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Analyse: Wohnraum und Wohnungspolitik in Polen | Polen-Analysen | bpb.de

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Analyse: Wohnraum und Wohnungspolitik in Polen Polen-Analysen Nr. 304

Marek S. Szczepański Anna Śliz

/ 10 Minuten zu lesen

Der Bedarf an Wohnraum ist groß. In den Städten entstehen "gated communities" und der Suburbanisierungsprozess schreitet voran. Jeder 12. Einwohner lebte 2022 ohne grundlegende Sanitärinstallationen.

Wohnsiedlung in Lublin, 2021 (© picture-alliance, NurPhoto | Artur Widak)

Zusammenfassung

In Sicherheit zu leben, ist eines der Grundbedürfnisse des Menschen. Das Sicherheitsgefühl ist eng mit dem Wohnraum, den der Betreffende zur Verfügung hat, verbunden; er vermittelt dem Menschen Ruhe und individuelle Ordnung und schützt seine Privatsphäre. Allerdings haben in Polen nicht alle die Möglichkeit, angemessenen Wohnraum zu mieten oder zu erwerben. Daher beschließt die Politik verschiedene Maßnahmen, um den Bürgern den Zugang zu Wohnraum zu erleichtern. Sie richten sich vor allem an diejenigen, die die Bedingungen des immer teurer werdenden Wohnungsmarktes nicht erfüllen können. Die Eigendynamik des Wohnungsbaus in Polen hat zur Folge, dass neu gebaute gated communities neben verarmten Plattenbausiedlungen aus sozialistischer Zeit stehen, der Suburbanisierungsprozess ohne entsprechende Kontrolle voranschreitet und im Jahr 2022 noch jeder zwölfte Einwohner in einer Wohnung lebte, die ohne grundlegende Sanitärinstallationen ausgestattet war.

Wohnen als Grundbedürfnis

Einer der wichtigsten Bestandteile einer Stadt ist der Wohnraum, konkret Wohnungen und Häuser. Nach der Theorie des US-amerikanischen Soziologen Yi-Fu Tuan (1987) ist der Wohnraum (im Unterschied zum Raum der Stadt) ein überschaubarer Ort und ein Schutzraum. Er bedeutet Sicherheit und in ihm gilt eine individuell gesetzte Ordnung. Jeder Mensch braucht Wohnraum, aber nicht jeder kann dieses Grundbedürfnis selbst befriedigen. Daher kommt dem Staat die wichtige Aufgabe zu, politisch dahin gehend zu wirken, dass den Menschen die Anmietung oder der Kauf einer Wohnung oder eines Hauses erleichtert wird. Die Frage des Wohnraums ist mit der Idee des "Rechtes auf Stadt" (Henri Lefebvre) verbunden, das aus soziologischer Perspektive das Recht der städtischen Gemeinschaft auf vergleichbare Lebensniveaus und Mitbestimmung über den städtischen Raum beinhaltet. Hier kommt den Entscheidungen über die Lokalisierung von Wohnsiedlungen und ihre Funktionalität im städtischen Kontext (mit Blick auf Wohnung, Arbeit, Dienstleistungen) und vor allem im Alltag ihrer Bewohner eine wichtige Rolle zu.

Die staatliche Wohnungspolitik

Ein wichtiges Politikfeld des Staates ist der Wohnungsbau. Hier ist es seine Aufgabe, den Menschen bei der Anmietung oder dem Kauf einer Wohnung oder eines Hauses zu helfen. Bevor wir die aktuellen Maßnahmen und Probleme der Wohnungspolitik in Polen vorstellen, sei kurz an die Zeit des Realsozialismus erinnert, dessen Wohnungspolitik bis heute sichtbar ist. Zu nennen wäre vor allem die zentral betriebene Politik des Bauens großer Plattenbausiedlungen, deren Wohnungsangebot sehr standardisiert und gleichförmig war. Von großer Bedeutung waren die neu entstandenen sogenannten sozialistischen Städte, die in der Regel die Funktion von Schlafstädten für die großen Industrieansiedlungen hatten, so beispielsweise die Stadt Tychy in der Woiwodschaft Schlesien (województwo śląskie). Die Wohnungspolitik der sozialistischen Epoche richtete sich an dem Grundsatz aus, dass Wohnen immer mit dem Arbeitsplatz verknüpft ist und der Mensch immer da wohnen soll, wo er arbeitet. Daher verfolgte man das Ziel, die Wohnsiedlungen in der Nähe der Produktionsbetriebe zu bauen. Am besten illustriert das die Infrastruktur, die in der Nachbarschaft der Kohlebergwerke in den Städten Oberschlesiens entstand. Sie ist auch heute noch sichtbar, festzustellen ist allerdings eine tiefgreifende Verarmung in den meisten Wohnsiedlungen.

