Frank OschmianskyStefan Sell Kathrin Schultheis Lena Becher
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Einige arbeitsmarktpolitische Instrumente zielen darauf ab, arbeitslose Menschen direkt in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Zum einen geschieht dies durch Zuschüsse zum Lohn, die an Arbeitgeber, aber auch an Arbeitnehmer geleistet werden. Zum anderen fördern Arbeitsagenturen und Jobcenter auch Existenzgründungen, wenn durch sie die Arbeitslosigkeit beendet werden kann oder durch sie Arbeitslosengeld II-Beziehende ihre Hilfebedürftigkeit verringern können.
Lohnkostenzuschüsse oder Lohnsubventionen, die an Arbeitgeber geleistet werden, sind lange bewährte arbeitsmarktpolitische Instrumente. Varianten gab es bereits im Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) von 1927. Lohnkostenzuschüsse sollen Arbeitgeber dazu bewegen, Personen einzustellen, die sie ohne Aussicht auf Förderung nicht eingestellt hätten, weil sie aufgrund von Vermittlungshemmnissen wie z.B. höherem Alter oder fehlender Berufserfahrung zunächst eine Minderleistung der Personen erwarten. Ziel des Instruments ist die Überwindung dieser Vermittlungshemmnisse, die in befürchteter oder tatsächlicher Minderleistung des Arbeitnehmers gesehen werden.
Die einzelnen Regelungen zu Lohnkostenzuschüssen wurden vielmals überarbeitet. Seit dem Übergang vom Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zum Sozialgesetzbuch III (SGB III) im Jahr 1998 firmieren die Lohnkostenzuschüsse unter dem Namen Eingliederungszuschüsse.
Ab 1998 existierte der Eingliederungszuschuss im SGB III zunächst in folgenden Varianten:
bei Einarbeitung (mit Variante für Berufsrückkehrer),
bei erschwerter Vermittlung und
für ältere Personen.
Im Oktober 2000 wurden vorher im Schwerbehindertengesetz geregelte Fördermöglichkeiten in das SGB III integriert. Seitdem ist der Eingliederungszuschuss für besonders betroffene Schwerbehinderte im SGB III gesetzlich verankert. Durch das 3. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz III) wurde mit Wirkung ab 1. Januar 2004 der Eingliederungszuschuss neu zugeschnitten und mit veränderten Förderkonditionen versehen. Die drei genannten Fördervarianten wurden durch einen Eingliederungszuschuss für Arbeitnehmer mit Vermittlungshemmnissen ersetzt, der jedoch erweiterte Förderkonditionen für die Zielgruppen Schwerbehinderte und sonstige behinderte Menschen sowie ältere Arbeitnehmer über 50 Jahren vorsieht.
Daneben wurden Eingliederungszuschüsse für verschiedene Personengruppen erprobt, die jeweils nach kurzer Dauer oder schlussendlich im Zuge der Instrumentenreform zum 1. April 2012 zusammengefasst wurden und teilweise weggefallen sind.
Abschaffung der Entgeltsicherung
Eine weitere Art von Lohnsubventionen stellte die Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer dar. Ziel dieses Instrumentes war es, älteren Arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmern ab 50 Jahren die Annahme einer geringer bezahlten Beschäftigung durch einen Zuschuss der Arbeitsagentur zu erleichtern. Gleichermaßen sollte verhindert werden, dass die Wiedereingliederungschancen mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit weiter absinken. Die Entgeltsicherung wurde durch das erste Hartz-Gesetz mit befristeter Gültigkeit ab Januar 2003 als neues Förderinstrument in das SGB III- Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt („Instrumentenreform“) in 2012 ist die Entgeltsicherung jedoch faktisch abgeschafft worden. Obwohl das IAB eine Weiterführung der Entgeltsicherung empfahl und auch in der CDU noch im Jahr 2010 ein Beibehalt der Entgeltsicherung für Ältere befürwortet wurde, entschloss sich die damalige Regierungskoalition aus CDU, CSU und FDP schließlich zu einer Abschaffung dieser Fördervariante. Die Entgeltsicherung ist im Vergleich zu anderen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten zur Förderung der Integration in den ersten Arbeitsmarkt nur wenig genutzt worden. Obgleich die Zahl der Neuanträge stetig anstieg, lag die Zahl der mit Entgeltsicherung geförderten Personen jährlich bis 2009 kontinuierlich unter 12.000.
Neufassung der Eingliederungszuschüsse
Seit dem 1. April 2012 wird im SGB III nunmehr lediglich zwischen zwei Eingliederungszuschüssen unterschieden: Dem Eingliederungszuschuss für Arbeitnehmer, deren Vermittlung in Arbeit „wegen in ihrer Person liegenden Gründen“ erschwert ist (§ 88 SGB III) und dem Eingliederungszuschuss für behinderte und schwerbehinderte Menschen (§ 90 SGB III).
Eine Besonderheit des Eingliederungsszuschusses ist die Nachbeschäftigungszeit. Sie stellt eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung des geförderten Arbeitnehmers für die Dauer des Förderzeitraums, längstens für zwölf Monate nach Auslaufen der Förderung dar. Der Arbeitgeber kann zur teilweisen Rückzahlung der erhaltenen Zuschüsse verpflichtet werden, wenn er den Arbeitnehmer während des Förderzeitraums oder der Nachbeschäftigungszeit kündigt und diese Kündigung vom Arbeitgeber zu vertreten ist, ohne dass "dringende betriebliche Erfordernisse" vorgebracht werden können.
