Verstaatlichung der privaten und halbstaatlichen Betriebe
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Orgelbauer beim Einpassen von Spuden in die Holzpfeifen im Jahr 1971. Die 1808 gegründete Orgelbaufirma Jehmlich wurde im Jahr darauf verstaatlicht.
Viele der in diesem Betrieb gebauten Orgeln wurden exportiert und die DDR erzielte dadurch dringend benötigte Deviseneinnahmen.
Ein Maskenmaler bei der Arbeit in der Carl Hanf KG in Ohrdruf im Kreis Gotha. Der mit staatlicher Beteiligung arbeitende Betrieb war einer der wenigen
in der DDR, die Faschingsmasken, Fest- und Scherzartikel herstellten. Viel davon wurde exportiert.
Arbeiten an einer von Hedwig Bollhagen entworfenen Schale in der Werkstatt für Keramik in Marwitz (nahe Oranienburg). Der Betrieb gehörte zu den
fünf Keramikbetrieben des DDR-Kunsthandels. Nicht untypisch: Hedwig Bollhagen behielt nach der Verstaatlichung ihrer Keramikwerkstatt im Jahr 1972 eine Leitungsposition.
Bereits in den 1950er Jahren sank der Anteil der Selbständigen in der DDR rapide, weil viele die DDR verließen. 1980 lag der Anteil der
Selbständigen an allen Erwerbstätigen nur noch bei ca. 2 Prozent. Doch auch in der Bundesrepublik war der Anteil der Selbständigen im selben Zeitraum rückläufig.
1972 führte die SED eine Verstaatlichungsaktion in der gesamten DDR durch, die rund 11.400 mittelständische Betriebe ins „Volkseigentum“ überführte. 6.500 davon waren halbstaatliche, der Rest private Betriebe. Die betroffenen Firmen hatten zwar nur etwa 10 Prozent Anteil an der Gesamtproduktion, bei beliebten Konsumgütern war ihr Anteil jedoch mit etwa 40 Prozent weitaus größer. Auch wichtige – weil devisenbringende – Exportgüter wie Musikinstrumente wurden zu einem Großteil in privaten Betrieben hergestellt.
Die privaten und halbprivaten Betriebe hatten in den vorangegangenen Jahren erfolgreich gewirtschaftet, was von der Regierung mit Unmut beobachtet worden war. Die Entstehung einer Teilgesellschaft, die sich nicht in das Gesamtsystem einordnete und sich der absoluten staatlichen Kontrolle entzog, sollte unterbunden werden.
Auf Beschluss des ZK wurden die Betriebe vom Staat aufgekauft. Die Eigentümer hatten keine Möglichkeit, den Kauf abzulehnen oder den festgelegten Preis zu verhandeln. Die Betriebe wurden häufig in größere VEB eingegliedert, was allerdings zur Folge hatte, dass es zu einem Zuwachs an Bürokratie kam und die Produktion zurückging. Etwa 2.000 Geschäfte – hauptsächlich Einzelhandel und Gastronomie – blieben weiter in privater Hand.
Die Verstaatlichung hatte zur Folge, dass das wirtschaftliche Potential des Mittelstandes nahezu vernichtet wurde, was die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der DDR zusätzlich erhöhte.
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Sonja Hugi, M.A. Public History, studierte Geschichte, Kommunikationswissenschaften und Grafikdesign. Als Historikerin, Autorin, Illustratorin und Grafikerin betätigt sie sich in verschiedenen Bereichen der Geschichtsvermittlung. Ihr Fokus liegt auf Themen der jüngeren deutschen Geschichte.