Staatliche Institutionen
/ 3 Minuten zu lesen
Stimmabgabe auf dem IX. Parteitag der SED 1976. Die Delegierten geben ihre einmütige Zustimmung zum neuen Programm der SED durch Handzeichen.
1972: Am Tag nach dem Internationalen Frauentag verabschiedete die Volkskammer das Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft. Dabei stimmten
einige Abgeordnete der Blockpartei CDU gegen die Vorlage oder enthielten sich der Stimme. Im Bild der Minister für Gesundheitswesen, Ludwig Mecklinger, am Redepult.
Der Sitz des Staatsrates in Ost-Berlin (DDR), aufgenommen im Mai 1965.
Sitzung des Staatsrates im neuerbauten Amtssitz in Berlin
Der Vorsitzende des Ministerrates der DDR, Willi Stoph (vorn, Mitte), und die von der Volkskammer gewählten Mitglieder des Ministerrates.
1984: Der erste Sekretär der SED-Bezirksleitung Dresden, Hans Modrow, schüttelt dem nordkoreanischen Staatschef Kim Il Sung die Hand. Auf der Ebene
der 14 Bezirke und der "Hauptstadt" Berlin lag analog zur Zentrale die Macht bei der SED und weniger bei den Räten der Bezirken bzw. Bürgermeistern.
Volkskammer
Oberstes Legislativorgan der DDR war die Volkskammer, die alle vier Jahre gewählt wurde. Sie hatte nur eine dekorative Funktion. Das Scheinparlament hatte die Aufgabe, die Gesetze formal abzustimmen, die von den Parteigremien und den Einrichtungen des Ministerrates vorgegeben waren. Es gab in der Geschichte der Volkskammer vor 1990 nur ein einziges Mal Gegenstimmen. Bei der Abstimmung über das Gesetz zur Schwangerschaftsunterbrechung am 9. März 1972 stimmten einige CDU-Abgeordnete gegen die Vorlage oder enthielten sich der Stimme.
Die Volkskammer – eine demokratische Institution?
Sonja Hugi
Abstimmung durch Handzeichen in der Volkskammer der DDR in Ost-Berlin im Palast der Republik 1974. (© picture-alliance/dpa, Günter Bratke)
Alle drei Verfassungsversionen der DDR definierten die Volkskammer – das Parlament der DDR – als höchstes konstitutionelles Organ. Ihre tatsächliche Funktion war es dagegen lediglich, vorher vom Politbüro ausgearbeitete Beschlüsse abzusegnen um damit nach Außen einen demokratischen Anschein zu erwecken.
Die Volkskammer bestand aus 400, ab 1963 aus 500 Abgeordneten, die alle vier, später fünf Jahre nach Einheitslisten gewählt wurden. Die Blockparteien sowie Massenorganisationen waren in der Volkskammer nach einem festgelegten Schlüssel vertreten. Die SED hatte zwar keine Mehrheit im Parlament, da aber fast alle Vertreter der Blockparteien SED-Mitglieder waren, war die Partei faktisch dennoch in der Überzahl.
Staatsrat
Die Volkskammer wählte den Staatsrat der DDR, aus dessen Mitte der Vorsitzende des Staatsrates gewählt wurde, der die Funktion des Staatsoberhauptes ausübte. Von 1960 bis zu dessen Tod 1973 hatte der SED-Chef Walter Ulbricht diesen Posten inne. Nach einer kurzen Übergangszeit übernahm Erich Honecker bis 1989 die Funktion. Fast durchgehend waren also die Funktion des Staatsoberhauptes und des Partei-Chefs in einer Hand vereinigt. Der Staatsrat, der von Vertretern aller Fraktionen der Volkskammer gebildet wurde, hatte während der Zeit Walter Ulbrichts einen sehr hohen Stellenwert, bekam ein repräsentatives Gebäude im Zentrum Ost-Berlins und diente als Tribüne für wichtige Erklärungen. Unter Erich Honecker spielte der Staatsrat nur noch eine repräsentative Rolle. Dort fanden beispielsweise die alljährlichen Neujahrsempfänge für das diplomatische Korps und die Akkreditierungen von Diplomaten statt.
