Das kurze Glück der Donauschwaben

Gleichwohl war mit der sich abzeichnenden Niederlage des Dritten Reiches auch über die Donauschwaben das Urteil verhängt. Sie wurden zur kriminellen Minorität erklärt, die ihren Anspruch, im sozialistisch-föderativen Jugoslawien zu bleiben, verwirkt hatte. Als die Partisanen sich den Dörfern und Städten in der Batschka und im Banat näherten, haben sich die Donauschwaben folglich auf die Flucht begeben. Ihre Panik war begründet, denn die, die blieben, mussten erleben und erleiden, dass zwischen Tätern, Mitläufern, stillen Verweigerern und Widerständigen nicht unterschieden wurde. Allesamt, auch Kinder und Greise, wurden sie in Lager gesteckt, in denen Abertausende an Hunger und Auszehrung starben, und wer überlebte, wurde in den folgenden Jahren ohne Hab und Gut außer Landes gejagt.
In Rumänien, das im Zweiten Weltkrieg anfangs an der Seite Deutschlands gestanden hat, lagen die Dinge anders; eine ethnische Säuberung wie in Jugoslawien hat es dort nicht gegeben, aber die Lage der Banater Schwaben war auch in Rumänien schwierig genug. In stalinistischen Prozessen wurden Tausende zu mörderischer Zwangsarbeit oder, wie die Repräsentanten der bürgerlichen Intelligenz, zu jahrelanger Haft verurteilt; sobald es dazu die Möglichkeit gab, haben seit den späten sechziger Jahren daher Hunderttausende das Land verlassen. In Ungarn wiederum konnte bleiben, wer mochte und sich in das Schicksal fügte, künftig seine Nationalität zu verschweigen und dankbar sein stilles Glück als braver Proletarier unter braven Proletariern zu genießen.
Global Village
Aus vielen Richtungen waren sie gekommen und hatten durch ihre zähe Arbeit das Ihre dazu beigetragen, dass das ganze, einst menschenverlassene Gebiet eine reiche europäische Region geworden war. In alle Richtungen wurden sie nach über 200 Jahren wieder verstreut. Wie immer, wenn eine multiethnisch geprägte Region national purifiziert wird, hat das auch jenen zum Schaden gereicht, die sich anfänglich als Sieger oder Nutznießer fühlen mochten. Schon zu Titos Zeiten, als das jetzt Vojvodina genannte Gebiet noch eine besondere Autonomie genoss, musste in die einstige Kornkammer des Balkans Getreide importiert werden. In den blühenden Dörfern der Donauschwaben waren Montenegriner und Mazedonier angesiedelt worden, die als Gebirgler mit der agrarischen Kultur der Schwaben nichts anzufangen wussten und deren Reichtum verfallen ließen.Auf Nachfahren der Donauschwaben kann man heute fast überall auf der Erde stoßen, in Chicago und in Toronto, in Australien, Brasilien, Argentinien, Frankreich und natürlich in Deutschland und Österreich. Tüchtig, wie sie immer schon waren, haben sich die meisten von ihnen, wohin es sie auch verschlug, rasch den Verhältnissen angepasst, die sie vorfanden. Da und dort pflegen sie in Vereinen noch eine folkloristische Gemeinschaft und die Erinnerung an eine Heimat, von der sie nicht zu Unrecht meinen, dass sie ihnen zu Unrecht genommen wurde. Zumal in den USA ist das Vereinsleben noch rege, und im Internet gibt es zahllose Communities, in denen sich Abkömmlinge von Donauschwaben auf Englisch darüber austauschen, aus welchem Land ihr Vorfahren einst in das Banat gezogen waren und in welches sie 1945 geflüchtet sind. Ganze Dörfer mit all ihren Straßenzügen, Friedhöfen, Katasterverzeichnissen werden mittels genealogischer Recherchen als virtuelle Heimat neu aufgebaut, während die konkrete Sprache, dieser regional facettenreiche Dialekt, dessen dunklen Klang ich in meiner Kindheit noch von so vielen Donauschwaben vernommen habe, gerade dabei ist, für immer zu erlöschen.