Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Staatsverschuldung und private Vermögen | Europäische Wirtschaftspolitik | bpb.de

Europäische Wirtschaftspolitik Globale Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine Die ukrainische Wirtschaft und ihre Zerstörung Debatte: Wie die Ukraine wiederaufbauen? Die Ukraine als neoliberales Musterland? Ein moderner, nachhaltiger und inklusiver Wiederaufbau Angriff auf Europas Werte Ökonomische Perspektiven des EU-Beitritts der Ukraine Europa wird gebraucht Russland: Was können die EU-Sanktionen bewirken? Russland auf dem Weg in die Kriegswirtschaft Reaktion der BRICS auf den Ukraine-Krieg Wie der Krieg den globalen Süden trifft Die Neuvermessung der Weltwirtschaft Herausforderungen der Europäischen Wirtschaft Wie Europa von russischer Energie abhängig wurde Wie sieht die künftige Energieversorgung Europas aus? Was bedeutet der Green Deal für Europa? Macht der Green Deal Europa nachhaltiger und wettbewerbsfähiger? Nicht nur Chancen, sondern auch Risiken Jetzt erst recht Deutschlands und Europas Abhängigkeit von China Neue Gesetze für Europas "Digitale Dekade" Brexit: Für Großbritannien härter als für die EU Ist der Brexit Fluch oder Segen für Europa? Der ausgleichende Faktor wird fehlen Ein hoffentlich heilsamer Warnschuss Debatten zur Währungsunion Warum steigen Preise – und was kann man dagegen tun? Kann die EZB die Inflation eindämmen? Im Prinzip ja – aber es wird ihr nicht gelingen 2024 wird sich die Geldentwertung normalisieren Führt die Modern Monetary Theory in die Überschuldung? Das Ende der großen MMT-Illusion Staatsschulden sollten Staatsausgaben nicht begrenzen Braucht die Europäische Zentralbank ein neues Mandat? 20 Jahre Euro – eine Erfolgsgeschichte? Erfolgreicher Euro, aber eine Geldpolitik mit Schwächen Die EZB ist endgültig zum politischen Akteur geworden Versprechen erfüllt, aber mit Konstruktionsfehlern Eine durchwachsene Bilanz Ein gemeinsames Finanzministerium für die Eurozone? Es ist nicht die Zeit für einen Magier Das Ende des europäischen Dilemmas Soll der Euro auf alle Länder der EU ausgeweitet werden? Der Euro schafft größeren Wohlstand Ohne klare Richtung keine neuen Mitglieder Wann kommt die Zinswende in Europa? Es gibt kein Menschenrecht auf Zinsen Ein Lamento, das in die Irre führt Ist die Bankenunion ein Erfolg? Eine gute Idee – eigentlich Nur bedingt einsatzbereit Sparen oder Investieren? Ginge es Europa ohne den Euro besser? Es ist nicht der Euro, es ist der Binnenmarkt Eine Währungsunion ist einem System flexibler Wechselkurse überlegen Sollten unterschiedlich starke Volkswirtschaften eine Währungsgemeinschaft bilden? Ökonomische Zwänge und politische Illusionen der Währungsunion Auch die D-Mark galt von Bayern bis Mecklenburg-Vorpommern Ist das Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank sinnvoll? Die Konstruktion der Währungsunion fördert Panikattacken Die EZB handelt gegen die Interessen der Bürger Kann eine Vermögensabgabe helfen, die Überschuldung von Staaten zu lindern? Nur eine Staatsinsolvenz ist moralisch vertretbar Die Politik muss es nur wollen Droht der Eurozone die Gefahr einer Deflation? Schon "Lowflation" ist problematisch Eine negative Inflationsrate ist noch lange keine Deflation Ist die Euro-Krise schon vorbei? Noch ist kein Normalzustand erreicht Falsche Medizin, falsche Symptome Corona-Krise in Europas Wirtschaft Haben die Corona-Soforthilfen gewirkt? Die Corona-Hilfen waren situationsgerecht Unterstützung mit geringer Wirkung Europas neue Wege aus der Krise Europäische Solidarität aus der Not heraus Stürzt Corona Europa in eine neue "Große Depression"? Bedeutet Corona das Ende der Globalisierung? Weiterhin kein Exit der EZB Videos: 4x4 Fragen zur Corona-Krise Wie hat