Fördervoraussetzungen und Förderkonditionen
Die Eingliederungszuschüsse sind in den §§ 88ff. SGB III geregelt. §§ 88, 89 umfassen die Regelungen für den Eingliederungszuschuss für Arbeitnehmer, die aufgrund von „Gründen, die in ihrer Person liegen“ nur erschwert in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Für sie können Arbeitgeber einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt und zu den Beiträgen zur Sozialversicherung erhalten. Die Höhe errechnet sich an der zu erwartenden Minderleistung der Arbeitnehmer und kann bis zu 50 Prozent des Arbeitsentgelts zuzüglich der pauschalierten Beiträge zur Sozialversicherung betragen. Die Förderdauer beträgt maximal 12 Monate, bei Älteren ab 50 Jahren maximal 36 Monate. Letztere Regelung ist bis Ende 2023 befristet.
In § 90 SGB III sind die Fördervoraussetzungen und –konditionen zur Förderung der Einstellung von behinderten und schwerbehinderten Menschen festgehalten . Für sie kann der Eingliederungszuschuss länger, nämlich bis zu 24 Monate, und großzügiger (bis zu 70 Prozent des Arbeitsentgelts zuzüglich dem pauschalierten Anteil der Sozialversicherungsbeiträge) geleistet werden. Für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen (z. B. Langzeitarbeitslose oder Teilzeitbeschäftigte) kann der Eingliederungszuschuss für bis zu 60 Monate, für besonders schwer betroffene schwerbehinderte Menschen über 55 Jahre bis zu 96 Monate geleistet werden. Der Eingliederungszuschuss für behinderte und schwerbehinderte Menschen sinkt jedoch nach den ersten zwölf Monaten, bei besonders betroffenen schwerbehinderten Menschen nach 24 Monaten, um zehn Prozentpunkte jährlich bis auf 30 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts.
Eine Förderung mit Eingliederungszuschüssen ist in einigen Fällen ausgeschlossen. Gründe für den Ausschluss liegen nach § 92 SGB III vor, wenn
zu vermuten ist, dass der Arbeitgeber die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses veranlasst hat, um einen Eingliederungszuschuss für eine Neubesetzung zu erhalten oder
die Einstellung bei einem früheren Arbeitgeber erfolgen soll, bei dem der Arbeitnehmer während der letzten vier Jahre vor Förderungsbeginn mehr als drei Monate versicherungspflichtig beschäftigt war. Dies gilt nicht, wenn es sich um eine befristete Beschäftigung besonders betroffener schwerbehinderter Menschen handelt.
Die Fördermittel sind teilweise zurückzuzahlen, wenn das Beschäftigungsverhältnis während des Förderungszeitraums oder der Nachbeschäftigungszeit beendet wird. Die Zuschüsse müssen nicht zurückgezahlt werden, wenn
der Arbeitgeber berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus Gründen, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, zu kündigen,
eine Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigung im Betrieb entgegenstehen, berechtigt war,
die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf das Bestreben des Arbeitnehmers hin erfolgt, ohne dass der Arbeitgeber den Grund hierfür zu vertreten hat,
der Arbeitnehmer das Mindestalter für den Bezug der gesetzlichen Altersrente erreicht hat oder
der Eingliederungszuschuss für die Einstellung eines besonders betroffenen schwerbehinderten Menschen geleistet wird.
Seit Einführung des Förderinstruments 1998 nahm die Zahl der neuen geförderten Einstellungen mit Förderung durch Eingliederungszuschüsse insgesamt deutlich zu. Seit 2006 wurden jährlich mehr als 200.000 Einstellungen gefördert, 2007 bis 2009 lag die Zahl sogar bei über 250.000.
Lohnkostenzuschüsse für Langzeitarbeitslose
In der zweiten Hälfte der 2010er Jahre wurden im nun von der SPD geführten Arbeitsministerium zunehmend auch Lohnkostenzuschüsse für Langzeitarbeitslose im Bezug von Arbeitslosengeld II entwickelt. Anders als bei den Interner Link: Beschäftigung schaffenden Maßnahmen sollten die geförderten Arbeitsplätze nicht zusätzlich und gemeinnützig sein, sondern es handelte sich vielmehr um eine spezifische Förderung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen am ersten Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose. Grund hierfür war, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen in Deutschland zu diesem Zeitpunkt konstant über einer Million lag, während die Zahl der Kurzzeitarbeitslosen stetig abnahm. Langzeitarbeitslose gerieten daher stärker in den arbeitsmarktpolitischen Fokus.
Ein Novum bei diesen Förderungen war, dass die Lohnkostenzuschüsse flankiert wurden von einem beschäftigungsbegleitenden Coaching, dass die Beschäftigung der arbeitsmarktferneren Zielgruppe der Langzeitarbeitslosen stabilisieren sollte. Darüber hinaus zeichnen sich die Förderungen der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit für Langzeitarbeitslose auch quantitativ durch höhere und längere Lohnkostenzuschüsse aus.
