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Staatsdefizit: Strukturell oder konjunkturell?
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Am Beispiel Spaniens wird gezeigt, wie schwer sich etwa die Europäische Kommission damit tut, die Gründe für staatliche Haushaltsdefizite zu bestimmen: Sind sie großteils durch eine konjunkturelle Schwäche gerechtfertigt und somit sogar erwünscht? Oder sind sie ganz überwiegend strukturell bedingt und nur durch entschlossene Kürzung von Staatsausgaben bzw. Steuererhöhungen zu bekämpfen?
Die Abbildung zeigt den tatsächlichen und den von der EU-Kommission geschätzten strukturellen Finanzierungssaldo des spanischen Staates. Noch unmittelbar vor Ausbruch der weltweiten Finanzkrise in den Jahren 2006/2007 wies der spanische Staat nach den Schätzungen der EU-Kommission einen strukturellen Finanzierungsüberschuss auf. Im Jahr 2009 stieg das beobachtete (tatsächliche) Defizit auf über 10 Prozent des BIP an. Die EU-Kommission ging zunächst davon aus, dass der überwiegende Teil dieses Defizit strukturell bedingt war. Dieser Interpretation zu Folge war also nur ein sehr kleiner Teil des spanischen Defizits durch den Konjunktureinbruch der Weltwirtschaftskrise zu rechtfertigen, weswegen sich die EU-Kommission gegen keynesianisch inspirierte Ausgabenprogramme und für neoklassisch inspirierte Austeritätspolitik aussprach.
2016 revidierte die EU-Kommission jedoch ihre Einschätzung zur relativen Größe von konjunkturellem und strukturellem Defizit. Im Nachhinein kam die EU-Kommission zu dem Schluss, dass das strukturelle Defizit in Spanien kleiner war als zunächst gedacht. Mit anderen Worten: Die Konjunkturschwäche, und damit das konjunkturell zulässige Defizit, waren nach den aktualisierten Schätzungen unterschätzt worden. Im Lichte dieser Unsicherheit von statistischen Analysen wird immer wieder kontrovers darüber diskutiert, ob das Ausmaß der von der EU-Kommission geforderten Austeritätspolitik in Spanien und anderen Krisenländern angemessen war bzw. ist.
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Till van Treeck ist Professor für Sozialökonomie an der Universität Duisburg-Essen. Er studierte Politik- und Wirtschaftswissenschaften in Lille, Münster und Leeds. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Einkommensverteilung aus gesamtwirtschaftlicher Sicht, Wirtschaftspolitik und (sozio-)ökonomische Bildung.