Im Zuge der Systemtransformation begann sich die Wohnsituation in Polen deutlich zu verändern. Wohnungen wurden zum Konsumgut auf dem freien Markt und ihre Preise begannen gewaltig zu steigen. Für die Mehrheit wurde eine Wohnung ein Luxusgut, insbesondere weil die Polen eine Eigentumswohnung einer Mietwohnung eindeutig vorziehen. Nach 1989 versuchte jede Regierung, vor allem jungen Menschen beim Kauf, aber auch der Anmietung einer Wohnung zu helfen, doch keines der aufgelegten Wohnungsprogramme war durchschlagend erfolgreich. Heute wird die Wohnungspolitik sowohl zentral als auch kommunal betrieben, wobei die Kommunen meistens die Ausführenden der Regierungsprogramme sind. Die Kommunen sind also nicht nur ein wichtiger politischer Akteur bei der Ertüchtigung des Raumes, sondern sie verfügen auch in Form von Kommunal-/Sozialwohnungen über eigene Wohnraumressourcen.

Um Kommunalwohnungen können sich zwei Gruppen bewerben: Erstens Menschen, die sich in einer schwierigen Lebenssituation, sei es materieller oder gesundheitlicher Art, befinden; zweitens Personen, die von einer Zwangsräumung betroffen sind und das Recht auf eine Sozialwohnung haben. Die Frage der Sozialwohnungen betrifft vor allem die Städte und ihre Anzahl verringerte sich deutlich. Im Jahr 1990 gab es in Polen 1.980.300 Sozialwohnungen, was 16,7 Prozent des Wohnungswesens ausmachte. Im Jahr 2016 war die Zahl auf 868.500 gesunken (6,1 Prozent). Die Wohnraumressourcen der Kommunen hatten sich also drastisch reduziert. 2016 konnten die vorhandenen Kommunalwohnungen nur 1,1 Prozent des Bedarfs nach solchem Wohnraum decken. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass sich die Städte auch mit einem großen Leerstand konfrontiert sehen, dessen Ursache hauptsächlich im Missverhältnis zwischen den unangemessenen Mietsätzen und dem Standard der Wohnung liegt – die Städte halten ihre Wohnraumressourcen aufgrund fehlender finanzieller Mittel immer weniger instand. Hinzu kommt, dass der Standard einer Kommunalwohnung prinzipiell niedrig ist. Untersuchungen von Habitat for Humanity Poland aus dem Jahr 2018 zeigen, dass der Wohnungsmangel sowie die schlechten Wohnverhältnisse eines der drei wichtigsten Probleme polnischer Familien waren, so die Angaben von 40 Prozent der Befragten.

Wie bereits erwähnt, liegt die Realisierung der Wohnungsprogramme in hohem Maße bei den Kommunen, wenngleich die politischen Festlegungen dafür von der Zentralregierung vorgegeben werden. Aktuell ist das bekannteste Wohnungsprogramm "Wohnung Plus" (Mieszkanie Plus), das aus zwei Säulen besteht. Erstens aus der "Marktsäule", die Personen mit mittlerem Einkommen nutzen können. Das Programm umfasst das Mieten einer Wohnung oder eines Hauses, wobei das Mietobjekt im Laufe der Zeit als Eigentum erworben wird. Es ist für diejenigen vorgesehen, die keinen Kredit, aber auch keine Sozialwohnung bekommen. Die Mieten in diesen Wohnungen orientieren sich an den Mietsätzen am Markt. Zweitens gibt es die "Sozialsäule", die auf Beschäftigte mit mittlerem bis geringem Einkommen zielt. In diesem Programm entstehen Wohnungen mit staatlicher finanzieller Beteiligung. Es handelt sich dabei um Mietwohnungen, deren Miethöhe gesetzlich beschränkt ist. Dies betrifft Wohnungen der Gesellschaft für Soziales Bauen (Towarzystwo Budownictwa Społecznego). Diese seit 1995 realisierte Form des geförderten Wohnungsbaus hat zum Ziel, Mietwohnungen mit einem guten Standard sowie einer gemäßigten Miethöhe für Menschen mit mittlerem Einkommen zu bauen. Das Programm der Gesellschaft für Soziales Bauen kam in der Mehrheit der polnischen Städte zum Tragen, wenngleich seine Wohnraumressourcen beschränkt sind. Die zweite Art des Wohnraums mit festgelegten Mietpreisen ist der kommunale Wohnungsbau, bei dem der Mietpreis von den Kommunen festgelegt wird. Eine Wohnung in dieser Sparte zu bekommen, ist an bestimmte Bedingungen geknüpft wie unzureichende Wohnverhältnisse sowie ein niedriges Haushaltseinkommen pro Kopf. Vorrang bei der Vergabe dieser Wohnungen haben kinderreiche Familien.