Ministerrat
Die Volkskammer wählte auch den Vorsitzenden des Ministerrates, oft auch Ministerpräsident genannt, unter dessen Führung die Fachministerien und andere Leitungsorgane vereinigt waren. Formal war der Ministerrat also das oberste Exekutivorgan der DDR. Der Ministerrat hatte seit 1976 insgesamt 32 und zeitweise 33 Mitglieder. Der erste Ministerpräsident der DDR war der ehemalige Sozialdemokrat Otto Grotewohl. Von 1976 bis 1989 war Willi Stoph Vorsitzender des Ministerrates. 1989 hatte der Ministerrat 44 Mitglieder, von den 40 der SED und je eines der CDU, LDPD, NDPD und DBD angehörte. Margot Honecker war die einzige Frau unter 43 männlichen Kollegen. Im Ministerrat waren 31 Fachminister sowie weitere Leiter von wichtigen Institutionen vertreten, so der Leiter des Amtes für Preise und Löhne, der Präsident der Staatsbank, der Oberbürgermeister von Berlin und der Vorsitzende der Arbeiter- und Bauernkommission. Außer den 31 Ministerien waren dem Ministerrat noch weitere Institutionen direkt unterstellt. Dazu gehörten neben den Staatssekretariaten auch die Staatlichen Komitees für Fernsehen und Rundfunk, die Nachrichtenagentur ADN, das Staatliche Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz und einige weitere Einrichtungen. Alle diese Ämter funktionierten aufgrund einer doppelten Unterstellung. Das Staatliche Komitee für das Fernsehen war beispielsweise für die Programmgestaltung verantwortlich. Jederzeit aber konnte der für Ideologie zuständige Sekretär des Politbüros oder der verantwortliche Mitarbeiter der Abteilung Agitation beim ZK der SED Sendungen oder Filme verbieten, Änderungen durchsetzen und selbst bei der Vergabe der Rollen eingreifen.
Regionale Struktur
Auf der Ebene der 14 Bezirke und der Hauptstadt Berlin und der Ebene der Kreise fand sich analog zur Zentrale noch einmal die analoge Struktur der Macht. Formal verantwortlich waren die Räte der Bezirke und der Kreise, denen wiederum die Bürgermeiser untergeordnet waren. All diese Funktionen wurden von der SED nach einem Schlüssel besetzt, der die Blockparteien berücksichtige. Die wahren „Provinzfürsten“ – gelegentlich wurden sie ironisch auch so genannt – aber waren stets die Ersten Sekretäre der Bezirksleitungen der SED – wie Hans Modrow in Dresden – oder der Kreisleitungen. Ihre Dienststellen waren schon von weitem durch die Antennen der Richtfunkanlagen zu erkennen. Im Krisenfall hätte den Bezirkseinsatzleitungen (BEL) der Erste Sekretär der Parteileitung vorgestanden. Die Leiter der Bezirksverwaltung des MfS, die Chefs der Polizei usw. hätten ebenso wie die Kommunalbehörden seiner Weisungsbefugnis unterstanden. So war es auch im Oktober 1989 als Hans Modrow der Bereitschaftspolizei den Einsatzbefehl gab, die Demonstranten auseinander zu prügeln.
Weitere Inhalte
Weitere Inhalte
Dr., geb. 1950; Studium der Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. 1972 Relegation aus politischen Gründen. 1976–1989 Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften der DDR, 1990 Mitarbeiter des Komitees für die Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit, 1998-2000 Referent bei der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, danach freier Autor, zeitweilige Mitarbeit im Forschungsverbund SED-Staat der Freien Universität Berlin. Seit 2005 wissenschaftlicher Leiter des DDR-Museums Berlin.
Wir laden Sie zu einer kurzen Befragung zu unserem Internetauftritt ein. Bitte nehmen Sie sich 5 Minuten Zeit, um uns bei der Verbesserung unserer Website zu helfen. Ihre Angaben sind anonym.
Vielen Dank für Ihre Unterstützung!