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Sparen unvermeidbar | Europäische Wirtschaftspolitik | bpb.de

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Sparen unvermeidbar

Thomas Urban

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Die rigide Kürzung der öffentlichen Ausgaben in Portugal war unumgänglich, weil dem Staat sonst schlicht die Mittel ausgegangen wären, meint Thomas Urban, Korrespondent der Süddeutschen Zeitung. Mittelfristig, sagt er, helfen die schmerzhaften Notfallmaßnahmen dem Land aber.

Thomas Urban (© Studio Q-WAW)

Ein Gespenst geht um in Südeuropa: das Spardiktat, auch "Austerität" genannt. Die Südländer in der Eurozone seien "kaputtgespart" worden, vor allem auf Druck der Bundesregierung in Berlin, die sie für ihre Verschwendung bestrafen wolle, so lautet die Kritik. In der Tat sind in Portugal mit dem Beginn der Sparprogramme Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung sprunghaft angestiegen: 2012 waren 18 Prozent arbeitslos, in der jungen Generation bis 25 Jahren sogar 43 Prozent. Bettler kehrten in die Straßen der großen Städte zurück. Gleichzeitig erhöhte sich die öffentliche Schuld auf 130 Prozent des Interner Link: Bruttoinlandprodukts (BIP), einer der schlechtesten Werte in Europa.

2011 hatte die damalige sozialistische Regierung unter dem europäischen Rettungsschirm "Zuflucht gesucht", wie es die Medien seinerzeit nannten. Um die Zahlungsunfähigkeit des Staates zu vermeiden, erhielt Portugal vom Interner Link: Internationalen Währungsfonds, der Interner Link: Europäischen Zentralbank und der Europäischen Union Garantien über Kredite in Höhe von 78 Milliarden Euro. Als Gegenleistung sicherte Lissabon ein rigides Spar- und Umstrukturierungsprogramm zu. Die Troika aus Vertretern der Kreditgeber hatte seine Umsetzung zu kontrollieren. Portugal gab somit einen Teil seiner staatlichen Souveränität für die Laufzeit des Programms auf. Beendet wurde es im Mai 2014, vom Wohlstandsniveau der Vorkrisenjahre ist das Land allerdings noch weit entfernt.

"Das Heer der öffentlich Bediensteten wuchs auf 900.000 an, im Verhältnis sind das doppelt so viele Staatsdiener wie in der Bundesrepublik."

Doch war die Kürzung der öffentlichen Ausgaben unvermeidbar, weil dem Staat schlicht die Mittel auszugehen drohten. Es war eine Notfallmaßnahme. Der Wirtschaftsboom bis 2007 war kreditgestützt und befeuerte ein Leben auf Pump. Den Kreditboom haben die geringen Zinssätze angefacht, sie führten zu einer hohen Verschuldung der öffentlichen wie der privaten Haushalte. Die portugiesische Wirtschaft konnte in den Boomzeiten die Löhne deutlich anheben. Da aber die Interner Link: Produktivität nicht im gleichen Tempo zunahm, stiegen auch die Lohnstückkosten. Auch die Interner Link: Leistungsbilanz zwischen Importen und Exporten geriet so immer weiter aus dem Lot.

Portugal: ökonomische Schlüsseldaten

Traditionell leistete sich Portugal zudem einen großen öffentlichen Dienst. In den Boomjahren bauten ihn alle Regierungen weiter aus, erst die Konservativen unter dem späteren EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso, dann die Sozialisten. Das Heer der öffentlich Bediensteten wuchs auf 900.000 an, im Verhältnis sind das doppelt so viele Staatsdiener wie in der Bundesrepublik. Ihre Gehälter und Pensionen machten vor Beginn des Troika-Programms rund 14 Prozent des BIP aus, ein im europäischen Vergleich hoher Wert. Dadurch aber wuchsen die Belastungen für die freie Wirtschaft, deren Rückgrat in Portugal Kleinbetriebe ausmachen.

