bundesarchiv, Bild 183-N0927-401 / Fotograf: Klaus Franke)

Unter Walter Ulbrichts Herrschaft hatte die SED verbal immer noch an gesamtdeutschen Gemeinsamkeiten festgehalten. Erich Honecker nahm von dieser Rhetorik Abstand. Bereits 1971 sprach er auf dem 8. SED-Parteitag von der Entwicklung eines neuen Staatstypus, der „sozialistischen Nation“, zu der sich die DDR entwickle.

Für die Bevölkerung völlig überraschend, verkündete die „Aktuelle Kamera“ – die Nachrichtensendung des DDR-Fernsehens – am 27. September 1974, dass die Volkskammer die Verfassung der DDR geändert habe. Erst 1968 hatte es zuletzt eine Verfassungsänderung gegeben, der eine breite Diskussion vorausgegangen war. Diesmal gab es lediglich eine Rede von Erich Honecker, woraufhin die Abgeordneten der Volkskammer die Vorschläge einstimmig bestätigten.

Der erste Artikel der Verfassung von 1949 hatte noch besagt: „Deutschland ist eine unteilbare Republik [...] Es gibt nur eine deutsche Staatsangehörigkeit“ und die Version von 1968 beschrieb die DDR als „sozialistischen Staat deutscher Nation“. In der neuen Verfassung war dagegen von einem „sozialistischen Staat der Arbeiter und Bauern“ die Rede.

Die gesamtdeutschen Bezüge waren damit aus der Verfassung verschwunden und auch im Parteiprogramm von 1976 tauchten sie nicht mehr auf. Stattdessen war in Artikel 6 der Verfassung festgehalten, dass die DDR „für immer und unwiderruflich mit der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken verbündet“ bleibe. Die DDR wurde als „sozialistische Nation“ bezeichnet, deren Bevölkerung aber „deutscher Nationalität“ sei. Auf offiziellen Formularen war demnach einzutragen: „Staatsangehörigkeit: DDR, Nationalität: deutsch“.

QuellentextDDR-Verfassungen im Vergleich

7. Oktober 1949, 6. April 1968 und 7. Oktober 1974

Präambeln:

1949: Von dem Willen erfüllt, die Freiheit und die Rechte des Menschen zu verbür-gen, das Gemeinschafts- und Wirtschaftsleben in sozialer Gerechtigkeit zu gestalten, dem gesellschaftlichen Fortschritt zu dienen, die Freundschaft mit allen Völkern zu fördern und den Frieden zu sichern, hat sich das deutsche Volk diese Verfassung gegeben.
1968: Getragen von der Verantwortung, der ganzen deutschen Nation den Weg in eine Zukunft des Friedens und des Sozialismus zu weisen, in Ansehung der geschichtlichen Tatsache, daß der Imperialismus unter Führung der USA im Einvernehmen mit Kreisen des westdeutschen Monopolkapitals Deutschland gespalten hat, um Westdeutschland zu einer Basis des Imperialismus und des Kampfes gegen den Sozialismus auf-zubauen, was den Lebensinteressen des Volkes widerspricht, hat sich das Volk der [DDR], fest gegründet auf den Errungenschaften der antifaschistisch-demokratischen und der sozialistischen Umwälzung der gesellschaftlichen Ordnung, einig in seinen Werktätigen Klassen und Schichten das Werk der Verfassung vom 7. Oktober 1949 in ihrem Geiste fortführend und von dem Willen erfüllt, den Weg des Friedens, der sozialen Gerechtigkeit, der Demokratie, des Sozialismus und der Völkerfreundschaft in freier Entscheidung unbeirrt weiterzugehen, diese sozialistische Verfassung gegeben.
1974: In Fortsetzung der revolutionären Traditionen der deutschen Arbeiterklasse und gestützt auf die Befreiung vom Faschismus hat das Volk der [DDR] in Übereinstimmung mit den Prozessen der geschichtlichen Entwicklung unserer Epoche sein Recht auf sozial-ökonomische, staatliche und nationale Selbstbestimmung verwirklicht und gestaltet die ent-wickelte sozialistische Gesellschaft. Erfüllt von dem Willen, seine Geschicke frei zu bestimmen, unbeirrt auch weiter den Weg des Sozialismus und Kommunis-mus, des Friedens, der Demokratie und der Völkerfreundschaft zu gehen, hat sich das Volk der [DDR] diese sozialistische Verfassung gegeben.

Artikel 1, Auszug:

1949: Deutschland ist eine unteilbare Republik; sie baut auf den deutschen Ländern auf. [...] Es gibt nur eine deutsche Staatsangehörigkeit.
1968: Die [DDR] ist ein sozialistischer Staat deutscher Nation. Sie ist die poli-tische Organisation der Werktätigen in Stadt und Land, die gemeinsam unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei den Sozialismus verwirklichen.
1974: Die [DDR] ist ein sozialistischer Staat der Arbeiter und Bauern. Sie ist die politische Organisation der Werktäti-gen in Stadt und Land unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei.

Zusammenstellung durch den Verfasser. Nach: VERFASSUNG 1949, S. 11, 13; VERFASSUNG 1968, S. 5, 9; VERFASSUNG 1974, S. 5 f. In: Matthias Judt (Hg.), DDR-Geschichte in Dokumenten, Bonn 2010, S. 508 f.

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Sonja Hugi, M.A. Public History, studierte Geschichte, Kommunikationswissenschaften und Grafikdesign. Als Historikerin, Autorin, Illustratorin und Grafikerin betätigt sie sich in verschiedenen Bereichen der Geschichtsvermittlung. Ihr Fokus liegt auf Themen der jüngeren deutschen Geschichte.