Seit Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine steht die Europäische Union unter großem Druck, politisch zu reagieren. Sie hat deshalb umfassende Sanktionen gegen das russische Finanzsystem und die Zentralbank der Russischen Föderation erlassen. Ziel der Sanktionen ist es, die russisch-europäischen Handelsströme in den Bereichen Energie, Technologie, Infrastruktur, Luxusgüter und Dienstleistungen sowie bei Tochtergesellschaften russischer Unternehmen auf dem Gebiet der EU einzudämmen. Der Inflationsdruck in der Eurozone erforderte zudem eine Reihe geldpolitischer Maßnahmen der Europäischen Zentralbank – insbesondere die Erhöhung der Zinssätze.
Europa wird gebraucht Die Folgen des Krieges in der Ukraine für die russische, ukrainische und EU-Wirtschaft
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Der russische Krieg gegen die Ukraine beeinträchtigt und gefährdet kurzfristig die Wirtschaft der EU. Allerdings könnte die Unterstützung des Landes mittel- und langfristig eine hohe Dividende bringen, meint der Berliner Osteuropaexperte Theocharis N. Grigoriadis.
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Die kriegsbedingten
Die Kosten des russischen Angriffskrieges wirken sich somit direkt auf die europäische Wirtschaft aus. Während diese ihre Abhängigkeit von Russland beim Rohöl inzwischen weitgehend überwunden hat, ist sie beim Erdgas zum Teil noch auf Importe aus Russland angewiesen. Das russische Erdgas wird über die beiden Pipelines Turkstream und Transgas nach Süd- und Osteuropa geliefert. Hinzu kommen Lieferungen von russischem Flüssigerdgas (LNG), vor allem nach Spanien und Frankreich, in die Niederlande und nach Belgien.
Diese Diskrepanz spiegelt sich auch im Volumen der EU-Importe aus Russland wider. Dieses war unmittelbar nach dem Krieg und trotz des ersten Sanktionspakets höher als vor dem Konflikt. Laut den Politico-Autoren Arnaud Busquets Guardia und Charlie Cooper war das Volumen der EU-Importe trotz der Sanktionen nur im November 2022 geringer als im entsprechenden Monat des Jahres 2021.
Zahlen und Fakten: Europa - Energie
Die Transformation der russischen Wirtschaft
Dass Russland auf den Krieg gegen die Ukraine in ökonomischer Hinsicht vorbereitet war, zeigte sich bereits in den ersten Wochen nach dem Überfall im Februar 2022. Damals gelang es den ersten Sanktionspaketen des Westens nicht, die Liquiditätsquellen der russischen Zentralbank (CBR) für inländische Unternehmen und Haushalte einzuschränken. Trotz der Liquidation ihrer Auslandsvermögenswerte war es der CBR noch möglich, die Inlandsnachfrage anzukurbeln und moderate Kreditlinien im russischen Bankensystem aufrechtzuerhalten.
Mit fortschreitendem Krieg erließ die EU weitere
Die Bereitstellung von Yuan-basierter Liquidität für russische Unternehmen bleibt derzeit wohl die wichtigste Quelle kurzfristiger Finanzstabilität im Inland. Die Abhängigkeit von der chinesischen Währung und die anhaltende Stagnation der russischen Wirtschaft bieten jedoch kaum optimistische Aussichten: weder für die Rückkehr Russlands auf die internationalen Kapitalmärkte noch für einen Anstieg ausländischer Direktinvestitionen.
Die aus Europa stammenden Einnahmen aus Erdgas und in geringerem Maße aus Öl waren lange die Hauptquellen des russischen Staatshaushalts. Die ökonomischen Probleme und die teilweise Isolation Russlands dürfte viele produktivere Unternehmen des Landes zur Abwanderung zwingen, während gering qualifizierte Arbeitskräfte und Unternehmen mit niedriger Produktivität bleiben. Die schwachen Wachstumsaussichten untergraben nicht nur kurzfristig Russlands Position in der Weltwirtschaft. Der massive Einbruch des wirtschaftlichen Potenzials des Landes zeitigt Folgen, die noch jahrzehntelang sichtbar sein werden.
Langfristige Sicherheit Grundvoraussetzung für Entwicklung der Ukraine
Der in den USA lehrende ukrainische Ökonom Yuriy Gorodnichenko unterstreicht die Bedeutung der Aufrüstung der Ukraine als eine optimale kurzfristige Strategie des Westens.