Dem Staatssektor müssen auch die großen Infrastrukturprojekte der Boomjahre zugerechnet werden, die offiziell privat finanziert wurden - etwa die Stadien für die Fußball-EM 2004, Flughäfen und Autobahnen. Die Kreditgeber waren meist öffentliche Sparkassen, die in der Krise bankrott gingen, so dass der Interner Link: Fiskus einspringen musste. Überdies waren derartige Konstruktionen der ideale Nährboden für Korruption. Die Gier von Politikern und Bankchefs ließ sie jegliche Warnungen vor einer Überhitzung der Baukonjunktur sowie vor zu großer Verschuldung in den Wind schlagen.

"Die Troika für Arbeitslosigkeit und Armut nach dem Einbruch der portugiesischen Wirtschaft verantwortlich zu machen, stellt die Dinge auf den Kopf."

Einen Einbruch der Wirtschaft versuchte die sozialistische Regierung unter José Sócrates 2008 bis 2010 mit einem klassischen Konjunkturprogramm zu verhindern. Neue Kredite wurden für neue öffentliche Projekte aufgenommen. Das Haushaltsdefizit überschritt zehn Prozent – doch die Maßnahmen verpufften wirkungslos. Stattdessen explodierten die Risikoaufschläge für portugiesische Staatsanleihen und überschritten im Sommer 2011 die Zehn-Prozent-Marke – als äußerste Schmerzgrenze für einen Staat mit geordneten Finanzen gelten sieben Prozent.

Dies war der Zeitpunkt, in dem die Troika – EU-Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds - einsprang, einspringen musste, um einen Staatsbankrott abzuwenden. Vor allem war Eile geboten, da die öffentlichen Kassen leer waren. Die Troika für Arbeitslosigkeit und Armut nach dem Einbruch der portugiesischen Wirtschaft verantwortlich zu machen, stellt die Dinge auf den Kopf. Vielmehr hat sie die sozialen Verwerfungen abgefedert.

"Seit dem Ende des Stützungsprogramms wächst die Wirtschaft, die Handelsbilanz ist positiv, die Arbeitslosigkeit geht spürbar zurück."

Woher das Geld hätte kommen sollen, wäre die Troika nicht eingesprungen, darauf haben die Kritiker der Austerität keine Antwort. Der Staat hat zur Sanierung seiner Finanzen keine anderen Möglichkeiten, als öffentliche Projekte zu streichen, soziale Leistungen zu kürzen, das eigene Personal geringer zu entlohnen oder gar zu entlassen. Derartige Einsparungen sollen mittelfristig zu einer Steuerentlastung der Wirtschaft, zu einer Belebung der Konjunktur und somit zu Neueinstellungen führen. Hinzu kommen Privatisierungen und ein verbessertes System des Steuereinzugs als Mittel, die Einnahmen des Staates zu steigern.

Genau nach diesem Rezept haben die meisten der ehemaligen Ostblockstaaten den Übergang von der defizitären Plan- zur modernen Marktwirtschaft geschafft - und auch die Erholung osteuropäischer Staaten nach dem Absturz infolge der Finanzkrise von 2008 folgte diesem Muster. Die Eckdaten der letzten Jahre sprechen dafür, dass auch das Sparprogramm der Mitte-Rechts-Regierung in Lissabon unter Pedro Passos Coelho so funktioniert hat: Seit dem Ende des Stützungsprogramms wächst die Wirtschaft, die Handelsbilanz ist positiv, die Arbeitslosigkeit geht spürbar zurück.

Die geringe Teilnehmerzahl bei allen Protestdemonstrationen seit 2013 zeigt, dass die schweigende Mehrheit der Gesellschaft die Notwendigkeit des Sparprogramms durchaus einsieht. Auch die oppositionellen Sozialisten hätten bei einem Regierungswechsel an dessen Grundlinien festgehalten. Somit haben die Finanzierungsprobleme Lissabon gezwungen, lange überfällige Reformen im Eiltempo durchzuführen. Das Land geht mittelfristig gestärkt daraus hervor.

António Perez Metelo (© Global Imagens/Paulo Spranger)

Standpunkt António Perez Metelo:

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Thomas Urban, Jahrgang 1954, hat als Osteuropa-Korrespondent der "Süddeutschen Zeitung" von 1988 bis 2012 die Wirtschaftsreformen in Polen und in den ehemaligen Sowjetrepubliken analysiert. Im Krisenjahr 2012 übernahm er das Büro in Madrid mit der Zuständigkeit auch für Portugal.