In den letzten Jahren wurden verschiedene Unterstützungsprogramme im Bereich der Wohnungswirtschaft eingeführt. Umfragen des Meinungsforschungsinstituts CBOS zeigten die größte Zustimmung für die Regelung, dass der Bau eines Einfamilienhauses mit einer Grundfläche bis zu 70 m2 keiner Baugenehmigung mehr bedarf. Ein Programm, das den Wohnungserwerb ohne die Anzahlung eines Eigenanteils als Voraussetzung für den Erhalt eines Kredits ermöglicht, befürworten vor allem Menschen mit geringerem Einkommen, denen es schwer fällt, Rücklagen zu bilden. Hier handelt es sich um Personen, die überwiegend in kleineren Städten leben. Positiv wurde auch ein Unterstützungsprogramm für Familien bewertet, das bei der Rückzahlung des Kredits die Anzahl der Kinder berücksichtigt: Je mehr Kinder, desto größer fällt hier die staatliche Unterstützung aus.

Alle hier angeführten Beispiele gehören zum Nationalen Wohnungsprogramm, welches das Ziel verfolgt, denjenigen Zugang zu Wohnraum zu ermöglichen, deren Einkommen aktuell weder Erwerb noch Anmietung zu Marktpreisen erlaubt. Die Wohnungsprogramme richten sich vor allem an junge Familien. Die Politik hat festgelegt, dass bis zum Jahr 2030 die Anzahl von Wohnungen in Polen pro 1.000 Einwohner auf 435 steigen soll. Ende 2018 betrug die Anzahl 380,5 Wohnungen. In den Ländern der Europäischen Union lag sie bei 400 bis 500 Wohnungen. Den Kommunen und Investoren erleichtern die Wohnungsprogramme, Flächen für Investitionen in den Wohnungsbau zu erwerben. Das beschleunigt den Bau und senkt seine Kosten und ist somit auch für die führende Rolle der Kommunen in der polnischen Wohnungspolitik von Bedeutung.

Trotz der hier skizzierten Programme ist die Wohnungssituation in Polen nicht gut. Viele, vor allem junge Polen, erfüllen weder für den Kauf einer Wohnung noch für die Anmietung, noch für die Bewilligung eines Kredits die finanziellen Voraussetzungen. Viele junge Polen wohnen mit den Eltern oder Großeltern zusammen. Diese Situation hat sich infolge der Corona-Pandemie sowie des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, als viele Flüchtlinge nach Polen kamen und die Mietpreise drastisch anstiegen, noch verschlechtert. Die wirtschaftliche Lage Polens, die zurzeit von der sehr hohen Inflation mitbestimmt wird, bewirkte den Anstieg der Kreditzinsen, vor allem bei den Hypothekendarlehen. Zwar führte der Staat eine befristete Ratenaussetzung (sogenannte Kreditferien) ein, aber das half dem Wohnungskreditmarkt nicht. Der Wert der gewährten Hypothekendarlehen fiel im August 2022 um 69,4 Prozent gegenüber 2021. Alle unternommenen Maßnahmen führen nicht zu einer umfänglichen Lösung des Wohnungsproblems in Polen, und die Preise für den Kauf wie für die Miete von Wohnungen sind für viele Polen weiterhin schwer zu realisieren.

Gated communities und Suburbanisierung

Eines der wichtigsten Rechte auf Stadt ist das Recht zu wohnen, das heißt die Möglichkeit, eine eigene oder gemietete Wohnung oder Haus zu bewohnen. Dieses Recht ist in hohem Maße mit dem materiellen Status der Einwohner der Städte verknüpft. Festzustellen sind auf der einen Seite irrsinnig teure und prestigeträchtige geschlossene Wohnanlagen (gated community), auf der anderen Seite Armutsghettos. Erstere ziehen Bewohner an, die ihren Privatbereich verbergen und ihr Eigentum schützen wollen, sie versprechen Sicherheit und Lebenskomfort, und der allen zugängliche öffentliche Raum wird außen vor gelassen. Die Welt der abgegrenzten Wohnanlagen öffnet ihre Tore nur Auserwählten. Das andere Extrem sind die Armutsghettos. Sie sind offen und unsicher. Sie entstehen u. a. durch externe Abgrenzungsbewegungen sowie dadurch, dass sich ihre Bewohner selbst den Chancen verschließen, die ihnen die "Welt da draußen" bietet. Ein Charakteristikum der Armutsghettos ist ihre spezifische Gemeinschaft, und zwar die Krisengemeinschaft. Sie verbindet diejenigen, die von der sie umgebenden sozialen Realität abgewiesen wurden. Auch Armutsghettos sind von sozialer Homogenität geprägt, das heißt dem gleichen Alltagsszenario ihrer Bewohner.