sich die EU in der Corona-Krise bis jetzt geschlagen? Wie wird sich die Pandemie auf Europas Wirtschaft auswirken? Sollte man die Krise nutzen, um die EU klimagerechter umzubauen? Gefährden die Rettungsmaßnahmen die Geldwertstabilität? Zur Lage der Krisenländer in der Eurozone (2014-2017) Kann sich Frankreich von der Krise erholen? Yes, he can Frankreichs europäische Aufgabe Vor der Generalüberholung Frankreich als Zivilisationsthermometer Wird Italien wieder auf die Beine kommen? Der Fall Italien(s) Volk der letzten Minute Je südlicher, desto schlimmer Solider als viele denken Gingen die Reformen in Griechenland zu weit? Ohne Strukturreformen ist alles nichts Der Aderlass hat Griechenland geschadet Was hat Portugal der Sparkurs gebracht? Die Leiden des lusitanischen Musterschülers Sparen unvermeidbar Zeigen Spanien, Irland und Portugal, dass die angebotsorientierte Politik sich auszahlt? Es schmerzt, aber die Reformen wirken Crash-Kurs mit jeder Menge Kollateralschäden Ist Spanien über den Berg? Von Gesundung kann keine Rede sein Rückkehr zum Normalzustand Hat die Sparpolitik Irland aus der Krise geholfen? Via Dolorosa ohne Alternative Die Generation der stillen Verzweiflung Hat die Politik der Troika Griechenland genutzt? Die Schrumpfpolitik ist gescheitert Griechenland hat alle Möglichkeiten Zur Rolle Deutschlands in der Schuldenkrise (2014) Ist Deutschland ein Modell für Europa? Die Mär vom gesunden Staat Marktkonform und doch sozial gerecht Hat Deutschlands Bilanzüberschuss die Krise beschleunigt? Die Eurokrise ist eine Zahlungsbilanzkrise Europa braucht Deutschland, Deutschland braucht Europa Bedrohen unterschiedliche Lohnkosten die Stabilität der Eurozone? Löhne und Produktivität müssen sich gleich entwickeln Konsum und Löhne in Deutschland müssen anziehen Videos: 6x6 Fragen zur Euro-Krise (2015) Hat die Eurozone in ihrer derzeitigen Form eine Zukunft? Sparen oder Investieren - wie sollte die Schuldenkrise überwunden werden? Wie kann Deutschland dazu beitragen, die Euro-Krise zu beenden? Handelt die EZB ohne demokratische Legitimation? In welchen Ländern lauern neue Gefahren für den Euro? Wie kann die Eurozone künftig Krisen besser vermeiden? Didaktische Materialien Einleitung: Ziele und Aufbau der didaktischen Materialien Ökonomische Theorien und gesamtwirtschaftliche Krisen Neoklassik und Keynesianismus Neoklassische Interpretation Keynesianische Interpretation Makroökonomische Grundlagen Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Sparen und Investieren I: Geschlossene Volkswirtschaft Sparen und Investieren II: Offene Volkswirtschaft Staatliche Haushaltsdefizite Staatsverschuldung und private Vermögen Außenbeitrag und Leistungsbilanzsaldo Löhne als Kostenfaktor und als Nachfragequelle Die Inflationssteuerung durch die Geldpolitik Geld- und Fiskalpolitik in einer Währungsunion Didaktische Anwendungen Nominales und reales BIP BIP Sparen und Investieren Ersparnis, Investitionen und Finanzierungssalden Staatsdefizit Staatsverschuldung Beispiel Spanien Löhne und Lohnstückkosten Geldpolitik und Inflation Arbeitsblätter Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR) Sparen oder Investieren? Angebotsorientierte Politik Griechenland Spanien Italien Frankreich Deutschland Lohnkosten Deflation Anleihekaufprogramm Vermögensabgabe Interaktive Grafiken zur Europäischen Wirtschaftspolitik Infografiken zur Europäischen Schuldenkrise Glossar Redaktion

Staatsverschuldung und private Vermögen

Till van Treeck

/ 4 Minuten zu lesen

Der Text legt dar, wie Staatsverschuldung in den gesamtwirtschaftlichen Kreislauf einzuordnen ist, wie sie in verschiedenen Denkschulen interpretiert wird und welche Rolle sie innerhalb des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP) spielt.

