Das Objekt
Betstube in Theresienstadt
Das im Interner Link: November 1941 in Theresienstadt (Terezín) eingerichtete Ghetto, ein Sammel- und Durchgangslager für jüdische Gefangene, war Teil des nationalsozialistischen Systems für die "Endlösung der Judenfrage". In den Mauern der zwischen 1780 und 1790 von Kaiser Joseph II. erbauten Festungsanlage hielten die Deutschen Jüdinnen und Juden aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Dänemark, der Slowakei, Ungarn und vor allem aus dem Protektorat Böhmen und Mähren gefangen. Für die meisten Gefangenen war das Ghetto Theresienstadt ein Lager, von dem aus sie später in die Vernichtungslager im Osten deportiert wurden. Zehntausende seiner Insassen starben dort in den Gaskammern, an Hunger, Krankheit oder der anstrengenden Zwangsarbeit. Nur wenige Gefangene verblieben im Ghetto und erlebten das Ende des Krieges.
Historischer Kontext
Im Bestreben, Ruhe und Ordnung zu wahren, Interner Link: tolerierten die Nazis gewisse Aktivitäten im Ghetto, einschließlich der Gottesdienste der überwiegend jüdischen Insassen.
Das Haus an der Dlouhá-Straße 17, in dem die jüdische Betstube aus der Zeit des Interner Link: Ghettos entdeckt und Ende des 20. Jahrhunderts der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, gehörte vor dem Interner Link: Zweiten Weltkrieg einem Mann namens František Bubák. Viele Jahre lang betrieb er dort ein Bestattungsunternehmen für die Einwohner Terezíns und der Umgebung. Die Leichenwagen waren in der Scheune im Hof seines Hauses untergestellt. In den Nebengebäuden baute und lagerte er Särge und verwahrte sonstiges für Beerdigungen benötigtes Gerät. Wie alle anderen Bewohner der Stadt musste auch die Familie Bubák ihr Haus und die Stadt verlassen, als diese 1942 in einziges großes Gefängnis umgebaut wurde.
Schon in den frühen Tagen des Interner Link: Ghettos, als die Gefangenen noch ausschließlich in Baracken lebten, suchten sie leer stehende Dachböden auf, um dort ihre Religion auszuüben. Während der gesamten Existenz des Lagers befanden sich die Anlaufstellen und Treffpunkte für jüdische und christliche Gottesdienste größtenteils in Dachböden. Die schlichte Ausstattung dieser Orte ermöglichte es in vielen Fällen, dass Jüdinnen und Juden verschiedener Glaubensrichtungen ihre Gottesdienste in ein und derselben Betstube halten konnten, gleich in welcher Form sie praktizierten. Es kam durchaus auch vor, dass nach dem Gottesdienst im Dachboden eine Aufführung kultureller Art stattfand, da es für diese ebenfalls keine geeigneten Räumlichkeiten gab.
Um im Ghetto Ruhe und Ordnung zu fördern, tolerierten die Deutschen manche Aktivitäten, darunter auch die Gottesdienste der größtenteils jüdischen Insassen. Im Vorfeld des Besuchs einer Delegation des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes in Theresienstadt starteten die Deutschen eine "Verschönerungskampagne". Die Insassen bekamen Bücher und verschiedene Gegenstände sowie liturgisches Gerät für Gottesdienste und technische Ausrüstung für kulturelle Veranstaltungen. Darüber hinaus wurde es den Gefangenen erlaubt, ihre Betstuben zu renovieren.
Der Lagerraum hinter dem ehemaligen Haus der Familie Bubák wurde zu einer jüdischen Betstube mit exquisiter Ausgestaltung seiner Mauern und Decke durch Artur Berlinger, einem aus dem fränkischen Schweinfurt stammenden Gefangenen, der schließlich in Auschwitz ermordet wurde. Mit den fachgerecht ausgeführten Wandmalereien und Inschriften schuf Berlinger eine Atmosphäre der Erbaulichkeit für die aus den Nachbarhäusern zum Gebet zusammenkommenden Gläubigen. In diesem Raum hatten sie Gelegenheit zur Versenkung im Gebet, hier konnten sie Gott im Geiste nahe sein, obwohl sie hinter den Mauern von Theresienstadt gefangen waren.
Die Qualität der Malereien machte den Raum unter den vielen provisorischen Betstuben im KZ einzigartig. Im Sommer 1942, als die ganze Stadt zu einem Ghetto verwandelt worden war, nutzten die Gefangenen auch andere Räume als Dachböden für religiöse Zwecke. Ehemalige Garagen, Keller, Lagerhäuser und die Schlafsäle in den Wohnhäusern wurden oft zu Gebetsorten umfunktioniert.
1943 fertigte Berlinger ein Selbstporträt an, auf dem er in seiner Betstube im Gewand eines Kantors zu sehen ist. Betend steht er einer Nische in der östlichen Wand des Raumes zugewandt, in die ein Gebetstisch gestellt worden war. Eine hebräische Inschrift schmückt die Wand: "Wisse, vor wem du stehst!" Die Zeichnung ist vom Künstler signiert.
Nach dem Krieg kehrte František Bubáks Familie in die Dlouhá-Straße 17 zurück. Sie gehörten zu den ersten Einwohnern von Terezín, die ihr Haus zurückbekamen. Das Bestattungsunternehmen bestand bis zum Jahr 1948, als alle Privatunternehmen der Tschechoslowakei verstaatlicht wurden. In den Jahren darauf nutzten Bubáks Nachkommen die ehemalige Betstube zur Aufbewahrung von allerlei nicht mehr benötigten ausrangierten Dingen. Der Raum wurde allerdings nie renoviert, sodass die Malereien an der Decke und die Texte an den Wänden unbeschädigt blieben.
Weil sie Angst vor Eingriffen des kommunistischen Regimes hatten, sprach die Familie in der Öffentlichkeit nicht über das besondere Baudenkmal aus der Zeit des Ghettos. So blieb die ehemalige Betstube unversehrt. Interner Link: Erst nach 1989 entschied sich die Familie, ihr Schweigen zu brechen.