Bundesprogramm zur Eingliederung langzeitarbeitsloser Leistungsberechtigter
Zum Jahresende 2014 verkündete die damalige Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) die Durchführung zweier Bundesprogramme für Leistungsbeziehende von Arbeitslosengeld II. Das Bundesprogramm zur Eingliederung langzeitarbeitsloser Leistungsberechtigter (ESF-LZA), das aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert werden solle, wurde ab dem 1. Mai 2015 umgesetzt. Es richtete sich an über 35-Jährige Beziehende von Arbeitslosengeld II, die seit mindestens zwei Jahren ohne Beschäftigung waren und über keinen (verwertbaren) Berufsabschluss verfügten. Neuzuweisungen in das Programm waren noch bis zum 31.12.2017 möglich . Noch bestehende Fälle im ESF-Bundesprogramm befinden sich derzeit in der Restabwicklung.
Die Förderungen des Bundesprogramms bestanden im Wesentlichen aus degressiven (abfallenden) Lohnkostenzuschüssen an die Arbeitgeber, die jedoch ergänzt wurden durch Mobilitätshilfen, Förderungen von Qualifizierungsmaßnahmen und einem beschäftigungsbegleitenden Coaching. Zudem wurden in den Jobcentern mit den ESF-Mitteln neben den Jobcoaches auch Betriebsakquisiteure beschäftigt, die neue Arbeitsplätze für die Teilnehmenden des Bundesprogrammes erschließen sollten.
Innerhalb des Bundesprogramms gab es zwei Fördervarianten, die sich in Höhe und Dauer unterschieden: die Normalförderung und die Intensivförderung. Für letztere mussten die Geförderten mindestens fünf Jahre lang beschäftigungslos gewesen sein. Außerdem musste neben dem fehlenden Berufsabschluss ein weiteres, in der Person liegendes Vermittlungshemmnis, wie z.B. Alter über 50 Jahren, gesundheitliche Einschränkungen, fehlender Schulabschluss, vorliegen.
QuellentextAndrea Nahles (SPD)
"Eine hohe Beschäftigungsquote erreichen wir aber nur, wenn wir wirklich allen – ich betone: allen – eine Chance geben. Deswegen nehme ich die Kritik der OECD ernst, die sich auf die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit in Deutschland bezieht. Das, was wir hier sehen, kann uns nicht zufriedenstellen: Wir haben die Langzeitarbeitslosigkeit in diesem Land zwischen 2006 und 2009 um 40 Prozent absenken können, aber seither stagniert sie. Wir kommen hier nicht voran. Die Langzeitarbeitslosigkeit betrifft nicht immer dieselben Menschen. Aber von der Zahl von circa einer Million Menschen kommen wir nicht herunter.
Es ist für mich eine Zukunftsfrage, wie wir die vorhandenen Mittel effizient einsetzen, um Spielräume zu schaffen, damit wir von Passivleistungen wegkommen hin zu einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik, also hoher Beschäftigung statt verfestigter Arbeitslosigkeit. Hierfür stehen uns rund 900 Millionen Euro zur Verfügung. Mit diesem Geld eröffnen sich gute Möglichkeiten und Chancen für den Einzelnen. Das Programm soll dazu beitragen, gezielt Arbeitgeber anzusprechen, ein intensives Coaching zu ermöglichen und teilweise auch Lesen, Schreiben und Grundrechenarten überhaupt wieder so weit zu vermitteln, dass ein Einstieg in die Arbeitswelt möglich wird." Externer Link: Rede der Bundesministerin für Arbeit und Soziales a.D., Andrea Nahles, zum Haushaltsgesetz 2015 vor dem Deutschen Bundestag am 11. September 2014 in Berlin.
Ursprünglich kündigte das BMAS eine Zielgröße von etwa 30.000 Teilnehmenden an. Es zeigte sich jedoch schnell, dass Eintritte ins Programm während des ersten Jahres der Laufzeit eher schleppend vorangingen. Diese Dynamik veränderte sich ab dem zweiten Quartal 2016 nach einer Lockerung der Zugangsvoraussetzung und damit einer Erweiterung der Zielgruppe. Während der Programmlaufzeit wurden die Kriterien für Förderungen im Bundesprogramm zuerst 2016 und anschließend Anfang 2017 gelockert. Detaillierte Informationen zu den Änderungen finden sich beispielsweise in der Externer Link: Evaluation des BMAS.
Für das ESF-Bundesprogramm zeigte sich, dass die Erweiterungen der Zielgruppe zwar insgesamt zu einem Anstieg der Zuweisungen führten, das Programm aber aus quantitativer Sicht hinter den Erwartungen zurückblieb. Die ursprünglich anvisierte Zahl der Teilnehmenden von bis zu 30.000 Personen wurde zu keinem Zeitpunkt erreicht. Ein weiterer Kritikpunkt am ESF-Bundesprogramm bildete sich schließlich in Form der zahlreichen Programmabbrüche heraus. Knapp ein Drittel der Geförderten schied vorzeitig aus der Förderung aus. Die Gründe dafür sind nicht abschließend evaluiert worden, allerdings zeigte sich, dass die Abbrüche in der überwiegenden Mehrheit der Fälle aufgrund von Kündigungen durch den Arbeitgeber zustande kamen. Auch die Struktur der Teilnehmenden wurde kritisiert, da Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund unter den Teilnehmenden unterrepräsentiert waren.