Dass Gorodnichenkos Szenario eintreffen wird, ist durchaus wahrscheinlich: Vorerst geht es den Regierungen der großen Volkswirtschaften in EU und Eurozone aber auch um ihr kurzfristiges politisches Überleben. Und dieses ist von der Inflation und den Kosten, die mit der Wirtschafts- und Militärhilfe der Ukraine verbunden sind, zumindest beeinträchtigt. Die Unterscheidung zwischen kurz- und langfristigen Kosten in der Public-Policy-Gestaltung ist von großer Bedeutung, wenn es um Kompromisse zwischen den Karriereanreizen von Politikerinnen und Politikern und der Gesamtleistung der europäischen Wirtschaft geht. Man könnte aber auch argumentieren, dass der erhoffte Sieg der Ukraine im Kampf gegen Russland eine große Friedensdividende für den Westen brächte und es einem irgendwann demokratischen Russland ermöglichen würde, als vollständig integriertes Mitglied in die Weltwirtschaft zurückzukehren; auch dann, wenn ein solcher Prozess der Umstrukturierung und Demokratisierung Russlands dauert – Expertinnen und Experten rechnen hier mit mindestens zwei Jahrzehnten. Gleichzeitig dürfte die ukrainische Wirtschaft vor allem mit Hilfe der EU wiederaufgebaut werden, unterstützt von Sicherheitsgarantien der USA.
Unabdingbar für den wirtschaftlichen Neuanfang ist ein glaubwürdiger Horizont für die Nato-Integration des Landes. Jegliche europäische Investition in die Infrastruktur der Ukraine könnte schließlich für Unternehmen sinnlos sein, wenn die territoriale Integrität des Landes als solche nicht durch die Nato militärisch flankiert wird. Die aktuellen Kriegserfahrungen legen gleichzeitig nahe, dass eine solche Unterstützung allein für die langfristige ökonomische Entwicklung der Ukraine nicht ausreicht. Fiskale Dezentralisierung, bürokratische Meritokratie und die Umwandlung von oligarchischen Strukturen in politische Parteien, deren Finanzierung und politische Wettbewerbstaktiken transparent sein müssen, sind für das Land weitere notwendige Schritte. Diese institutionelle Entwicklung wird zum effektiven Wirtschaftswachstum der Ukraine beitragen. Die internationale Absicherung und die innere Sicherheit des Landes sind letztlich die gemeinsame Basis der Zukunft des Landes.
Der Aufstieg eines neuen Osteuropas und die Wirtschaftsstrategie der EU
Die kontinuierliche Verschärfung der EU-Sanktionen hat die russischen Militäraktivitäten auf dem Territorium der Ukraine nicht zum Erliegen gebracht. Deshalb hält die Diskussion über ein umfassendes Embargo gegen russisches Erdgas in Europa an. Wie Ilzetzki, Zhu und Feliciano dargelegt haben, würde ein vollständiges deutsches Verbot von russischem Erdgas das deutsche Wirtschaftswachstum lediglich um ein bis drei Prozentpunkte dämpfen.
Der Krieg in der Ukraine birgt für die EU ein weiteres Problem: Er konterkariert die Bemühungen Europas, per
Positives Narrativ für europäische Integration entwickeln
Um die direkten wirtschaftlichen Folgen des russischen Krieges für die europäische Wirtschaft zu überwinden ist es auch wichtig, ein positives Narrativ zu entwickeln, das die Bemühungen Russlands überwindet, die Dynamik der europäischen Integration zunichtezumachen. Neben der Ukraine sind auch Moldawien, Georgien und Armenien aufgrund der antieuropäischen und antiukrainischen Wende in der russischen Außenpolitik mit einem instabilen regionalen Sicherheitsumfeld konfrontiert. Die Assoziierungsabkommen der EU mit diesen drei Volkswirtschaften im Rahmen der Östlichen Partnerschaft können dort Anreize für wirtschaftliche Modernisierung und politische Reformen bieten und auf diese Weise proeuropäische Wählerschaften gegenüber etablierten oligarchischen Eliten konsolidieren. Dies ist im Fall Georgiens deutlicher, im Fall Moldawiens und Armeniens weniger offensichtlich.
Moskaus Rückkehr zur Realpolitik kann nur durch massive weitere Zuflüsse wirtschaftlicher und militärischer Hilfe in diese osteuropäischen Länder ausgeglichen werden. Solche Unterstützungsmaßnahmen würden die EU zu einem zentralen Akteur bei der Lösung von Konflikten in Osteuropa und im Südkaukasus machen - und gleichzeitig ein tragfähiges europäisches Marktmodell für die langfristige wirtschaftliche Entwicklung des postsowjetischen Raums bieten.
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Theocharis N. Grigoriadis ist Professor für Wirtschaftswissenschaften und Osteuropastudien an der Freien Universität Berlin.
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