Gründungsaufruf Neues Forum
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"Die Zeit ist reif!" Gründungsaufruf des Neuen Forums "Aufbruch 89" (September 1989)
"Die Zeit ist reif!" Gründungsaufruf des Neuen Forums „Aufbruch 89“ (September 1989)
Diskussionsveranstaltung mit Gründungsmitgliedern des Neues Forums im Oktober 1989 in der evangelischen Kirche Oberschöneweide in Ostberlin.
Demonstration in Rostock Ende Oktober 1989, bei der die Zulassung des Neuen Forums gefordert wurde
9.11.1989: Auf einer Pressekonferenz berichten Gründungsmitglieder des Neuen Forums (u.a. Bärbel Bohley und Jutta Seidel) von der Zulassung durch
das Ministerium des Innern der DDR.
Die Bürgerbewegung Externer Link: „Neue Forum“ war eine der einflussreichsten oppositionellen Gruppen im Herbst 1989. Sie wurde am 9. und 10. September im Haus von Externer Link: Katja Havemann, der Witwe des 1982 verstorbenen DDR-Dissidenten und Wissenschaftlers Externer Link: Robert Havemann, in Grünheide bei Berlin gegründet. Zu den ersten Mitgliedern gehörten unter anderem die Künstlerin Externer Link: Bärbel Bohley, der Wissenschaftler Externer Link: Jens Reich und der Ärztin Externer Link: Jutta Seidel.
Am 10. September unterzeichneten 30 Oppositionelle den Gründungsaufruf Externer Link: „Aufbruch 89 – Neues Forum“. Ihr Ziel: Die Bildung einer „politischen Plattform für die ganze DDR, die es den Menschen aus allen Berufen, Lebenskreisen, Parteien und Gruppen möglich macht, sich an der Diskussion und Bearbeitung existentieller Gesellschaftsprobleme in diesem Lande zu beteiligen“.
Am 19. September beantragte das Neue Forum die Zulassung als politische Vereinigung. Das Innenministerium der DDR lehnte zunächst ab und erklärte die Bürgerbewegung für „verfassungsfeindlich“. Dennoch kursierte der Gründungsaufruf schon bald in der gesamten DDR und erreichte weitaus mehr Aufmerksamkeit, als die Initiatoren je erwartet hatten. Bei Demonstrationen in Leipzig, Plauen, Dresden, Rostock und in vielen anderen Orten der DDR war „Neues Forum zulassen!“ eine der zentralen Forderungen.
Bis zum Ende des Jahres 1989 unterschrieben fast 200.000 Menschen den Aufruf, 10.000 wurden Mitglieder. Offiziell zugelassen wurde das Neue Forum erst am 8. November, einen Tag vor dem Mauerfall.
QuellentextNeues Forum
Gründungsappell vom 9. September 1989
Wir wollen Spielraum für wirtschaftliche Initiative, aber keine Entartung in eine Ellenbogengesellschaft. Wir wollen das Bewährte erhalten und doch Platz für Erneuerung schaffen, um sparsamer und weniger naturfeindlich zu leben. Wir wollen geordnete Verhältnisse, aber keine Bevormundung. Wir wollen freie, selbstbewusste Menschen, die doch gemeinschaftsbewusst handeln.
Um all diese Widersprüche zu erkennen, Meinungen und Argumente dazu anzuhören und zu bewerten, allgemeine von Sonderinteressen zu unterscheiden, bedarf es eines demokratischen Dialogs über die Aufgaben des Rechtsstaates, der Wirtschaft und der Kultur. Über diese Fragen müssen wir in aller Öffentlichkeit, gemeinsam und im ganzen Land, nachdenken und miteinander sprechen. [...] Es kommt in der jetzigen gesellschaftlichen Entwicklung darauf an,
dass eine größere Anzahl von Menschen am gesellschaftlichen Reformprozess mitwirkt,
dass die vielfältigen Einzel- und Gruppenaktivitäten zu einem Gesamthandeln finden.
Wir bilden deshalb gemeinsam eine politische Plattform für die ganze DDR, die es Menschen aus allen Berufen, Lebenskreisen, Parteien und Gruppen möglich macht, sich an der Diskussion und Bearbeitung lebenswichtiger Gesellschaftsprobleme in diesem Land zu beteiligen. Für eine solche übergreifende Initiative wählen wir den Namen Neues Forum. [...]
Allen Bestrebungen, denen das Neue Forum Ausdruck und Stimme verleihen will, liegt der Wunsch nach Gerechtigkeit, Demokratie, Frieden sowie Schutz und Bewahrung der Natur zugrunde. Es ist dieser Impuls, den wir bei der kommenden Umgestaltung der Gesellschaft in allen Bereichen lebensvoll erfüllt wissen wollen. Wir rufen alle Bürger und Bürgerinnen der DDR, die an einer Umgestaltung unserer Gesellschaft mitwirken wollen, auf, Mitglieder des Neuen Forums zu werden.
Die ersten Texte des Neuen Forums, Berlin 1990, S. 1 f.
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Dr. Ilona Schäkel ist selbstständige Autorin und PR-Redakteurin für zeithistorische Themen. Sie hat bereits an zahlreichen Erinnerungsprojekten und Angeboten der historisch-politischen Bildung mitgewirkt. Ihre Schwerpunkte sind Diktaturgeschichte und -aufarbeitung. Sie studierte Germanistik, Geschichte und Kulturwissenschaft an der Universität Bremen und der Humboldt-Universität zu Berlin.