Eingliederung von Langzeitarbeitslosen
In der Jahresmitte 2018 wurden konkrete Vorschläge des Arbeitsministeriums bekannt, den arbeitsmarktpolitischen Förderkatalog im SGB II erneut zu reformieren. In der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Entwurfsfassung des schließlich am 09.11.2018 beschlossenen Teilhabechancengesetztes (THCG) wurde die Einführung von zwei neuen Regelinstrumenten unter dem Konzepttitel „MitArbeit“ skizziert. Diese sollten auch die beiden auslaufenden Bundesprogramme ersetzen, darunter auch das ESF-Bundesprogramm . Das schließlich als Eingliederung von Langzeitarbeitslosen (EVL) benannte Instrument wies einige Parallelen zum ESF-Bundesprogramm auf, war jedoch eine Neufassung des ehemaligen §16e SGB II, der zuvor die Förderung von Arbeitsverhältnissen (FAV) festlegte. Förderungen in der EVL waren ab dem 1. Januar 2020 möglich.
Interessant ist, dass die Neufassung des §16e nun der Kategorie „Förderung der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit“ zugeordnet wurde, während die FAV ein Instrument der Kategorie „Beschäftigung schaffende Maßnahmen“ sind (weitere Informationen zu den FAV finden Sie im Kapitel Externer Link: Beschäftigung schaffende Maßnahmen. Diese Unterscheidung verdeutlicht die Absicht des Gesetzgebers, möglichst „echte“ Arbeitsverhältnisse zu fördern, die eine nachhaltige Brücke in den ersten Arbeitsmarkt darstellen.
Ein weiteres Anliegen bei der Neugestaltung von §16e SGB II war, die Auswahl der Teilnehmenden möglichst einfach zu gestalten. Deshalb wurden als Zugangskriterien lediglich (1) zweijährige Arbeitslosigkeit nach den Regelungen in §18 SGB III festgelegt, während derer (2) trotz vermittlerischer Unterstützung keine Integration in Arbeit erreicht wurde. Als Beispiele für vermittlerische Unterstützung sind der Einsatz von Fördermaßnahmen durch die öffentliche Arbeitsvermittlung, aber auch der Einsatz von Vermittlungsvorschlägen und anschließende fehlgeschlagene Bewerbungsbemühungen durch die arbeitslose Person zu werten.
Wie auch im ESF-Bundesprogramm fördert die EVL die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mit degressiv ausgestalteten Lohnkostenzuschüssen. Ebenfalls wird auch in der EVL ein beschäftigungsbegleitendes Coaching angeboten, dessen Umfang aber – anders als im ESF-Bundesprogramm – individuell festgelegt wird. Ein Unterschied findet sich außerdem darin, dass für in der EVL geförderte Arbeitsverhältnisse keine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung besteht. Dies führt dazu, dass Beschäftigte während der Förderung keine Versicherungsansprüche in der Arbeitslosenversicherung erwerben und auch somit bei Verlust der Beschäftigung ausschließlich Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in Anspruch nehmen können.
Im Jahr 2019, dem ersten Jahr nach der Einführung der EVL, verzeichnete die BA-Statistik über 10.000 Neuzuweisungen in das Instrument. Zum Jahresende 2019 verlangsamte sich zunächst – vermutlich saisonbedingt – die Anzahl der Neuzugänge. Schließlich führte auch die Pandemie des neuartigen Coronavirus COVID-19 und der damit verbundene Einbruch der Konjunktur in Deutschland auch zu einem Einbruch der Zuweisungen. Allerdings zeigten sich die geförderten Arbeitsverhältnisse als relativ krisenfest, sodass sich auch im Juni 2020 noch knapp 11.000 Personen in einem mit der EVL geförderten Beschäftigungsverhältnis befanden. Dies ist ohne Zweifel auch dem Umstand geschuldet, dass die geförderten Arbeitsverhältnisse für Unternehmen relativ kostengünstig sind. Ursprüngliche Befürchtungen, dass die Pandemie zu massenhaften Entlassungen im Bereich der bezuschussten Arbeitsverhältnisse führen würden, haben sich also bislang noch nicht bestätigt.
Pro und Contra zu Lohnkostenzuschüssen
Pro
Das Hauptargument für den Einsatz von Lohnkostenzuschüssen ist offenkundig: Mit ihnen ist zwingend die unmittelbare Aufnahme einer Erwerbstätigkeit am ersten Arbeitsmarkt und die Beendigung von (Langzeit-)Arbeitslosigkeit verbunden.
In den Jahren 2006 und 2007 kamen die Hartz-Evaluation und das IAB in Bezug auf die Eingliederungszuschüsse zum Ergebnis, dass eine Förderung mit Eingliederungszuschüssen sich positiv auf die Beschäftigungsdauer der Geförderten auswirkt. Geförderte sind nach Auslaufen der Förderung/Nachbeschäftigungsfrist deutlich öfter regulär beschäftigt und seltener arbeitslos als vergleichbare andere Arbeitslose. Dies gilt für Frauen noch stärker als für Männer. Auch für Personen, die nach der Nachbeschäftigungsfrist erneut arbeitslos werden, ist ein Übergang in eine ungeförderte Beschäftigung 66,7 Prozent (Männer) bzw. 51,9 Prozent (Frauen) höher als für Arbeitslose, die in der Vergangenheit keine Fördermaßnahme erhalten haben.