Staatsschulden haben ein Janusgesicht: Einerseits stehen sie in Konkurrenz zu privaten Schuldnern, die Kredite nachfragen. Andererseits entspricht ihnen privates Vermögen in gleicher Höhe, das zum Realvermögen der Weltwirtschaft hinzutritt. (© picture alliance/APA/picturedesk.com)

Interner Link: Staatliche Haushaltsdefizite sind wie die Finanzierungssalden der privaten Sektoren und des Auslands sogenannte Stromgrößen. Stromgrößen werden über einen bestimmten Zeitraum (z.B. ein Jahr oder ein Vierteljahr) betrachtet und entsprechend im Nachhinein vom Statistischen Bundesamt oder von der Europäischen Statistikbehörde Eurostat veröffentlicht. Im Gegensatz dazu sind die Staatsverschuldung und die privaten Vermögen sogenannte Bestandsgrößen. Diese werden zu einem bestimmten Zeitpunkt (typischerweise am 31. Dezember oder am 1. Januar eines Jahres oder am Ende oder Anfang eines Vierteljahres) betrachtet und in den entsprechenden Statistiken veröffentlicht. Die Staatsverschuldung ergibt sich aus der Summe aller Haushaltsdefizite bzw. -überschüsse der Vergangenheit. Um zu bestimmen, ob eine bestimmte Staatsverschuldung hoch oder niedrig ist, muss in jedem Fall die Wirtschaftsleistung eines Landes betrachtet werden:

Staatliche Schuldenstandquote = Staatsverschuldung / BIP.

Mathematisch und mit Hilfe von Interner Link: einfachen Simulationen lässt sich zeigen, dass die staatliche Schuldenstandquote langfristig der folgenden Arithmetik folgt:

Staatliche Schuldenstandquote = Jährliches staatliches Haushaltsdefizit / jährliches BIP-Wachstum.

Umstritten ist allerdings, wie eine Senkung der staatlichen Schuldenstandquote erreicht werden kann: durch ein geringeres Defizit im Zähler des Bruchs oder durch ein höheres BIP-Wachstum im Nenner des Bruchs (siehe nächster Abschnitt).
Ebenfalls wichtig für das Verständnis der Debatte zur Staatsverschuldung ist der Zusammenhang zwischen staatlicher Verschuldung und privaten Vermögen. So wie sich auf Ebene der gesamtwirtschaftlichen Stromgrößen die Interner Link: Finanzierungssalden der wirtschaftlichen Sektoren zu Null addieren müssen, gilt hinsichtlich der Bestandsgrößen, dass die Summe aller Nettogeldvermögen aller wirtschaftlichen Sektoren weltweit Null ergeben muss:

Nettogeldvermögen der privaten Haushalte + Nettogeldvermögen der privaten Unternehmen + Nettogeldvermögen des Staates = Inländisches Nettogeldvermögen ggü. dem Ausland.

Mit anderen Worten: Die finanziellen Vermögen der einen sind immer die Schulden der anderen.

In Deutschland weist der Staat zwar ein negatives Nettogeldvermögen (= Staatsverschuldung) auf, und auch die privaten Unternehmen sind hoch verschuldet. Weil aber die positiven Nettogeldvermögen der privaten Haushalte deutlich höher sind als die negativen Nettogeldvermögen der privaten Unternehmen und des Staates, verfügen die inländischen Sektoren insgesamt über hohe Nettoforderungen gegenüber dem Ausland.