Laut Daten der Nationalen Volks- und Wohnraumzählung 2021 (Narodowy Spis Powszechny Ludności i Mieszkań 2021) hat Polen 38.036.118 Einwohner (31. März 2021), was ein Rückgang von 1,2 Prozent im Vergleich zu 2011 ist. Die Anzahl der Wohneinheiten betrug 15.227.927 und hat sich gegenüber 2011 um 12,8 Prozent erhöht. Die Wachstumsdynamik bei den Wohneinheiten ist in den Städten größer als in den ländlichen Gebieten bei gleichzeitigem Rückgang der Einwohnerzahl in einigen der größten Ballungsgebiete. Den größten Bevölkerungszuwachs verzeichnen Gemeinden, die in unmittelbarer Nachbarschaft der größten Städte liegen, was an der Anziehungskraft der Großstädte als attraktiver Arbeitsmarkt liegt. Dieser Prozess der Suburbanisierung betrifft jedoch nicht nur die großen, sondern auch die mittleren Städte. Die Polen sind bereit, ins Umland der Städte zu ziehen, allerdings in eine Entfernung, die die unkomplizierte Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes gewährleistet. So zeichnet sich der Suburbanisierungsprozess durch eine deutliche Dynamik aus, was insbesondere die Großstädte Warschau (Warszawa), Lodz (Łódź), Posen (Poznań) und Krakau (Kraków) betrifft. Jedoch ist dieser seit Jahren zu beobachtende Prozess in Polen schwächer ausgeprägt als in Nordamerika oder westeuropäischen Staaten, was auf die immer noch schwach entwickelte Infrastruktur in den Bereichen Transport und Institutionen (Kindertagestätten, Schulen, Arbeitsplätze) zurückzuführen ist. Zwar führt die Entstehung von Wohnraum in den Vorstädten und im Umland dazu, dass sich Verbindungen zwischen der Kernstadt und ihren Rändern entwickeln, aber ihre Funktionalität ist in unterschiedlichen Bereichen unterschiedlich fortgeschritten. Als Ursachen für die andauernde Suburbanisierung lässt sich vor allem der Mangel an Bauflächen in der Kernstadt ausmachen. Sollte es sie geben, dann zu sehr hohen Preisen, so dass sie von gut situierten Investoren gekauft werden, die ihrerseits die sehr hohen Preise der dort gebauten Wohnungen diktieren. Auf der anderen Seite muss man sich klarmachen, dass das Leben außerhalb der Kernstadt mit Blick auf den dort herrschenden Lärm und Stress eine Verbesserung der Lebensqualität bedeuten kann.

Ein wichtiges Problem ist, dass der Prozess der Suburbanisierung in Polen ohne angemessene Kontrolle stattfindet, was zu Chaos bei der Erschließung und Bewirtschaftung von Flächen und zur Zerstörung von Siedlungsstrukturen führt. Die Folge sind die Beschädigung von Grünflächen und die Zerstörung der über Jahrzehnte gewachsenen sozial-kulturellen räumlichen Ordnung. Die rasch steigenden Lebenshaltungskosten in der Stadt zwingen viele Menschen, eine günstigere Alternative zu suchen. Neben der Suburbanisierung gehört dazu auch die Rückkehr ins Elternhaus oder das Zusammenleben mit den Großeltern, wenn eine solche Möglichkeit besteht. Für viele Familien ist es aus finanziellen Gründen heute unmöglich, einen eigenen Haushalt zu unterhalten. Ähnlich ist es beim Kauf einer eigenen Wohnung oder eines eigenen Hauses, was eine verlangsamende Wirkung auf die Dynamik des Wohnungsmarktes ausübt.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass in den letzten Jahren der Anteil der Einwohner von Städten, aber auch von Dörfern zugunsten kleinerer Städte und des städtischen Umlands rückläufig war. Nach den Daten von Eurostat (2018) lebt immer noch die Mehrheit der Polen auf dem Land (41,1 Prozent). In Großstädten leben 34,4 Prozent und in deren Umland sowie in Kleinstädten 24,4 Prozent. Die Mehrheit der Polen lebt in Häusern (55,8 Prozent), vor allem in frei stehenden, die in den ländlichen Gebieten vorherrschen. Nur zwölf Prozent der Häuser befinden sich auf dem Gebiet von Großstädten, wo das Mehrfamilienhaus (Plattenbau ebenso wie moderne Appartementbauweise) überwiegt. In solchen Wohnungen leben 44,6 Prozent der Polen (2018). Drei Viertel der Polen sind Immobilieneigentümer und 16 Prozent Mieter.