Ende 2011 gelangten Forscher des IAB und IAQ zu dem Schluss, dass der Eingliederungszuschuss außerdem ein probates Mittel zur Förderung der Einstellung von Personen ist, deren Vermittlung in Erwerbstätigkeit sich schwierig gestaltet. Gerade dieser Umstand führt dazu, dass Lohnkostenzuschüsse seit Jahrzehnten einen festen Platz im Förderkatalog der Arbeitsmarktpolitik haben. Dieses Argument wird durch zahlreiche Evaluationen dahingehend untermauert, dass Lohnkostenzuschüsse am häufigsten zu einer nachhaltigen Integration in den Arbeitsmarkt führen.
QuellentextHubertus Heil (SPD)
Wir alle haben in den letzten 30 Jahren Erfahrungen mit arbeitsmarktpolitischen Instrumenten gemacht, gute und schlechte. Aber in Bezug auf langzeitarbeitslose Menschen haben uns die Praktiker vor Ort in den Jobcentern immer eines ins Stammbuch geschrieben: Glaubt nicht, dass ihr mit kurzatmigen Maßnahmen oder mit Scheinbeschäftigung Menschen, die lange draußen sind, wirklich wieder in Arbeit bringt! […] Dabei geht es um längerfristige Perspektiven und nicht um kurzatmige Maßnahmen. Wer lange draußen ist, braucht Hilfe, wieder hereinzukommen. Externer Link: Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in der ersten Lesung des Teilhabechancengesetzes im Bundestagsplenum am 11. Oktober 2020
Allerdings zählen Lohnkostenzuschüsse eher nicht zu niedrigschwelligen Fördervarianten, da die geförderten Beschäftigungsverhältnisse noch relativ hohe Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten stellen. Auch mit einem Lohnkostenzuschuss muss sich der Einsatz der beschäftigten Person aus Arbeitnehmersicht lohnen. Während der Hartz-Evaluationen stellten die Forschenden fest, dass Eingliederungszuschüsse zwar kurzfristig eine leicht positiv, mittelfristig aber kaum eine zusätzliche Wirkung auf die Arbeitsmarktergebnisse der Geförderten hatten.
Die Förderlogik der Lohnkostenzuschüsse ist daher gerade auch bei den neuen Instrumenten derart gestaltet, dass mit der fortschreitenden Zeit der Beschäftigung von einer zunehmenden Leistungsfähigkeit auszugehen ist. Dies spiegelt etwa die abfallende Ausgestaltung der Lohnkostenzuschüsse in der EVL und im ESF-Bundesprogramm wider. Lohnkostenzuschüsse verfolgen das Ziel, die Beschäftigungsfähigkeit und die Leistungsfähigkeit einer zuvor arbeitslosen Person in einem laufenden Beschäftigungsverhältnis wiederherzustellen und im Idealfall ein Arbeitsverhältnis zu schaffen, dass auch nach Auslauf der Förderung Bestand hat. Da die Evaluation des ESF-Programms gezeigt hat, dass Arbeitsverhältnisse gerade während der Anfangszeit der Förderung am instabilsten sind, setzen die neuen Instrumente auch auf die Begleitung durch einen Jobcoach.
QuellentextIAB
Durch die Dauer der Förderung, die weite Fassung des Arbeitszeitmodells und die begleitende Betreuung bestehen gute Aussichten, dass die geförderten Beschäftigungsverhältnisse nicht aufgrund einer Überforderung einzelner Geförderter abgebrochen werden müssen. Während der auch im SGB II einsetzbare Eingliederungszuschuss des SGB III sich an Personen richtet, die unmittelbar eine gewisse Produktivität mitbringen und nach einem Jahr in der Lage sein sollten, eine ungeförderte Beschäftigung auszuüben, ermöglicht die geplante Revision der Förderung nach § 16e SGB II somit einen weicheren Übergang und könnte für eine etwas arbeitsmarktfernere Klientel in Frage kommen als ein EGZ.
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen im Ausschuss für Arbeit und Soziales in Berlin am 05. November 2018
Gegen den Einsatz von Lohnkostenzuschüssen spricht nach wie vor die vielfach festgestellte negative fiskalische Bilanz. Obwohl bisherige Studien zeigten, dass sich die Löhne von geförderten und ungeförderten Arbeitnehmern nicht unterscheiden, ergab die Effizienzanalyse eindeutig negative Ergebnisse: Die eingesetzten Kosten für Lohnkostenzuschüsse konnten nicht durch nicht zusätzliche Einnahmen (z.B. aus gezahlter Lohnsteuer) und fiskalischer Entlastung (z.B. geringerer Ausgaben für passive Sozialleistungen) aufgefangen werden konnten. Die berechneten fiskalischen Erträge waren stets negativ.
Kritiker von Lohnkostenzuschüssen führen zumeist zwei grundsätzliche Argumente gegen ihren Einsatz an: Erstens seien Lohnkostenzuschüsse nicht zielgerichtet, um arbeitsmarktferne Personen in Beschäftigung zu integrieren, weil sie zu häufig Personen förderten, die auch ohne die Förderung Arbeit aufgenommen hätten. So fanden die Autoren der Hartz-Evaluationen Hinweise auf Mitnahme, Substitutions- und Verdrängungseffekte. Mitnahmeeffekte liegen vor, wenn Arbeitgeber die geförderte Person auch ohne Förderung eingestellt hätten. Substitutions- und Verdrängungseffekte treten auf, wenn geförderte Erwerbspersonen die Einstellung ungeförderter Personen verdrängen. Schwedische Studien schätzen die Verdrängungseffekte von subventionierter Arbeit auf 65-70 Prozent. Auch frühere deutsche Studien betonten hohe Mitnahmeeffekte, die auch nach Selbsteinschätzung der Betriebe beträchtlich sind.