Staatsverschuldung in verschiedenen Denkschulen

Eher neoklassisch orientierte Ökonominnen und Ökonomen plädieren im Fall einer als zu hoch erachteten Staatsverschuldung typischerweise dafür, durch geringere Staatsausgaben das Haushaltsdefizit zu senken, weil sie davon ausgehen, dass dadurch das BIP-Wachstum zumindest langfristig nicht beeinträchtig wird. Vielmehr werde es sogar befördert, wenn durch Sparmaßnahmen das Vertrauen in die Volkswirtschaft insgesamt steigt, wie etwa Interner Link: Michael Hüther in seinem Interviewbeitrag argumentiert.

Keynesianisch orientierte Ökonominnen und Ökonomen befürchten hingegen, dass eine Austeritätspolitik, welche die Senkung des Haushaltsdefizits zum Zweck hat, kontraproduktiv sein kann. So argumentiert etwa Interner Link: Andrew Watt in seinem Debattenbeitrag, dass die Austeritätspolitik zum Rückgang des BIP in Griechenland beigetragen hat und daher die Schuldenstandquote gerade wegen des Versuchs, das Haushaltsdefizit zu senken, gestiegen ist.

Von einigen Ökonominnen und Ökonomen, darunter viele eher keynesianisch orientierte, wird gefordert, zur Senkung der Staatsverschuldung eine einmalige Vermögensabgabe oder dauerhafte Vermögensteuern auf hohe Privatvermögen zu erheben. So argumentiert etwa Interner Link: Sabine Reuter in ihrem Debattenbeitrag, dass reiche Privatpersonen stärker als bisher an den Kosten beteiligt werden sollten, die im Zuge der Rettungsaktionen für Banken und durch die Steuerausfälle während der Finanzmarktkrise 2008/2009 entstanden sind. Im Gegensatz dazu fordern andere Ökonomen, wie etwa Interner Link: Malte Fischer in seinem Debattenbeitrag, aus einer eher liberalen Perspektive, dass eine Vermögensteuer zu Unrecht alle diejenigen trifft, die in der Vergangenheit gespart und Vermögen aufgebaut haben. Stattdessen sollten im Zuge von Staatsbankrotten nur diejenigen Sparer belastet werden, welche den Staaten Geld geliehen haben und sich "zum Mittäter staatlicher Konfiskation" gemacht haben. Wieder andere argumentieren, dass in Zukunft eher noch eine deutlich höhere Staatsverschuldung nötig sein dürfte, weil die privaten Haushalte gerade in Deutschland so viel sparen und Nettogeldvermögen anhäufen möchten. Dies geht aber nur, wenn andere Sektoren sich verschulden. Wenn die privaten Unternehmen dies nicht tun und das Ausland wegen hoher Interner Link: Leistungsbilanzdefizite in der Vergangenheit bereits hoch verschuldet ist, bleibt nur noch der Staat, um die hohen Finanzierungsüberschüsse der privaten Haushalte aufzunehmen.

Staatsverschuldung im Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP)

Laut Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) soll die staatliche Schuldenstandquote in den Mitgliedsländern der EU nicht höher als 60 Prozent sein. Warum ausgerechnet 60 Prozent, und nicht 30 oder 100 Prozent?

Als in den 1990er Jahren die Interner Link: Maastricht-Kriterien in Vorbereitung des SWP entwickelt wurde, lag die Staatsverschuldung in Deutschland und Frankreich, den beiden größten Ländern der EU, bei etwa 60 Prozent. Man hielt es damals für realistisch, dass das nominale BIP-Wachstum mittelfristig bei etwa fünf Prozent pro Jahr liegen würde (was aus heutiger Sicht sehr optimistisch erscheint). Bei einem nominalen BIP-Wachstum von fünf Prozent pro Jahr kann der Staat dauerhaft ein Defizit von drei Prozent pro Jahr machen und gleichzeitig seine Schuldenstandquote bei 3/5 = 0,6 bzw. 60 Prozent konstant halten.

Didaktische Anwendung zum Thema

Weitere Inhalte

Till van Treeck ist Professor für Sozialökonomie an der Universität Duisburg-Essen. Er studierte Politik- und Wirtschaftswissenschaften in Lille, Münster und Leeds. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Einkommensverteilung aus gesamtwirtschaftlicher Sicht, Wirtschaftspolitik und (sozio-)ökonomische Bildung.