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Schon "Lowflation" ist problematisch

Peter Bofinger

/ 4 Minuten zu lesen

Peter Bofinger plädiert dafür, die aktuelle Inflationsentwicklung nicht zu verharmlosen und das Risiko einer Deflation ernst zu nehmen. Das Mitglied des Sachverständigenrates fordert, dass insbesondere Deutschland Möglichkeiten für zusätzliche Staatsausgaben in den Bereichen Infrastruktur, Umweltschutz, erneuerbare Energien und Bildung nutzen solle, um deflationären Tendenzen entgegenzuwirken.

Peter Bofinger (© picture-alliance/dpa)

Nachdem von vielen sogenannten Experten jahrelang die Inflationsgefahr für den Euroraum beschworen wurde, beherrscht nun das Risiko einer Deflation die geldpolitische Diskussion. Ausschlaggebend hierfür ist die sehr niedrige Inflationsrate des Euroraums, die mit 0,4 Prozent nun schon seit mehreren Monaten deutlich unter dem Inflationsziel der Interner Link: Europäischen Zentralbank von "unter, aber nahe bei zwei" Prozent liegt.

Selbst wenn die Inflationsrate nicht weiter absinken würde, ist ein so geringer Anstieg des Preisniveaus – man spricht hierbei auch von "Lowflation" – äußerst problematisch. Bei der hohen Verschuldung vieler Staaten und auch vieler privater Kreditnehmer bedeutet eine sehr niedrige Interner Link: Inflationsrate, dass es sehr viel schwieriger wird, aus der Verschuldung herauszuwachsen als bei einer dem Interner Link: Ziel der EZB entsprechenden Inflationsrate von zwei Prozent. Die Effekte sind selbst über einen kürzeren Zeitraum beachtlich: ein Betrag von 1.000.000 Euro ist nach zehn Jahren preisbereinigt nur noch rund 804.000 Euro wert, wenn die Inflationsrate bei zwei Prozent liegt. Bei "Lowflation", also einer Inflationsrate von 0,5 Prozent, sind es dagegen preisbereinigt immerhin noch rund 947.000 Euro. Auch die Angleichung der Lohnniveaus innerhalb des Euroraums, die zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in den Problemländern erforderlich ist, lässt sich bei einer Inflationsrate von zwei Prozent einfacher erreichen als mit "Lowflation". Im ersten Fall genügt es, wenn in den wettbewerbsschwachen Ländern die Löhne nicht ansteigen. Im zweiten Fall ist eine Lohnsenkung, die immer mit großen Widerständen verbunden ist, unvermeidlich.

"Das Grundproblem des Euroraums besteht darin, dass die Austarierung der im vergangenen Jahrzehnt aufgetretenen Ungleichgewichte asymmetrisch erfolgt."

Aber man kann nicht ausschließen, dass es im Euroraum über die "Lowflation" hinaus sogar zu einer Interner Link: Deflation kommt. Auf keinen Fall sollte man sich damit beruhigen, dass die Inflationsprognosen eine solche Entwicklung derzeit nicht vorhersagen. Die Erfahrung der beiden letzten Jahre zeigt, dass diese Prognosen erhebliche Schwächen aufweisen. So hatte der Externer Link: Survey of Professional Forecasters im März 2013 für das Jahr 2014 noch mit einem Preisanstieg im Euroraum von 1,8 Prozent gerechnet.

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Das Grundproblem des Euroraums besteht darin, dass die Austarierung der im vergangenen Jahrzehnt aufgetretenen Ungleichgewichte asymmetrisch erfolgt. Nach den Vorstellungen der deutschen Wirtschaftspolitik liegt es allein bei den Problemländern, mittels Haushaltskonsolidierung und restriktiver Lohnpolitik wieder wettbewerbsfähiger zu werden und sich zugleich wieder das Vertrauen der Kapitalanleger zu verschaffen. Aktive deutsche Beiträge durch expansive Fiskalpolitik und kräftigere Lohnerhöhungen in Deutschland sind nicht vorgesehen. Diese Asymmetrie lässt sich an den aktuellen Inflationsraten gut erkennen. Zwar weisen Griechenland und Portugal eine leichte Deflation auf, und in Spanien liegt die Inflationsrate bei null Prozent. Aber in Deutschland, das die Konjunkturlokomotive des Euroraums bilden soll, bewegt sich der Preisanstieg mit 0,8 Prozent nicht über, sondern ebenfalls unter den Zielwert der Europäischen Zentralbank.