Zweitens würden sie nicht zu einer nachhaltigen Integration in den Arbeitsmarkt führen, sondern im Gegenteil Einsperreffekte zufolge haben. Letzteres Argument ist jedoch eher eine allgemeine Kritik an geförderten Beschäftigungsverhältnissen und richtet sich eher an Förderungen im Bereich der Beschäftigung schaffenden Maßnahmen. Derzeit wird der Einsatz von Lohnkostenzuschüssen per se jedoch nur noch selten infrage gestellt.
So zeigten sich sowohl Arbeitgeberverbände, als auch Wohlfahrtsverbände und geladene Experten in der Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales zum Teilhabechancengesetz offen für die neuen Förderungen in der Eingliederung von Arbeitslosen. In den Lesungen des Gesetzes im Bundestag wurde überdies deutlich, dass sich die Kritik nur gegen Spezifika der Neufassung richtete, nicht aber gegen Lohnkostenzuschüsse im Allgemeinen. Elemente, die beispielsweise vom Zentralverband des Deutschen Handwerks e.V. und von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände negativ bewertet wurden, waren das Fehlen eines Mindestalters, sowie eine Prüfung von individueller in der Person liegender Vermittlungshemmnisse. Nach Auffassung dieser Verbände müsse der Einsatz von Lohnkostenzuschuss eine Ultima Ratio, ein letztes Mittel, der Arbeitsmarktpolitik darstellen. Daher sei vor allem für jüngere Arbeitslose der Erwerb beruflicher Qualifikationen vorrangig. Dennoch zeigte sich, insbesondere zur öffentlich geförderten Beschäftigung des ebenfalls im Teilhabechancengesetz beschlossenen Instruments „Teilhabe am Arbeitsmarkt“, dass der Einsatz von Lohnkostenzuschüssen grundsätzlich breite Akzeptanz über Partei- und Verbandsgrenzen hinweg finde.
QuellentextBundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
„Die Integration von Langzeitarbeitslosen in Unternehmen der Privatwirtschaft ist eine wichtige Zielsetzung. Viele Betriebe sind offen, auch langzeitarbeitslosen Bewerbern eine Chance zu geben. Lohnkostenzuschüsse können hier helfen Produktivitätsrückstände auszugleichen. […] Bei beiden Instrumenten (§§ 16e und 16i SGB II-E) sollte die Höhe des Arbeitsentgeltzuschusses an eine auszugleichende Minderleistung gekoppelt werden, die regelmäßig überprüft werden sollte. Die Minderleistung nicht zu überprüfen, führt vielleicht dazu, dass das Verfahren vereinfacht wird, aber auch zu erheblichen Mitnahmeeffekten und dazu, dass Personen ohne diesen Förderbedarf dauerhaft in geförderter Beschäftigung verharren, die mit einer individuellen Beratung, Vermittlung und Unterstützung auf dem ersten Arbeitsmarkt hätten Fuß fassen können (Lock-In-Effekt).“
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen im Ausschuss für Arbeit und Soziales in Berlin am 05. November 2018
Die Förderung von Existenzgründungen ist in Deutschland ein vergleichsweise junges Instrument der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Seit 1986 ist es möglich, Personen, die aus der Arbeitslosigkeit heraus eine selbständige Existenz gründen wollen, aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung zu fördern. Die Arbeitsagenturen und Jobcenter leisten dabei finanzielle Unterstützung, um die Anlaufphase von Existenzgründungen zu erleichtern. Das entsprechende arbeitsmarktpolitische Instrument war zunächst das Überbrückungsgeld (Übg). Mit dem Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz II) war Anfang 2003 mit dem Existenzgründungsschuss (ExGZ, auch „Ich-AG“) ein weiteres Förderinstrument für gründungswillige Arbeitslose hinzugekommen. Mit der so genannten „Ich-AG“ (gekürt zum „Unwort des Jahres“ 2002) sollte die "kleine Selbstständigkeit" gefördert, Arbeitslose in Beschäftigung gebracht und ein Beitrag zur Reduzierung der Schwarzarbeit geleistet werden. Deutlichster Unterschied der „Ich-AG“ gegenüber dem Überbrückungsgeld war, dass sich die Gründung einer Ich-AG hinsichtlich der Fördervoraussetzungen und -konditionen vor allem für ehemals Geringverdienende lohnte.
Nach Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II im Jahr 2005 wurde weder das Überbrückungsgeld noch der Existenzgründungszuschuss als Förderinstrument in das SGB II übernommen. Für Arbeitslosengeld II-Beziehende wurde das Einstiegsgeld (ESG) als eigenes Förderinstrument zur Existenzgründungsförderung geschaffen.
Zum 1. August 2006 sind Überbrückungsgeld und Existenzgründungszuschuss abgeschafft und durch den Gründungszuschuss (GZ) ersetzt worden. In seinen Fördervoraussetzungen und -konditionen ähnelt der Gründungszuschuss dem Überbrückungsgeld. Seither ist die Förderung einer Existenzgründung für Beziehende von Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II jeweils mit nur noch einem Förderinstrument möglich.
