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Crash-Kurs mit jeder Menge Kollateralschäden | Europäische Wirtschaftspolitik | bpb.de

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Crash-Kurs mit jeder Menge Kollateralschäden

Thomas Fricke

/ 4 Minuten zu lesen

Zwar gelten die Krisenstaaten Irland, Portugal und Spanien als Vorbilder – doch der Zusammenhang zwischen harten Einschnitten und Wirtschaftswachstum ist bei genauerem Hinsehen nicht nachzuweisen.

Thomas Fricke (© Privat)

Als zwischen 2010 und 2012 die Krise in Europa eskalierte, verging kaum eine Woche, in der nicht aus Irland, Spanien oder Portugal immer neue Sparpakete und Reformvorhaben gemeldet wurden. Jetzt, ein paar Jahre später, melden diese Länder plötzlich, dass ihre Wirtschaft wieder wächst und die Zahl der Arbeitslosen sinkt. Was läge näher, das als Beleg dafür zu feiern, dass es sich auszahlt, möglichst hart und streng zu sparen und zu reformieren? Und auszurufen, dass die immer noch kriselnden Griechen nur endlich ähnlich konsequent sein müssten?

Ist die Sache so klar? Nur auf den ersten Blick. Erstens ist nicht jede Aufeinanderfolge von Phänomenen schon ein Beleg dafür, dass das eine das andere erklärt. Zweitens erscheint bei genauerem Hinsehen zweifelhaft, ob etwa Spanier und Iren überhaupt als Prototypen für ganz besonders rabiates Kürzen und Reformieren taugen.

Natürlich hat etwa die Regierung im vermeintlichen Musterland Spanien 2011 und 2012 eine Menge an Sparmaßnahmen beschlossen. Bis 2013 sank das strukturelle Staatsdefizit (vor Zinsdienst) in einer Größenordnung, die rund acht Prozent der Wirtschaftsleistung entspricht. Ähnliches gilt für Portugal und Irland. Nur: Wenn es allein danach ginge – dem schieren Volumen an Einsparungen – müssten auch die Griechen heute wirtschaftlich besser dastehen, jedenfalls nicht schlechter. Denn in Griechenland verbesserte sich der Struktursaldo im Staatshaushalt in der gleichen Zeit um enorme 18 Prozentpunkte.

Griechen belegen Spitzenplatz beim Reformieren

Trotz aller zwischenzeitlichen Kürzungen geben die Spanierinnen und Spanier heute noch sieben Prozent mehr für ihre Beamten aus als vor der Krise 2007 - in Griechenland liegt die Summe der öffentlichen Gehälter heute um 17 Prozent niedriger. In Spanien werden heute alles in allem immerhin noch vier Prozent mehr Sozialtransfers gezahlt als 2007 – in Griechenland fast 28 Prozent weniger.

Arbeitslosenquote und BIP Wachstum von Euro-Krisenstaaten (bpb) Lizenz: cc by-nc-sa/4.0/deed.de

Was für die Ausmaße der Kürzungen gilt, zeigt sich auch bei den tieferen strukturellen Reformen wie etwa den Änderungen am Kündigungsschutz. Nach Auswertungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stehen die Griechen an der Spitze, was den Umfang von Reformen in den vergangenen Jahren angeht – weit vor Portugiesen, Spaniern und Iren. Kein anderes Industrieland hat so viel strukturell zu verbessern versucht. Auch das kann es nicht sein.

Es hat bei näherer Betrachtung etwas Groteskes, gerade Spanien als Land zu loben, das besonders vorbildlich dabei war, die Ziele zum Schuldenabbau zu erfüllen. Kaum ein anderer EU-Staat hat seit 2009 so oft das Zieljahr verschoben (und verschieben dürfen), in dem sein Staatsdefizit unter die von Brüssel erlaubten drei Prozent der Wirtschaftsleistung sinken soll. Als die Krise losging, wurde vereinbart, dass das bis 2012 passieren soll. Ein paar Monate später musste das Datum auf 2013 geändert werden. Als das wieder nicht zu erreichen schien, gestand die EU-Kommission Spaniens Regierung zu, dann halt erst 2014 unter drei Prozent zu liegen – was wieder nicht hinhaute. Vergangenes Jahr lag Spaniens Staatsdefizit immer noch bei fast sechs Prozent. Jetzt soll es 2016 unter drei Prozent fallen. Ein Vorbild für akribische Zielerfüllung sieht anders aus.