Undichte Dächer, fehlende Badezimmer

Auch die Wohnverhältnisse in Polen weisen deutliche Unterschiede auf. Die Differenzierung des Wohnraums in geschlossene Wohnanlagen und Armutsghettos geben das Problem nicht in Gänze wieder. Die durchschnittliche Wohnungsgröße liegt in Polen bei 61,5 m2, womit Polen im ostmitteleuropäischen Durchschnitt, aber deutlich unter dem der westeuropäischen Staaten liegt. Durchschnittlich steht pro Person 1,1 Zimmer zur Verfügung und 38 Prozent der Polen leben in überbelegten Wohnungen, was ein deutlich schlechteres Ergebnis als in vielen Staaten Europas, auch der ostmitteleuropäischen, ist.

Obgleich sich die Wohnverhältnisse im Allgemeinen verbessern, muss festgehalten werden, dass im März 2021 5,2 Prozent der Wohnungen nicht mit drei grundlegenden Sanitärinstallationen ausgestattet waren: Wasserleitung, Toilette und Badezimmer. 2,9 Prozent hatten keinen Zugang zu fließendem Wasser aus der Wasserleitung. 4,3 Prozent der Wohnungen hatten kein Badezimmer.

Jede zweite Wohnung wird mit Zentralheizung geheizt oder ist an das Gasnetz angeschlossen; 8,1 Mio. Wohnungen werden individuell – vorwiegend mit Kohle – beheizt.

Auch der im November 2022 von der Nichtregierungsorganisation Szlachetna Paczka veröffentlichte "Armutsbericht 2022" (Raport o biedzie 2022) präsentiert Daten zur Wohnsituation der Polen. Demnach leben knapp 2,5 Mio. Polen in Gebäuden, wo das Dach, Türen oder Fenster undicht und Decken und Wände feucht sind. Fast drei Prozent der Haushalte in Polen haben kein fließendes Wasser und jeder zwölfte Einwohner lebte im Jahr 2022 in Wohnungen ohne Badezimmer und Toilette. Knapp die Hälfte der Polen heizt ihr Zuhause mit Kohle, auf dem Land sind es 77 Prozent. Die angeführten Zahlen sind nicht erschreckend hoch, wenn man die historische Situation des Wohnungswesens in Polen zum Vergleich nimmt, aber für das 21. Jahrhundert sind sie eindeutig beschämend.

Die Qualität des städtischen Raumes bestimmt die Lebensqualität seiner Einwohner. Stadt- und Wohnraumplanung gehören also zu den verantwortungsvollsten Aufgaben der Politik und öffentlichen Verwaltung. Der finnische Architekt Alvar Aalto formulierte einst treffend: "Architektur wird nicht die Welt retten, aber sie kann mit gutem Beispiel vorangehen. Denn die Städte müssen ihren Einwohnern dienen."

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Quellen / Literatur

Szczepański, Marek S.; Śliz Anna: Prawo do miasta. Spojrzenie socjologiczne [Das Recht auf Stadt. Ein soziologischer Blick]. In: Maciej J. Nowak (Hg.): Prawo do miasta a wyzwania polityki miejskiej w Polsce [Das Recht auf Stadt und die Herausforderungen städtischer Politik in Polen]. Warszawa 2022, S. 54–71.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Prof. Dr. Marek S. Szczepański, Soziologe, ist Professor am Institut für Soziologie der Schlesischen Universität in Kattowitz (Uniwersytet Śląski, Katowice) und an der WSB Universität (Akademia WSB) in Dąbrowa Górnicza. Seine Forschungsschwerpunkte sind soziologische Theorien, Regionen und lokale Gemeinschaften, Stadt und Raum sowie soziale Entwicklungen und Veränderungen.

Prof. Dr. Anna Śliz, Soziologin, ist Professorin am Institut für Soziologie und Pädagogik der Warschauer Naturwissenschaftlichen Universität (Szkoła Główna Gospodarstwa Wiejskiego w Warszawie). Ihre Forschungsinteressen sind soziologische Theorien, gesellschaftliche und ethnische Konflikte, soziale Entwicklungen und Veränderungen und multikulturelle Gesellschaften.