Fördervoraussetzungen und Förderkonditionen
Heute sind noch drei Leistungen zur Förderung der Existenzgründung von arbeitslosen Personen vorgesehen: Personen mit Anspruch auf Arbeitslosengeld können einen Gründungszuschuss (§ 93 SGB III, ehemals § 57 SGB III) erhalten. Arbeitslosengeld II-Beziehende können Einstiegsgeld (§ 16b SGB II) und Leistungen zur Eingliederung von Selbstständigen (§16c SGB II) erhalten. Die Instrumente unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Zielgruppe, ihrer angestrebten Wirkung sowie der Förderdauer und -höhe deutlich voneinander:
Der Gründungszuschuss zielt auf die Förderung einer selbstständigen Vollzeittätigkeit ab. Dies wird deutlich durch die vergleichsweise kurze Förderdauer und die Förderung mit hohen Zuschüssen. Überbrückungsgeld und Gründungszuschuss waren bzw. sind dem Äquivalenzprinzip entsprechend an die Höhe des zuletzt bezogenen Arbeitslosengelds gekoppelt. Das Einstiegsgeld, wird entsprechend der individuellen Lebenslage der/des Arbeitslosen gewährt. Gesetzlich sind keine Regelungen hinsichtlich der Förderhöhe festgehalten worden. Per Rechtsverordnung ist ein gestaffeltes Bemessungssystem erlassen worden, das eine Förderung in Abhängigkeit von der Familienstruktur der Leistungsberechtigten vorsieht. Das Einstiegsgeld darf dabei den Regelsatz nach § 20 SGB II nicht überschreiten.
Eine zusätzliche Fördervariante für erwerbsfähige Leistungsberechtigte im SGB II-Bezug ergibt sich aus den Leistungen zur Eingliederung von Selbstständigen nach §16c SGB II. Hierbei handelt es sich – im Gegensatz zum Gründungszuschuss und Einstiegsgeld – um Einmalleistungen. Bezuschusst können sowohl die Anschaffung von notwendigen Sachgütern, als auch Beratungs- und Vermittlungsleistungen durch Dritte. Ausgeschlossen hiervon ist die Vermittlung von beruflichen Kenntnissen.
Wirkungen
Von Anfang der 1990er Jahre bis zur Mitte der 2000er Jahre stieg die Zahl der BA-geförderten Existenzgründungen in Deutschland an. Mit der Abschaffung von Überbrückungsgeld und Existenzgründungzuschuss ging die Zahl der geförderten Existenzgründungen deutlich zurück. Die Zahl der mit Gründungszuschuss geförderten Existenzgründungen entspricht in etwa der Anzahl der mit Überbrückungsgeld geförderten Neugründungen. Insgesamt lässt sich konstatieren, dass die Beendigung von Arbeitslosigkeit durch Existenzgründung bis Mitte der 2000er Jahre zunehmend an Bedeutung gewann. Von 2007 bis 2011 stagnierte die Anzahl der geförderten Existenzgründungen auf etwa gleichbleibendem Niveau.
Im Jahr 2012 gab es im Vergleich mit den Vorjahren einen starken Rückgang der geförderten Existenzgründungen. Diese Entwicklung lässt sich auf die Wandlung des Gründungszuschusses von einer Pflichtleistung in eine Ermessensleistung zurückführen. Seit 2015 nahmen die Förderungen der Selbstständigkeit jedes Jahr ab und lagen 2019 nur noch bei rund 33.000. Diese Entwicklung lässt sich unter Umständen auch mit der sehr guten Konjunkturentwicklung und Arbeitsmarktlage in Deutschland erklären, die die Aufnahme einer selbstständigen im Verhältnis zu einer abhängigen Beschäftigung weniger attraktiv wirken lässt.
Überbrückungsgeld und Existenzgründungszuschuss sind umfangreich evaluiert worden. Der Existenzgründungszuschuss wurde von Frauen und Männern entsprechend der Geschlechterverteilung aller Arbeitslosen beantragt: Etwa 40 Prozent der mit Existenzgründungszuschuss geförderten Personen waren weiblich, während Frauen in anderen Förderungen der Selbstständigkeit unterrepräsentiert waren. Mit dem Existenzgründungszuschuss wurden neue Zielgruppen erreicht, die vorher vom BA-geförderten Gründungsgeschehen ausgeschlossen waren.
Für Überbrückungsgeld und Existenzgründungszuschuss wurde eine nachhaltige Wirkung festgestellt. Für Förderungen mit Überbrückungsgeld ließ sich zudem eine positive Bilanz hinsichtlich neu geschaffener Arbeitsplätze ziehen: Je 100.000 geförderte Existenzgründungen konnten etwa 80.000 Vollzeitstellen geschaffen werden. Mitnahmeeffekte – also der Anteil derer, die ihre Existenzgründung auch ohne BA-Förderung verfolgt haben und bei denen die Förderung vermutlich keine Auswirkung auf Erfolg oder Misserfolg hat, wurden für Förderungen der Selbstständigkeit mit Gründungszuschuss nicht in großem Maße festgestellt.