Spanien erholte sich erst, als die Sparpolitik endete

Wenn sich Spaniens Wirtschaft just seit 2014 erholt, kann das nicht daran liegen, dass Defizitziele besonders gut erreicht wurden. Es spricht sogar einiges dafür, dass die Wirtschaft sich erst dann zu erholen begonnen hat, als die Regierung in Madrid 2013 aufhörte, so hart zu kürzen und Steuern anzuheben. Seitdem ist das strukturelle Staatsdefizit kaum noch gesunken. Im Jahr 2015 gab es stattdessen Steuersenkungen, was das Defizit im Etat künftig sogar wieder größer werden lässt – dafür aber hilft, die Konjunktur anzuschieben. Auch die Rentenzahlungen sind gestiegen – wobei man nicht vergessen darf, dass Ende 2015 in Spanien gewählt wird.

Ein Wunder? Reformen mögen dafür sorgen, dass Arbeitsmärkte flexibler werden oder Unternehmen entlastet werden. Nur hilft der größte Abbau von Regeln wenig, wenn die Betriebe vor lauter Depression an Einstellungen gar nicht denken können. So etwas zahlt sich, wenn überhaupt, erst aus, wenn wieder mehr Geld ausgegeben wird. Und: Dafür müssen Regierungen irgendwann auch einmal aufhören, zu kürzen und Steuern anzuheben. Jede Steueranhebung oder Ausgabenkürzung zugunsten der Staatskassen bedeutet immerhin, dass auf der anderen Seite jemandem im Land Geld weggenommen oder wegbesteuert wird.

Fraglich, ob jede Kürzung und Steuererhöhung nötig war

All das heißt nicht, dass die Reformen per se schlecht waren. Klar, hilft es einer Wirtschaft auch, wenn dank Kürzungen Kosten wegfallen. Spaniens Exporteure haben an Marktanteilen gewonnen. Allerdings hat das der Wirtschaft nur bedingt geholfen. So richtig an Schwung gewann die Konjunktur erst, als der regierungsamtliche Austeritätskurs gestoppt wurde und dank steigender Nettoeinkommen wieder mehr Geld im Inland zur Verfügung stand – und ausgegeben wurde. In der Zwischenzeit hat der Crash-Kurs eine Menge Kollateralschäden mit sich gebracht. Die öffentlichen Investitionen sind eingebrochen, die Wirtschaftsleistung ist weit hinter das Niveau der Vorkrisenzeit gefallen. Die Frage ist also, ob jede Kürzung und Steuererhöhung nötig war.

Die Spanierinnen und Spanier sind jedenfalls - ebenso wenig die Iren - Vorbilder für besonders harte und konsequente Sanierung. Wenn das Land einmal ernsthaft als Modell gelten soll, dann eher als Prototyp dafür, wie wichtig es ist, beim Sanieren den Kopf nicht zu verlieren, Defizitziele gerade nicht stoisch einzuhalten - und stattdessen den richtigen Mix und Ablauf hinzubekommen zwischen nötigen Einschnitten und Hilfen, die den Aufschwung in Gang bringen.

(© picture-alliance)

Standpunkt Holger Schmieding:

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Thomas Fricke, Jahrgang 1965, ist Kolumnist der Süddeutschen Zeitung und Chefökonom der European Climate Foundation. Außerdem leitet er das Internetportal WirtschaftsWunder (Externer Link: www.neuewirtschaftswunder.de). Bis 2012 war er Chefökonom der Financial Times Deutschland. 2013 erschien sein Buch „Wie viel Bank braucht der Mensch?“