"In Anbetracht des nicht unerheblichen Deflationsrisikos ist die Europäische Zentralbank gut beraten, eine proaktive Geldpolitik zu verfolgen. Für die Geldpolitik ist die Deflation sehr viel problematischer als die Inflation."

Diese deflationären Tendenzen könnten jederzeit noch dadurch verstärkt werden, dass der Euro stärker gegenüber dem US-Dollar aufwertet. Dass eine solche Entwicklung nicht völlig unplausibel ist, belegen die Erfahrungen Japans, das in den beiden vergangenen Jahrzehnten trotz einer deflationären Preisentwicklung immer wieder mit erheblichen Dollar-Aufwertungen konfrontiert wurde.

In Anbetracht des nicht unerheblichen Deflationsrisikos ist die Europäische Zentralbank gut beraten, eine proaktive Geldpolitik zu verfolgen. Für die Geldpolitik ist die Deflation sehr viel problematischer als die Inflation. Eine Notenbank kann eine Inflation grundsätzlich sehr gut in den Griff bekommen, da für die Zinspolitik nach oben keine Grenzen gesetzt sind. Im Fall der Deflation enden ihre Handlungsmöglichkeiten jedoch an der Null-Zins-Grenze. Wenn die Deflation Fahrt aufnimmt, wird die Wirtschaft mit einem gefährlichen Teufelskreis konfrontiert: Je höher die Deflationsrate ist, desto höher ist auch der Realzins, das heißt der Nominalzins abzüglich Inflationsraten. Eine in einem Abwärtsstrudel befindliche Wirtschaft, die sinkende Realzinsen benötigen würde, wird dann mit steigenden Realzinsen konfrontiert.

"Es wäre also gefährlich, die aktuelle Inflationsentwicklung zu verharmlosen"

Nach einer Phase mit steigender privater und öffentlicher Verschuldung ist die Deflation besonders gefährlich. Relativ zu den Einkommen steigt die Verschuldung dann immer weiter an und macht es Schuldnern immer schwerer, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Dies gefährdet die Stabilität des Banken- und damit des gesamten Finanzsystems.

Es wäre also gefährlich, die aktuelle Inflationsentwicklung zu verharmlosen und darauf zu vertrauen, dass es ganz von selbst wieder zu einer Preisentwicklung kommt, die dem Zielwert der Europäischen Zentralbank entspricht. Wenn das Kind einmal in den Brunnen gefallen ist, ist es bekanntlich sehr schwierig, es unversehrt wieder herauszuholen.

Allerdings sollte man bei der Deflationsvermeidung nicht nur auf die Geldpolitik setzen. Diese verfügt schon jetzt kaum noch über nennenswerte Handlungsspielräume. Zielführender wäre es, wenn es zu einer symmetrischeren Fiskalpolitik im Euroraum kommen würde. Insbesondere Deutschland sollte sehr viel mehr die Möglichkeiten für zusätzliche Staatsausgaben in den Bereichen Infrastruktur, Umweltschutz, erneuerbare Energien und Bildung nutzen. In Anbetracht der extrem niedrigen Zinsen spräche nichts dagegen, diese Investitionen über öffentliche Kredite zu finanzieren.

Thomas Mayer (© picture-alliance)

Standpunkt Thomas Mayer:

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Prof. Dr. Peter Bofinger, Jahrgang 1954, ist Ökonom und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg. Seit März 2004 ist er Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ("Wirtschaftsweiser").