Für die Förderung mit Einstiegsgeld ließ sich erneut feststellen, dass Männer überproportional profitieren. Gleichförmig zu den übrigen Förderinstrumenten wird auch das Einstiegsgeld überwiegend von Personen mittleren Alters beansprucht (über 80 Prozent), wenig von Älteren und noch seltener von Jüngeren unter 25 Jahren. Höherqualifizierte profitieren ebenfalls überproportional vom Einstiegsgeld. Der Großteil der mit ESG geförderten Unternehmensgründer hat zwar einen formal niedrigen Bildungsabschluss, im Verhältnis zu ihrem Anteil am Arbeitslosenbestand werden sie jedoch unterproportional häufig gefördert. Gleiches lässt sich für die Gründungsförderung mit Einstiegsgeld von Migranten sagen: Sie werden überproportional häufig gefördert. Nach Ablauf des Förderzeitraums zeigt sich, dass mit Einstiegsgeld geförderte Personen seltener arbeitslos sind als Personen einer Vergleichsgruppe.
Pro und Contra
Die Gesetzesänderungen hinsichtlich einer Neugestaltung des Gründungszuschusses in 2011 sind von SPD und Bündis90/Die Grünen im Vorfeld stark kritisiert worden. Beide Parteien sprachen sich vorab gegen eine Umwandlung der Pflichtleistung in eine Ermessensleistung aus. Auch die inhaltliche Neugestaltung unterstützten sie nicht. Arbeitgeberverbände begrüßten hingegen die Neugestaltung des Gründungszuschusses. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, der Deutsche Industrie- und Handwerkertag und der Zentralverband des Deutschen Handwerks befürworteten den geplanten restriktiven Umgang mit dem Förderinstrument. Sie begründeten ihre Position damit, dass durch die neuen Gesetzesvorschriften Mitnahmeeffekte verringert und Gründungen zielgenauer gefördert werden können.
Aus Sicht der Bundesregierung wurde die Reform des Gründungszuschusses unter anderem damit begründet, dass sich viele Arbeitslose auch ohne Förderung selbständig gemacht hätten, dass es also Mitnahmeeffekte gegeben hat. Mit der Reform des Gründungszuschusses durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt verspricht sich die Bundesregierung zudem massive Einsparungen im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Die Bundesagentur für Arbeit muss im Rahmen des von der Bundesregierung im Juni 2010 beschlossenen Zukunftspaktes Effizienzsteigerungen und strukturelle Einsparungen haushaltswirksam werden lassen. Dazu sollen beim Gründungszuschuss bis 2015 jährlich über eine Milliarde Euro eingespart werden.
Auch Arbeitnehmer- und Gründungsverbände standen den Änderungen kritisch gegenüber. Der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Arbeitnehmerkammer Bremen, der Verband Deutscher Gründungsinitiativen e.V. und auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege lehnten die Kürzungen und restriktivere Förderung von Unternehmensgründungen mit dem Gründungszuschuss ab. Sie begründeten dies damit, dass die Gesetzesänderungen vorrangig Kosteneinsparungen bewirken sollten und die Bedeutung der Unternehmensgründungen aus der Arbeitslosigkeit heraus für die Wirtschaft verkannt werden würde.
Insgesamt ist auffällig, dass es sich bei allen aktuellen Fördervarianten um Ermessensleistungen handelt und kein Rechtsanspruch auf eine Förderung der Selbstständigkeit besteht. Es ist aufgrund der sehr guten Arbeitsmarktlage in den vergangenen Jahren jedoch davon auszugehen, dass dieses verringerte Angebot an Förderungen selbstständiger Beschäftigung mit einem gesunkenen Interesse an Existenzgründungen zusammenfällt. Die Diskussion um Existenzgründungen hat erst Ende der 2010er Jahre erneut an Fahrt aufgenommen, ist nun inhaltlich aber anders akzentuiert. Im Dezember 2018 gab das Bundesministerium für Wirtschaft Energie in einer Externer Link: gemeinsamen Erklärung mit dem Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) die „Gründungsoffensive“ bekannt. Im Vordergrund dieser Initiative werden Existenzgründungen jedoch nicht mehr im Hinblick auf ihre arbeitsmarktpolitischen, sondern auf ihre wirtschaftlichen Effekte und ihr Innovationspotenzial kontextuiert.
Frank Oschmiansky ist Diplom Politologe und Partner in der Partnerschaftsgesellschaft ZEP – Zentrum für Evaluation und Politikberatung. Seine Forschungsschwerpunkte sind Implementation und Evaluation der Arbeitsmarktpolitik; Geschichte der Arbeitsmarktpolitik; atypische Beschäftigungen; Entwicklung der Sozialpolitik und Übergangssystem Schule-Beruf.
ist Professor für Volkswirtschaftslehre, Sozialpolitik und Sozialwissenschaften an der Hochschule Koblenz. E-Mail Link: sell@hs-koblenz.de
Kathrin Schultheis ist Sozialwissenschaftlerin und war von 2012 bis 2015 am Institut für Bildungs- und Sozialpolitik (IBUS) der Hochschule Koblenz beschäftigt. Seit August 2015 ist sie als Projektleiterin für das ESF-Bundesprogramm "Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier" am Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung tätig.
ist Politikwissenschaftlerin, seit Juni 2020 Beraterin in der Abteilung Arbeitsgestaltung und Fachkräftesicherung bei der G.I.B. mbH. Zuvor war sie von April 2017 bis Mai 2020 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozialpolitik und Arbeitsmarktforschung der Hochschule Koblenz (ISAM) und verantwortliche Redakteurin von Externer Link: O-Ton Arbeitsmarkt.